Wohlfahrtsstaaten im Vergleich. Gliederung:
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- Miriam Krämer
- vor 6 Jahren
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1 Wohlfahrtsstaaten im Vergleich Josef Schmid, Universität Tübingen Gliederung: 1. Warum Wohlfahrtsstaaten untersuchen und vergleichen? 2. Eine Arbeitsdefinition und einige Grundlagen 3. Hauptansätze des Wohlfahrtsstaatsvergleichs 4. Zentrale Erkenntnisse und Fazit Prof. Dr. Josef Schmid 1
2 1. Warum Wohlfahrtsstaaten untersuchen und vergleichen? "Erkläre das deutlich," sagte die falsche Schildkröte. "Nein, die Erlebnisse erst," sagte der Greif in ungeduldigem Tone, "Erklärungen nehmen so schrecklich viel Zeit fort." Lewis Carroll: Alice's Abenteuer im Wunderland Praktische/lebensweltliche und wissenschaftliche Relevanz: Blick in den Alltag: Wer hat schon vom WS Leistungen bezogen? Wer hat die Abgaben auf dem Lohnzettel registriert? Blick auf die Sozialausgaben: Sozialausgaben entsprechen (2010) in D gut 30% des BIP bzw je Einwohner in CH 26% des BIP bzw je Einwohner Prof. Dr. Josef Schmid 2
3 1. Warum Wohlfahrtsstaaten untersuchen und vergleichen? Der deutsche Bundeshauhalt als fiskalisches Abbild des WS (d.h. mehr als 60% der Ausgaben) Prof. Dr. Josef Schmid 3
4 1. Warum Wohlfahrtsstaaten untersuchen und vergleichen? Unterschiede im Entstehungszeitpunkt und in der Intensität (Tiefe und Breite) des Ausbaus des WS haben zu anderen Typen und Leistungen geführt. Konkret heißt das: in der Schweiz gibt es eine Kopfpauschale im Gesundheitswesen; in Deutschland regeln das Krankenkassen als Sozialversicherung für Arbeiter und Angestellte oder in Großbritannien existiert ein staatlicher Gesundheitsdienst Was ist besser? Nach welchem Kriterium? Für wen bzw. cui bono? Junge gesunde Menschen > CH? Nichterwerbstätige Familienangehörige > D? Arme Menschen > GB? Reiche Menschen -> GB? Damit ist der Vergleich der Vielfalt auch ein (Quasi-)Laboratorium der Möglichkeiten bzw. Anlaß zum Lernen von Anderen Prof. Dr. Josef Schmid 4
5 2. Eine Arbeitsdefinition und Grundlagen Der Wohlfahrtsstaat ist eine institutionalisierte Form der sozialen Sicherung. Er gewährleistet ein Existenzminimum für jeden Menschen, er schützt vor den elementaren Risiken der modernen Industriegesellschaft (v.a. Alter, Arbeitslosigkeit, Gesundheit, Unfall, Pflege) und er bekämpft das Ausmaß an gesellschaftlicher Ungleichheit durch Umverteilung Der Wohlfahrtsstaat bildet in westlichen Ländern zusammen mit Demokratie und Kapitalismus ein komplexes Gefüge wechselseitiger Abhängigkeit und Durchdringung und ist für diese Systeme charakteristisch. Gleichwohl existieren markante nationale Unterschiede, und /weil das Terrain von erheblichen politischen Konflikten und divergenten Wertvorstellungen und Leitbildern geprägt ist Prof. Dr. Josef Schmid 5
6 2. Eine Arbeitsdefinition und Grundlagen Weiter wird unterschieden nach dem Verständnis (Tiefe und Breite/ Intensität) des WS eng (Soziale Sicherung) oder breit (+Arbeitsmarkt-, Bildungs- Gesellschaftspolitik bis zu alle nicht-militärische Ausgaben) der Zielsetzung, d.h. soll v.a. Armut vermieden oder der Lebensstandard gesichert oder ein hohes Maß an Gerechtigkeit und Gleichheit realisiert werden Daten und Operationalisierungen 1. Sozialausgaben eines Staates (%BIP, pro Kopf) 2. anspruchsberechtigte Personenkreis (Versicherte, Leistungsempfänger, etc.). 3. Inhalt und der Ausgestaltung wohlfahrtsstaatlicher Maßnahmen (samt Nettoleistungen, aggregiert oder auf Haushaltebene) 4. Quellen: Eurostat, OECD, Surveys (zu Einstellungen) usw. Trotzdem: Methodische Tücken! Prof. Dr. Josef Schmid 6
7 3. Hauptansätze des Wohlfahrtsstaatsvergleichs Was ist das Ziel?: Identifikation von Trieb- bzw. /Bremskräften des WS Erklärungen für Unterschiede in Zeit und Raum (nicht nur Vielfalt, sondern auch Struktur und Typen = Reduktion von Komplexität) Welche Leitfragen/ Theoriedynamik?: Spielen politischer Faktoren überhaupt eine Rolle? was sind die Randbedingungen, die dieses beeinflussen? Welche Theorien des Wohlfahrtsstaates? die drei klassischen (normative, funktionale und politische) der typisierende, integrative Ansatz von Esping-Andersen die postmodernen Theorien und neue Ansätze Prof. Dr. Josef Schmid 7
8 3. Hauptansätze des Wohlfahrtsstaatsvergleichs normative Ansätze: Begründung des WS politischen Gestaltungsoptionen und programmatische Zielvorstellungen (v.a. der großen Ideologien wie Demokratischer Sozialismus, Liberalismus, Konservatismus etc.). Werte/Normen: Gerechtigkeit, Solidarität oder Gleichheit, aber auch Freiheit bzw. Autonomie oder neuerdings Aktivierung funktionalistische Ansätze: WS als Reaktion auf Veränderung der Industrialisierung und Urbanisierung Problemdruck (z.b. Altersquotient) und Ressourcenausstattung (BIP) prägen Folge: universeller Trend zum WS ( Ende der Ideologie ) Prof. Dr. Josef Schmid 8
9 3. Hauptansätze des Wohlfahrtsstaatsvergleichs Politische Ansätze (Linke vs. Rechte): Demokratie, Parteien und Interessengruppen spielen eine wichtige Rolle Sie vertreten unterschiedliche soziale Schichten, verfügen über differierende Programmatiken und produzieren somit unterschiedliche Staatstätigkeiten Berücksichtigung der Wirkung von politischen Institutionen (etwa dem Föderalismus) und der internationalen Kontexte, die etwa die Europäische Union setzt Der typisierende, integrative Ansatz von Esping-Andersen (1990) Es existieren drei Welten des Wohlfahrtsstaates unterschiedliche Formen der Institutionalisierung von sozialer Sicherung und Vollbeschäftigung hohe Kontinuität bzw. Pfadabhängigkeit basieren auf korrespondierenden politischen Ideologien, Wertvorstellungen und Machtverteilungen korrelieren mit Mustern der sozialen Schichtung und Ungleichheit bzw. unterschiedlichen Leistungsprofilen. Prof. Dr. Josef Schmid 9
10 3. Hauptansätze des Wohlfahrtsstaatsvergleichs
11 3. Hauptansätze des Wohlfahrtsstaatsvergleichs Aber: Idealtypen bei Esping-Andersen sind keine realen Fälle! (Die liegen innerhalb des Dreiecks) Schwierige Länder / Sonderfälle Schweiz: Sie ist ein Misch-Typ und weist gleichzeitig konservative, wirtschaftsliberale und sozialdemokratische Elemente auf. Niederlande: Sie werden von Esping-Andersen als sozialdemokratisch eingeschätzt, andere Analysen platzieren sie als konservative Welt. Ergänzungen: Ex-sozialistische Ländergruppe Familialistische bzw. mediterrane Welt.. Die drei Welten weisen unterschiedliche Leistungen/Performanzen auf (Mittelwerte der operationalisierten Zielgrößen als Radar-Chart) Es geht weniger um gut oder schlecht, sondern um andersartig. -Bei Netto-Daten schneiden die liberalen Regime besser ab. Prof. Dr. Josef Schmid 11
12 3. Hauptansätze des Wohlfahrtsstaatsvergleichs
13 3. Hauptansätze des Wohlfahrtsstaatsvergleichs Postmoderne und neue Ansätze: veränderten Bedingungen in der Phase der Krise und der Reform bzw. des Ab- und Umbaus des WS seit den 80 Jahren entwickelte WS existieren bereits (Vetogruppen) Probleme/Herausforderungen demographische soziale kulturelle ökonomische internationale (Globalsierung) politischen Logik des blame avoidance beim Sparen Sozialbürokratien/ Professionen (wie Ärzte, Sozialarbeiter) sind machtvolle Akteure feministische Kritik fokussiert auf das patriarchalische male breadwinner Konzept neue soziale Risiken (Frauen, Kindern und Familie sowie Bildung werden wichtig und liegen quer zu den alten pol. Konstellationen und Determinanten) Glücksforschung ( Glück ist, wenn wir uns gut fühlen bzw. was kommt an) Individuelle Einstellungen und Präferenzen (zu Zielen, Mitteln und Folgen) Prof. Dr. Josef Schmid 13
14 4. Zentrale Erkenntnisse und Fazit Was wissen wir nun? 4 Thesen 1. Sicher ist die Erkenntnis, dass es mehrere Wege oder Welten des WS gibt. "One of the most striking features of the modern welfare state seen comparatively is its heterogeneity. Different nations, different welfare states, have taken different approaches to what in other senses are common problems." (Baldwin 1997: 4, nach Schmid 2010) 2. Die Datenlage und der Forschungsstand sind insgesamt dichter geworden die vergleichende WS-forschung ist eine Wachstumsindustrie / etablierte wiss. Disziplin Ansätze zu Makro-, Meso- und Mikrobene des WS aber: der Untersuchungsgegenstand ändert sich permanent 3. Die anhaltende Differenzierung/Dynamik entspricht dem breiten Verständnis von WS Der Vergleich relativiert dabei die traditionellen institutionellen Strukturen, Leistungen und Wertvorstellungen Kontinuität wird so durch Kontingenz ergänzt Lernern von Anderen ist möglich, aber nicht einfach 4. Ein Ende des WS ist nicht abzusehen allen Krisendiagnosen zum Trotz Prof. Dr. Josef Schmid 14
15 Literatur: Schmid, Josef (2010): Wohlfahrtsstaaten im Vergleich. Soziale Sicherung in Europa: Organisation, Finanzierung, Leistungen und Probleme, Wiesbaden (3. Aufl.). Schmid, Josef (2012): Sozialstaat. Eine Institution im Umbruch, in: Stefan Hradil (Hrsg.), Deutsche Verhältnisse. Eine Sozialkunde, Bonn Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Josef Schmid 15
16 1. Warum Wohlfahrtsstaaten untersuchen und vergleichen? Prof. Dr. Josef Schmid 16
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