Qualität von Pallia3ve Care in der Spitex- Grundversorgung
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- Martin Jesko Krüger
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1 Qualität von Pallia3ve Care in der Spitex- Grundversorgung Barbara Steiner Leiterin Fachstelle Pallia3ve Care Spitex Stadt Zürich Monika Obrist Betriebsleiterin Spitex Gossau Fallbeispiel aus Gossau, Herr F.: Alleinstehender 60jähriger Pa3ent, Raucher, früher Alkoholiker, mit Larynx- Ca, metastasierend in Knochen, Leber, Bronchien, Oesophagus, Chemotherapie abgeschlossen, möchte unbedingt alleine zu Hause in seiner kleinen Wohnung leben, hat nur spärlich Kontakt mit seinen Geschwistern. Schmerztherapie: Fentanylpflaster Symptomtherapie: Primperan, Haldol, Atmen: Tracheostoma, gelegentlich Absaugen notwendig Ernährung: via PEG, jedoch häufig Nausea oder Erbrechen Täglich 4 6 Einsätze für Körperpflege, Sondennahrung, Tracheostomapflege, Kanülenwechsel, VW PEG, Medikamente, ev. Absaugen, Haushalt, Informa3on 1
2 Unsere Herausforderungen für die Pflege von Herrn F.: Nur einsei3ge verbale Kommunika3on möglich, da Herr F. mit der Sprechkanüle zu wenig Lub bekam Wenig Verständnis für Krankheitsbild und dessen Konsequenzen aufgrund von kogni3ven Einschränkungen Fast keine sozialen Kontakte, kein soziales Netz Physische Komplika3onen: Rücklauf der Sondennahrung durch PEG, Hau3rrita3onen, starke Verschleimung der Trachealkanüle, div. Stürze MRSA Starker Wunsch des Pat. unbedingt zu Hause zu sein Verlauf: Ø Nach 6 Monaten akute Verschlechterung mit Erbrechen, Somnolenz, Schwäche, vermehrten Schmerzen, starkem Husten und Auswurf, Desorien3ertheit und Fieber Ø Wir intensivieren unsere Einsätze, mehrmals täglich bis zu 24- h- Pflege: Ø hohe Schmerzmieel- Dosen sowie Primperan und Haldol, keine An3bio3ka Ø Ernährung nach Möglichkeit mit wenig Sondennahrung und Wasser Ø mehrmals täglich Absaugen Ø Haut- und Mundpflege Ø Nach zwei Wochen intensiver 24- h- Pflege und präsenz erholt sich Herr F. unerwartet und kommt wieder zu Kräben. Wir können unsere Pflege wieder auf 3 x täglich reduzieren. 2
3 Verlauf: Ø Nach weiteren 6 Monaten, Miee Dezember 2011, erneut akute Verschlechterung mit Erbrechen, Somnolenz, Schwäche, vermehrten Schmerzen, starkem Husten und Auswurf, Desorien3ertheit und Fieber Ø Wir intensivieren unsere Einsätze wiederum UND versuchen einen Pflegeplatz zu finden über die Feseage: Ø Aktueller Betreuungsplan wird erstellt Ø hohe Schmerzmieel- Dosen sowie Primperan und Haldol, keine An3bio3ka Ø Ernährung nach Möglichkeit mit wenig Sondennahrung und Wasser Ø mehrmals täglich Absaugen Ø Haut- und Mundpflege Ø Twincare- Matratze (Wechseldruck) Ø Alle Heimplätze sind belegt, ins Akutspital kann Herr F. nicht zurück. Wir suchen Pflegepersonen für Nachtwache, da wir Herrn F. nicht alleine in seiner Wohnung sterben lassen wollen. Ø Der erste Einsatz der Nachtwache wird geplant am 23. Dezember ab 22 Uhr Ø Unsere Pflegefachfrau im Spätdienst will Rapport abgeben und muss dann nach Hause zu ihrer Familie Ø Die Nachtwache kommt und weigert sich, den Dienst zu übernehmen wegen der MRSA Ø Herr F. bleibt diese Nacht also alleine Ø Am 24. Dezember bespricht die zuständige Pflegefachperson vom Tagdienst mit Herrn Z. seine Situa3on, er gibt ihr nonverbal zu verstehen, dass er sterben möchte, dass er keine Ernährung mehr wünscht, auch keine Flüssigkeit mehr. Sie gibt diese Entscheidung als schriblichen Rapport an den Abenddienst weiter. Ø Am Abend hat Herr F. starken Durst trotz intensiver Mundpflege. Die Pflegefachfrau im Abenddienst fühlt sich in grossem ethischen Dilemma und getraut sich nicht, die Leiterin oder jemanden aus dem Team anzurufen, weil es Weihnachten ist. Der zuständige Arzt, der sonst immer erreichbar ist, ist heute abend ausnahmsweise auch nicht da. 3
4 Ø Herr F. versucht zu trinken, was nicht möglich ist. Die Pflegefachfrau weiss, dass auch eine s/c- Infusion das Durstgefühl nicht löschen wird, sie fühlt sich hilflos und alleine. Macht Mundpflege, bleibt bei Herrn F. bis 22 Uhr, muss dann zu ihrer Familie, die auf sie wartet. Ø Die Nachtwache kommt zu spät, erst gegen Mieernacht. Sie begegnet Herrn F. zum ersten Mal. Ø Gegen Morgen s3rbt Herr F. im Beisein der Nachtwache. Einige Zeit später besprechen wir die Krankheitsgeschichte und unsere Pflege, die insgesamt etwa 2 Jahre gedauert hat, zusammen mit dem Pallia3ve Care Arzt im Team. Die wich3gsten Erkenntnisse für uns waren: Wir konnten es für Herrn F. möglich machen, eine lange Zeit sehr wohl in seiner Umgebung zu leben, wie es sein Wunsch war Herr F. durbe zu Hause sterben, wie es sein Wunsch war Es war notwendig, dass wir diese Pflege als Team, mit der Unterstützung eines Pallia3ve Care- Arztes, mit ständiger Reflexionsmöglichkeit und getragen durch gemeinsame Entscheidungen durchführen konnten In der Sterbephase über die Feseage waren diese Voraussetzungen jedoch nicht mehr gegeben, das hat zu Ueberforderung, Stress und aus unserer Sicht nicht op3maler Pflege geführt. 4
5 Unser Fazit: Ø Pallia3ve Pflege in einer komplexen Situa3on erfordert komplexe Interven3onen. Ø Schwer wiegende Entscheidungen und Interven3onen müssen mit dem Pa3enten und dem Team besprochen und gemeinsam getragen werden, insbesondere wenn es sich um Interven3onen mit irreversiblen Konsequenzen handelt schwer wiegende Entscheidungen sollten nicht durch eine einzelne Person besprochen und gefällt werden. Ø Ausnahmesitua3onen wie Feseage, Nichterscheinen der Nachtwache etc führen schnell zur Ueberforderung. In diesen Fällen muss eine kompetente Fachperson beigezogen werden, auch an Feseagen. Ø als kleines Team, in dem nicht alle Teammitglieder über spezifisches Fachwissen in komplexen palli3ven Situa3onen verfügen können wir eine hohe Pflegequalität in Pallia3ve Care nicht immer garan3eren. Ob wissen oder merken wir gar nicht, welche Pflegeinterven3onen zusätzlich erforderlich oder hilfreich wären. Ø Daher ist es hilfreich, wenn wir Fachpersonen beiziehen können, die uns gezielt unterstützen und beraten. Dies muss vorher organisiert werden, damit diese Unterstützung auch lückenlos funk3onieren kann. 5
6 aus der Na3onalen Strategie Pallia3ve Care: Wir danken für die Aufmerksamkeit und die anregende Diskussion! 6
7 Fallbeispiel aus der Stadt Zürich: Frau K., 68 Jahre alt, verwitwet 3 Söhne (40 J. 42 J. 45J. ) Lebt sozial eher zurückgezogen, zufrieden Diagnose: Metastasierendes Mammacarzinom mit Lebermetastasen, Nierenmetastasen, Schmerzen 7
8 40 jähriger Sohn zur Zeit arbeitslos Er ist bereit, seine Mueer zu pflegen, zieht dort in die Wohnung ein. Tag und Nacht ein grosser Pflegeaufwand, Begleitung aufs WC nö3g, Plötzlich präterminale Niereninsuffizienz, Oedeme, Atemnot, Ikterus, Leberversagen. Akute Verschlechterung mit enormer Müdigkeit und Schwäche. Pflege wird schwieriger, da Frau K. kaum mehr zu mobilisieren ist. Spitex geht 2x täglich für die Körperpflege, Lagerung Fachstelle Pall. Care geht alle 2-3 Tage vorbei, um vor allem den Sohn unterstützend zu beraten. Gute Zusammenarbeit mit dem Pflegeteam. Familiengespräch 8
9 Vorausschauende PflegeintervenIonen: Zusammenkunb zu Hause bei Frau K.: Massnahmenplan wird besprochen: Wer tut was bei zu erwartenden Komplika3onen? Alle Medikamente und Utensilien werden zu Hause eingerichtet. Symptome und Prognose werden offen besprochen. Pflegeinterven3onen werden thema3siert. Massnahmenplan - Medikamente: Schmerzen: Morphin Tropfen/ bzw. Morphin s/c Oedeme: Aldactone, Torem solange sie schlucken kann Karcheln, Rasselatmung: sofort starten mit Buscopan s/c Unruhe, Verwirrtheit: Temesta oder Dormicum s/c (Sohn wollte selber lernen, die Ampullen aufzuziehen. Ich habe ihn instruiert.) 9
10 Massnahmenplan Pflege: Lubwechselmatratze wegen kleinen Dekubi3 eingebeeet Mundpflege intensiviert, wenig Durst, Sprayfläschli Bueerfly subcutan gelegt und Sohn instruiert Wechseln der Einlage gezeigt und angeleitet Erreichbarkeit geklärt, zusammen mit Hausarzt (alle notwenigen Telefonnummern no3ert und abgegeben.) Wie geht es Frau K.? Sie ist trotz enormer Müdigkeit immer wieder ansprechbar. Sie wird über alles genau informiert, ist einverstanden mit den Pflegemassnahmen, sie will nur Linderung. Sie spricht nicht über den Tod und das Sterben, sie weiss aber gut Bescheid. Die Söhne respek3eren das sehr. 10
11 Terminale Phase: Morphin alle 3-4 Stunden 10 mg und auch nach Bedarf. Mundpflege mit Sonnenblumenöl, für Frau K. sehr angenehm (zu beobachten) Buscopan 3 mal täglich, weniger Karcheln (nach 2 Tagen gar kein Karcheln mehr hörbar) Bei Unruhe Temesta gegeben, sie ist verwirrt. Unruhe nimmt zu: Telefon vom Sohn an Fachstelle am Abend, was tun? Der Sohn hat Angst. Gemeinsam besprochen, dass der Sohn Dormicum spritzt und mir in 2 Stunden nochmals berichtet. (Nach 2 Stunden Bericht: sie schläb ruhig und entspannt) Berichte an die Nachtspitex geschickt, sodass diese jederzeit informiert sind und zur Not einen Besuch machen könnten. Am nächsten Nachmieag schläb Frau K. ruhig ein, im Beisein von zwei Söhnen. 11
12 Fragen ans Publikum in kleinen Gruppen zu disku3eren: 1. Wo liegt der Unterschied zwischen der geschilderten Situa3on im Gossauer Team und der Situa3on in der Stadt Zürich? Kennen Sie ähnliche Situa3onen (Gossau oder Zürich) in Ihrem Team? 2. Wie ist die Situa3on normalerweise in Ihrem Team? Welche Ressourcen haben Sie? 3. Welche Fachpersonen würden Sie beiziehen, wenn Sie unverhor Unterstützung brauchen? 4. Welche Fachpersonen ziehen Sie bereits im Vorfeld bei? 5. Nach welchen Einsatzkriterien würden Sie ein Pallia3ve Care Fachteam beiziehen? Thesen zur Diskussion: Ø Die Zeiten der Einzelkämpfer/innen sind vorbei Ø Du weisst nicht, was du nicht weisst Ø Vernetzte Zusammenarbeit ist unabdingbar, um eine gute Pflege in komplexen Situa3onen zu gewährleisten 12
13 Wir danken für die Aufmerksamkeit und die engagierte Diskussion 13
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