WÄRMEÜBERGANGSBEDINGUNGEN AN WERKZEUGMA- SCHINENWÄNDEN
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- Claus Maier
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1 WÄRMEÜBERGANGSBEDINGUNGEN AN WERKZEUGMA- SCHINENWÄNDEN U. Heisel, G. Popov, T. Stehle, A. Draganov 1. Einleitung Die Arbeitsgenauigkeit und Leistungsfähigkeit von Werkzeugmaschinen hängt zum einen von der Genauigkeit und Kinematik der unbelasteten Maschine und zum anderen vom Verhalten der Maschine unter Last ab. Neben statischen und dynamischen Einflüssen wird das Maschinenverhalten nicht zuletzt durch innere und äußere Wärmequellen beeinflusst. Die seit jahrzehnten bestehende Aktivität thermischer Fragestellungen in Bezug auf die Arbeitsgenauigkeit von Werkzeugmaschinen zeigt sich in einer Vielzahl durchgeführten Arbeiten und erschienener Veröffentlichungen. Obwohl in diesem Fachgebiet schon viele Erfahrungen gesammelt sowie Lösungsansätze erarbeitet werden könnten, ist das Problem thermischer Verformungen bis zum heutigen Tag aktuell geblieben. Die Entwicklungstendenzen bei spanenden Werkzeugmaschinen zu immer höeren Schnittgeschwindigkeiten und Antriebsleistungen (z.b. durch den Einsatz der Linearderektantriebstechnik) bei Realisierung hoher Bearbeitungsgenauigkeiteiten sowie der Entwicklung neuer Maschinenkinematiken (Parallelkinematiken) verstärken die Aktualität dieser Thematik. Der Einsatz von modernen Berechnungsmethoden, wie beispielsweise die Finite- Elemente-Methode, erlaubt eine detaillierte Abschätzung der Parameter von Maschinen durch Simulation bereits in der Konstruktionsphase. Die Möglichkeit, das Verhalten einer Werkzeugmaschine bereits in der Projektierungs- und Konstruktionsphase vorausbestimmen zu können, stellt die theoretische Voroptimierung und Auslegung der Konstruktion in der Vordergrund und reduziert somit die für die Entwicklung, Konstruktion und Auslegung anfallenden Zeiten und Kosten [1]. Bezüglich der Berechnung der wirkenden Temperaturfelder und der sich daraus einstellenden thermisch bedingten Verformungen ist es aber notwendig, die entsprechenden thermischen Randbedingungen zu kennen. Darunter werden u.a. die wirkenden Wärmeübergangsbedingungen zwischen den Werkzeugmaschinenkomponenten und der Umgebung in Form von freier und erzwungener Konvektion, sowie Strahlung verstanden. Im vorliegenden Bericht werden die untersuchten Wärmeübergangsbedingungen an Werkzeugmaschinenwänden und der Umgebung bei freier Konvektion dargestellt sowie die daraus abgeleiteten kriterialen Gleichungen und ihre Integration in eine Wissensdatenbank beschrieben. Das Ziel der Arbeit bestand in der Schaffung eines Informationssystems für thermische Randbedingungen zur Berechnung des thermischen Verhaltens von Werkzeugmaschinen mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode. 2. Messaufbau für die Untersuchung von Wärmeübergangsbedingungen bei freier Konvektion Die experimentellen Untersuchungen wurden an einem speziell entwickelten Prüfstand durchgeführt (Abb. 1a). Durch die stufenlose Regulierung der Heizleistung der verwendeten elektrischen Wärmequellen 2 und 4 (Abb. 1b) wird ein Gleichgewicht der beiden Wärmeströme an der Isolierplatte 3 erreicht. Dadurch kann die gesamte Wärme, die von dem Hitzdraht 4 gebildet wird, durch die Platte 5 in die Umgebung übertragen werden. Dadurch 1
2 ist die Dichte der jeweiligen Wärmeströme bei den durchzuführenden Messungen genau festgelegt, so das die entsprechenden Wärmeübergangskoeffizienten α durch Konvektion zwischen Wand und Umgebung bestimmt werden können. Der Neigungswinkel der Grenzfläche θ kann ebenfalls stufenlos im Bereich von eingestellt werden (Abb. 1c). Mit dem verwendeten Prüfstand kann darüber hinaus der Einfluss von 6 verschiedenen Rippenarten untersucht werden. Alle Untersuchungen wurden in einem Thermoraum mit konstanter Umgebungstemperatur von 20 ± 0,1 C durchgeführt. Bei den Messungen wurde der erfolgte Wärmeaustausch durch Strahlung speziell berücksichtigt, sodass die damit korrigierten Messergebnisse nur noch die reine Konvektion beinhalten. Die aus der Messungen ermittelten Wärmeübergangszahlen α wurden mit Hilfe der Ähnlichkeitstheorie weiter bearbeitet, mit dem Ziel der Erlangung von kriterialen Gleichungen. Die Anwendung der Regressionsanalyse führte für laminare Strömung zu der Gleichung Nu = C.Ra 0,25 und für turbulente Strömung zu Nu = C.Ra 0,33 [2]. Wie aus der Literatur sowie aus eigenen Untersuchungen bekannt, liegen die Raley- Zahlen bei Werkzeigmaschinenwänden im Bereich von Ra = Daher wurden alle experimentellen Untersuchungen in diesem Bereich durchgeführt. t I t II L 1 a) b) q=0 q=+45 q= 90 c) Abb. 1: Prüfstand zur Untersuchung der Wärmeübergangsbedingungen bei freier Konvektion 3. Mathematische Modellierung der Konvektion In Abb. 2 sind die experimentellen Ergebnisse bei einer senkrechten Wand (θ = 0 ) dargestellt. Die daraus erhaltenen kriterialen Gleichungen lauten: - für den laminaren Bereich Nu = 0,59 Ra 0,25 ; 2
3 - für den turbulenten Bereich Nu = 0,128 Ra 0,33. Die Grenze dieser Bereiche wird als Schnittpunkt der beiden Geraden bestimmt, der bei der Raley-Zahl Ra gr liegt Vertikale Wand q = 0 o Nu=0,128Ra 0,33 Nu 100 Ragr= Nu=0,59Ra 0, Ra Abb. 2: Kriteriale Gleichungen bei einer vertikalen Wand In Abb. 3 sind die entsprechenden Ergebnisse bei einer horizontalen Wand mit Wärmeabgabe nach oben (θ = +90 ) dargestellt. Die kriterialen Gleichungen lauten in diesem Fall: - für den laminaren Bereich Nu = 0,68 Ra 0,25 ; - für den turbulenten Bereich Nu = 0,172 Ra 0,33, und die Grenze beider Bereiche liegt bei der Raley-Zahl Ra gr 2, Ähnliche Ergebnisse wurden bei geneigten Wänden mit Wärmeabgabe nach oben (0 < θ +90 ) festgestellt, an denen die Konvektion wieder im laminaren und turbulenten Bereich verläuft. In Abb. 4 sind die ermittelten Ergebnisse bei einer horizontalen Wand mit Wärmeabgabe nach unten (θ = -90 ) dargestellt. In dem untersuchten Bereich bei Ra = zeigt sich hier nur laminare Strömung, die sich durch die Gleiching Nu = 0,30 Ra 0,25 beschreiben lässt. Entsprechende Ergebnisse wurden auch für geneigte Wände mit Wärmeabgabe nach unten (-90 θ < 0) bestimmt, an denen ebenfalls nur laminare Strömung festgestellt werden konnte. Diese Ergebnisse sind in Abb. 5 verallgemeinert dargestellt. Die weitere statistische Bearbeitung führte zu folgenden Gleichungen: 3
4 1000 Horizontale Wand - Wärmeabgabe nach oben q = +90o Nu=0,172Ra 0,33 Nu 100 Ragr = 2, Nu=0,68Ra 0, Ra Abb. 3: Kriteriale Gleichungen bei horizontaler Wand mit Wärmeabgabe nach oben - bei einem Neigungswinkel im Umfang von 0 θ +90 und laminarer Strömung Nu = (0, θ - 5, θ 2 )Ra 0,25 - bei einem Neigungswinkel im Umfang von 0 θ +90 und turbulenter Strömung Nu = (0, , θ + 5, θ 2 )Ra 0,25 - bei einem Neigungswinkel im Umfang von -90 θ 0 (nur laminare Strömung) Nu = (0, θ - 4, θ 2 )Ra 0,25 Die Grenze der Bereiche Ra gr bei positivem Neigungswinkel kann durch folgende Gleichung berechnet werden Ra gr = , θ θ 2 Entsprechende kriteriale Gleichungen wurden auch für verrippte Wände, Spalten und geschlossene Räume bestimmt [3,4]. 4. Beobachtungen zu den wirkenden Wärmeflüssen Die Untersuchung über die Art der wirkenden Wärmeflüsse erfolgte mit Hilfe von visuellen Beobachtungen über Photoaufnahmen, die die jeweilige Luftbewegung entlang der beheitzten Wände veranschaulichen. Abb. 6 zeigt drei Aufnahmen bei unterschiedlichen Erwärmungsstuffen einer horizontalen Grenzfläche mit Wärmeabgabe nach oben. 4
5 100 Horizontale Wand - Wärmeabgabe nach unten q = -90 o Nu 10 Nu=0,30Ra 0, Ra Abb. 4: Kriteriale Gleichungen bei horizontaler Wand mit Wärmeabgabe nach unten 160 RaWZM max 140 Ra gr 120 Nu Ra WZM min Ra q o 30 Abb. 5: Ergebnisse für den untersuchten Bereich von θ =
6 Ra a) Ra b) Ra c) Abb. 6: Wärmeflüsse bzw. sich entstellende Luftbewegungen an waagerechter Wand mit Wärmeabgabe nach oben Abb. 6a zeigt die Luftbewegung im laminaren Bereich (Ra ). Hierbei bildet sich an beiden Enden der waagerechten Wand eine klare Grenzschicht. Die Seitenströme verlaufen annähernd parallel zur Wand in Richtung der Wandmitte, dort treffen sie sich und werden hier nach oben angeleitet, wobei aber der laminare Charakter der Strömung erhalten bleibt. 6
7 In Abb. 6b ist die Luftbewegung für Ra gezeigt, was dem Übergangsbereich zwischen laminarer und turbulenter Strömung entspricht. In diesem Fall wird an den Enden der Wand eine laminare Bewegung beobachtet, die aber in der Mitte der Grenzfläche, wo die Luftströmung wieder nach oben gerichtet verläuft, turbulent wird. Der Wärmefluss bezieungsweise -strom in turbulenten Bereich (Ra ) ist in Abb. 6c dargestellt. Hier ist die Luftbewegung an der Grenzfläche aufgrund des Randeffekts zunachst wieder laminar, aber bereits kurz danach wird der Wärmestrom turbulent. Abb. 7 veranschaulicht die Luftbewegung entlang einer geneigten Grenzfläche (Neigungswinkel θ = +60 ) bei Ra , was der Strömung im laminaren Bereich entspricht. Ra θ = +60 Abb. 7: Wärmeflüsse an geneigter Wand Abb. 6 und 7 zeigen hierbei eindeutig, dass an Grenzflächen keine reine laminare oder reine turbulente Luftbewegung vorliegt. 5. Informationssystem zur Berechnung des thermischen Verhaltens von Werkzeugmaschinen Die gewonnenen kriterialen Gleichungen für freie Konvektion wurden in die entwickelte Wissensdatenbank Free Convection implementiert. Mit Hilfe dieses Programms können nach Eingabe der Wandparameter (Abmessungen, Neigungswinkel, Verrippungsart u.a.) die entsprechenden thermischen Randbedingungen ermittelt werden. Weitere durchgeführte experimentelle Untersuchungen führten zur Erstellung analoger Wissensdatenbanken für die rechnerische Ermittlung der thermischen Randbedingungen 2. Ordnung (Dichte des Wärmestroms, der sich in den Spindellagern bildet und durch die Grenzflächen der Lagersätze übertragen wird) sowie der thermischen Randbedingungen 3. Ordnung (erzwungene Konvektion und Strahlung). In Abb. 8 ist das auf den einzelnen Wissensdatenbanken aufgebaute und realisierte Informationssystem schematisch dargestellt. Den Kern bildet die eigentliche FEM-Berechnung, die auf die Ergebnisse der einzelnen Wissensdatenbanken zurückgreift. Neben den oben erwähnten vier Wissensdatenbanken beinhaltet das System auch eine Datenbank mit Werkstoffparametern von über 300 Materialien (Metalle, Isolatoren, Öle u.s.w.) [4]. 7
8 INFORMATIONSSYSTEM Wissensbank für thermische Randbedingung 2. Ordnung FEM-Berechnung Wissensbank für thermische Randbedingung 3. Ordnung (freie Konvektion) Wissensbank für thermische Randbedingung 3. Ordnung (erzwung. Konv.) Datenbank für Werkstoffeigenschaften Wissensbank für thermische Randbedingung 3. Ordnung (Strahlung) Abb. 8: Informationssystem für die Berechnung und Simulation des thermischen Verhaltens von Werkzeugmaschinen Mit Hilfe dieses Informationssystems ist der Konstrukteur der Werkzeugmaschine in der Lage, das thermische Verhalten von Werkzeugmaschinen sowie einzelner Komponenten bereits in der Projektierungs- und Konstruktionsphase zu berechnen, beziehungsweise zu simulieren, um damit bereits geeignete Voroptimierungen vornehmen zu kännen. 6. Zusammenfassung Das Ziel der diesem Bericht zugrundeliegenden Arbeiten war die Realisierung einer Wissensdatenbank für thermische Randbedingungen 3. Ordnung (freie Konvektion) sowie ihre Integration in ein Informationssystem zur Berechnung und Simulation des thermischen Verhaltens von Werkzeugmaschinen. Zur Durchführung der experimentellen Untersuchungen für Bestimmung der wirkenden Wärmeübergangsbedingungen an Werkzeugmaschinenwänden bei freier Konvektion wurde ein spezieller Messaufbau entwickelt und aufgebaut. Aus den experimentellen Ergebnissen wurden kriteriale Gleichungen für die untersuchten Wandungsarten abgeleitet. Visuelle Beobachtungen über die wirkenden Wärmeflüsse an den jeweiligen Wandungsarten zeigen, dass an den Grenzflächen keine reine laminare oder turbulente Luftbewegung vorliegt. Literatur 1. Heisel U. Grundlagen der Werkzeugmaschinen, Skript zur Vorlesung, Merker G. Konvektive Wärmeübertragung, Springer-Verlag, Berlin,
9 2. Heisel U., G. Popov, T. Stehle Vorgehensweise zur Beurteilung von linguistischen Einflußgrößen auf das thermische Verhalten von Werkzeugmaschinen mit Hilfe von Fuzzy- Logik, Die Maschine, Í. 6, 1998, S Popov G. Untersuchung und Modellierung des thermischen Verhaltens von Werkzeugmaschinen, Dissertation zur Erlangung des Grades Dr.-Ing. habil, TU Sofia, Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. mult. Uwe Heisel ist Leiter des Instituts für Werkzeugmaschinen der Universität Stuttgart. Dr.-Ing. Thomas Stehle ist Oberingenieur im selben Institut. Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. habil. Georgi Popov ist Leiter des Lehrstuhls für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen an der Technischen Universität Sofia. Dipl.-Ing. Asen Draganov ist Doktorand im selben Lerhrstuhl. Die vorliegende Arbeit wurde u.a. im Rahmen eines von der Alexander von Humboldt-Stiftung geförderten Projekts zum Stabilitätspakt Südosteuropa durchgeführt. 9
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