Prof. Dr. Andrä Wolter. Neue Wege der Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschule
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- Maike Hausler
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1 Prof. Dr. Andrä Wolter Neue Wege der Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschule Vortrag für das Expertengespräch Übergang Beruf Hochschule an der Hochschule München 24. Mai 2012
2 Gliederung (1) Anlässe (2) Potentiale (3) Offene Hochschulen (4) Hochschulzugang (5) Support
3 Anlässe für das Thema Offene Hochschule und Durchlässigkeit (1) Demographische Entwicklung I: Mittelfristig erwartete/r Rückgang der Studierendenzahlen und der Auslastung der Hochschulen (2) Demographisches Argument II: Fachkräftemangel, befürchtete Angebotslücke bei Hochqualifizierten (3) Qualifikationsstrukturwandel: Steigender Fachkräftebedarf durch Höherqualifizierung (4) Europäisierung: LLL als Handlungsfeld des Bologna-Prozesses (auch Kopenhagen, Qualifikationsrahmen) recognition of prior learning, non-traditional students, flexible learning paths (5) Durchlässigkeitsargument: historisch gewachsene Segmentierungen zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung und zwischen nicht-akademischen und akademischen Berufen werden fließend 3
4 Index der Studienanfängerzahl* seit 1993, 2012 bis 2025 nach Vorausberechnungsvarianten (Index 2000 = 100) Index 2000= Studienanfänger im 1. HS (obere Variante; 2025 = ) Studienanfänger im 1. HS (Basisvariante; 2025 = ) Studienanfänger im 1. HS (untere Variante; 2025 = ) Studienanfänger 1993 bis * Einschließlich Verwaltungsfachhochschulen. Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Bildungsvorausberechnung
5 Quelle: Bildungsbericht
6 Quelle: Bildungsbericht
7 Arbeitskräftebedarf 2005 bis 2025 nach Berufshauptfeldern (in %) 7
8 Europäische Bildungspolitik und lebenslanges Lernen (1) Bologna Kopenhagen Europäischer Qualifikationsrahmen (2) LLL als zentrales Element des Bologna-Prozesses (seit Prag 2001) mit 5 Kernforderungen: Anrechnung außerhochschulischer Kompetenzen Ausbau nicht-traditioneller Zugangswege Etablierung flexibler Lernwege u. Studierformen Unterstützungssysteme im Studium Finanzielle Förderung 8
9 Potentiale erweiterter Studiennachfrage (1) Studienberechtigtenzahl/-quote (reguläre Wege) steigern (2) Übergangsquote Schule Hochschule anheben (3) Studienberechtigte, die bislang auf ein Studium verzichtet haben (4) Studienerfolgsquote anheben (5) Soziale Ungleichheit in der Beteiligung an Hochschulbildung abbauen (6) Increasing and widening participation (7) Neue Wege für neue Zielgruppen etablieren: Berufstätige, nicht-traditionelle Studierende 9
10 Lifelong Learners an Hochschulen: Internationale Typologie Second chance learners, z.b. Studierende des 2. oder 3. Bildungswegs Equity groups, unterrepräsentierte Gruppen Deferrers, z.b. Studierende, die nach Erwerb der Studienberechtigung eine Berufsausbildung absolvieren und danach studieren Recurrent learners, Absolventen, die zum Erwerb eines weiteren akademischen Grades an die Hochschule zurückkehren Returners, Studienab- und -unterbrecher, die ihr Studium wiederaufnehmen Refreshers, die ihr Wissen und ihre Kompetenzen durch Weiterbildung erweitern Learners in later life, z.b. sog. Seniorenstudierende ( nachberufliche Studien) Quelle: Schuetze/Slowey (2012) 10
11 Bildungsabschlüsse der Bevölkerung 2010 nach Altersgruppen (in %) Quelle: Eigene Darstellung, Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Mikrozensus
12 Was heißt Öffnung der Hochschule für wen? (1) Öffnung für bislang unterrepräsentierte Gruppen (2) Öffnung für neue Zielgruppen: primär Berufstätige (3) Weitere Zielgruppen (z.b. in der nachberuflichen Bildung) (4) Öffnung durch neue (flexible) Studienformate (5) Öffnung durch Anerkennung/Anrechnung beruflicher Kompetenzen (6) Öffnung für neue Aufgaben, z.b. in der Weiterbildung (7) Öffnung für/durch neue Kooperationen (8) Öffnung in der räumlichen Dimension (regional, international) Öffnung ist ein Mehrebenenkonzept! 12
13 Offene Hochschule Maßnahme und Programme (1) BMBF-Förderprogramm Offene Hochschule/ Aufstieg durch Bildung 2011 ff. (2) Länderspezifische Programme (z.b. Niedersachsen) (3) KMK-Vereinbarung 2009: Neuregelung des Hochschulzugangs für beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische Studienberechtigung (4) Zahlreiche Maßnahmen auf Länderebene zur Neuregelung des Hochschulzugangs (5) BMBF-Programm Aufstiegsstipendien (seit 2008) 13
14 Offene Hochschule Maßnahme und Programme (6) ANKOM-Projektverbund 2006 ff. (7) KMK 2009: Neufassung der Anrechnungsvereinbarung von 2002 (8) Förderung zahlreicher Forschungsprojekte im Bereich Hochschule und LLL (9) Zahlreiche Initiativen u. Maßnahmen auf Hochschulebene (neue Studienformate, Ausbau weiterbildender Angebote usw.) 14
15 Das Bundesprogramm Offene Hochschule Aufstieg durch Bildung (1) Grundlage: Bund-Länder-Vereinbarung nach GG 91 b, 1, Nr. 2 (2) 1. Bewilligungsrunde: 26 Projekte gefördert 16 Einzelprojekte 10 Projektverbünde (darunter auch OHO) (3) Zeitrahmen: 1. Phase (Entwicklung und Erprobung) bis 2015 (42 Monate), dann Förderung der Implementation möglich (30 Monate); 2. Bewilligungsrunde geplant (4) Projektträger: VDI/VDE; Wiss. Begleitung: Univ. Oldenburg, DUW Berlin, HU Berlin 15
16 Das Bundesprogramm Offene Hochschule Aufstieg durch Bildung (5)Wichtigste Themenfelder: Studiengänge: dual, berufsbegleitend, weiterbildend, Zertifikatsprogramme Delivery : zielgruppenspezifisch, blended learning, work-based learning, online/e-learning, flexibel, Module Zielgruppen: neue Zielgruppen, primär Berufstätige mit oder ohne schul. Studienberechtigung, nicht-traditionelle Studierende; Entwicklung neuer Zulassungsverfahren; Hochschulabsolvent/inn/en als Zielgruppe für Weiterbildung Unterstützung: Beratung, Vorbereitungs-/Brückenkurse, Anrechnung Fachrichtungen: streut, aber Kumulation im MINT-Bereich Grundsätze: bedarfsorientiert, praxisbezogen, kooperativ, Netzwerke 16
17 Ausgewählte Projekte Auswahl durch eine (inter-)national besetzte Jury 10 Einzel- und 16 Verbundprojekte 50 Hochschulen und 2 Forschungseinrichtungen aus 14 Ländern o o 27 Fachhochschulen (3 privat) 23 Universitäten (1 privat) 1. Phase: Entwicklung (bis zu 3½ Jahre) 2. Phase: Umsetzung (bis zu 2½ Jahre) (nach positiver Evaluation)
18 Adressierte Fächergruppen (Mehrfachnennungen, N=163) Ingenieurwissenschaften 41 Sonstige Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Mathematik und Naturwissenschaften v.a. BWL/ Soz. Arbeit Humanmedizin/ Gesundheitswissenschaften Sprach- und Kulturwissenschaften 4 20 v.a. Pflege und Gesundheit Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften 4 Veterinärmedizin
19 Offene Hochschule ein erweitertes Verständnis (1) Erste Engführung: Ursprünglich starke Konzentration auf Zugangsverfahren (2) Langjährige Erfahrung bundesweit sehr niedriger Partizipationsquoten (ca. 1 %) (3) Suche nach den Ursachen: Studienformate im Fokus (4) Zweite Engführung: Enges Weiterbildungsverständnis der Hochschulen Konzentration auf postgraduale Weiterbildung (5) Diskrepanz zwischen Weiterbildungsverständnis in der Studiengangsystematik und biographischem Weiterbildungsverständnis (6) Diversität der Studierenden, die ein (Erst-) Studium de-facto als Weiterbildung durchführen (7) Etwa 25 % der Studierenden weisen eine berufliche Vorqualifikation auf 19
20 Hochschulzugang deutsche Traditionslinien (1) Historisch gewachsene Abiturzentrierung (2) Institutionelle Segmentierung zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung (3) Ausschluss der beruflichen Bildung vom Hochschulzugang (4) Legitimer Weg: Nachholen des Abiturs im 2. Bildungsweg (5) Seit 1920er Jahre: marginale Bedeutung des Hochschulzugangs für Bewerber/innen ohne Abitur (6) Erweiterung seit 1970 durch Etablierung eines binären Hochschulsystems (FOS FH) (7) Seit ca. 10 Jahren: neue Debatte über Öffnung des Hochschulzugangs bzw. Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschule 20
21 (Haupt-)Zugangswege zur Hochschule Erster Bildungsweg (EBW) Hochschulstudium Gymnasiale Oberstufe in der Sekundarstufe II Zweiter Bildungsweg (ZBW) Hochschulstudium Sekundarstufe II: Abendgymnasium, Kolleg, VHS Sekundarstufe II: Berufsausbildung und/oder folgende Erwerbstätigkeit Sekundarstufe I Dritter Bildungsweg (DBW) Hochschulstudium Zulassungsprüfung, Probestudium, Meisterprüfung o. ä. Weiterqualifikation Sek II: Berufsausbildung und folgende Erwerbstätigkeit Entwurf E. Schwabe-Ruck Grundschule
22 Öffnung des Hochschulzugangs (1) Nach jahrzehntelanger Stagnation und Kleinteiligkeit bundesweite Neuregelung (KMK 2009) erreicht im Kern: Allgemeine Hochschulreife (automatisch) für Absolvent/inn/en beruflicher Fortbildungsprüfungen Fachgebundene Hochschulreife nach 2j. Berufsausbildung/3j. Tätigkeit bei affiner Fachwahl mit Eignungsfeststellungsverfahren (2) Dadurch verfügen regional u. altersmäßig variierend ca % der Bevölkerung über eine Studienberechtigung (Tendenz steigend) (3) Aber: Studierbereitschaft der neuen Studienberechtigten nicht überschätzen (4) Nach langer Stagnation scheint in den letzten beiden Jahren die Zahl/der Anteil der beruflich qualifizierten Studienanfänger/innen (3. Bildungsweg) gestiegen zu sein; aber immer noch auf einem niedrigen Sockel 22
23 Quelle: Eigene Darstellung, Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Hochschulstatistik
24 Deutsche Studienanfängerinnen und -anfänger an Universitäten und Fachhochschulen im Wintersemester 2010/2011 nach Art der Studienberechtigung (in %) Berufliche Schulen: FOS, BFS, FS, Fachakademie Zweiter Bildungsweg: Abendgymnasien, Kollegs Dritter Bildungsweg: Nicht-traditionelle Studierende Sonstige: Eignungsprüfung Kunst/Musik, Ausländische Studienberechtigung, sonstige Studienberechtigung, ohne Angabe Quelle: Eigene Darstellung, Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Hochschulstatistik
25 Quelle: Eigene Darstellung, Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Hochschulstatistik
26 Statistik des 3. Bildungswegs in Deutschland (1) Anteil der Studienanfänger/innen aus dem 3. Bildungsweg jahrelang unter 1 % an den Universitäten und bei 2 % an den Fachhochschulen (2) 2010 und 2011 deutlicher Anstieg auf ca. 2 % (Uni) und ca. 3 % (FH), aber immer noch niedriger Sockel (3) Weiterhin starke Unterschiede zwischen den Ländern und den Hochschulen (4) Bedeutung der institutionellen Zugangspolitik: Polarisierung zwischen restriktiven Hochschulen und Hochschulen des LLL (5) Etliche Validitäts- (Zuordnungs-)probleme bei der Erfassung der Studienberechtigungen in der amtlichen Hochschulstatistik 26
27 Übergangsprobleme befürchtet oder tatsächlich (1) Pauschal: Studierfähigkeitsdefizite (fehlende Hochschulreife), empirisches Informations- und Erkenntnisdefizit (2) Aus der Perspektive des 2. Bildungswegs: Bildungsbarrieren durch Erwerbstätigkeit (3) Fachliche Defizite, auf den Studiengang bezogen (4) Defizite in Fremdsprachen, zum Teil in muttersprachlichen Kompetenzen (z.b. komplexe Texte abfassen) (5) Defizite in Schlüsselkompetenzen (6) Defizite in Wissenschafts- und Studienpropädeutik (7) Informations- und Orientierungsdefizite Frage: Wie studierfähig sind Abiturient/inn/en? 27
28 Unterstützungssysteme: Hochschulzugang nicht als Sprung ins kalte Wasser organisieren! (1) Individuelle Studienberatung im Vorfeld des Studiums (2) Entwicklung neuer Instrumente der Kompetenzdiagnose, orientiert an Studienanforderungen (3) Studienvorbereitung (auch in Kooperation mit Erwachsenenbildung) mehrere Aufgaben: Motivations- und Entscheidungsklärung Studienpropädeutik Fachliche Vorbereitung und Wissenschaftspropädeutik Verringerung der psychischen/mentalen Barrieren (4) Brückenkurse zur Beseitigung fachspezifischer Defizite (im Studienfach, auch Fachenglisch, Mathematik/Statistik) (5) Tutorien, Mentoring, Coaching (studienbegleitend) 28
29 Beispiel vhsconcept Hochschulzugang (Niedersachsen) (1) Zielgruppe: Studierende mit oder ohne Abitur ( Brücken zum Studium ) (2) 12 VHS- und 4 Fachmodule (ZEW Uni Hannover) (3) 3 Grundmodule: Studien(fach)entscheidung, -motivation und individuelle Studienvoraussetzungen (4) 3 Methodenmodule: Zeitmanagement, Arbeitstechniken, Präsentation/Medieneinsatz (5) 3 Kompetenzmodule: Gesellschaftsanalyse, Medienkompetenz, Zeitgeschehen u. Studium (6) 3 Wissenschaftsmodule: Wissenschaftliches Denken, Erstellen schriftlicher Arbeiten/Referate (7) 4 Fachmodule: 2 alternativ für Fachrichtungen sowie jeweils 1 Modul Mathematik/Statistik und Englisch 29
30 Wenn die Hochschule auch in Zukunft das gesellschaftliche Kompetenzzentrum für Wissenschaft bleiben will, dann muss sie alle Lebensphasen im Auge haben (nicht nur die 20- bis 25- Jährigen). Von daher gilt es den Auftrag der Hochschule im gesamten Lebensverlauf neu zu durchdenken. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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