Einführung in die Volkswirtschaftslehre

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1 S.1 Einführung in die Volkswirtschaftslehre (Modul BW26.1) PD Dr. M. Pasche Friedrich-Schiller-Universität Jena Creative Commons 3.0 license 2011/2017 (ausgenommen zitierte Quellen) Fehlermeldungen bitte an

2 S.2 Gliederung: 1. Knappheit, Alternativkosten und Allokation 2. Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 3. Konsum und Produktion 4. Märkte und Preisbildung 5. Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 6. Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 7. Grundbegriffe der Makroökonomik 8. Geld, Inflation und Geldpolitik 9. Ökonomische Theorie der Politik 10. Internationale Arbeitsteilung und Handel 11. Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 12. Strategisches Verhalten 13. Empirische und experimentelle Wirtschaftsforschung

3 S.3 Es werden zu jedem Kapitel die Bezüge zur Basisliteratur sowie ggf. weiterführende Literaturquellen angegeben. Zu jedem Kapitel gibt es eine Reihe von Übungsaufgaben, die in der begleitenden Übung und in den Tutorien behandelt werden. Die Klausur wird aufgrund der großen Teilnehmerzahl teilweise aus Multiple-Choice-Fragen bestehen. In der Klausur wird es einen Pflichtteil geben, welcher sich auf die Kapitel 1-10 bezieht, sowie einen Wahlteil mit Aufgaben aus den Kapiteln In letzterem sind Fragen zu einem dieser Kapitel zu beantworten.

4 S.4 Basisliteratur: Hanusch, H., Kuhn, T., Cantner, U. (2000), Volkswirtschaftslehre 1, 5. Aufl., Berlin: Springer Mankiw, N.G. (1999), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel Bofinger, P. (2007), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., München: Pearson Komlos, J. (2015), Ökonomisches Denken nach dem Crash: Einführung in eine realitätsbasierte Volkswirtschaftslehre, Marburg: Metropolis. Weitere Literaturhinweise sind in der Foliensammlung zu finden.

5 S.5 Ablaufplan im Wintersemester 2017/2018: (Zahlen = Kapitel, Ü = Übung) KW Mi Fr Ü Ü Ü Ü *) 04 Ü Ü Ü *) Sondervorlesung

6 S.6 Eine allgemeine Bemerkung: Es gibt eine Menge gerechtfertigte, aber auch weniger gerechtfertigte Kritik an der Volkswirtschaftslehre als Fachdisziplin: Nur abstrakte Modelle, zu unrealistische Annahmen, zu wenig Praxisbezug, zu abgehoben von der Realität (Finanzkrise 2008 nicht vorhergesehen) Kein Pluralismus, nur Mainstream -Denken ( neoliberale Doktrin ), keine Bezüge zu anderen Disziplinen Auseinandersetzung mit diesen Vorwürfen in einem gesonderten Dokument. Siehe auch den Blog-Beitrag von Johannes Becker.

7 S.7 1. Knappheit, Alternativkosten und Allokation Gliederung: 1.1 Knappheit und ökonomisches Prinzip 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile 1.3 Allokationsmechanismen 1.4 Norm und Tausch Gesellschaft und Individuum 1.5 Problembereiche der Volkswirtschaftslehre Literatur: * Weise, P. et al. (2005), Neue Mikroökonomie. 5. Aufl., Heidelberg: Physica [Kapitel 2] Hanusch, H., Kuhn, T., Cantner, U. (2000), Volkswirtschaftslehre 1, 5. Aufl., Berlin: Springer [Kapitel 1-2] Bofinger, P. (2007), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., München: Pearson [Kapitel 3] Mankiw, N.G. (1999), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel [Kapitel 1-3]

8 S.8 1. Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.1 Knappheit und ökonomisches Prinzip Bedürfnisse, Wünsche, Ziele Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten, Mittel, Güter Übersteigen die Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten die Bedürfnisse, d.h. können alle Bedürfnisse bis zur Sättigung befriedigt werden, so liegt keine Knappheit vor. Knappheit ist stets relative Knappheit: Mittel sind insofern und in dem Maß knapp, als sie nicht alle Bedürfnisse vollständig befriedigen können. Kernproblem: Zwang zur Aufteilung der knappen Mittel, Zwang zur Wahl von Alternativen, Verwendungskonkurrenz knapper Güter

9 S.9 1. Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.1 Knappheit und ökonomisches Prinzip Knappe Mittel = ökonomische Güter: Alles, was direkt oder indirekt der Bedürfnisbefriedigung dienen kann. Weit gefasster Güterbegriff: Konsumprodukte, Kapitalgüter, Arbeitskraft, Intelligenz, Zeit, saubere Umwelt, Reputation, Zuwendung, Posten, innere Sicherheit etc. Knappe Mittel können vorhanden sein oder müssen erst produziert werden. Knappheit kann sich auf die Quantität, die Qualität, den Ort und den Zeitpunkt beziehen, wo eine Differenz zwischen Bedürfnis und Mittel festgestellt wird.

10 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.1 Knappheit und ökonomisches Prinzip Sind immaterielle Güter frei (nicht knapp)? Bei immateriellen Gütern liegt zwar keine Verwendungskonkurrenz vor (z.b. Musik, Ideen, Wissen). Jedoch müssen meistens Ressourcen eingesetzt werden, um diese Güter zu erzeugen die damit anderen Verwendungen entzogen werden.

11 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.1 Knappheit und ökonomisches Prinzip Die Mehrzahl der Ökonomen vertritt den methodologischen Standpunkt, dass es die Individuen sind, welche bewerten, was als Gut zu sehen ist und in welchem Maß diese die eigenen Bedürfnisse befriedigen. Experimentelle Ökomomik: Kennen Menschen überhaupt ihre eigenen Präferenzen? Handeln sie gemäß ihrer Präferenzen? Umstritten ist die Auffassung, dass in bestimmten Fällen Individuen ihre eigenen Präferenzen oder Zielvorstellungen nicht richtig einschätzen können, bzw. der Staat die Präferenzen korrigieren sollte. Bsp.: Drogenkonsum, mangelnde Voraussicht bei der Altersvorsorge meritorische Güter Paternalismus

12 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.1 Knappheit und ökonomisches Prinzip Ökonomisches Problem liegt vor, wenn Mittel knapp sind, d.h. auf unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten aufgeteilt werden müssen. Die Ökonomik (Volkswirtschaftslehre) untersucht zum einen a) wie Entscheidungsträger unter bestimmten institutionellen Bedingungen ökonomische Entscheidungen treffen, und wie diese Entscheidungen koordiniert werden (positive Theorie), b) wie nach bestimmten Kriterien optimale ökonomische Entscheidungen aussehen bzw. wie die institutionellen Bedingungen aussehen sollten, damit die koordinierten Entscheidungen zu einem optimalen Ergebnis führen (normative Theorie).

13 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.1 Knappheit und ökonomisches Prinzip Ökonomisches Prinzip: Maximalprinzip: Die gegebenen eingesetzten Mittel sollen zum höchstmöglichen Zielerreichungsgrad führen. Minimalprinzip: Ein vorgegebenes Zielniveau soll mit möglichst geringem Mitteleinsatz erreicht werden. Allgemein steht dahinter der Optimierungsgedanke: Maximiere (minimiere) eine Zielfunktion (Kostenfunktion) unter Nebenbedingungen mathematisches Kalkül! Ökonomik: Denken in Alternativen! Abwägung sämtlicher Konsequenzen alternativer Mittelverwendungen!

14 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.1 Knappheit und ökonomisches Prinzip Beispiel: Bildung als ökonomisches Gut: * Eingesetzte physische Ressourcen wie Gebäude, Bücher, Computer gehen anderen Verwendungsmöglichkeiten verloren. * Eingesetzte Arbeitskraft und Humankapital (Dozenten) gehen anderen Verwendungsmöglichkeiten verloren. * Verwendete Zeit zum Studieren geht anderen Verwendungsmöglichkeiten verloren. Zwang zu gesellschaftlichen Entscheidungen über Art und Umfang des Angebots des knappen Gutes Bildungsleistung. Zwang zur Entscheidung, wer unter welchen Bedingungen Zugang zu welchen Bildungsleistungen bekommt.

15 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.1 Knappheit und ökonomisches Prinzip Beispiel: Gesundheit als ökonomisches Gut: * Eingesetzte physische Ressourcen wie Krankenhäuser, Medikamente gehen anderen Verwendungsmöglichkeiten verloren. * Eingesetzte Arbeitskraft und Humankapital (Ärzte, Pfleger), Zeit für Arztbesuche, Kuren etc. gehen anderen Verwendungsmöglichkeiten verloren. Sollen Gesundheitsleistungen auf einem freien Markt angeboten und nachgefragt werden? Umfassendes Recht auf Gesundheitsleistungen bedeutet, dass man bei knappen Ressourcen bereit sein muss, auf alternative Ressourcenverwendungen zu verzichten. Problem von Rationierungen: Wer erhält z.b. knappe Transplantate?

16 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.1 Knappheit und ökonomisches Prinzip Man kann sich ein Recht auf Gesundheitsleistungen oder einen freien Zugang zu Bildung für jedermann wünschen der Ökonom macht darauf aufmerksam, dass dann aber unter Knappheitsbedingungen zwangsweise geklärt werden muss: Wem sollen welche Ressourcen weggenommen werden? Individuelle Wertentscheidungen umsetzen in kollektive Entscheidungen (z.b. mittels demokratischer Wahlen) Entscheidungen über die Mechanismen, mit denen Knappheitsprobleme gelöst werden können, z.b.: Pflicht-Krankenversicherung für alle? Studiengebühren? Kriterien wie Effizienz und Gerechtigkeit

17 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Knappheit bedeutet Zwang zur Abwägung zwischen Alternativen, die Verwendungsmöglichkeiten konkurrieren miteinander! Alternativkosten = Opportunitätskosten: entgangener Nutzen der nächstbesten Alternative (Opportunität). Wahl der besten Alternative = Wahl der Alternative mit den geringsten Alternativkosten.

18 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Opportunitätskosten (Beispiele): Sowohl bei der Urlaubsreise als auch beim Gebrauchtwagenkauf übersteigt der Nutzen die Kosten. Das Budget reicht aber nur für eines von beiden. Die Familie fährt in den Urlaub: Der Nettonutzen des Urlaubs ist höher als der entgangene Nettonutzen des Autos. Die Zeit, die man für das Lesen eines Kapitels eines VWL-Buches verbringt, geht für den Spaziergang mit der Freundin verloren. Das Studium verursacht nicht nur direkte Kosten, sondern auch Opportunitätskosten entgangener Freizeit und/oder entgangenen Einkommens, wenn man stattdessen arbeiten würde.

19 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Ein Beispiel: Auf der einsamen Insel betreibt Robinson Ackerbau und Fischfang. Er benötigt 5 Stunden um 1 kg Fisch zu fangen, und 20 Stunden um 1 kg Gemüse zu produzieren. Dies sind jeweils die Opportunitätskosten der entgangenen Freizeit, was wir aber nicht weiter problematisieren. Sein Arbeitstag beträgt 16 Stunden (knappe Ressource), die er auf Fischfang und Gemüseanbau aufteilen kann. Um 1 kg mehr Gemüse erzeugen zu können, muss er also auf 4 kg Fisch verzichten (Opportunitätskosten), da er dafür 20 Stunden Arbeitszeit umschichten muss. 5[h/kg F ] 20[h/kg G] = 1 [kg G] 4 [kg F ] Grafisch: Transformationskurve.

20 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Gemüse 16/20 Transformationskurve Zeit 16 Steigung = Opportunitätskosten 16/5 Fisch Zeitrestriktion 16 Zeit

21 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Für viele technische Zusammenhänge gibt es einen abnehmenden Grenzertrag, d.h. zunehmender Mitteleinsatz steigert den Ertrag in abnehmendem Maße. Beispiel: Robinson benötigt 5 Stunden um 1 kg Fisch zu fangen. Für das nächste kg Fisch benötigt er aber schon 6 Stunden, da die Fischdichte geringer geworden ist. Unterstellt man einen abnehmenden Grenzertrag, so verläuft die Transformationskurve konkav zum Ursprung: Jedes zusätzliche kg an Fisch verursacht dann steigende Opportunitätskosten, also einen anwachsenden Verzicht auf Gemüse!

22 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Gemüse Transformationskurve unterschiedliche Opportunitätskosten Zeit Fisch Zeitrestriktion Zeit

23 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Spezialisierung und Tausch: Leben mehrere Individuen zusammen, so ist es in der Regel sinnvoll, wenn sie ihre ökonomischen Handlungen koordinieren. Sie können nicht nur abwägen, wie sie ihre Arbeitszeit einteilen um die Güter herzustellen, die sie selbst brauchen. Sie können sich spezialisieren und die Güter tauschen. ermöglicht Spezialisierungs- und Tauschvorteile! zentrales Thema in der Volkswirtschaftslehre

24 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Beispiel (Zahlen aus Mankiw (1999), Kapitel 3): Stunden pro 1 Pfund Pfund in 40 Stunden Fleisch Kartoffeln Fleisch Kartoffeln Ackerbauer Viehzüchter Beachten Sie, dass der Viehzüchter in beiden Bereichen produktiver ist! In der Ausgangssituation (Autarkie) produzieren beide jeweils für ihren eigenen Konsum und wählen eine 50:50-Zeiteinteilung (Annahme).

25 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Autarkiefall: Kartoffeln Kartoffeln Produktion = Konsum 2.5 Produktion = Konsum 1 2 Fleisch Fleisch Ackerbauer Viehzüchter

26 1. Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Warum ist Arbeitsteilung vorteilhaft? Die Opportunitätskosten 1 Pfundes Kartoffeln sind beim Viehzüchter 8 Pfund Fleisch, beim Ackerbauer betragen sie nur 1/2 Pfund. Bei einer Spezialisierung auf Kartoffeln entstehen dem Ackerbauern also weniger Einbußen (in Einheiten von Fleisch) als dem Viehzüchter. Der Ackerbauer hat somit einen komparativen Vorteil bei Kartoffeln, der Viehzüchter hat einen komparativen Vorteil bei der Fleischproduktion. Beide spezialisieren sich auf das Gut, bei dem ihre Opportunitätskosten geringer sind. Obwohl der Ackerbauer seine Produktion nur verdoppelt und davon 1 Pfund abgeben muss, ermöglicht dies dem Viehzüchter, seine erheblichen Produktivitätsvorteile bei der Fleischproduktion auszunutzen. Dadurch steigt die Gesamtmenge an Kartoffeln und Fleisch und es ist eine Frage von Präferenzen und Verhandlungsstärke, welches Austauschverhältnis sich einstellt (hier: 1 Pfund Kartoffeln gegen 3 Pfund Fleisch) S.26

27 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Ohne Handel Mit Handel Prod. = Konsum Produktion Handel Konsum Gewinn Ackerbauer 1 F 0 F +3 F 3 F 2 F 2 K 4 K -1 K 3 K 1 K Viehzüchter 20 F 24 F -3 F 21 F 1 F 2,5 K 2 K +1 K 3 K 0,5 K (F=Fleisch, K=Kartoffeln in Pfund)

28 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Kartoffeln Kartoffeln Produktion Konsum Produktion = Konsum Konsum Produktion = Konsum Produktion Ackerbauer Fleisch Viehzüchter Fleisch (schwarz = Autarkie) (rot = Spezialisierung und Handel)

29 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Größeres Güterbündel durch Arbeitsteilung. Keine Arbeitsteilung Verstoß gegen das ökonomische Prinzip! Wie es die Individuen schaffen, ihre Handlungen auf diese Weise zu koordinieren, und zu welchem Austauschverhältnis sie kommen, ist noch nicht erklärt. Das Beispiel macht deutlich, dass es bei der Ökonomik um Konflikt, Kooperation und Koordination geht. Menschen müssen kooperieren und ihre Entscheidungen koordinieren, um zu einer kollektiv rationalen Lösung des Knappheitsproblems zu kommen. Gleichzeitig herrscht aber auch ein Interessenkonflikt z.b. bei der Verteilung der Handelsgewinne.

30 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.2 Alternativkosten und komparative Vorteile Eine ökonomisch rationale Lösung des Knappheitsproblems setzt Kenntnis der Opportunitätskosten voraus. Diese ist bestimmt durch sich ggf. ändernde Bedürfnisse (Präferenzen) sich ggf. ändernde Ressourcen und Technologien (Mittel) Zentrales Problem in einer Volkswirtschaft: Wie entsteht das Wissen um die sich ändernden Knappheitsverhältnisse, und wie gelangen die Individuen an dieses Wissen? Informationsfunktion des Preissystems Kapitel 2

31 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.3 Allokationsmechanismen Robinson auf seiner Insel kann allein über die Verwendung seiner knappen Ressourcen und seiner Zeit entscheiden. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft muss es jedoch Mechanismen geben, welche die knappen Ressourcen in verschiedene Verwendungsmöglichkeiten lenken, und die die knappen Güter auf die Individuen aufteilen. Allokation: Aufteilung knapper Mittel auf alternative, miteinander konkurrierende Verwendungsmöglichkeiten. Allokationsmechanismen entscheiden nach bestimmten Kriterien, wer unter welchen Bedingungen Zugang zu den Mitteln bekommt und wer nicht.

32 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.3 Allokationsmechanismen Mögliche Allokationsmechanismen: Auktionen, Ausschreibungen, (Wettbewerbs-) Märkte, Verhandlungen Abstimmungen, Wahlen Befehl, Bürokratie, Zwang Gewalt, Plünderung, Raub Ethik, Fürsorge, Fairness, Sitte, Ehre Clans, Cliquen, Kartelle, Vererbung Geschlecht, Nationalität, soziale Klasse, Reihenfolge Los, Würfel, Lotterie Die Volkswirtschaftslehre interessiert sich für die Funktionsweise von Allokationsmechanismen, deren Anreizwirkung auf das Verhalten, und deren Ergebnisse (z.b. Effizienz).

33 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.3 Allokationsmechanismen Da in Marktwirtschaften Markt und Wettbewerb eine zentrale Rolle spielen, konzentrieren sich die Lehrbücher fast ausschließlich auf deren Analyse. Märkte funktionieren nicht voraussetzungslos! Sie hängen vom Rechtssystem, der Politik, den sozialen und kulturellen Gegebenheiten ab ( Institutionen ). Die Gesellschaft insgesamt begegnet dem Knappheitsproblem mit einer spezifischen Mischung unterschiedlicher Allokationsmechanismen.

34 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.4 Norm und Tausch Gesellschaft und Individuum Stilisierte Grundformen von Allokationsmechanismen: Norm und Tausch Norm: Formelle und informelle Normen beschränken die Handlungsmöglichkeiten. Ökonomische Entscheidungen werden durch sie koordiniert. In der Regel basiert die Koordinationswirkung auf möglichen Sanktionen bei Normverletzung. Beispiele: Rechtsnormen, moralische Fairnessnormen, Handelsbräuche, religiöse Tabus. Tausch: Tauschhandlungen sind freiwillig und werden i.d.r. nur bei wechselseitigem Vorteil vollzogen, d.h. eine Leistung muss durch eine Gegenleistung kompensiert werden.

35 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.4 Norm und Tausch Gesellschaft und Individuum Zusammenspiel kollektiver Mechanismen (Normen bzw. Institutionen) und individueller freier Entscheidungen (Markt). Verschiedene Allokationsmechanismen führen zu unterschiedlichen Anreizwirkungen; jede Veränderung der Allokationsmechanismen verändert die Handlungsanreize. Beispiele aus sehr unterschiedlichen Bereichen: Zugang zu Drogen Ausschreibung öffentlicher Aufträge Eingriffe in die Preisbildung (z.b. Mietpreisbremse) Einführung von Volksentscheiden Regulierung von Schattenbanken

36 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.4 Norm und Tausch Gesellschaft und Individuum Allokationsmechanismen und ihre Ergebnisse: Effizienz: Gibt es Allokationen, bei denen geringere Opportunitätskosten entstanden wären? Kann die Effizienz durch Wahl anderer Normen oder durch die Wahl eines anderen Mischungsverhältnisses von Norm- und Tauschkoordination verbessert werden? Gerechtigkeit: Nach Ablauf aller wechselseitig vorteilhaften Tauschhandlungen liegt eine bestimmte Verteilung vor. Ist diese gerecht? Wonach bemisst sich das? Können Gerechtigkeitsvorstellungen sinnvoll am Ergebnis anknüpfen?

37 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.4 Norm und Tausch Gesellschaft und Individuum Gesellschaften entscheiden über die spezifische Mischung von Allokationsregeln und konstituieren so eine Wirtschaftsordnung (siehe Kapitel 2). Welche Dinge sollen individuell entschieden und über Märkte koordiniert werden? Wo sollen kollektive Mechanismen das Marktergebnis verändern? Welche Aktivitäten sollen grundsätzlich nicht privat koordiniert, sondern durch Normen gesteuert werden? Kulturelle und moralische Normen beeinflussen ebenfalls Handlungen und deren Koordination.

38 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.5 Problembereiche der Volkswirtschaftslehre Mikroökonomik (micros = klein): (Kapitel 1, 3, 4, 5, 6, 11) Erklärung einzelwirtschaftlichen Verhaltens und dessen Koordination Theorie des Haushalts, Theorie der Unternehmung, Theorie der Märkte Spezialfelder: Industrieökonomik, Arbeitsmarktökonomik, Versicherungsökonomik, Informationsökonomik, Umwelt- und Ressourcenökonomik,...

39 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.5 Problembereiche der Volkswirtschaftslehre Makroökonomik (macros = groß): (Kapitel 7, 8, 9, 10) Betrachtung von Aggregaten wie Konsum, Einkommen, Preisniveau, Beschäftigung, Zinsniveau, Geldmenge usw. und deren gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge Erklärung von Konjunktur, Wachstum, Inflation, Arbeitslosigkeit usw. Spezialfelder: Konjunkturtheorie, Wachstumstheorie, Geldtheorie,... Mikrofundierung der Makroökonomik?

40 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.5 Problembereiche der Volkswirtschaftslehre Finanzwissenschaft und Theorie der Wirtschaftspolitik: (Kapitel 2, 5, 6, 8) Begründung von Staatstätigkeit Gestaltung der Einnahmenseite des Budgets (Steuertheorie) Gestaltung der Ausgabenseite des Budgets (Fiskalpolitik) Soziale Sicherung Ordnungs- und Wettbewerbspolitik Geldpolitik Staatsverschuldung Weitere Politikfelder (Konjunktur-, Wachstums-, Arbeitsmarkt-, Umweltpolitik usw.)

41 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.5 Problembereiche der Volkswirtschaftslehre Public Choice, Institutionenökonomik: (Kapitel 12) Einfluss des Designs institutioneller Regeln auf das einzelwirtschaftliche Verhalten Theorie von Organisationen (z.b. Firmen) Theorie der Verfassung und des Rechts Theorie demokratischer Wahlen und des Politikerverhaltens Theorie wirtschaftlicher Interessengruppen (Lobbying) Theorie der Verwaltung/Bürokratie

42 S Knappheit, Alternativkosten und Allokation 1.5 Problembereiche der Volkswirtschaftslehre Ökonometrie, experimentelle Wirtschaftsforschung: (Kapitel 13) Systematische Überprüfung von Theorien oder Hypothesen anhand statistischer Felddaten oder experimentell gewonnener Ergebnisse. Schätzung quantitativer Zusammenhänge Induktive Gewinnung neuer Hypothesen.

43 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung Gliederung: 2.1 Handlungsanreize von Individuen 2.2 Die Rolle von Wettbewerb und Markt 2.3 Institutionelle Rahmenbedingungen 2.4 Regulierende Eingriffe und Umverteilung 2.5 Wettbewerb und Demokratie Literatur: Donges, J.B., Freytag, A. (2004), Allgemeine Wirtschaftspolitik. 2. Aufl. Stuttgart: Lucius & Lucius [Kapitel I.5] Mankiw, N.G. (1999), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel [Kapitel 1-3] Bofinger, P. (2007), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., München: Pearson [Kapitel 4] Kurz, H.D. (Hrsg.) (2008), Klassiker des ökonomischen Denkens Bd 1+2. C.H. Beck

44 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.1 Handlungsanreize von Individuen Zentrale Annahme: Ökonomisches Handeln wird durch Anreize gesteuert Bedürfnisse + knappe Mittel + Allokationsmechanismen Handlungsanreize Der Inhalt individueller Bedürfnisse ist zunächst unerheblich. Ökonomen gehen oft davon aus, dass Individuen nur am eigenen Wohl interessiert sind (Egoismus). Experimentelle und empirische Forschung zeigen, dass dies nicht immer und nicht uneingeschränkt der Fall ist. Vom methodologischen Standpunkt aus ist nur wichtig, dass wir von individuellen Nutzenvorstellungen ausgehen, nicht welche Vorstellungen dies sind.

45 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.1 Handlungsanreize von Individuen Adam Smith ( ) ( Wealth of Nations, 1776): Menschen folgen weitgehend ihren persönlichen Eigeninteressen, sind aber durch moralische Normen diszipliniert ( The Theory of Moral Sentiments, 1759) Sie sind auf Kooperation angewiesen. Aber man kann nicht darauf setzen, dass andere nur aufgrund von Wohlwollen kooperieren. Kooperation findet statt, weil sie im Eigeninteresse liegt!

46 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.1 Handlungsanreize von Individuen Durch Wettbewerb und Tausch auf Märkten, bei denen jeder sein individuelles Interesse verfolgt, wird letztlich das produziert und angeboten, was dem Wohl jedes Einzelnen dient und damit der Gesamtheit. Koordination erfordert keinen zentralen Planer! Schaffung eines Ordnungszustandes ohne obrigkeitliche Planung und Anweisung nur durch individuelles Handeln aufgrund (moralisch disziplinierten) Eigennutz. Wohlergehen und Fortschritt durch Abwesenheit von Zwang und durch individuelle freie Entscheidungen. Klassischer Liberalismus (Adam Smith, John Locke, Immanuel Kant, David Ricardo u.a.)

47 2. Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.2 Die Rolle von Wettbewerb und Markt Wettbewerb als Instrument zur Aufdeckung von Knappheitsverhältnissen: Nachfrager kennen ihre Bedürfnisse und somit Zahlungsbereitschaft (Tauschbereitschaft - Wieviel bin ich bereit für eine Einheit des Gutes herzugeben?) Anbieter kennen die Produktionskosten (Wieviel Mittel mussten eingesetzt werden um eine Einheit des Gutes herzustellen?) Freiwilliger Tausch kommt nur bei wechselseitiger Vorteilhaftigkeit zustande. Bildung von (relativen) Tauschverhältnissen oder in Geldwirtschaften von (relativen) Geldpreisen als Knappheitsindikatoren. Relativpreise zeigen Gewinnmöglichkeiten auf. Die Ressourcen fließen dorthin, wo die höchsten Gewinnmöglichkeiten sind, d.h. wo die Knappheit am größten ist. S.47

48 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.2 Die Rolle von Wettbewerb und Markt F.A. von Hayek ( ) Wettbewerb als Entdeckungsverfahren In komplexen großen Gesellschaften ist das Wissen über Bedürfnisse und Produktionsmöglichkeiten über Millionen von Individuen verteilt. c Mises Institute Es besteht somit ein zentrales Informationsproblem darüber, was die ökonomisch bestmögliche Verwendung knapper Mittel sein könnte. Es gibt keine Institution mit überlegenem Wissen. Die massiven Probleme bzw. das Scheitern von Zentralverwaltungswirtschaften wird auf dieses Informationsproblem zurückgeführt.

49 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.2 Die Rolle von Wettbewerb und Markt (Fortsetzung:) System der relativen Preise auf Märkten löst dieses Informationsproblem auf eine selbstorganisierende Art und Weise. Es entsteht eine spontane Ordnung, d.h. ein Ordnungszustand ohne zentralen Planer. Grundvoraussetzungen, die eine solche spontane Ordnung ermöglichen, sind grundlegende Freiheitsrechte sowie Verfügungsrechte an Gütern und Produktionsmitteln. Dies ist an die Voraussetzung verknüpft, dass jeder Akteur die Handlungskonsequenzen verantwortet.

50 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.2 Die Rolle von Wettbewerb und Markt Wettbewerb hat eine disziplinierende Wirkung: Wird nicht produziert, was gewünscht ist, sinken Preise und Gewinnmöglichkeiten. Dies bewirkt eine Re-Allokation der knappen Mittel setzt voraus, dass Nachfrager zwischen verschiedenen Anbietern frei wählen können. Wettbewerb ermöglicht zwar vorübergehende Gewinne, aber jede Form übermäßiger Gewinne und von Marktmacht unterliegen bei funktionierendem Wettbewerb einer Erosion. Markt als Entmachtungsinstrument. Die Funktionsfähigkeit des Marktes wird in der Praxis durch Neigung bedroht, sich dem Wettbewerbsdruck zu entziehen, z.b. durch Marktabschottung und Kartellbildung.

51 2. Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.2 Die Rolle von Wettbewerb und Markt Es ist daher nach v. Hayek Aufgabe des Staates, allgemeine Regeln so festzulegen, dass der Wettbewerb funktionsfähig bleibt. Oft sind es aber gerade staatliche Eingriffe wie Protektionismus, Beeinflussung der Regeln durch Lobbygruppen, künstliche Markteintrittsbarrieren usw., die die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs behindern und dauerhafte ungerechtfertigte Gewinne möglich machen. F.A. von Hayek (1976), Individualismus und wirtschaftliche Ordnung. 2. Aufl., Salzburg. Einwand: Aufgrund von Informationsasymmetrien (siehe Kapitel 6) wird das Informationsproblem nicht durch das Preissystem gelöst. Nicht alle Handlungskonsequenzen werden in Preisen widergespiegelt. D.h. eine Übernahme der Verantwortung für sämtliche Konsequenzen ökonomischer Entscheidungen findet nicht statt. S.51

52 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.2 Die Rolle von Wettbewerb und Markt J.A. Schumpeter ( ) Wettbewerb als Prozess schöpferischer Zerstörung Menschen sind nicht nur eigennutzorientiert, sie sind auch neugierig und kreativ. Typus des Unternehmers : intrinsisches Interesse an innovativen Lösungen und deren unternehmerischer Umsetzung. c Universität Freiburg, Volkswirtschaftliches Institut Neue Ideen (neue oder bessere Produkte, neue oder bessere Produktionsverfahren) müssen sich im Wettbewerb bewähren. Darin zeigt sich eine dynamische Funktion des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren: Suche nach neuen innovativen Produkten und Verfahren; Innovationsfunktion.

53 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.2 Die Rolle von Wettbewerb und Markt Bewähren sich Innovationen, so ändern sie die relativen Preise, und bestehende Produkte und Verfahren werden vom Markt verdrängt (Strukturwandel). Die Gewinne des Pionierunternehmens locken Nachahmer auf den Markt. Produktvarianten und inkrementelle Verbesserungen entstehen. Die Pioniergewinne des Innovators erodieren. Schumpeter dachte an den Pionierunternehmer, der neu in den Markt eintritt, und dem sein Unternehmen selbst gehört. Er erkannte aber, dass heute viele Innovationen durch etablierte (Groß-)Unternehmen erfolgen, bei denen Eigentümer, Management und Entwickler getrennte Gruppen sind. Schumpeter, J.A. (1942), Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. München.

54 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.3 Institutionelle Rahmenbedingungen Die Rolle von Institutionen: Institutionen: formelle und informelle Spielregeln, welche die Handlungsmöglichkeiten definieren und somit auch die Handlungsfreiheit begrenzen. Vor allem: Recht. Institutionen werden durch kollektive Mechanismen erzeugt (z.b. Gesetzgebung) und strukturieren die soziale Interaktion der Individuen, machen diese voraussehbarer, verlässlicher. Sie sind damit auch Voraussetzung für die Existenz privater Märkte (z.b. Eigentums- und Vertragsrecht). Organisationen Institutionen. Organisation (z.b. Parteien, Bürokratien, Verbände) sind die Spieler, Institutionen die Spielregeln.

55 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.3 Institutionelle Rahmenbedingungen Staat soll auf Einhaltung der Regeln achten, staatliches Handeln ist aber auch selbst an Regeln gebunden. Korruption, Rechtsbeugung, mangelnde Duchsetzbarkeit von Recht, aber auch: Erosion informeller Normen führen zu schwachen Institutionen Markt, aber auch Demokratie, werden als Allokationsmechanismen beeinträchtigt (Ineffizienz). Ähnliches gilt auch für rent seeking, d.h. die Beeinflussung von Spielregeln durch organisierte Interessengruppen zu deren Gunsten. Einhaltung allgemeiner fairer Spielregeln und damit verbunden: Chancengleichheit wird als zentrales Kriterium von Gerechtigkeit verstanden.

56 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.3 Institutionelle Rahmenbedingungen W. Eucken ( ): Eucken, W. (1949), Die Grundlagen der Nationalökonomie, Springer: Berlin, neu aufgelegt 1989) Geboren in Jena; studierte u.a. an der FSU. c Walter Eucken Institut Die Politik soll darauf gerichtet sein, wirtschaftliche Machtpositionen aufzulösen bzw. zu begrenzen (sofern der Wettbewerb dieses nicht schon selbst tut; Wettbewerb als Entmachtungsinstrument). Die Politik sollte auf die Gestaltung der Ordnungsformen der Wirtschaft gerichtet sein, nicht auf die Lenkung des Wirtschaftsprozesses.

57 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.3 Institutionelle Rahmenbedingungen Konstituierende Prinzipien einer Wettbewerbsordnung: 1. Wirtschaftsverfassungsrechtliches Grundprinzip: Schaffung eines funktionsfähigen Preissystems durch wettbewerbliche Märkte (Preise als Knappheitsindikatoren) 2. Währungspolitische Stabilität: Währungsverfassung, welche Geldwertstabilität sichert. 3. Prinzip der offenen Märkte: Ermöglichung von freiem Marktein- und austritt (ansonsten entsteht Marktmacht) 4. Prinzip des Privateigentums (insbesondere auch an Produktionsmitteln): Tausch auf Märkten ist im Grunde Tausch von Verfügungsrechten am getauschten Gut. Diese Rechte müssen definiert und den Individuen zugeordnet sein.

58 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.3 Institutionelle Rahmenbedingungen 5. Prinzip der Vertragsfreiheit: Grundvoraussetzung für Tauschhandlungen. Jedoch darf die Freiheit nicht dazu genutzt werden, Verträge zu schließen, welche die Vertragsfreiheit Dritter beschränken (z.b. Kartell). 6. Haftungsprinzip: Jede Nutzung knapper Ressourcen und Tausch am Markt kann Gewinne bringen - oder aber auch Verluste. Ökonomische Entscheidungen sind daher stets risikobehaftet. Derjenige, der profitiert, soll auch haften (Eigenverantwortung). 7. Konstanz der Wirtschaftspolitik: Politik soll berechenbar und glaubwürdig sein.

59 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.4 Regulierende Eingriffe und Umverteilung Konstituierende Prinzipien begründen Wettbewerbsordnung, von der man funktionierende Märkte erwartet. Bereiche, wo der Markt aus prinzipiellen Gründen Probleme hat, zu einer optimalen Allokation der Ressourcen zu kommen (siehe Kapitel 6): Entstehung von Marktmacht (z.b. Monopolen) Externe Effekte und öffentliche Güter Probleme aufgrund Informationsasymmetrien Hier sind neben den konstituierenden auch regulierende Prinzipien notwendig. Die Regulierungen sind so auszugestalten, dass sie möglichst wenig in die individuelle Freiheit eingreifen, sondern die Anreizstruktur der Individuen in gewünschter Weise verändern.

60 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.4 Regulierende Eingriffe und Umverteilung Problem der sozialen Gerechtigkeit Position v. Hayeks: Akzeptiert man allgemeine faire Handlungsregeln, dann ist es problematisch, wenn man das Ergebnis freiwilliger Handlungen gemäß dieser Spielregeln nicht akzeptiert. Ungerecht und unfair kann nur das Verhalten einzelner Individuen sein. Es charakterisiert nicht den erreichten Gesamtzustand. Fasst man das Ergebnis (z.b. Einkommensverteilung) als ungerecht und somit als korrekturbedürftig auf, muss man dafür objektivierbare Kriterien angeben. Die Korrektur durch den Staat erfolgt durch Eingriffe in die Handlungsfreiheit. Je stärker die Details des Ergebnisses durch staatliche Eingriffe determiniert werden, desto weniger entfaltet sich der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren. Sozialismus als Gegenmodell einer freiheitlichen Wettbewerbsordnung.

61 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.4 Regulierende Eingriffe und Umverteilung Einwände: Verteilung beeinflusst relative Preise und somit Allokation, d.h. Verteilung ist nicht allokationsneutral Soziale Präferenzen und Effizienz: Sofern Menschen soziale Präferenzen z.b. bezüglich der Verteilung haben, berührt die Verteilung auch die Effizienz. Umverteilung kann auch unter Effizienzgesichtspunkten erwünscht sein (siehe Kapitel 5).

62 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.4 Regulierende Eingriffe und Umverteilung Divergierende Auffassungen: Während liberale Ökonomen der sog. Chicagoer Schule (z.b. M. Friedman) und der Österreichischen Schule (z.b. F.A. von Hayek) jegliche staatliche Aktivität jenseits der ordnungsökonomischen Funktionen, also Interventionen in den Wirtschaftsprozess, ablehnen akzeptieren einige Vertreter der Freiburger Schule (z.b. W. Röpke, A. Müller-Armack) gewisse institutionalisierte Einkommensumverteilungen wie etwa die progressive Einkommenssteuer und soziale Sicherungssysteme. Die Freiburger Schule wird auch mit dem Begriff des Ordoliberalismus verbunden. Alle drei Schulen, insbesondere die letztgenannte, werden theoriegeschichtlich wegen ihres Rückgriffs auf den klassischen Liberalismus auch als neoliberal bezeichnet.

63 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.4 Regulierende Eingriffe und Umverteilung Zusammenfassend kann man die wirtschaftspolitische Konzeption des Ordoliberalismus charakterisieren durch: die genannten konstituierenden Prinzipien, die einen leistungsfähigen Wettbewerb als soziales, dezentrales Entdeckungs- und Koordinationsverfahren gewährleisten, die regulierenden Prinzipien für staatliche Eingriffe dort, wo der Markt Probleme hat, seine Funktionen zu erfüllen, das regulierende Prinzip einer Umverteilung von Einkommen und Vermögen, die jedoch die Leistungsanreize aufrecht erhält.

64 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.4 Regulierende Eingriffe und Umverteilung Über Art und Ausmaß von Umverteilung entscheiden gesellschaftliche Wertmaßstäbe bezüglich sozialer Gerechtigkeit, die sich verändern können, und deren Ausformung sich in Form von demokratischen Wahlen niederschlagen. Da der Ordoliberalismus regulierende Prinzipien des Staates inklusive bestimmter Formen der Umverteilung akzeptiert, ist er Grundlage des Konzepts der Sozialen Marktwirschaft (A. Müller-Armack war u.a. Berater L. Erhards). Die Form des Wirtschaftssystems und die Form des politischen Systems sind nicht unabhängig voneinander.

65 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.5 Wettbewerb und Demokratie In einer Demokratie sind an Wiederwahl interessierte Politiker durch die Präferenzen der Wähler diszipliniert. Ihre Macht wird durch die Möglichkeit der Abwahl begrenzt. Ähnlich der Informationsfunktion von Preisen werden die Vorstellungen von Bürgern durch Mehrheiten ausgedrückt politischer Wettbewerb (Kapitel 9)

66 S Markt, Wettbewerb und Wirtschaftsordnung 2.5 Wettbewerb und Demokratie Politischer Wettbewerb kann nur bei freien (gleichen, geheimen,...) Wahlen sowie freier Meinungsbildung (z.b. Presse) und Gleichbehandlung politischer Wettbewerber funktionieren. Mangelnder politischer Wettbewerb sowie Korruption schränken die Legitimität und Steuerungsfähigkeit demokratischer Systeme ein.

67 3. Konsum und Produktion Gliederung: 3.1 Angebot und Nachfrage Überblick 3.2 Produktion die Unternehmung Produktionstechnologie Kostenminimierung Gewinnmaximierung und Angebot Faktornachfrage 3.3 Konsum der Haushalt Präferenzen und Nutzenfunktion Einkommensrestriktion und Nachfrage Arbeitsangebot Ersparnisbildung Literatur: Hanusch, H., Kuhn, T., Cantner, U. (2000), Volkswirtschaftslehre 1, 5. Aufl., Berlin: Springer [Kapitel 3, 6, 7] Mankiw, N.G. (1999), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel [Kapitel 4, 13, 14, 21] Bofinger, P. (2007), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., München: Pearson [Kapitel 6, 7] S.67

68 S Konsum und Produktion 3.1 Angebot und Nachfrage Überblick Der Markt als (abstrakter) Ort des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage zu Tauschzwecken Märkte für Konsumgüter und Dienstleistungen Märkte für Kapitalgüter und Zwischenprodukte Märkte für den Faktor Arbeit Märkte für finanzielle Ressourcen (Kredite, Aktien, Schuldverschreibungen,...) Akteure: Unternehmen, private Haushalte, Staat Wir konzentrieren uns im folgenden auf Gütermärkte (hier: Konsumgüter) und Faktormärkte (hier: Arbeit)

69 S Konsum und Produktion 3.1 Angebot und Nachfrage Überblick Faktormarkt Gütermarkt Anbieter Haushalt Unternehmen Nachfrager Unternehmen Haushalt Wir gehen von dem repräsentativen Unternehmen bzw. Haushalt aus, d.h. wir vernachlässigen die Heterogenität und die Wechselwirkungen einzelner Haushalte untereinander, und betrachten nur ein durchschnittliches Verhalten. Problematische Fiktion, die es einem jedoch erlaubt, vom Verhalten eines einzelnen Haushalts (Unternehmens) auf das Aggregat des Haushaltssektors (Unternehmenssektors) schließen zu können.

70 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Erlös Angebot Gewinnmaximierung Minimalkosten Faktornachfrage Technologie Güterpreise Faktorpreise Quelle: nach Hanusch, Kuhn, Cantner (2000) Annahme: Unternehmen maximieren ihren Gewinn. Dies impliziert, das Produkt technisch effizient und zu minimalen Kosten zu produzieren.

71 3. Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Produktionstechnologie Produktion: Transformation von Inputs (Arbeitsleistung, Kapitalgüter, Vorprodukte) in einen Output (Endprodukt). Produktionsfunktion: Gibt an, welcher Output x bei gegebenen Inputleistungen (v 1, v 2 ) technisch effizient hergestellt werden kann (ökonomisches Maximalprinzip): x = f (v 1, v 2 ) Typen von Produktionsfunktionen: limitational (Inputfaktoren müssen in einem bestimmten Verhältnis zueinander eingesetzt werden) substitutional (Inputfaktoren können sich gegenseitig ganz oder teilweise ersetzen) S.71

72 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Produktionstechnologie Grafische Darstellung: Ertragsgebirge x 2 0 Beispiel: Cobb-Douglas-Funktion (substitutional) x = v a 1 v b 2 2 v v mit 0 < a, b < 1

73 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Produktionstechnologie Partielle Faktorvariation: (Variation eines Inputfaktors unter Konstanthaltung aller übrigen) Grafisch: Schnitt durch das Ertragsgebirge bei limitationalen Produktionsfunktionen: Output ändert sich nicht ( Warum?). bei substitutionalen Produktionsfunktionen: Output ändert sich; Annahme: sinkender Grenzertrag ( Ertragsgesetz ). f (v i, v j ) v i > 0, 2 f (v i, v j ) v 2 i < 0, i, j = 1, 2, i j

74 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Produktionstechnologie x Steigung = Grenzertrag an der Stelle v 1 x = f (v 1, v 2 ) Partielle Produktionsfunktion (Variation von v 1 bei gegebenem v 2) v 1 v 1

75 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Produktionstechnologie Isoquantendarstellung: (iso = gleich, quantum = Menge) Alle Kombinationen von Inputfaktoren, die zu derselben Outputmenge führen Formal: f (v 1, v 2 ) = x (implizite Funktion) Ertragsgebirge von oben betrachtet: Höhenlinien Je weiter entfernt vom Ursprung, desto höher der Output

76 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Produktionstechnologie Isoquantendarstellung: v 2 v 2 substitutional x = 14 x = 12 x = 10 v 1 limitational x = 14 x = 12 x = 10 v 1

77 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Produktionstechnologie Niveauvariation der Produktionsfaktoren: Wie verändert sich die Outputmenge, wenn alle Produktionsfaktoren gleichmäßig variiert werden? steigende Skalenerträge (Output steigt überproportional) konstante Skalenerträge (Output steigt proportional) sinkende Skalenerträge (Output steigt unterproportional) Hat Einfluss auf den Verlauf der Kostenfunktion. Wird in BM Mikroökonomik vertieft.

78 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Kostenminimierung Wir wissen jetzt, wie der Output mit unterschiedlichen Inputfaktoren technisch effizient produziert werden kann. Aber welche Kombination von Inputfaktoren sollte gewählt werden um einen bestimmten Output x zu erhalten? Wir unterstellen, dass die Preise q 1, q 2 der Inputfaktoren gegeben sind, d.h. nicht vom Unternehmen bestimmt werden. Kosten: C = v 1 q 1 + v 2 q 2 v 1 = C q 1 q 2 q 1 v 2

79 3. Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Kostenminimierung Iso-Kostenfunktion mit C/q 1 bzw. C/q2 als Achsenabschnitten und dem Faktorpreisverhältnis als Steigung. Je höher die Kosten C, desto weiter weg vom Ursprung. v 2 C q 2 Steigung: q 1/q 2 C q 1 v 1 S.79

80 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Kostenminimierung Wir wissen: Jeder Punkt auf einer gegebenen Isoquante (= jede Inputfaktorkombination) führt zu unterschiedlichen Kosten. Kalkül: Verschiebe die Iso-Kostenfunktion soweit in Richtung Ursprung, bis sie nur noch einen Tangentialpunkt mit der gewünschten Isoquante hat. Formal: Minimiere die Kosten unter der Nebenbedingung, dass die durch die Isoquante gegebene Outputmenge x hergestellt werden kann.

81 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Kostenminimierung v 2 C/q 2 C/q 2 C min /q 2 (v 1, v 2 ) ist die Minimalkostenkombination v 2 x = 10 v 1 C min q 1 C q 1 C q 1 v 1

82 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Kostenminimierung Kosten in Abhängigkeit von der gewählten Outputmenge: v 2 C Kostenfunktion C 3 Expansionspfad C 2 C 1 v 1 C 2 v 1 x = 9 x = 7 x = 5 C 3 v 1 v 1 C x

83 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Kostenminimierung Kostenfunktion: Die Kostenfunktion C(x) ordnet jedem gewünschten Outputniveau x die minimalen Kosten zu, die durch die optimale Wahl der Inputfaktoren entstehen. Verlauf der Kostenfunktion hängt von der Technologie ab, z.b.: Steigende Skalenerträge: unterproportionale Kostenzunahme Sinkende Skalenerträge: überproportionale Kostenzunahme Konstante Skalenerträge: proportionale Kostenzunahme

84 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Kostenminimierung C(x) Konstante SE C(x) Steigende SE C(x) Sinkende SE x C(x) Variable SE x x x

85 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Kostenminimierung Durchschnitts- und Grenzkosten in der langen Frist: Durchschnittskosten = Kosten pro Stück: AC(x) = C(x) x Grenzkosten = Kosten der letzten (marginalen) Einheit: MC(x) = C (x) = dc(x) dx In der kurzen Frist geht man davon aus, dass einige Inputfaktoren (z.b. Gebäude) unveränderbar sind, also bei der Niveauvariation und Berechnung der Minimalkostenkombination herausgenommen werden müssen. Die Kosten dieser Inputs sind dann Fixkosten F. C(x) = C v (x) + F

86 3. Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Kostenminimierung Durchschnitts- und Grenzkostenverläufe (lange Frist = ohne Fixkosten): AC(x) MC(x) Konstante SE AC(x) MC(x) Steigende SE AC = MC AC MC AC(x) MC(x) Sinkende SE AC MC x AC(x) MC(x) Variable SE MC AC x x x S.86

87 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Gewinnmaximierung und Angebot Wir wissen jetzt, wie das Unternehmen technisch effizient und unter minimalen Kosten produziert. Produzierte Angebotsmenge und der Verkaufspreis sollen so gestaltet werden, dass der Gewinn maximiert wird. Das hängt von der Marktform ab (dazu Näheres in Kapitel 4). Wir gehen hier von vollkommener Konkurrenz aus, d.h. der Marktpreis p wird durch den Wettbewerb so bestimmt, dass ein einzelnes Unternehmen darauf keinen Einfluss hat ( Preisnehmer ). Es muss folglich die Angebotsmenge gewinnmaximierend anpassen.

88 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Gewinnmaximierung und Angebot Gewinn = Erlös - Kosten π(x) = p x C(x) Die Bedingung 1. Ordnung für ein Gewinnmaximum ist, dass die erste Ableitung Null wird: π (x) = p C (x) = 0 p = C (x) Die Bedingung 2. Ordnung für ein Maximum fordert: d 2 π(x) dx 2 < 0 d 2 C(x) dx 2 > 0 d.h. das Gewinnmaximum muss im Bereich steigender Grenzkosten liegen. Wird im BM Mikroökonomik ausführlich diskutiert.

89 3. Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Gewinnmaximierung und Angebot Die Angebotsfunktion x A = x A (p) hat einen steigenden Verlauf, d.h. das Angebot wächst mit steigendem Preis. Preiselastizität des Angebots. p normaler Verlauf p völlig preiselastisch p x A (p) völlig preisunelastisch x A (p) x A (p) S.89

90 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Faktornachfrage Die Minimalkostenkombination entscheidet über den optimalen Faktoreinsatz bei gegebenen Faktorpreisen und gegebener Outputmenge. Das Gewinnmaximum entscheidet über die optimale Outputmenge (Angebotsmenge) bei gegebenem Güterpreis. Damit wird im Gewinnmaximum implizit auch über den optimalen Faktoreinsatz, d.h. die Faktornachfrage entschieden!

91 S Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Faktornachfrage Vereinfachung: Kapital K und Arbeit L als Inputfaktoren mit den Faktorpreisen Zinssatz r und Lohnsatz w: C = rk + wl Angenommen, der Kapitalstock sei kurzfristig gegeben: K = K. Entscheidung nur über Arbeitseinsatz L. Gewinnmaximierung über L: bzw. π = p f ( K, L) wl r K π L = p f L w = 0 p f L = w (Wertgrenzprodukt = Nominallohnsatz) f L = w (Grenzprodukt = Reallohnsatz) p

92 3. Konsum und Produktion 3.2 Produktion die Unternehmung Faktornachfrage Da wir typischerweise ein abnehmendes Grenzprodukt unterstellen (Ertragsgesetz), nimmt die Arbeitsnachfrage mit steigendem Reallohnsatz ab. w p = f (L, K) L Arbeitsnachfrage L D (w/p) L S.92

93 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Güterpreise Nutzenmaximierung Prääferenzen Ersparis Konsumnachfrage Freizeit Einkommen Faktorpreise Faktorangebot Faktorausstattung Quelle: nach Hanusch, Kuhn, Cantner (2000) Annahme: Haushalte maximieren ihren Nutzen

94 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Präferenzen und Nutzenfunktion Haushalte bzw. die darin lebenden Individuen haben Bedürfnisse und bewerten verschiedene Güterbündel gemäß ihren eigenen Vorstellungen. Wir sprechen von Präferenzen (prä-ferre = vor-ziehen), da eine Wahlhandlung, bei der Güterbündel A dem Güterbündel B vorgezogen wird, die Nutzenbewertung des Individuums deutlich macht. Wie kann man rationale Entscheidungen bei subjektiven Präferenzen theoretisch darstellen?

95 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Präferenzen und Nutzenfunktion Präferenzen als sog. binäre Relationen Seien zwei Güterbündel (Alternativen) A und B aus der Alternativenmenge M gegeben. A wird gegenüber B schwach präferiert: A B A wird gegenüber B streng präferiert: A B A und B werden gleich bewertet: A B Gelegentlich wird auch R für und P für sowie I für verwendet.

96 3. Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Präferenzen und Nutzenfunktion Eine (schwache) Präferenzordnung ist durch folgende Axiome gekennzeichnet: (a) Reflexivität (b) Transitivität x x für alle x M x y y z x z für alle x, y, z M (Wenn x mind. so gut wie y und y mind. so gut wie z, dann ist auch x mind. so gut wie z) (c) Vollständigkeit x y y x für alle x, y M (ggf. noch weitere Axiome) S.96

97 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Präferenzen und Nutzenfunktion Diese Axiome erscheinen intuitiv plausibel. Sie sind wichtig für eine normative Theorie rationaler Entscheidungen zwischen Alternativen. Fraglich ist, ob sich reale Individuen in ihrem Wahlverhalten tatsächlich dadurch charakterisieren lassen. Wozu definiert man eine Präferenzordnung? Man kann zeigen, dass sich bei Gültigkeit der Axiome das Wahlverhalten durch die Maximierung einer Nutzenfunktion u charakterisieren lässt.

98 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Präferenzen und Nutzenfunktion Existenz einer ordinalen Nutzenfunktion mit der Eigenschaft u(x) u(y) x y, x, y M Die Nutzenfunktion ist eindeutig definiert bis auf eine ordnungserhaltende Transformation. Das bedeutet, dass der absolute Nutzenwert u(x) keine Aussagekraft hat, er ist nur als Indexwert zu verstehen, der einen Vergleich mit dem Nutzen von y ermöglicht. Wahl der besten Alternative = Maximierung des Nutzens

99 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Präferenzen und Nutzenfunktion Ökonomen nehmen für die Nutzenfunktion üblicherweise folgendes an: Stetigkeit bzw. stetige Differenzierbarkeit (kardinale Nutzenfunktion). Nichtsättigung: Je mehr von etwas konsumiert wird, desto besser, d.h. positiver Grenznutzen. Abnehmender Grenznutzen: Der Nutzenzuwachs nimmt mit jeder weiteren Einheit ab. Güter sind teilweise substituierbar, d.h. quantitativ unterschiedlich zusammengesetzte Güterbündel können als gleichwertig empfunden werden. Für die grafische Darstellung einer Nutzenfunktion im 2-Güter-Fall gilt dasselbe wie bei einer substitutionalen Produktionsfunktion.

100 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Präferenzen und Nutzenfunktion Nutzenfunktion und Indifferenzkurve: x 2 u x x 2 2 ū = u 3 ū = u 2 ū = u 1 x 1

101 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Präferenzen und Nutzenfunktion Indifferenzkurve: Menge aller Güterkombinationen, die denselben Nutzen stiften, d.h. zwischen denen der Haushalt indifferent ist, d.h. ū = u(x 1, x 2 ). Eigenschaften: Je weiter vom Ursprung entfernt, desto höher das Nutzenniveau. Indifferenzkurven können sich nicht schneiden! (Warum?) Steigung = Grenzrate der Substitution gibt Tauschbereitschaft an.

102 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Einkommensrestriktion und Nachfrage Einwände aus Experimenteller Ökonomik (Beispiele): Verletzungen der Transitivitätsannahme: Dann ist die Existenz einer Nutzenfunktion nicht gewährleistet, und das Verhalten kann nicht als Nutzenmaximierung charakterisiert werden. Endowment-Effekt: Indifferenzkurven sind nicht gegeben, sondern hängen von der Anfangsausstattung ab. Damit hängt die Tauschbereitschaft davon ab, was man momentan besitzt. Beispiel: Wenn man 1 Einheit A besitzt, ist man bereit, diese gegen 2 Einheiten B zu tauschen. Besitzt man 1 Einheit B, ist man dagegen bereit, diese gegen 2 Einheiten A zu tauschen Indifferenzkurven schneiden sich.

103 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Einkommensrestriktion und Nachfrage Nutzenmaximierung des Haushalts: Knappheit drückt sich beim Haushalt durch ein begrenztes Budget E aus (= der Teil des Einkommens, der für Konsum ausgegeben werden soll). Die Güterpreise p 1, p 2 sind vom Markt gegeben. Maximiere den Nutzen unter der gegebenen Budgetbeschränkung: max u(x 1, x 2 ) unter N.B. p 1 x 1 + p 2 x 2 = E

104 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Einkommensrestriktion und Nachfrage Die Budgetrestriktion lässt sich schreiben als x 1 = E p 1 p 2 p 1 x 2 Kalkül: Wähle ein Güterbündel auf der Restriktion, bei dem die Indifferenzkurve maximal weit vom Ursprung entfernt ist! Die Lösung des Nutzenmaximierungsproblems ( Haushaltsoptimum ) ist ganz analog zur Minimalkostenkombination die Tangente von Indifferenzkurve und Budgetrestriktion (siehe Grafik).

105 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Einkommensrestriktion und Nachfrage x 2 E p 2 Haushaltsoptimum x 2 ū max x 1 E p 1 x 1

106 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Einkommensrestriktion und Nachfrage Was passiert bei Einkommensänderungen? Budgetrestriktion verschiebt sich neue Tangentiallösung bestimmen Konsumexpansionspfad Trägt man die jeweiligen optimalen Nachfragemengen gegen das Budget ab, so erhält man sog. Engel-Kurven.

107 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Einkommensrestriktion und Nachfrage x 1 x 2 Engel-Kurve E /p 2 E /p 2 E/p 2 Konsumexpansionspfad E E p 1 E p 1 E p 1 x 1

108 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Einkommensrestriktion und Nachfrage Was passiert bei Variation eines Preises (p 1 )? Budgetgerade dreht sich neue Tangentiallösung bestimmen mehr oder weniger komplizierte Wirkung auf die Nachfrage nach beiden Gütern Trägt man die optimale Nachfragemenge x 1 gegen den Preis p 1 ab, so erhält man die Nachfragefunktion x 1 (p 1 ). Diese ist im allgemeinen fallend!

109 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Einkommensrestriktion und Nachfrage x 2 x 1 Nachfragekurve E/p 2 x 1 x 1 x 1 x 1 x 1 x 1 E p 1 E p 1 E p 1 x 1 p 1 p 1 p 1 p 1

110 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Einkommensrestriktion und Nachfrage Substitutions- und Einkommenseffekt: Substitutionseffekt: Steigt Preis p 1, so wird tendenziell das relativ teurer gewordene Gut x 1 durch das relativ billiger gewordene Gut x 2 substituiert. Diese Wirkungsrichtung ist eindeutig. Einkommenseffekt: Durch die Preissteigerung sinkt jedoch insgesamt die Kaufkraft des Budgets. Aufgrund dieses Einkommenseffektes ändert sich die Nachfrage nach einem Gut in nicht-eindeutiger Weise: Superiore Güter: geringeres (höheres) Einkommen geringere (höhere) Nachfrage Absolut inferiore Güter: geringeres (höheres) Einkommen höhere (geringere) Nachfrage

111 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Einkommensrestriktion und Nachfrage Gesamteffekt: Durch das Zusammenspiel von Substitutionsund Einkommenseffekt ist der Gesamteffekt ebenfalls nicht eindeutig. Wir unterstellen ein normales Gut: geringerer (höherer) Preis höhere (geringere) Nachfrage = fallende Nachfragekurve Was passiert mit der Nachfrage nach x 1, wenn der Preis p 2 des anderen Gutes steigt? Komplementärgüter: die Nachfrage geht zurück. Substitutionsgüter: die Nachfrage steigt.

112 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Arbeitsangebot Haushalte bieten den Faktor Arbeit an. Aufgrund unterschiedlicher Ausbildung und Fähigkeitsniveaus ist Arbeit ein inhomogenes Gut wird im folgenden vernachlässigt! Der einzelne Haushalt mag vor der Wahl stehen, nur eine volle (Vollzeit) oder eine halbe Stelle (Teilzeit) anzunehmen oder abzulehnen. Im Aggregat über viele Haushalte stellen wir uns aber vor, dass man die Arbeitszeit stetig variieren kann. Wir vernachlässigen im Folgenden das Vermögen, und folglich auch Einkünfte aus Vermögen sowie das Sparen und Entsparen (dazu später mehr).

113 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Arbeitsangebot Arbeitsleidhypothese: Man arbeitet ausschließlich um ein Einkommen zu erzielen, die Arbeit selbst hat keinen eigenständigen nutzenstiftenden Wert (kritische Annahme!) Der Nutzen des Haushaltes resultiert nicht nur aus dem Konsum, sondern auch aus der Freizeit: u = u(x, F ). Das Einkommen ist das Arbeitseinkommen: E = wl Dieses Einkommen wird für Konsum ausgegeben E = px (hier: x = Güterbündel, p = Preisniveau) Das Zeitbudget ist begrenzt: T = F + L Kombination der Budget- und der Zeitrestriktion: px = wl = w(t F ) x = w p T w p F

114 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Arbeitsangebot Konsum x w p T ū(x, F ) Steigung w p Freizeit F Arbeit L T Freizeit F

115 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Arbeitsangebot Das Maximierungsproblem: max x,f u(x, F ) unter N.B. x = w p T w p F führt wiederum zu einer Tangentiallösung (siehe Grafik). Bei einer Erhöhung des Reallohnsatzes haben wir wieder einen Substitutions- und einen Einkommenseffekt: Opportunitätskosten der Freizeit steigen (arbeite mehr!). Konsummöglichkeiten sind gestiegen (arbeite weniger!). Typischerweise wird unterstellt, dass der Substitutionseffekt stärker ist ansteigende Arbeitsangebotsfunktion.

116 3. Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Arbeitsangebot w p Arbeitsangebot L Zwischenfazit: Dieses sog. Arbeits-Freizeit-Kalkül bestimmt die Pläne des Haushaltes zur Allokation der knappen Zeit auf Freizeit und Konsummöglichkeiten aufgrund eines Einkommens. Das Haushaltsoptimum bestimmt, wie das Einkommen auf unterschiedliche Güter aufgeteilt wird. S.116

117 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Ersparnisbildung Warum gibt es überhaupt Kapitalgüter, die in der Produktion eingesetzt werden? Diese Güter mussten in der Vergangenheit unter Einsatz von Produktionsfaktoren hergestellt werden. Das Gesamteinkommen in einer Periode entspricht dem Wert aller hergestellten Güter und Leistungen in dieser Periode. Wenn also Güter hergestellt wurden, die nicht dem Konsum dienen, deren Herstellung aber zu Einkommen geführt hat, dann wird offenbar nicht das gesamte Einkommen für Konsum ausgegeben. Es gilt: Einkommen = Konsum + Ersparnis Kapital entsteht bei Konsumverzicht!

118 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Ersparnisbildung Warum überhaupt Konsumverzicht? Produktionsseite: Konsumverzicht heute = Akkumulation von Kapital = Erweiterung der Produktionsmöglichkeiten = höhere Konsummöglichkeiten morgen Konsumseite: Konsumverzicht heute = Zinseinkommen für zusätzlichen Konsum morgen Aber: Konsum morgen wird aufgrund einer angenommenen Gegenwartspräferenz abdiskontiert. Verhältnis von Diskontfaktor und Zinssatz entscheidet über das Ausmaß der Ersparnisbildung. Intertemporales Kalkül

119 S Konsum und Produktion 3.3 Konsum der Haushalt Ersparnisbildung Zusammenfassung: Arbeits-Freizeit-Kalkül: geplantes Arbeitsangebot, geplantes Einkommen Konsum-Spar-Entscheidung: Aufteilung des geplanten Einkommens für Konsum und Sparen Haushaltsoptimum: Aufteilung des Konsumbudgets auf einzelne Güter

120 S Märkte und Preisbildung Gliederung: 4.1 Marktformen 4.2 Vollkommene Konkurrenz Angebot und Nachfrage Gleichgewicht und Parameteränderungen 4.3 Unvollkommene Konkurrenz Monopol Oligopol Monopolistische Konkurrenz 4.4 Arbeitsmarkt 4.5 Kapitalmärkte Literatur: Hanusch, H., Kuhn, T., Cantner, U. (2000), Volkswirtschaftslehre 1, 5. Aufl., Berlin: Springer [Kapitel 3, 8, 9] Mankiw, N.G. (1999), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel [Kapitel 14-18] Bofinger, P. (2007), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., München: Pearson [Kapitel 8, 9, 10]

121 S Märkte und Preisbildung 4.1 Marktformen Märkte lassen sich (u.a.) nach zwei Merkmalen charakterisieren: 1) Anzahl der Anbieter und Nachfrager: Gibt es sehr viele Anbieter (Nachfrager), dann hat der Einzelne keinen signifikanten Einfluss auf das Marktergebnis. Er kann durch sein Verhalten nicht das Verhalten der anderen Marktteilnehmer beeinflussen, d.h. es gibt keine strategische Interdependenz. Gibt es wenige Anbieter (Nachfrager), so liegt eine gewisse Marktmacht vor, und die Entscheidungen hängen auch davon ab, was die anderen Marktteilnehmer tun. Bei einem Anbieter (Nachfrager) kann dieser allein einen Punkt auf der Nachfragekurve (Angebotskurve) bestimmen.

122 S Märkte und Preisbildung 4.1 Marktformen ein wenige viele Anbieter Anbieter Anbieter ein Nachfrager bilaterales Monopol beschränktes Monopson (Verhandlung) Monopson wenige Nachfrager beschränktes bilaterales Oligopson Monopol Oligopol viele Nachfrager Monopol Oligopol Polypol

123 S Märkte und Preisbildung 4.1 Marktformen 2) Homogenität oder Heterogenität der Güter Homogene Güter: aus Sicht der Nachfrager völlig austauschbar, d.h. keine Präferenzen bezüglich Zeit, Ort, Anbieter usw. einheitlicher Preis; Preis ist keine Strategievariable. Heterogene Güter: mindestens hinsichtlich eines Kriteriums werden die Güter als unterschiedlich wahrgenommen (z.b. Qualität, Design, Verfügbarkeit) es werden sich unterschiedliche Preise etablieren; Preis als Strategievariable.

124 S Märkte und Preisbildung 4.1 Marktformen Vollkommene Konkurrenz: Polypol (oder auch: vollständige Konkurrenz): viele Nachfrager und viele Anbieter, d.h. keine strategische Interdependenz, keine Marktmacht plus Homogenität der Güter Weitere Annahmen: keine Externalitäten, keine Informationsasymmetrien (siehe Kapitel 6) Idealtypischer Referenzfall in der Lehrbuchliteratur (Fast) keine praktischen Beispiele! Aber: Implikationen von Annahmeverletzungen lassen sich besser verstehen, wenn man zunächst den Referenzfall kennt.

125 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz Viele Nachfrager Das Verhalten eines Nachfragers ist durch eine fallende Nachfragekurve charakterisiert (siehe Abschnitt 3.3) Die Marktnachfrage ist die Summe der individuell nachgefragten Mengen (D = demand) zum jeweiligen Preis x D (p) = x D 1 (p) + x D 2 (p) + x D 3 (p) +... Grafisch: Nachfragekurven werden horizontal addiert. Die Marktnachfragekurve bleibt daher eine im Preis fallende Funktion.

126 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz Viele Anbieter Das Verhalten eines Anbieters unter vollkommener Konkurrenz ist durch eine steigende Angebotskurve charakterisiert (siehe Abschnitt 3.2). Das Marktangebot ist die Summe der individuell angebotenen Mengen (S = supply) zum jeweiligen Preis x S (p) = x S 1 (p) + x S 2 (p) + x S 3 (p) +... Grafisch: Angebotskurven werden horizontal addiert. Die Marktangebotskurve bleibt daher eine im Preis steigende Funktion.

127 4. Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz p x S (p) (Angebot) p x D (p) (Nachfrage) x x Beide Kurven repräsentieren die optimalen geplanten Mengen beider Marktseiten. Im Schnittpunkt beider Kurven liegt ein Marktpreis p vor, bei dem die geplante Nachfrage dem geplanten Angebot entspricht. Wir sprechen von Marktgleichgewicht bzw. von einem geräumten Markt. Die getauschte Menge beträgt x. S.127

128 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz p x S (p) (Angebot) p 1 ÜA p p 2 ÜN x D (p) (Nachfrage) x 2 x 1 x x

129 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz Für p > p liegt ein Überschussangebot vor: x S (p) > x D (p). Für p < p liegt eine Überschussnachfrage vor: x D (p) > x S (p). In diesen Ungleichgewichtssituationen können die optimalen Pläne nicht realisiert werden. Da das Zustandekommen des Marktpreises bei vollkommener Konkurrenz nicht erklärt wird (!), behilft man sich mit dem fiktiven Auktionator : Der Preis wird entsprechend der Überschussnachfrage in Richtung Gleichgewicht angepasst (Walrasianisches Gleichgewicht). Erst zum Gleichgewichtspreis wird tatsächlich getauscht.

130 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz Problem: Wenn Haushalte und Unternehmen von Ungleichgewichtspreisen ausgehen, sind die hergeleiteten Angebots- und Nachfragekurven hinfällig! Das (neoklassische) Marktkonzept funktioniert nur unter der Annahme, dass die Akteure vertrauen können, dass es sich um Gleichgewichtspreise handelt, d.h. es findet kein Tausch im Ungleichgewicht statt. Nur der Schnittpunkt von Angebot und Nachfrage ist interpretierbar. Alternativ: Ungleichgewichts-Konzepte: Bei rationaler Planung (kompliziert! Idee davon in Kapitel 5) Verhaltensökonomische Konzepte (Problem der Beliebigkeit) Trotz methodologischer Schwächen kann man diese Form der Marktanalyse als work horse verwenden, da viele qualitative Implikationen intuitiv und empirisch relevant sind.

131 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz Wie der Preismechanismus auf neue Informationen reagiert: Nachfrageerhöhung von x1 D auf x 2 D z.b. aufgrund gestiegener Wertschätzung (Präferenzen) gestiegenen Einkommens gestiegenen Preises von Substitutionsgütern gesunkenen Preises von Komplementärgütern Bei altem Preis p herrscht nun Überschussnachfrage. Es findet eine Preiserhöhung in Richtung des neuen Gleichgewichts p statt. Die Gleichgewichtsmenge x steigt.

132 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz p x S (p) p 2 p 1 x2 D (p) x1 D (p) x 1 x 2 x

133 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz Angebotserhöhung von x1 S auf x 2 S z.b. aufgrund von technischem Fortschritt, der zu sinkenden Kosten führt gesunkenen Faktorpreisen Marktzutritt neuer Konkurrenten Bei altem Preis p herrscht nun Überschussangebot. Es findet eine Preissenkung in Richtung des neuen Gleichgewichts p statt. Die Gleichgewichtsmenge x steigt.

134 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz p x S 1 (p) x S 2 (p) p 1 p 2 x D (p) x 1 x 2 x

135 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz Rolle der Elastizität: Die Steigung der Kurven im Marktgleichgewicht zeigt an, wie empfindlich die Marktseite auf Preisänderungen reagiert. Preiselastizität der Nachfrage: Um wieviel Prozent nimmt die Nachfrage ab bei einer 1%-igen Preiserhöhung? Preiselastizität des Angebots: Um wieviel Prozent erhöht sich das Angebot bei einer 1%-igen Preiserhöhung? Beispiel: Angebotskurve verschiebt sich nach rechts aufgrund gesunkener Kosten.

136 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz p Preisunelastische Nachfrage p Preiselastische Nachfrage x S 1 (p) x S 1 (p) x S 2 (p) x S 2 (p) p 1 p 2 p1 p2 x D (p) x D (p) x1 x2 x x 1 x 2 x

137 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz Analog bei einer Kostenerhöhung: Bei preiselastischer Nachfrage kommt es zu geringen Preiserhöhungen, aber dafür zu einer deutlichen Mengenreaktion. Die Fähigkeit der Anbieter, die Kostenerhöhung auf die Nachfrager zu überwälzen, ist gering. Bei preisunelastischer Nachfrage kommt es zu deutlichen Preis-, aber geringen Mengeneffekten. Da Nachfrager kaum ausweichen können, gelingt den Anbietern eine fast vollständige Überwälzung der Kostenerhöhung.

138 4. Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz Preisregulierung: Festsetzung von Mindestpreisen oberhalb des Gleichgewichts Festsetzung von Höchstpreisen unterhalb des Gleichgewichts Rationierung! Die kürzere Marktseite bestimmt dann die getauschte Menge. p Mindestpreis p Höchstpreis x S 1 (p) x S 1 (p) p min ÜA p max x D (p) ÜN x D (p) x x x x S.138

139 S Märkte und Preisbildung 4.2 Vollkommene Konkurrenz Grundsätzliche methodische Probleme: Es handelt sich um eine Partialanalyse nur eines Marktes. Jedes Ungleichgewicht auf irgendeinem Markt kann aber Auswirkungen auf alle anderen Märkte haben, da die Marktteilnehmer gezwungen sind, ihre Planungen zu revidieren. Die Idee des Marktgleichgewichts ist nur dann logisch schlüssig, wenn auf sämtlichen Märkten Gleichgewicht herrscht. Frage: Existiert ein Preisvektor, der zu simultanem Gleichgewicht auf allen Märkten führt? ( Allgemeine Gleichgewichtstheorie) In der Realität existiert keine Institution, welche einen Gleichgewichtspreisvektor ermitteln könnte. Wenn nun aber Tauschhandlungen zu Ungleichgewichtspreisen vollzogen werden, dann gibt es Rationierungen. Wie aber reagieren rationale Individuen auf (erwartete) Rationierungen?

140 S Märkte und Preisbildung 4.3 Unvollkommene Konkurrenz Monopol Da es nur einen Anbieter gibt, haben dessen Entscheidungen unmittelbaren Einfluss auf das Marktergebnis. Er kann nicht von einem gegebenen Marktpreis ausgehen. Setzt er den Preis, so bestimmt er über die Nachfragefunktion implizit auch die abgesetzte Menge. Bestimmt er die Menge, so entscheidet er implizit auch über den Preis, bei welchem diese Menge abgesetzt wird. Der Monopolist wählt einen Punkt auf der Marktnachfragekurve, bei dem sein Gewinn maximiert wird.

141 4. Märkte und Preisbildung 4.3 Unvollkommene Konkurrenz Monopol Gewinngleichung: π(x) = x p(x) C(x) mit p(x) als inverser Nachfragefunktion. Bedingung erster Ordnung für ein Gewinnmaximum (Produktregel!): π (x) = p(x) + x p (x) C (x) = 0 }{{} <0 p(x) + x p (x) = C (x) und somit Grenzerlös = Grenzkosten p(x) > C (x) Im Vergleich zu vollkommener Konkurrenz: höherer Gleichgewichtspreis niedrigere Gleichgewichtsmenge S.141

142 4. Märkte und Preisbildung 4.3 Unvollkommene Konkurrenz Monopol Beispiel mit linearer Nachfragefunktion: p Grenzkosten p M x M Grenzerlös x D (p) x Je preiselastischer die Nachfrage ist, desto weniger kann der Monopolist seine Marktmacht nutzen. S.142

143 S Märkte und Preisbildung 4.3 Unvollkommene Konkurrenz Monopol Warum kommt es zu Monopolen? Alleineigentum an den Produktionsfaktoren (z.b. Ölquelle) bzw. exklusive staatliche Lizenzen (z.b. Schürfrechte, Patente), die den Markteintritt von Wettbewerbern verhindern. Steigende Skalenerträge (Größenvorteile): sinkende Durchschnittskosten bei Massenproduktion führen dazu, dass es technisch effizient ist, jede weitere Produktionseinheit vom bereits bestehenden Unternehmen herstellen zu lassen (sog. natürliches Monopol ). Netzwerkexternalitäten und strategische Markteintrittsbarrieren (v.a. bei Superstar-Unternehmen wie Google, Facebook, Amazon etc.) Staatliche Vorgaben (z.b. Pflichtversicherungen)

144 S Märkte und Preisbildung 4.3 Unvollkommene Konkurrenz Monopol Monopolkontrolle: Monopole führen i.d.r. zu einem ineffizienten Markt, die Marktmacht wird nicht durch Wettbewerb diszipliniert. Staatliche Aufsicht und Regulierung können die Ineffizienzen reduzieren. Auch wenn mehrere Wettbewerber existieren, so können sich diese durch Kartellbildung in einer Weise abgestimmt verhalten, als wären sie zusammen ein Monopolist (z.b. Preisabsprachen). Dieses wettbewerbswidrige Verhalten ist rechtswidrig. Das Verhalten eines Monopolisten kann evtl. allein durch die Möglichkeit eines Markteintritts diszipliniert werden ( angreifbares Monopol ). Preispolitik und Innovationsverhalten werden so gestaltet, dass es sich für potenzielle Wettbewerber nicht lohnt in den Markt einzutreten.

145 S Märkte und Preisbildung 4.3 Unvollkommene Konkurrenz Oligopol Wenige Anbieter: Jeder hat eine gewisse Marktmacht, so dass seine Entscheidungen Einfluss auf die Situation der Konkurrenten haben (abgesetzte Mengen, Gewinne) und umgekehrt. Preis- oder Mengenentscheidungen werden daher in strategischer Wechselwirkung getroffen, d.h. in Abhängigkeit vom erwarteten Verhalten der Konkurrenten. Homogene Güter: einheitlicher Preis und strategischer Mengenwettbewerb (Cournot) Heterogene Güter: unterschiedliche Preise und strategischer Preiswettbewerb (Bertrand) Analyse mit Hilfe der Spieltheorie.

146 S Märkte und Preisbildung 4.3 Unvollkommene Konkurrenz Oligopol Skizze für den Fall homogener Güter und zwei Anbieter (Duopol): Der einheitliche Marktpreis hängt von den Angebotsmengen beider Duopolisten ab: p(x) = p(x 1 + x 2 ). Der Gewinn von Unternehmen 1 hängt somit von dessen gewählter Menge und von der Menge des Unternehmens 2 ab: π 1 (x 1, x 2 ) = x 1 p(x 1 + x 2 ) C(x 1 ) (analog für Unternehmen 2.) Für die gewinnmaximalen Mengen gilt dann x 1 = x 1 (x 2) und x 2 = x 2 (x 1). Das heißt, es gibt jeweils eine beste Antwort auf die Mengensetzung des Konkurrenten. Ein Gleichgewicht liegt vor, wenn die gewählten Mengen eine wechselseitig beste Antwort darstellen.

147 S Märkte und Preisbildung 4.3 Unvollkommene Konkurrenz Monopolistische Konkurrenz Vollständige Konkurrenz, jedoch heterogene Güter. Sehr viele Anbieter, so dass das einzelne Unternehmen keinen signifikanten Einfluss auf andere Unternehmen hat (keine strategische Wechselbeziehung). Da die Güter heterogen sind, hat jeder Anbieter eine Marktnische. In dieser Marktnische maximiert er seinen Gewinn und verhält sich wie ein Monopolist. Sofern positive Gewinne entstehen, kommt es zu Markteintritten von Unternehmen mit weiteren Produktvarianten. Dadurch sinkt die Nachfrage nach bestehenden Produktvarianten und somit der Gewinn. Im langfristigen Gleichgewicht nähert sich der Monopolpreis den Durchschnittskosten, so dass der Gewinn Null wird.

148 S Märkte und Preisbildung 4.4 Arbeitsmarkt Haushalte sind Anbieter von Arbeit. Wir haben das Angebot aus einem Arbeits-Freizeit-Kalkül hergeleitet und die Arbeitsangebotskurve als eine vom Reallohn abhängige aufsteigende Funktion dargestellt (siehe Abschnitt 3.3). Unternehmen sind Nachfrager nach Arbeit. Die Nachfrage haben wir aus einem Gewinnmaximierungskalkül hergeleitet und die Arbeitsnachfragekurve als eine vom Reallohn abhängige fallende Funktion dargestellt (siehe Abschnitt 3.2). Im Schnittpunkt beider Kurven (gleichgewichtiger Reallohnsatz) stimmen geplantes Angebot und geplante Nachfrage überein.

149 S Märkte und Preisbildung 4.4 Arbeitsmarkt w p Neoklassische Erklärung von Arbeitslosigkeit L S (w/p) AL ( w p ) L D (w/p) L L L

150 S Märkte und Preisbildung 4.4 Arbeitsmarkt In dieser stark vereinfachten Sichtweise entsteht Arbeitslosigkeit (Überschussangebot) durch einen zu hohen Reallohn (Grafik: AL). Da Arbeitskontrakte den Nominallohn w bestimmen, während das Preisniveau p durch Angebot und Nachfrage auf Gütermärkten bestimmt wird, hängt es dann von der Nominallohnflexibilität ab, ob das Marktgleichgewicht erreicht wird. Nach dieser Auffassung verhält sich der Arbeitsmarkt wie jeder andere Markt auch, d.h. er reagiert auf Änderungen im Angebots- und Nachfrageverhalten durch Änderung des Gleichgewichtslohnsatzes w.

151 S Märkte und Preisbildung 4.4 Arbeitsmarkt Beispiele: Links: Technischer Fortschritt senkt die Produktionskosten und erhöht so die Arbeitsnachfrage. Rechts: Durch Abwanderung sinkt das Arbeitsangebot. w p L S (w/p) w p L S 1 (w/p) L S 0 (w/p) (w/p) (w/p) (w/p) (w/p) L D 1 (w/p) L D 0 (w/p) L D (w/p) L L L L L L

152 S Märkte und Preisbildung 4.4 Arbeitsmarkt Besonderheiten des Arbeitsmarktes: 1) Arbeit ist heterogen: Unterschiedliche Qualifikationen, unterschiedliche Leistungsfähigkeit bei gleicher formaler Qualifikation usw. Berücksichtigung durch Einbeziehung von Humankapital (z.b. vorangegangene Investitionen in Bildung). Erhöht das Humankapital die Grenzproduktivität, so lässt sich ein erhöhter Lohnsatz als Rendite des Humankapitals auffassen. Analyse unterschiedlicher Teil-Arbeitsmärkte, z.b. für Hochund Geringqualifizierte.

153 S Märkte und Preisbildung 4.4 Arbeitsmarkt 2) Probleme der Informationsasymmetrie: Grenzproduktivität der Arbeit ist i.d.r. dem Unternehmen nicht bekannt: Die Humankapitalausstattung bzw. Produktivität ist evtl. dem Betreffenden, aber nicht dem Unternehmen bekannt. Die formale Qualifikation ist lediglich ein Signal. Ein hochproduktiver Arbeiter unterliegt dem Anreiz sich weniger anzustrengen (d.h. weniger produktiv zu sein), wenn das Unternehmen dies nicht präzise beobachten kann. Es lässt sich zeigen, dass ein erhöhter Lohnsatz beide Informationsprobleme lösen bzw. lindern helfen kann (Effizienzlohntheorie). Der Effizienzlohn liegt aber über dem gleichgewichtigen Lohnsatz und trägt so zur Arbeitslosigkeit bei! Es gibt hier keine Marktkräfte, die zu einer Lohnsenkung führen.

154 S Märkte und Preisbildung 4.4 Arbeitsmarkt 3) Lohnkontrakte werden ausgehandelt: Für einen großen Teil von Arbeitern und Angestellten werden Löhne durch einen Verhandlungsmechanismus (Arbeitgeberverbände Gewerkschaften) bestimmt, nicht durch einen Wettbewerbsmarkt. Verhandlungen sind ein kostenträchtiger Mechanismus. Daher werden Lohnkontrakte für eine bestimmte Laufzeit abgeschlossen. Innerhalb der Laufzeit ist die Lohnflexibilität nach unten sehr begrenzt. Hypothese: In Verhandlungen sind die Interessen der Beschäftigten stärker repräsentiert als die der Arbeitslosen.

155 S Märkte und Preisbildung 4.4 Arbeitsmarkt 4) Regulierende Eingriffe: In einer Sozialen Marktwirtschaft ist es unabdingbar, dass es für den Fall der Arbeitslosigkeit eine Grundsicherung gibt, welche den Einkommensausfall teilweise kompensiert. Über die Ausgestaltung dieses Sicherungssystems gibt es verschiedene Auffassungen. Die Grundsicherung kann wie ein Mindestlohn wirken: Für alle Reallöhne unterhalb der Mindestsicherung gibt es aus Sicht der Arbeitsleidhypothese keinen rationalen Grund einen Arbeitskontrakt zu akzeptieren, d.h. das Arbeitsangebot ist dort Null. Das ändert sich, wenn bei Aufnahme von Arbeit die Unterstützungsleistung nicht sofort entsprechend gekürzt wird und/oder wenn Arbeit einen Eigenwert hat und/oder wenn die Arbeitsaufnahme Signal- oder investiven Charakter hat.

156 S Märkte und Preisbildung 4.5 Kapitalmärkte Akkumulierte Ersparnis = Vermögen (netto) Dieses entspricht (vereinfacht gesehen) dem Realkapital = akkumulierte Investitionen. Falls Investitionen nicht durch eigene (unternehmerische) Ersparnis finanziert wird, wie kommt der Investor an finanzielle Mittel?

157 S Märkte und Preisbildung 4.5 Kapitalmärkte 1) Direkte Finanzierung (Primärmarkt): Ausgabe von Aktien: Durch den Verkauf einer Aktie fließen die finanziellen Mittel dem Unternehmen zu und der Aktieninhaber wird Miteigentümer mit Anspruch auf Mitbestimmung und Gewinnbeteiligung. Ausgabe von Schuldverschreibungen (Bonds): Durch den Verkauf von Bonds fließen die finanziellen Mittel dem Unternehmen zu und der Bondsinhaber wird zum Gläubiger mit Anspruch auf festgelegte Zinszahlungen. Aktien wie auch Bonds können auf Sekundärmärkten gehandelt werden, es kommt dann zum Eigentums- bzw. Gläubigerwechsel, aber ohne unmittelbare Finanzierungswirkung auf das Unternehmen.

158 S Märkte und Preisbildung 4.5 Kapitalmärkte 2) Indirekte Finanzierung durch Finanzintermediäre: Investor nimmt einen Kredit bei einer Bank auf. Dadurch entsteht Sichtguthaben (Geld) (siehe Kapitel 8). Durch die Investition entsteht Einkommen, welches nicht konsumiert werden kann, also gespart wird. (D.h. in einer Geldwirtschaft ist Ersparnis keine Voraussetzung für Investitionen.)

159 S Märkte und Preisbildung 4.5 Kapitalmärkte Auch die Märkte für Aktien, Bonds und Kredite lassen sich wie jeder andere Markt auch durch Angebots- und Nachfrageverhalten erklären. Aktien: Kurs = Preis; wichtig ist die erwartete Rendite, d.h. erwartete Gewinnausschüttungen pro Aktie und erwartete Kursentwicklung. Bonds: Erwartete Rendite ergibt sich aus festen Zinszahlungen und erwarteten Kursänderungen. Kredite: Zinssatz. Besonderheiten bezüglich der Informationsasymmetrie und der Rolle der Erwartungsbildung.

160 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt Gliederung: 5.1 Gleichgewicht 5.2 Effizienz Effizienter Ressourceneinsatz Effizienter Tausch und Pareto-Kriterium 5.3 Wohlfahrt Partialanalyse Totalanalyse Probleme der Aggregation Literatur: Hanusch, H., Kuhn, T., Cantner, U. (2000), Volkswirtschaftslehre 1, 5. Aufl., Berlin: Springer [Kapitel 2, 10.1] Mankiw, N.G. (1999), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel [Kapitel 7, 8] Donges, J.B., Freytag, A. (2004), Allgemeine Wirtschaftspolitik. 2. Aufl. Stuttgart: Lucius & Lucius [Kapitel II.2 II.4]

161 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.1 Gleichgewicht Theoretisches Gleichgewicht: Zustand, bei dem ein Markt (bzw. ein System von Märkten) geräumt ist (Marktgleichgewicht). Methodisches Gleichgewicht: Zustand, bei dem kein Individuum einen Anreiz hat, seine Entscheidungen zu revidieren. Da Entscheidungen auf Planungen beruhen, impliziert dies, dass geplante Größen nicht revidiert werden müssen, und alle Pläne folglich miteinander konsistent sind. Da Planungen auf Erwartungen beruhen, impliziert dies, dass ein Gleichgewichtszustand nicht auf systematischem Irrtum beruhen kann.

162 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.1 Gleichgewicht Walrasianisches Gleichgewicht: L. Walras ( ), Begründer der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie Existenz eines Preisvektors, bei welchem alle Märkte geräumt sind und alle Planungen realisiert sind (theoretisches und methodisches Gleichgewicht). Walrasianischer Auktionator zur Ermittlung dieses Preisvektors. Geld spielt nur als Recheneinheit eine Rolle; Gleichgewichtskonzept einer reinen Tauschwirtschaft.

163 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.1 Gleichgewicht Was passiert bei Transaktionen zu Ungleichgewichtspreisen? Pläne können nicht realisiert werden, es kommt zu (positiver oder negativer) Überschussnachfrage und somit zu Rationierungen. Preis- und/oder Mengenentscheidungen werden revidiert. Frage: Geht man nur von Preisanpassungen aus, d.h. konvergiert der Preisvektor gegen denjenigen des Walrasianischen Gleichgewichts? Was passiert aber, wenn die Individuen auf mögliche Rationierungen mit einer Anpassung der geplanten Mengen reagieren? Was passiert, wenn sie von vornherein mit Rationierungen rechnen? Nicht-walrasianische Gleichgewichtsvorstellungen!

164 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.1 Gleichgewicht Beispiel: a) Haushalte planen simultan ihre optimale Arbeitszeit (Einkommen) und ihre Konsumausgaben. Sie rechnen mit der Möglichkeit, dass sie ihre geplante Arbeitszeit nicht werden realisieren können, d.h. sie erwarten eine gewisse Unterbeschäftigung. Somit rechnen sie mit einem geringeren Einkommen und passen daher ihre Konsumausgaben nach unten an. b) Unternehmen planen ihren Absatz. Sie rechnen damit, dass sie auf dem Konsumgütermarkt rationiert werden, d.h. die optimale Menge nicht absetzen können. Daraufhin stellen sie weniger Arbeitskräfte ein, weil sie die Produktion an die erwartete Rationierung anpassen.

165 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.1 Gleichgewicht Beispiel (Fortsetzung): Damit hat sich aber genau die Situation auf dem Arbeitsmarkt eingestellt, die die Haushalte erwartet hatten, nämlich eine Unterbeschäftigung. Deshalb werden sie auch nur die geringe Konsumgütermenge nachfragen, mit der wiederum die Unternehmen gerechnet haben. Die Erwartungen sind konsistent und erfüllt. Es gibt keinen Anlass die Pläne zu revidieren! Rationierungs-Gleichgewicht, Ungleichgewichts-Gleichgewicht. Rothschild, K.W. (1981), Einführung in die Ungleichgewichtstheorie. Berlin: Springer.

166 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.2 Effizienz Effizienter Ressourceneinsatz Einzelwirtschaftliche Ebene: Die Produktionsfunktion gibt an, welcher Output bei gegebenen Inputs maximal, d.h. technisch effizient produziert werden kann. Bleibt der Output unterhalb des Funktionswertes, x < f (v), so ist die Produktion technisch ineffizient. Gesamtwirtschaftliche Ebene: Werden nutzbare Ressourcen (Arbeit, Kapital) nicht eingesetzt, so liegt Ineffizienz vor (Opportunitätskosten aufgrund entgangenen Outputs). Grafisch gesehen ist dies ein Punkt unterhalb der Transformationskurve.

167 5. Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.2 Effizienz Effizienter Ressourceneinsatz x 2 Transformationskurve v A A B x 1 Ressourcenrestriktion B A: technische Ineffizienz B: ineffizienter Ressourceneinsatz v S.167

168 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.2 Effizienz Effizienter Tausch und Pareto-Kriterium Ausgangspunkt sei ein Punkt auf der Transformationskurve, d.h. ein Güterbündel aus zwei Gütern (Äpfel und Birnen). Weiterhin gehen wir davon aus, dass diese Güter irgendwie auf die beiden Personen Adam und Eva verteilt wurden. Annahme: Adam hat 10 Äpfel und 5 Birnen Eva hat 6 Äpfel und 8 Birnen. Beide haben jeweils Präferenzen bezüglich dieser Güter Indifferenzkurven! Wann ist es sinnvoll, dass Adam und Eva untereinander Äpfel und Birnen tauschen? Was ist das Tauschergebnis?

169 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.2 Effizienz Effizienter Tausch und Pareto-Kriterium Konstruktion einer sog. Edgeworth-Box (F.Y. Edgeworth, ): Zwei Indifferenzkurvenschemata werden so gedreht und übereinander gelegt, dass die Kantenlänge jeweils der Gesamtausstattung mit den beiden Gütern entspricht,... und die Anfangsverteilung durch einen Punkt in diesem Raum gekennzeichnet ist.

170 5. Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.2 Effizienz Effizienter Tausch und Pareto-Kriterium A 10 Adam 5 B ū A B 8 ū E Eva 6 A S.170

171 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.2 Effizienz Effizienter Tausch und Pareto-Kriterium B A Adam ū E ū E Eva ū A ū A A B

172 5. Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.2 Effizienz Effizienter Tausch und Pareto-Kriterium Bilden die Indifferenzkurven in der Ausgangslage (Punkt P 0 ) eine Linse, so ist die Ausgangslage nicht effizient, denn beide können gleichzeitig jeweils eine höhere Indifferenzkurve erreichen, indem sie tauschen. Eine Situation ist effizient (z.b. Punkt P 1 ), wenn sich beide Indifferenzkurven tangieren, d.h. dieselbe Steigung aufweisen. Es gibt unendlich viele solcher Tangentialpunkte! (sog. Kontraktkurve) Welcher Punkt realisiert wird, hängt u.a. von der Anfangsverteilung und der Verhandlungsstärke ab. A B Eva Adam Kontraktkurve A B S.172

173 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.2 Effizienz Effizienter Tausch und Pareto-Kriterium V. Pareto ( ), Mitbegründer der Wohlfahrtsökonomik Pareto-Effizienzkriterium: Zustand, in welchem niemand besser gestellt werden kann, ohne dass mindestens ein anderer schlechter gestellt werden muss ( besser und schlechter nach jeweils subjektiver Bewertung). Geht von der Nicht-Vergleichbarkeit individueller Nutzenvorstellungen aus, d.h. rein individualistisches und dadurch sehr strenges Kriterium. Implikation des ökonomischen Prinzips! Tauschgleichgewicht = Punkt auf Kontraktkurve erfüllt das Pareto-Kriterium.

174 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.2 Effizienz Effizienter Tausch und Pareto-Kriterium Bemerkung zum Effizienzbegriff: Ausgangspunkt sind die subjektiven Präferenzen, d.h. jedes Individuum bewertet die Konsequenzen seiner Entscheidung (z.b. bei einem Tausch). Wir haben hier unterstellt, dass jedes Individuum nur Präferenzen bezüglich der materiellen Konsequenzen für sich selbst hat! Das Konzept rationaler Präferezen sagt aber nichts über deren Inhalt aus. Empirisch relevant: Interesse für die Konsequenzen für andere (Neid, Ungleichheit, Altruismus); Interesse für die Art und Weise des Zustandekommens der Allokation (vermutete Absichten anderer, faire Spielregeln).

175 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.3 Wohlfahrt Partialanalyse Wenn Güter getauscht bzw. ver-/gekauft werden, dann deshalb, weil es für die Beteiligten wechselseitig vorteilhaft ist. Dieser Vorteil lässt sich monetär bewerten. Verkauf einer zusätzlichen Gütereinheit auf einem Markt: Das Unternehmen erzielt einen Gewinn (Preis ist mindestens so hoch wie Kosten dieser Gütereinheit = Grenzkosten) Der Haushalt erzielt einen Nutzenüberschuss (Preis ist höchstens so hoch wie die Zahlungsbereitschaft für diese Gütereinheit entsprechend des Haushaltsoptimums) Im Marktgleichgewicht entspricht der Preis genau der Zahlungsbereitschaft für die letzte getauschte Einheit, und der Preis entspricht den Kosten der letzten getauschten Einheit (Preis = Grenzkosten Regel)

176 5. Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.3 Wohlfahrt Partialanalyse Konsumentenrente: Addiere sämtliche Nutzenüberschüsse der gehandelten Gütereinheiten. Produzentenrente: Addiere sämtliche Stückgewinne der gehandelten Gütereinheiten (Gesamtgewinn). Wohlfahrtsmaß: Produzenten- plus Konsumentenrente p Nutzenüberschuss x S p Konsumentenrente x S p p 1 2 Stückgewinn x x D x Produzentenrente x x D x S.176

177 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.3 Wohlfahrt Partialanalyse Ungleichgewichtssituationen verringern die Wohlfahrt: p p (a) Angebotsüberschuss (b) Nachfrageüberschuss Wohlfahrtsverlust x S Wohlfahrtsverlust x S p p p p x x x D x x x x D x

178 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.3 Wohlfahrt Partialanalyse Wohlfahrtsvergleich zwischen vollkommener Konkurrenz und Monopol: Im Monopolfall ist der Monopolpreis höher und die gehandelte Menge niedriger als bei vollkommener Konkurrenz. Die Produzentenrente ist im Monopolfall höher, die Konsumentenrente sehr viel niedriger. Es kommt also zu einer Rentenumlenkung (siehe Grafik). Konkurrenz Monopol KR ap K d ap M c PR p K bd p M bec Wohlfahrt abd abec Die Gesamtwohlfahrt ist niedriger als bei vollkommener Konkurrenz (Wohlfahrtsverlust), hier: cde.

179 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.3 Wohlfahrt Partialanalyse p a p M p K b e c d Wohlfahrtsverlust Grenzkosten x M Grenzerlös x K x D (p) x

180 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.3 Wohlfahrt Totalanalyse Jeder Vorgang auf einem Markt hat Auswirkungen auf andere Märkte. Eine Analyse der Wohlfahrt auf nur einem einzigen Markt ist daher fragwürdig. Betrachten wir also den Fall von zwei Gütern auf Wettbewerbsmärkten und einem repräsentativen Haushalt: Im Marktgleichgewicht gilt für die letzte Gütereinheit: Preis = marginale Zahlungsbereitschaft Also gilt auch: Preisverhältnis = Verhältnis der marginalen Zahlungsbereitschaften. Dieses entspricht der Steigung der Indifferenzkurve. Preis = Grenzkosten Also gilt auch: Preisverhältnis = Verhältnis der Grenzkosten Dieses entspricht der Steigung der Transformationskurve.

181 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.3 Wohlfahrt Totalanalyse x 2 Wohlfahrtsindifferenzkurve x 2 Transformationskurve x 1 x 1

182 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.3 Wohlfahrt Totalanalyse Damit ist auch die Frage beantwortet, welches Preis- und somit reales Tauschverhältnis sich einstellen wird: Steigung der Tangente in dem Punkt, wo sich Indifferenz- und Transformationskurve berühren. Absolute Geldpreise spielen bei der Analyse keine Rolle, da es stets um Relationen geht: [Euro/Apfel] [Euro/Birne] = [Birne] [Apfel]

183 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.3 Wohlfahrt Probleme der Aggregation In der obigen Totalanalyse sind wir vereinfachend von einem repräsentativen Haushalt ausgegangen. Betrachtet man viele Haushalte, so kann man Nutzenindexwerte nicht einfach addieren! Wie bewertet man aber einen kollektiven Zustand? Das Pareto-Kriterium hilft nicht weiter, da es in der Regel unendlich viele pareto-effiziente Zustände gibt.

184 S Gleichgewicht, Effizienz und Wohlfahrt 5.3 Wohlfahrt Probleme der Aggregation Gibt es eine aggregierte soziale Wohlfahrtsfunktion? Welche Eigenschaften sollte diese haben? Ein Problem ist, dass die ökonomische Analyse grundsätzlich vom Individuum und dessen subjektiven Bewertungen ausgeht (methodologischer Individualismus). Eingriffe in die souveränen Entscheidungen um eine angeblich höhere soziale Wohlfahrt herbeizuführen, werden daher kritisch gesehen. Ein generelles Problem ist, dass es keinen Mechanismus gibt, der die individuellen Präferenzen auf eine konsistente Weise aggregiert und der ohne Zwang funktioniert (sogenanntes Arrow-Paradoxon).

185 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik Gliederung: 6.1 Externe Effekte Definition Umweltproblematik als Fall negativer Externalitäten Öffentliche Güter als Spezialfall positiver Externalitäten 6.2 Marktmacht 6.3 Informationsasymmetrien 6.4 Weitere Probleme 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Literatur: Hanusch, H., Kuhn, T., Cantner, U. (2000), Volkswirtschaftslehre 1, 5. Aufl., Berlin: Springer [Kapitel 10, 4.3] Mankiw, N.G. (1999), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel [Kapitel 10, 11] Donges, J.B., Freytag, A. (2004), Allgemeine Wirtschaftspolitik. 2. Aufl. Stuttgart: Lucius & Lucius [Kapitel III, II.3.D]

186 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik Warum staatliche Eingriffe notwendig sein können: Märkte führen nicht immer zu einer effizienten Allokation der Ressourcen bzw. zur höchstmöglichen Wohlfahrt sog. Marktversagen. Dadurch kann eine aktive Rolle des Staates begründet werden: Spielregeln definieren, die den Markt in die Lage versetzen, diese Probleme selbst zu lösen (z.b. Zuweisung von Rechten, Beschränkung von Handlungsfreiheiten), Eingriff in das System der relativen Preise (z.b. durch Steuern und Subventionen), Staat erstellt selbst gewünschte Leistungen (z.b. staatlicher Bildungssektor, Landesverteidigung).

187 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik Grenzen staatlicher Eingriffe: Es sind oft präzise Informationen nötig. Geht man von einem fiktiven informierten sozialen Planer aus, so lässt sich im Modell das Problem des Marktversagens lösen oder zumindest eine zweitbeste Lösung finden. Der reale Staat verfügt jedoch oft nicht über ausreichende Informationen. Politik wird durch handelnde Personen (Politiker, Bürokraten) bestimmt, die eigenen Zielfunktionen folgen. Zudem können Entscheidungsprozesse durch Interessengruppen beeinflusst werden. Weicht staatliches Handeln von dem ab, was der fiktive soziale Planer tun würde, kann man entsprechend von Staatsversagen sprechen.

188 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik Effizienz- und Verteilungsziel: Die Verteilung kann aus normativen Gerechtigkeitsvorstellungen heraus als korrekturbedürftig angesehen werden, selbst wenn sie Ergebnis funktionierenden Wettbewerbs auf effizienten Märkten ist. Jede Form von Umverteilungspolitik (Steuern, Transfers, Mindestlöhne) ist ein Eingriff in das System der relativen Preise und hat somit einen Einfluss auf die Allokationseffizienz. Daraus können sich Zielkonflikte zwischen Effizienz- und Verteilungszielen ergeben, die durch gesellschaftliche Werturteilsentscheidungen gelöst werden müssen.

189 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Definition Wir sprechen stets davon, dass auf Märkten Güter gegen Güter oder (im Normalfall) gegen Geld getauscht werden. Tatsächlich werden aber Verfügungsrechte an einem Gut getauscht. Gibt es eindeutig zugewiesene Rechte, dann fallen Kosten und Nutzen einer ökonomischen Aktivität immer beim Verursacher dieser Aktivität an. Die Bereitschaft, diese Rechte zu tauschen, führt zu Marktpreisen, die die Knappheit anzeigen. Sind die Rechte nicht vollständig definiert, dann kann eine ökonomische Aktivität eines Individuums die Kosten oder den Nutzen eines anderen Individuums beeinflussen, ohne dass eine Kompensation durch einen Preis vorliegt.

190 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Definition Das Preissystem ist dann unvollständig ( externer Effekt, da außerhalb des Preissystems). Positiver externer Effekt: Ökonomische Aktivität erhöht den Nutzen Dritter ohne Kompensation durch das Preissystem. Negativer externer Effekt: Ökonomische Aktivität erhöht die Kosten Dritter ohne Kompensation durch das Preissystem. Fehlallokation, ineffiziente Allokation ist die Folge.

191 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Definition Beispiele: Opa Hoppenstedt hört gerne laute Militärmusik. Die Nachbarn hören zwangsläufig mit. Die Produktion von Strom aus Kohle verursacht CO 2 -Emissionen. Der dadurch erhöhte Treibhauseffekt betrifft auch alle anderen Menschen (nicht nur Stromnutzer). Thüringen finanziert eine öffentliche Autobahn. Die PKW- und LKW-Fahrer der angrenzenden Bundesländer profitieren durch die verbesserte Transitmöglichkeit. Ein Teil der Bevölkerung lässt sich gegen Grippe impfen. Durch die verringerte Übertragungswahrscheinlichkeit profitieren auch diejenigen, die sich nicht haben impfen lassen. Ein Tüftler macht eine neue technische Entdeckung und publiziert diese. Andere nutzen diese Idee und produzieren ein neues Produkt. Passivrauchen erhöht das Lungenkrebsrisiko.

192 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Definition Das Preissystem wäre vollständig, wenn der externe Effekt internalisiert würde, d.h. es müsste eine Kompensation derjenigen Kosten und Nutzen erfolgen, die bei Dritten anfallen. Das kann geschehen durch: a) Definition und Zuweisung von Verfügungsrechten (z.b. Emissionszertifikate, Patente). b) Staatlicher Eingriff in das System der relativen Preise (z.b. Ökosteuern). c) Staatlicher Eingriff in die ökonomische Entscheidungsfreiheit (z.b. Rauchverbot).

193 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Umweltproblematik als Fall negativer Externalitäten Anbieter 1 Filter Anbieter 2

194 6. Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Umweltproblematik als Fall negativer Externalitäten Produktion von Gut x 1 verursacht Emissionen, die die Produktion von Gut x 2 teurer machen. Die Gewinnfunktionen sind π 1 = p 1 x 1 C 1 (x 1 ), π 2 = p 2 x 2 C 2 (x 2, x 1 ) Im Konkurrenzgleichgewicht gilt: p 1 = dc 1(x 1 ) dx 1, p 2 = C 2(x 2, x 1 ) x 2 Da annahmegemäß C 2 / x 1 > 0 (negative Externalität), sind die Grenzkosten und somit der Preis von Gut x 2 zu hoch. Optimal wäre p 1 = dc 1(x 1 ) + C 2(x 2, x 1 ) dx 1 x 1 d.h. Preis von Gut x 1 beinhaltet nicht nur die Grenzkosten von dessen Produktion, sondern auch den Grenzkosteneffekt auf Gut x 2. Dadurch sinkt die Produktion von x 1 (und somit die Emission) sowie der Preis p 2 auf das sozial optimale Niveau. S.194

195 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Umweltproblematik als Fall negativer Externalitäten 1) Internalisierung durch einen regulierenden staatlichen Eingriff in das Preissystem: Pigou-Steuer (A.C. Pigou, ) Soziales Optimum: Preis = soziale Grenzkosten (private Grenzkosten plus externe Grenzkosten) Internalisierung des negativen externen Effektes durch eine Steuer auf das Gut, dessen Produktion den externen Effekt verursacht. Für die Bestimmung des Steuersatzes t ist die Kenntnis des Marktgleichgewichts im sozialen Optimum notwendig. Der Aufschlag t auf die Grenzkosten verschiebt die Angebotskurve so, dass sie im sozialen Optimum die Nachfragekurve schneidet. Problem: Verwendung der Steuer nicht allokationsneutral.

196 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Umweltproblematik als Fall negativer Externalitäten p soziale GK C Angebot nach Besteuerung p s p K B A Steuersatz t private GK (=Angebot) x s x K x D (p) x

197 6. Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Umweltproblematik als Fall negativer Externalitäten 2) Internalisierung durch Zuweisung von Verfügungsrechten: R. Coase ( ), Theorie der Verfügungsrechte Selbes Beispiel wie oben. Annahme: Eine Einheit x 1 = eine Emissionseinheit. Situation A: Anbieter 2 hat das Nutzungsrecht am Fluss. Will Anbieter 1 Emissionen einleiten, so muss er das Nutzungsrecht an dem Fluss (teilweise) abkaufen. Anbieter 2 wird einen Preis pro Emissionseinheit mindestens in Höhe der externen Grenzkosten C 2 / x 1 verlangen. Anbieter 1 wird höchstens einen Preis zahlen, der dem entgangenen Grenzgewinn p 1 dc 1 /dx 1 entspricht. Im Verhandlungsgleichgewicht wird man sich einigen auf: p 1 dc 1 dx 1 = C 2 x 1 p 1 = dc 1 dx 1 + C 2 x 1 (sozial optimal) S.197

198 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Umweltproblematik als Fall negativer Externalitäten Situation B: Man kann aber ebenso Anbieter 1 das Nutzungsrecht am Fluss zuweisen. Anbieter 2 kann dann die Emissionen hinnehmen oder aber Anbieter 1 für die Unterlassung kompensieren. Anbieter 2 wird eine Kompensation für die Unterlassung höchstens in Höhe der externen Grenzkosten zahlen. Anbieter 1 wird sich für jede nicht produzierte Einheit mindestens in Höhe des entgangenen Grenzgewinns kompensieren lassen. Die Lösung in diesem Szenario ist identisch mit der in Szenario A. Die Verteilungsposition ist zwar in beiden Fällen verschieden, die Allokation aber in beiden Fällen gleich und effizient.

199 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Öffentliche Güter als Spezialfall positiver Externalitäten Charakterisierung ökonomischer Güter nach den Kriterien: Ausschließbarkeit: Können Nutzer von der Nutzung ausgeschlossen werden? Konsumrivalität: Mindert die Nutzung durch eine Person die Nutzungsmöglichkeit durch eine andere Person? Ausschließbarkeit Ausschließbarkeit gegeben nicht gegeben Konsumrivalität privates Gut Allmende-Gut gegeben Konsumrivalität Club-Gut öffentliches Gut nicht gegeben

200 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Öffentliche Güter als Spezialfall positiver Externalitäten Allmende = gemeinschaftlich genutzte Ressource, bei der jeder Zugang hat, die Nutzung jedoch die Ressource verknappt (z.b. Umweltgüter) Als öffentliche Güter werden häufig Beispiele wie Landesverteidigung, innere Sicherheit, der Leuchtturm, die (nicht überfüllte) öffentliche Straße genannt. Nicht-Ausschließbarkeit ist keine intrinsische Eigenschaft des Gutes: Technische Ausschließbarkeit: der Zugang kann physisch reguliert werden (z.b. Aushändigung der Ware nur gegen Geld, Umzäunen eines Geländes etc.). Der physische Ausschluss ist nicht immer möglich (z.b. Wissen, Ideen) oder prohibitiv teuer. Rechtliche Ausschließbarkeit: Auch wenn die physische Ausschließbarkeit schwierig oder unmöglich ist, kann doch die Nutzung durch Rechte beschränkt sein (z.b. Nutzung digitaler Musik, Patente bei Erfindungen).

201 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Öffentliche Güter als Spezialfall positiver Externalitäten Somit liegt Nichtausschließbarkeit vor, wenn Rechte, welche den Zugang regeln, nicht definiert sind, oder dieses Recht faktisch nicht durchsetzbar ist, oder dieses Recht bewusst nicht für den Nutzungsausschluss verwendet wird. Nichtrivalität liegt vor, wenn die Grenzkosten der Nutzung (nahe) bei Null liegen. Das ist regelmäßig bei immateriellen Gütern der Fall. Fazit: Von einem öffentlichen Gut profitieren Individuen in nicht-rivalisierender Weise, da sie aufgrund fehlender durchsetzbarer Rechte (oder deren Nichtgebrauch) von der Nutzung nicht ausgeschlossen werden können. Daher werden öffentliche Güter als Spezialfall positiver externer Effekte aufgefasst!

202 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Öffentliche Güter als Spezialfall positiver Externalitäten Anreizproblem: Es bestehen Präferenzen und somit Zahlungsbereitschaften für öffentliche Güter. Da der Anbieter dieses Gutes aber niemanden von der Nutzung ausschließen kann, kann die Nutzung nicht durch Zahlung eines Preises reguliert und der Anbieter nicht für die Opportunitätskosten entschädigt werden. Nutzer haben keinen Anreiz, ihre Zahlungsbereitschaft freiwillig zu offenbaren. Es entsteht ein Trittbrettfahrer-Problem. Es kommt zu einer Unterversorgung mit öffentlichen Gütern (Fehlallokation).

203 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Öffentliche Güter als Spezialfall positiver Externalitäten Beispiel: (aus Donges/Freytag (2004), S.163f.) Straßenbeleuchtung als öffentliches Gut; Kosten: 5000,- Euro Personen würden davon profitieren; individuelle Zahlungsbereitschaft: 10,- Euro, d.h. bei freiwilliger Bezahlung hätte jeder einen Nettonutzen von 5,- Euro. Individuelles Kalkül: Da man von der Nutzung nicht ausgeschlossen werden kann, zahlt man freiwillig nichts (Trittbrettfahrerverhalten); die übrigen Personen müssten dann 5,005 Euro bezahlen, während man selbst einen Nettonutzen von 10,- Euro hätte. Nicht-zahlen ist daher eine dominante Strategie für alle Beteiligten. Die Gleichgewichtslösung ist dann die Situation, dass die Straßenbeleuchtung nicht errichtet wird, obwohl dies effizient wäre.

204 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Öffentliche Güter als Spezialfall positiver Externalitäten Spieltheoretische Analyse: Nettonutzen: Alle übrigen Der Einzelne Kooperation Defektion Kooperation 5 / 5-5 ) / 0 Defektion 10 / <5 0 / 0 Kooperation = freiwillig bezahlen Defektion = nicht bezahlen ) Zahlt nur einer 5 Euro, kommt das Projekt nicht zustande.

205 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.1 Externe Effekte Öffentliche Güter als Spezialfall positiver Externalitäten Eine Lösung des Problems öffentlicher Güter ist z.b., dass der Staat Steuern erhebt, und für die Produktion des öffentlichen Gutes sorgt (durch Subvention privater Anbieter oder durch Eigenproduktion). Ein zentrales Problem ist es herauszufinden, welche Menge des öffentlichen Gutes sozial optimal ist, da die Zahlungsbereitschaften der Nutzer nicht offenbart werden. Abstimmung über das staatliche Budget via demokratischer Wahlen. Aber auch: Anreize zur privaten (freiwilligen) Bereitstellung öffentlicher Güter (wird hier nicht behandelt).

206 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.2 Marktmacht Monopolmacht sollte im Wettbewerb allenfalls temporär entstehen, und die Marktmacht sollte durch (potenziellen) Markteintritt neuer Wettbewerber abgebaut werden. Es gibt aber Gründe für persistente Marktmacht: Größenvorteile Verbundvorteile Netzwerkexternalitäten Die ersten beiden Gründe betreffen die Angebotsseite und führen zu einer sog. subadditiven Kostenfunktion (sinkende Durchschnittskosten). Der dritte Grund betrifft die Nachfrageseite.

207 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.2 Marktmacht Größenvorteile: Bei Herstellung der Gesamtmenge x = x 1 + x 2 gilt: C(x) < C(x 1 ) + C(x 2 ), d.h. es ist kostengünstiger, die Menge in einem Produktionsprozess (bzw. Unternehmen) herzustellen. Dies kann begründet sein z.b. durch: Steigende Skalenerträge der Produktionsfunktion Dynamische Skalenerträge, d.h. mit zunehmender Produktionsmenge nimmt das Know-How zu und die Fehlerrate ab ( Lernkurveneffekte ) Fixkostendegression, d.h. in der kurzen Frist sind bestimmte Inputs nicht variierbar, z.b. Kohleminen, Erdölfelder, große Infrastrukturvorleistungen wie z.b. Schienennetz, Stromnetz Besserer Umgang mit stochastischen Schwankungen

208 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.2 Marktmacht Verbundvorteile: Bei der Herstellung zweier Güter x und y in einer Verbundproduktion gilt: C(x, y) < C x (x) + C y (y). Dies kann begründet sein z.b. durch: Kuppelproduktion: z.b. fällt bei der chemischen Synthese zur Herstellung von x technisch bedingt immer auch als Kuppelprodukt das Gas y an Gemeinsame Nutzung von Anlagen oder spezifischem Wissen Risikostreuung bei gemeinsamer Forschung und Entwicklung

209 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.2 Marktmacht Netzwerkexternalitäten: Nutzen eines Gutes hängt positiv von der Zahl der Nutzer ab. Angenommen, zwei Produkte x 1, x 2 seien ähnlich und hätten ähnliche Preise, dann ist es sinnvoll, wenn sich alle Konsumenten für eines der beiden Güter entscheiden würden, da dies den positiven Netzwerkeffekt bzw. Nutzen maximiert. Andererseits hätte dann der betreffende Anbieter eine Monopolstellung. Er kann den Monopolpreis so ansetzen, dass ein potenzieller Konkurrent kein Interesse hat, in den Markt einzutreten. Jeder neue Anbieter bräuchte eine kritische Masse an Kunden (und somit positiven Netzwerkeffekten), damit ein Wechsel zum neuen Gut lohnend ist.

210 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.2 Marktmacht Die Nutzung von Größen- und Verbundvorteilen sowie von positiven Netzwerkexternalitäten ist zunächst volkswirtschaftlich wünschenswert, da kostensenkend bzw. nutzenerhöhend. Aber: die dadurch entstehende Marktmacht reduziert diesen Vorteil (ggf. erheblich): statische Effizienzverluste durch Verlust von Konsumentenrente bzw. Wohlfahrt, dynamische Effizienzverluste sind möglich (aber nicht zwingend) aufgrund geringerer Anpassungsflexibilität und geringerem Innovationsanreiz im Vergleich zum Wettbewerb. Notwendigkeit der Regulierung von Monopolen und zur Aufsicht gegen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Wettbewerbspolitik.

211 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.3 Informationsasymmetrien Ökonomisch rationale Entscheidungen benötigen Informationen. Nicht immer sind alle relevanten Informationen vorhanden. Rationale Entscheidungen können aber auch unter Unsicherheit getroffen werden. Dazu ist eine Erwartungsbildung bezüglich der unbekannten Größen erforderlich. Interessante Probleme entstehen, wenn Informationen unter den Marktteilnehmern asymmetrisch verteilt sind, d.h. einige Akteure im Besitz privater Informationen sind, über die sich andere Akteure nur Erwartungen bilden können. Solche Asymmetrien können durch strategisches Verhalten ausgenutzt werden und können zu Ineffizienz führen.

212 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.3 Informationsasymmetrien Zwei Akteure, die am Markt einen Kontrakt schließen. Agent vollzieht eine Aktivität, die für den Prinzipalen relevant ist, und besitzt eine private Information (Informationsvorteil). Prinzipal konzipiert den Kontrakt über diese Aktivität und ist schlechter informiert (Informationsnachteil). Beispiele: Verkäufer eines Gebrauchtwagens, der die Qualität des Autos besser kennt als der potenzielle Käufer. Unternehmer und Angestellter, welcher seine Fähigkeiten und Leistungsbereitschaft besser kennt. Kreditnehmer, der seine Zahlungsfähigkeit besser kennt als die Bank.

213 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.3 Informationsasymmetrien Vorvertragliche Probleme: Vor Vertragsabschluss muss der Prinzipal Erwartungen über Eigenschaften bilden, über die der Agent private Informationen besitzt (z.b. Qualität des Autos, Produktivität des Arbeiters). Sein Kontraktangebot (z.b. Preis, Lohnsatz) ist dann optimal auf der Basis seiner Erwartungen, die sich z.b. am Durchschnitt der Eigenschaften orientieren. Der Agent jedoch kennt die Eigenschaft (z.b. Qualität des Autos, Arbeitsproduktivität) besser und wird den Kontrakt eventuell ablehnen, obwohl es bei vollständiger Information eine wechselseitig vorteilhafte Lösung gegeben hätte. Z.B.: Durchschnittspreis ist für Anbieter hoher Qualität zu gering verlassen den Markt Qualität sinkt. Die Informationsasymmetrie verhindert eine pareto-effiziente Lösung.

214 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.3 Informationsasymmetrien Nachvertragliche Probleme: Nach Vertragsabschluss kann es sein, dass Aktivitäten des Agenten dessen private Information sind. Der Prinzipal kann nicht genau beobachten, welche Leistung der Agent erbringt, weil das Ergebnis nicht allein vom Agenten, sondern auch von Zufallseinflüssen abhängt. Das eröffnet dem Agenten opportunistische Verhaltensspielräume, die er zu seinen Gunsten nutzen wird ( moralisches Risiko ). Allerdings wird dies der Prinzipal antizipieren und entsprechend im Kontrakt berücksichtigen.

215 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.3 Informationsasymmetrien Beispiele: Das Gesundheitsrisiko eines Krankenversicherten hängt von dessen Lebenswandel ab, den die Versicherung nicht perfekt beobachten kann. Da er ja nun versichert ist, kann er sich riskanter verhalten als vorher. Die Bank gewährt einen Kredit an ein Unternehmen zur Finanzierung von Projekten, über deren Risiken und Ertragschancen der Kreditnehmer besser informiert ist. Die Bank weiß nicht genau, ob der Kredit für riskantere Projekte genutzt wird als vereinbart. Der Zusammenhang zwischen Arbeitsanstrengung eines Angestellten und dem Arbeitsergebnis hängt auch von Zufallseinflüssen ab. Daher nutzt er die Unbeobachtbarkeit um privat im Internet zu surfen.

216 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.3 Informationsasymmetrien Es existieren marktliche wie auch staatliche Lösungsansätze für das Informationsproblem. Ziel ist die Beseitigung oder Verringerung der durch strategisches Verhalten hervorgerufenen Ineffizienz. Ziel ist nicht unbedingt die vollständige Beseitigung der Informationsasymmetrie selbst.

217 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.3 Informationsasymmetrien Bemerkungen: Informationsasymmetrien sind kein Randphänomen! Ob eine Informationsasymmetrie vorliegt oder nicht, hängt davon ab, ob der unbekannte Tatbestand für den Prinzipalen überhaupt entscheidungsrelevant ist. Das wiederum hängt von dessen Präferenzen ab: Je weitreichender das Interesse für die Handlungskonsequenzen, desto mehr Informationsasymmetrien. Das lediglich privat verfügbare Wissen kann bei einem Agenten vorliegen, der gar keine unmittelbare Vertragsbeziehung mit dem Prinzipal eingeht. Beispiel Globalisierung : Konsumentscheidungen in Deutschland, Handlungskonsequenzen in anderen Ländern unzureichend im Preissystem widergespiegelt!

218 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.4 Weitere Probleme Makroökonomische Instabilität: Mangelnde Koordination oder Schwankungen auf vielen Märkten können sich auch auf aggregierter Ebene bemerkbar machen: Unterbeschäftigung, Konjunkturschwankungen. Der Staat kann versuchen, durch makroökonomische Stabilisierungspolitik entgegenzuwirken. Angebots- versus nachfrageorientierte Stabilisierungspolitik Umstritten! Wird in späteren Kapiteln nochmals aufgegriffen.

219 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.4 Weitere Probleme Mangelnde Flexibilität bei Strukturwandel: Markteintrittsbarrieren: Hohe Anfangsinvestitionen bzw. Größenvorteile der Etablierten, etablierte Marken, Netzwerkexternalitäten, Lizenzen, Genehmigungen Marktaustrittsbarrieren: Jeder wartet, bis ein Konkurrent austritt. Möglicherweise treten wettbewerbsfähigere Unternehmen zuerst aus. Überkapazitäten können evtl. nicht abgebaut werden. Fehlendes Matching: Die Qualifikationserfordernisse in wachsenden Märkten, wo Neueinstellungen erforderlich sind, passen nicht zu den Qualifikationen derjenigen, die in schrumpfenden Branchen entlassen werden.

220 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Bisher: Staatliche Regulierung und Eingriffe dort, wo der Markt nicht selbst zu effizienten Lösungen kommt. Jetzt: Einkommens- und Vermögensverteilung ist Resultat des Marktprozesses und kann nicht nach Effizienzgesichtspunkten beurteilt werden, denn jede Verteilung ist pareto-effizient. [Einwand: soziale Präferenzen, Kapitel 13] Ein Umverteilungserfordernis setzt Vorstellungen über Gerechtigkeit voraus. Viele liberale Ökonomen (siehe z.b. v.hayek, Kapitel 2) vertreten die Auffassung, dass Gerechtigkeitskriterien nur an den Regeln festgemacht werden können, nicht aber am Ergebnis.

221 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Notwendigkeit, Gerechtigkeitskriterien zu entwickeln, die sich als allgemeine Regeln darstellen lassen. J. Rawls ( ): Schleier der Unsicherheit Entscheidung der Individuen über die allgemeinen Regeln, hier: der Umverteilung. Entscheidung soll (fiktiv) so erfolgen, dass man seine eigene Position in der Verteilung noch nicht kennt, also nicht aus einem Partikularinteresse heraus votiert, sondern nur nach verallgemeinerbaren Gerechtigkeitsvorstellungen. Darüber lässt sich ein Konsens oder zumindest eine klare Mehrheit erzielen, so dass die Regeln Gesetzescharakter (bzw. Verfassungscharakter) erlangen.

222 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe In Sozialen Marktwirtschaften greift der Staat aus normativen sozial- und verteilungspolitischen Gründen regulierend ein: Sicherung des Existenzminimums, Absicherung von Lebensrisiken: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Altersversorgung, Umverteilung durch progressives Einkommensteuersystem. Diskurs über Ausmaß und Ausgestaltung dieser Eingriffe gemäß unterschiedlicher normativer Vorstellungen und auch Abwägungen mit Effizienzzielen.

223 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Begriff der Einkommensverteilung: Primäre und sekundäre Einkommensverteilung primär: Marktergebnis vor staatlichen Umverteilungsmaßnahmen sekundär: nach Umverteilungsmaßnahmen (Steuern, Transfers) Funktionale und personelle Einkommensverteilung: funktional: Verteilung auf die Produktionsfaktoren, meist abgegrenzt durch (i) Einkommen aus unselbständiger Arbeit, (ii) Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit und Vermögen personell: Verteilung auf Personen bzw. Haushalte

224 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Funktionale Einkommensverteilung: Lohnquote = Anteil des Einkommens aus unselbständiger Arbeit am Gesamteinkommen (Pendant: Gewinnquote) Aussagekraft wird dadurch eingeschränkt, dass sich der Anteil der Personen, welche unselbständige Arbeit verrichten, ändern kann. Berücksichtigt man diesen Effekt, erhält man die bereinigte Lohnquote. Für die sekundäre Einkommensverteilung müssen Steuereffekte berücksichtigt werden: Bereinigte Nettolohnquote. Die Lohnquote sagt wenig über Verteilungsgerechtigkeit aus, da keine Information über die personelle Einkommensverteilung enthalten, d.h. Ungleichheit der Einkommen z.b. innerhalb der abhängig Beschäftigten wird nicht abgebildet.

225 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Quelle: Alex Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

226 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Quelle: Statistisches Bundesamt

227 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Personelle Einkommens- und Vermögensverteilung: Konzept der Lorenzkurve: Anordnung der Haushalte nach Höhe des Einkommens (bzw. Vermögens) Einteilung in Quantile ( ärmste 10%, 20%,... der Haushalte) Messung des Anteils am Gesamteinkommen der einzelnen Quantile Grafische Darstellung als Kurve; völlige Gleichverteilung wäre die Winkelhalbierende Konzept des Gini-Koeffizienten: Fläche zwischen der Lorenzkurve und der Winkelhalbierenden ( 2) ist ein Maß für die Ungleichverteilung.

228 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Quelle: SOEP, DIW Berlin

229 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Nettoeinkommensverteilung: Quelle: SOEP, DIW Berlin

230 6. Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Vermögensverteilung: Quelle: SOEP, DIW Berlin S.230

231 S Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Mögliche Ursachen zunehmender Ungleichverteilung: stärkere Lohndifferenzierung, vor allem durch expandierenden Niedriglohnsektor zunehmende Zahl von Singlehaushalten mit geringerem Einkommen (statistischer Effekt) wachsende Renditen aus Finanzvermögen, welches sehr ungleich verteilt ist Änderungen im Steuer- und Transfersystem Die absoluten Maße selbst sagen noch nichts über gerecht oder ungerecht aus. Kriterien für Gerechtigkeit und Fairness setzen nicht nur an Kennzahlen, sondern auch an der Art und Weise des Zustandekommens einer Verteilungssituation an. Wichtig ist zudem die Auf- und Abstiegsflexibilität, z.b. die Möglichkeit vom 1. in das 4. Dezil zu gelangen.

232 6. Marktversagen und Begründungen von Wirtschaftspolitik 6.5 Verteilungspolitische Eingriffe Bemerkungen: Gini-Koeffizient ist weit verbreitet, sagt aber wenig über die Polarität zwischen Arm und Reich aus. Wenn Gini-Koeffizienten in zwei Gruppen jeweils abnehmen, so kann die Ungleichverteilung zwischen diesen Gruppen jedoch zugenommen haben. Kein direkter Zusammenhang zwischen Ungleichverteilung und Armut. Absolute Armut: Einkommen unterhalb einer definierten Schwelle, z.b. 1,30 Dollar/Tag (Weltbank) Relative Armut: Einkommen unterhalb von 60% des Medianeinkommens Messung des Ausmaßes von Armut Messung der Intensität der Armut Hinweis: Wohlstand für alle. Wie inklusiv ist die Soziale Marktwirtschaft?, Studie des ZEW im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung (2017); im Internet downloadbar) S.232

233 S Grundbegriffe der Makroökonomik Gliederung: 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Inlandsprodukt und seine Komponenten 7.2 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Nachfragekomponenten Nachfragefunktion 7.3 Gesamtwirtschaftliches Angebot Lang- und kurzfristiges Angebot Arbeitslosigkeit und Inflation

234 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Kurzfristiges Unterbeschäftigungs-Gleichgewicht Fiskalpolitik und Multiplikatorwirkung Angebots- versus nachfrageorientierte Politik Literatur: Hanusch, H., Kuhn, T., Cantner, U. (2000), Volkswirtschaftslehre 1, 5. Aufl., Berlin: Springer [Kapitel 11-13, 15] Mankiw, N.G. (1999), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel [Kapitel 22, 26, 31-33] Bofinger, P. (2007), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., München: Pearson [Kapitel 16-18, 20-23]

235 7. Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Kreislaufschema Ex-post Analyse: (Lat. im nachhinein ) Analyse realisierter Transaktionen in abgelaufener Periode (z.b. ein Jahr). Ex-ante Analyse: (Lat. im vorhinein ) Beschäftigt sich mit geplanten Transaktionen und deren Konsistenz (Gleichgewicht) makroökonomische Theorie Periodenbezogenheit: Produktion, Einkommen, Konsum usw. sind Stromgrößen, die man innerhalb eines Zeitraumes misst. Dagegen sind z.b. Geld, Vermögen, Kapital Bestandsgrößen, die man zu einem Zeitpunkt messen kann. Die Veränderung einer Bestandsgröße innerhalb einer Periode ist eine Stromgröße. S.235

236 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Kreislaufschema Sektoren: Private Haushalte Unternehmen Staat (incl. staatl. Sozialversicherung) Ausland Aktivitäten: Produktion von Leistungen Erzielung und Verwendung von Einkommen Vermögensveränderungen Finanzierung Kontensystem mit doppelter Buchführung: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Zahlungsbilanz Es werden nur monetär bewertete Leistungen bzw. Transaktionen verbucht.

237 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Vereinfachtes Kontensystem der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR): Produktion Einkommen Vermögens- Finanzierung änderung Unternehmen Staat Haushalte Ausland Aggregierte Konten

238 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Besonderheiten: VGR ist bezogen auf Transaktionen im Inland. Erfassung aller güter- und finanzwirtschaftlicher Transaktionen mit dem Ausland in der Zahlungsbilanz. Haushalte produzieren nichts. Welche Werte produziert der Staat? Produktion von Vorleistungen und Wertschöpfung Nebenrechnungen der VGR

239 7. Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung a) Produktion: Aktivseite: Ausgaben im Zusammenhang mit der Produktion Saldo: Gewinn Passivseite: Wert der erstellten Güter b) Einkommen: Aktivseite: Verwendung des Einkommens Saldo: Ersparnis Passivseite: Herkunft des Einkommens (Löhne, Gewinne etc.) c) Vermögensänderung: Aktivseite: Verwendung gesparter Mittel (Investitionen) Saldo: Finanzierungssaldo Passivseite: Herkunft der Mittel (Ersparnis, Abschreibungen) d) Finanzierung: Aktivseite: Änderungen der Nettoforderungen gegenüber Ausland (= Saldo) Passivseite: Gegenbuchung Finanzierungssaldo S.239

240 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Aggregierte Konten (vereinfacht): Produktion Löhne L Privater Konsum C Zinsen Z Staatl. Konsum C St Renten R Bruttoinvestitionen I b Importe Im Exporte Ex Abschreibungen D Ind. Steuern - Subventionen T ind Z Gewinne G Vermögensänderung Bruttoinvestitionen I b Abschreibungen D Finanzierungsaldo Ersparnis S Finanzierung Änderung der Netto- Finanzierungssaldo Auslandsposition NX Einkommen Privater Konsum C Löhne L Staatl. Konsum C St Zinsen Z Ersparnis S Renten R Ind. Steuern - Subventionen T ind Z Gewinne G Exporte Ex Ausland Importe Im Änderung der Netto- Auslandsposition NX

241 7. Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Zahlungsbilanz: (sehr stark vereinfacht) Aktivseite (links): Zahlungsmitteleingang, Zunahme Verbindlichkeit bzw. Abnahme Forderung; Passivseite (rechts): Zahlungsmittelabfluss, Abnahme Verbindlichkeit bzw. Zunahme Forderung Exporte Ex Leistungsbilanz (Handel mit Gütern und Dienstleistungen, sowie Einkommenstransfers) Importe Im Saldo: NX = Ex Im (Außenbeitrag) Kapitalbilanz (kurz-, langfristig, sowie Vermögensübertragungen) Kapitalimporte K Im Kapitalexporte K Ex Saldo: B = K im K Ex Devisenbilanz (Devisentransaktionen der Zentralbank) Saldo: Änderung Währungsreserven R NX + B S.241

242 7. Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Inlandsprodukt und seine Komponenten Einkommensbegriffe: Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen... Y b m = C + C St + I b + (Ex Im)... zum Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen... Y n m = Y b m D... zum Nettoinlandsprodukt zu Faktorkosten ( Volkseinkommen ): Y n f = Y n m (T ind Z) Brutto- und Nettokonzepte unterscheiden sich durch die Abschreibung D. Konzepte zu Marktpreisen und zu Faktorkosten unterscheiden sich durch T ind Z. S.242

243 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Inlandsprodukt und seine Komponenten Bruttosozialprodukt bzw. Bruttonationaleinkommen: VGR ist ein Inlandskonzept: verbucht alle Transaktionen einer Periode im Inland, unabhängig davon, ob von Inländern oder Ausländern getätigt. Inländer: ständiger Wohnsitz ist maßgeblich, nicht die Staatsangehörigkeit. Rechnet man das Einkommen der Inländer im Ausland hinzu und das Einkommen der Ausländer im Inland heraus, kommt man zum Sozialprodukt bzw. Inländerprodukt bzw. Nationaleinkommen. Empirisch gesehen ist der Unterschied zwischen Inlands- und Sozialprodukt gering: in Mrd. Euro Saldo

244 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Inlandsprodukt und seine Komponenten Einige Daten aus der VGR ( (nominal = in jeweiligen Preisen; gerundete Werte) in Mrd. Euro Anteil BIP C % C St % I b % Ex Im Ex Im % D Ym b (BIP) nominales Wachstum 3,8% 3,3% reales Wachstum 1,7% 1,9% Stand 11/2017, Rundungsungenauigkeiten möglich Preisbereinigung bei realem Wachstum beachten!

245 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Inlandsprodukt und seine Komponenten Zu den Investitionen: Bruttoinvestitionen werden unterschieden in Ausrüstungen (Maschinen etc.) Bauten Sonstige Anlagen Lagerveränderungen Kapitalgüter verschleißen ( Abschreibungen) und können ersetzt werden (Ersatzinvestitionen). Investitionen über den Verschleiß hinaus sind Erweiterungsinvestitionen. Praktisch ist schwer zu differenzieren, was dem Ersatz und was der Erweiterung dient. Nettoinvestitionen = Bruttoinvestitionen Abschreibungen Erhöhung des Kapitalstocks

246 7. Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Inlandsprodukt und seine Komponenten Nominale und reale Größen: Würde man sämtliche nominalen Preise und Löhne verdoppeln, so würde sich auch das BIP verdoppeln, obwohl das real hergestellte Güterbündel dasselbe geblieben ist. Bereinigung der nominalen Größen um den Anstieg des Preisindex = Inflationsbereinigung (dazu später mehr). Y real = Y nom mit P als dem Preisindex, der im Basisjahr auf 1 normiert ist. In Wachstumsraten ausgedrückt: P Ŷ real = Ŷ nom ˆP Bei 5% nominalem Wachstum und 2% Inflation beträgt das reale Wachstum 3%. S.246

247 7. Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Inlandsprodukt und seine Komponenten Eine wichtige Identität aus der Ex-post-Analyse: Aus dem Produktionskonto wissen wir: I b + C + C St + (Ex Im) = Y b m D I n + C + C St + (Ex Im) = Y n m Aus dem Einkommenskonto wissen wir: woraus folgt C + C St + S = Ym n I n + (Ex Im) = S Ersparnis = Nettoinvestitionen plus Außenbeitrag! Ein positiver Außenbeitrag bedeutet, dass die inländische Ersparnis nur teilweise im Inland, aber auch im Ausland investiert wird. Die Identität gilt ex post immer. Die Frage ist, ob Planungen der Wirtschaftssubjekte so gestaltet sind, dass sie realisierbar sind, d.h. ob die Identität auch ex ante gilt (Gleichgewicht). S.247

248 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.1 Wirtschaftskreislauf und makroökonomische Daten Inlandsprodukt und seine Komponenten Exporte und Importe in Deutschland: Ex Im = S I n > 0

249 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.2 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Nachfragekomponenten Gesamtwirtschaftliche reale Nachfrage Y D : Ex-ante-Analyse: Planungen der Wirtschaftssubjekte Theorie bzw. Hypothesen, von welchen Variablen diese Planungen abhängen. Komponenten der Nachfrage ergeben sich aus der Verwendungsgleichung für das BIP: Y D = C + C St + I + (Ex Im) }{{} NX

250 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.2 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Nachfragekomponenten Privater Konsum: Absolute Einkommenshypothese nach J.M. Keynes ( ) Positive Abhängigkeit des privaten Konsums vom verfügbaren Einkommen Y T, z.b. in der folgenden Form: C(Y T ) = C a + c (Y T ) wobei C a = autonomer Konsum, 0 < c < 1 marginale Konsumneigung. Damit ist implizit auch die private Sparfunktion definiert, weil Y T = C + S gilt: S(Y T ) = C a + (1 c) (Y T )

251 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.2 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Nachfragekomponenten Konsum- und Sparfunktion: C, T 45 C(Y T ) C a S(Y T ) Y T C a

252 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.2 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Nachfragekomponenten Weitere Hypothese: Abhängigkeit vom Realvermögen nach A.C. Pigou ( ) C(Y T, V r ), C V r > 0 Realvermögen: V r = V /P. Vermögen wird aufgrund einer intertemporalen Überlegung angespart (siehe Kapitel 3.3.4). Steigt V r, z.b. aufgrund eines sinkenden Preisniveaus, so wird Konsum in die Gegenwart verlagert (und umgekehrt bei steigendem Preisniveau), d.h. C steigt.

253 7. Grundbegriffe der Makroökonomik 7.2 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Nachfragekomponenten Investitionen: Investitionen werden getätigt, wenn der daraus erzielte erwartete Gewinn attraktiv genug ist. Das bedeutet: a) Im Fall der Eigenfinanzierung: Der Gewinn muss größer sein als derjenige, den man bei Anlage der Mittel am Kapitalmarkt erzielen kann. b) Im Fall der Fremdfinanzierung: Der Rückfluss muss höher sein als Zins und Tilgung. Je höher der Zins, desto weniger Investitionen sind lohnend. Die Gewinnerwartung erhöht sich jedoch bei Erwartung steigender Preise (erwartete Inflation ˆP e ). Geplante Investitionen hängen deshalb negativ vom Realzins r = i ˆP e (Nominalzins minus Inflationserwartung): I (r), di dr < 0 S.253

254 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.2 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Nachfragekomponenten Staatlicher Konsum: Man kann versuchen, die staatliche Ausgabenpolitik mit Hilfe einer Hypothese endogen zu erklären. Jedoch betrachten wir hier C St = C St als exogene Politikvariable. Außenbeitrag: Exporte und Importe hängen u.a. vom inländischen und ausländischen Preisniveau sowie vom Wechselkurs e ab. Abwertung: e steigt, Aufwertung: e sinkt. Terms of trade: θ = e Pa P mit Pa als ausländischem Preisniveau. Importe hängen außerdem positiv vom Einkommen Y ab: Ex(θ) Im(Y, θ) = NX (Y, θ), NX Y < 0, NX θ > 0

255 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.2 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Nachfragefunktion Zusammenfassung der Nachfragepläne: Y D = C(Y T ) + C St + I (r) + NX (Y, θ) Reale Nachfrage Y D sinkt mit steigendem Preisniveau P... sinkt mit steigendem Realzins r... sinkt bei Aufwertung (sinkendem Wechselkurs e bzw. θ)

256 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.2 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Nachfragefunktion Staatliche Stimulierung der realen Nachfrage Y D durch: Fiskalpolitik: Erhöhung der Staatsausgaben C St und/oder Senkung der Steuern T Erhöhung der Konsumnachfrage Geldpolitik: Expansive Geldpolitik senkt die Zinsen r Erhöhung der Investitionsnachfrage (wie später noch gezeigt wird: Zinssenkung kann zu Abwertung der Währung führen Erhöhung des Außenbeitrags)

257 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.3 Gesamtwirtschaftliches Angebot Lang- und kurzfristiges Angebot Das gesamtwirtschaftliche Angebot an Gütern hängt ab von: Preisen und Kosten ( Gewinnen), den Produktionskapazitäten der Nachfrage. In der kurz- bis mittelfristig orientierten Makroökonomik wird vom Wachstum des Kapitalstocks abstrahiert (Kapitalstock ist gegeben). Die Kostenseite wird dann hauptsächlich von den Löhnen bestimmt.

258 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.3 Gesamtwirtschaftliches Angebot Lang- und kurzfristiges Angebot Völlig flexible Preise und Löhne: Für jedes Preisniveau P stellt sich sofort der Nominallohn w ein, der zum gleichgewichtigen Reallohn und somit zu Vollbeschäftigung führt. Für jede Nachfrage stellt sich das Preisniveau P so ein, dass der Gütermarkt geräumt ist. Angebot wird nur durch die Technologie (Produktionsfunktion) und das Arbeitsangebotsverhalten der Haushalte bestimmt. Es wird stets das Vollbeschäftigungseinkommen Y v realisiert.

259 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.3 Gesamtwirtschaftliches Angebot Lang- und kurzfristiges Angebot Teilweise unflexible Löhne und Preise: Unvollkommener Arbeitsmarkt: Lohnverhandlung; Lohnstarrheit während der Laufzeit des Tarifvertrags; Verhandlungsmacht von Gewerkschaften Rolle von Effizienzlöhnen Unvollkommener Gütermarkt: Preissetzungsmacht von Unternehmen, jedoch: Preisanpassungskosten; verzögerte Preisanpassungen Bei teilweise unflexiblen Preisen und Löhnen ( nominale Rigiditäten ) passt sich die Angebotsmenge (Output) der schwankenden Nachfrage an!

260 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.3 Gesamtwirtschaftliches Angebot Lang- und kurzfristiges Angebot Makroökonomische Folge: Lohnsteigerungen eher dann, wenn Arbeitslosigkeit gering, d.h. der Output (Realeinkommen) hoch ist. Lohnsteigerungen eher dann, wenn Inflationserwartungen der Arbeiter hoch sind. Preise orientieren sich an den Grenzkosten, die in der kurzen Frist durch die Löhne bestimmt sind. Höhere Lohn- und Preissteigerungen bei hohem Outputniveau. Nachfrageschwankungen werden somit nicht sofort durch Reaktion des Preissystems gedämpft, sondern wirken sich auf Output, Beschäftigung und Inflation aus.

261 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.3 Gesamtwirtschaftliches Angebot Arbeitslosigkeit und Inflation Arbeitslosigkeit: saisonal konjunkturell strukturell

262 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.3 Gesamtwirtschaftliches Angebot Arbeitslosigkeit und Inflation Natürliche Arbeitslosenrate Diejenige Arbeitslosenrate u n, die bei konstanter niedriger (gewünschter) Inflationsrate im makroökonomischen Gleichgewicht unvermeidbar ist. Gründe: Sucharbeitslosigkeit, Effizienzlohntheorien, institutionelle Bedingungen am Arbeitsmarkt Strukturelle, keine konjunkturellen Gründe

263 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.3 Gesamtwirtschaftliches Angebot Arbeitslosigkeit und Inflation Die Phillipskurve (A.W. Phillips ) Statistischer negativer Zusammenhang zunächst von Lohnsteigerungsrate und Arbeitslosenrate, später dann von Inflationsrate und Arbeitslosenrate (Modifikation durch P.A. Samuelson, , und R.M. Solow, 1924 ). Eine Begründung liefert die oben diskutierte Lohn- und Preisrigidität: Steigende Nachfrage ermöglicht Produktionsausweitung (= Reduktion der Arbeitslosigkeit) bei nur mäßig steigenden Preisen. Die Nominallöhne werden nicht sofort an die steigenden Preise angepasst. Höhere Lohnforderungen (und damit Kosten- und Preissteigerungen) sind eher bei sehr niedriger Arbeitslosenrate möglich.

264 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.3 Gesamtwirtschaftliches Angebot Arbeitslosigkeit und Inflation π π Kurzfristige Phillipskurve Kurzfristige Phillipskurve natürliche ALQ u n u Y Niedrige Arbeitslosigkeit = hohe Beschäftigung = hoher Output (Produktionsfunktion!)

265 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.3 Gesamtwirtschaftliches Angebot Arbeitslosigkeit und Inflation Gilt der Zusammenhang auch langfristig? Eine erweiterte lineare Version der Phillipskurve: ˆP = ˆP e a (u u n ), a > 0 mit ˆP e als erwarteter Inflationsrate. Diese ist wichtig, weil sie u.a. für die Nominallohnabschlüsse relevant ist. Änderungen der erwarteten Inflation = Verschiebung der kurzfristigen Phillipskurve. Im makroökonomischen Gleichgewicht gibt es keine systematische Täuschung über die Inflationsrate: ˆP e = ˆP, woraus folgt u = u n (natürliche Arbeitslosenrate). Das gilt allerdings für jede Inflationsrate! Wird die Inflationsrate langfristig immer korrekt wahrgenommen, ist immer u = u n, d.h. die langfristige Phillipskurve verläuft senkrecht.

266 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.3 Gesamtwirtschaftliches Angebot Arbeitslosigkeit und Inflation π langfristige PK kurzfristige PK π 1 0 u n mit π erw = π 1 u mit π erw = 0

267 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Kurzfristiges Unterbeschäftigungs-Gleichgewicht Wann liegt ein Gütermarktgleichgewicht vor? Y = Y D S = I + NX Wichtige Identität aus der Ex-post-Analyse. Gilt Identität auch ex ante, so sind die Nachfragepläne realisierbar Gleichgewicht. Im Folgenden gehen wir vereinfachend von einer geschlossenen Volkswirtschaft aus, d.h. NX fällt weg. Also: Y = Y D S = I als Gleichgewichtsbedingung.

268 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Kurzfristiges Unterbeschäftigungs-Gleichgewicht Klassik: J.B. Say ( ) Arbeiterhaushalte sind i.d.r. arm und sparen nicht. Die Ersparnis ist ausschließlich die Ersparnis der Unternehmer, d.h. derjenigen, die auch über die Investitionen entscheiden (klassische Sparhypothese). Dann aber besteht automatisch immer ein Planungsgleichgewicht I = S. Daraus folgt, dass das Angebot Y S die Nachfrage bestimmt, denn das bei der Produktion von Konsum- und Investitionsgütern entstehende Einkommen Y = C + I wird genau wie geplant verwendet: Y = C + S. Saysches Theorem.

269 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Kurzfristiges Unterbeschäftigungs-Gleichgewicht Keynes: Gemäß der Konsumhypothese hängt nun auch die geplante Ersparnis vom Einkommen ab, während die geplanten Investitionen vom Zins abhängen. Dadurch kann aber S geplant I geplant entstehen. Da die Identität aber ex post immer gilt, muss es dann ungeplante Größen geben. Als typisch wird der Fall S > I, also Y > Y D angesehen (Nachfragelücke, Angebotsüberschuss). Das Angebot wird auf das Niveau von Y D sinken. Es entsteht Unterbeschäftigung.

270 7. Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Lang- und kurzfristiges Angebot Keynesianisches Argument: Bei Preis- oder Lohnrigiditäten kann die Nachfrage Y D kleiner sein als Y V, so dass sich das Angebot Y S an die zu geringe Nachfrage anpasst. Mit Y D = Y < Y v herrscht dann ein Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung! Y S, Y D 45 Y D Y Y v Y S.270

271 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Fiskalpolitik und Multiplikatorwirkung Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage Y D durch Fiskalpolitik: Erhöhung der Ausgaben C St und/oder Senkung der Steuern T. Falls zusätzliche Staatsausgaben durch zusätzliche Steuern finanziert würden, reduziert dies den privaten Konsum; die stimulierende Wirkung wäre gering Keynes Empfehlung schuldenfinanzierter Ausgabenerhöhung ( deficit spending ). Staatsausgaben sollen zu einer deutlichen Erhöhung der Einkommen führen (Multiplikatoreffekt) dadurch geringere Arbeitslosigkeit und höhere Steuereinnahmen.

272 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Fiskalpolitik und Multiplikatorwirkung Multiplikatorwirkung von Fiskalpolitik (hier: Erhöhung C St > 0): Impuls: Überschussnachfrage C St. Da freie Kapazitäten, kann sich Angebot elastisch ausdehnen: Y = C St. Das zusätzliche Einkommen stimuliert die private Konsumnachfrage: C = c Y. Dies führt erneut zu einem Nachfrageüberschuss, das Angebot dehnt sich elastisch um c Y aus. Dies stimuliert erneut die Konsumgüternachfrage usw. usw. Kumulativer Prozess, welcher in einem neuen Gleichgewichtszustand endet. Das neue Gleichgewichtseinkommen ist um ein Mehrfaches des ursprünglichen Impulses C St gestiegen.

273 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Fiskalpolitik und Multiplikatorwirkung Y D 45 Y D 1 = C(Y T ) + I (r) + C St + C St usw. usw. C St c C St Y D 0 = C(Y T ) + I (r) + C St C St Y Y = C St +c C St +c 2 C St +c 3 C St... Y Y

274 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Fiskalpolitik und Multiplikatorwirkung Antizyklische Stabilisierungspolitik: Konjunktur: Aufschwung- und Abschwungphasen Diskretionär = gezieltes fallweises wirtschaftspolitisches Eingreifen (Gegensatz: regelgebundene Politik) In Abschwungphasen soll der Staat mit expansiver (ggf. kreditfinanzierter) Nachfragepolitik gegensteuern: Staatsausgabenerhöhung, Steuersenkung. In Aufschwungphasen soll mit kontraktiven Maßnahmen gegengesteuert werden: Senkung der Staatsausgaben, Steuererhöhung, dadurch Haushaltskonsolidierung Wirtschaftspolitische Leitidee der 1950er er Jahre.

275 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Fiskalpolitik und Multiplikatorwirkung Glättung des Konjunkturverlaufs: Y C + I C St t Y C + I C St t

276 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Fiskalpolitik und Multiplikatorwirkung (Quelle: Bofinger (2007), S.387)

277 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Fiskalpolitik und Multiplikatorwirkung Fiskalpolitik: Staatliche Investitionsprogramme Staatliche Beschäftigungsprogramme Sozial- und Subventionsprogramme Änderung der Besteuerung (Steuersätze, Bemessungsgrundlagen)

278 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Fiskalpolitik und Multiplikatorwirkung Probleme der antizyklischen Stabilisierungspolitik: Problem der Zeitverzögerungen ( lags ): Diagnose des richtigen Zeitpunktes von Gegenmaßnahmen Prozess der Entscheidungsfindung, Planung und Anweisung Wirkungsverzögerungen beim Multiplikatorprozess Gefahr, dass Maßnahmen prozyklisch wirken. Problem der Staatsverschuldung: Haushaltskonsolidierung im Aufschwung schwer durchzusetzen; rationale Politiker handeln nach politischem Kalkül (z.b. Wiederwahlinteresse). Zunehmende Verschuldung verringert wegen Zinslasten die Gestaltungsspielräume der Fiskalpolitik. Zinseffekte dämpfen die private Investitionsgüternachfrage ( crowding out ). Grenzen der Staatsverschuldung (z.b. Maastricht-Vertrag).

279 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Fiskalpolitik und Multiplikatorwirkung Automatische Stabilisatoren: Ein Teil der Probleme rührt daher, dass es sich um diskretionäre Stabilisierungspolitik handelt. Automatische Stabilisatoren benötigen keinen Entscheidungsprozess, d.h. kaum Wirkungsverzögerung. Steuersystem: Aufschwung: mehr Steuereinnahmen dämpfend Abschwung: weniger Steuereinnahmen stimulierend Wird noch verstärkt durch progressives Steuersystem. Arbeitslosenversicherung: Aufschwung: wachsende Einkommen führen zu steigenden Einnahmen, Rückgang der Auszahlungen dämpfend Abschwung: verstärkte Auszahlung von Versicherungsleistungen stimulierend

280 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Angebots- versus nachfrageorientierte Politik Angebotsorientierte Politik (1): Kritik der nachfrageorientierten Politik: Aufgrund der Verzögerungsproblematik wirkt sie nicht antizyklisch. Es ist möglich, dass durch politisch opportunistisches Verhalten zyklische Schwankungen sogar erst erzeugt werden. Damit Fiskalpolitik wirkt, ist ein erhebliches Nachfragevolumen nötig, d.h. sie ist sehr teuer. Problem ständig zunehmender Verschuldung. Multiplikatorwirkung schwer nachweisbar bzw. gering. Überwiegend strukturelle Ursachen von Arbeitslosigkeit statt Nachfrageschwäche.

281 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Angebots- versus nachfrageorientierte Politik Angebotsorientierte Politik (2): Stärkung der Angebotsseite durch: (Unternehmens-) Steuersenkungen, Senkung von Lohnnebenkosten Bürokratieabbau, Deregulierung Zurückhaltende Lohnpolitik, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes Erhöhung der Standortattraktivität (Wettbewerbsfähigkeit) Höhere Gewinnaussichten sollen bewirken, dass Kapazitäten besser ausgelastet werden (steigende Produktion), und die Investitionsnachfrage steigt (wachsende Produktionskapazität). Vorstellung, dass die Nachfrage als Folge der Angebotsausweitung wächst.

282 S Grundbegriffe der Makroökonomik 7.4 Stabilisierungspolitische Eingriffe Angebots- versus nachfrageorientierte Politik Wirtschaftspolitische Kontroverse zwischen angebotsorientierten und keynesianischen Makroökonomen, die bis heute andauert. Insbesondere die Lohnpolitik wird kontrovers diskutiert: a) Höhere Löhne höhere Kosten weniger Beschäftigung geringeres Einkommen versus b) Höhere Löhne mehr private Nachfrage Multiplikatorprozess mehr Einkommen und Beschäftigung Frage der empirischen Forschung.

283 S Geld, Inflation und Geldpolitik Gliederung: 8.1 Geldbegriff und Geldfunktion Geldfunktionen Geldmengenaggregate 8.2 Geldnachfrage Keynesianische Theorie Portfolio-Theorie 8.3 Geldangebot Schaffung von Zentralbankgeld Schaffung von Kreditgeld 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Volkswirtschaftliche Kosten von Inflation Messung von Inflation Ursachen von Inflation

284 8. Geld, Inflation und Geldpolitik 8.5 Einige Grundlagen der Geldpolitik Ziele und Instrumente der Geldpolitik Mögliche Wirkungszusammenhänge Glaubwürdigkeit und Zentralbankunabhängigkeit Literatur: Hanusch, H., Kuhn, T., Cantner, U. (2000), Volkswirtschaftslehre 1, 5. Aufl., Berlin: Springer [Kapitel ] Mankiw, N.G. (1999), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel [Kapitel 27-28, 32] Bofinger, P. (2007), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., München: Pearson [Kapitel 19, 21-22] Europäische Zentralbank (2008), Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet. (Downloadbar bei Internetadressen: S.284

285 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.1 Geldbegriff und Geldfunktion Geldfunktionen Finanzaktiva welche davon kann man als Geld bezeichnen? Bargeld, Sichtguthaben, Sparguthaben, Terminguthaben, Guthaben bei Bausparkassen oder Lebensversicherungen, Schuldverschreibungen, Geldmarktfondanteile, Aktien, CashCard, Internetwährungen (Bitcoin etc.),... Eine Abgrenzung von Geld hat nur einen Sinn, wenn man Kriterien oder Funktionen angeben kann, welche ein Finanzaktivum erfüllen soll. Money is what money does. Money is defined by its function. (J. Hicks 1976) Im Folgenden zu beachten: Geldmenge = Bestandsgröße, Einkommen = Stromgröße

286 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.1 Geldbegriff und Geldfunktion Geldfunktionen Geldfunktionen: 1. Tauschmittelfunktion: In einer reinen Tauschwirtschaft mit n Gütern gibt es n(n 1)/2 reale Tauschverhältnisse, in einer Geldwirtschaft jedoch nur n Geldpreise. Suche nach geeigneten Transaktionspartnern in Tauschwirtschaft extrem aufwändig; Übersicht über Knappheitsverhältnisse schwierig. Existenz von Geld senkt drastisch die Transaktionskosten, die durch Arbeitsteilung und Tausch entstehen.

287 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.1 Geldbegriff und Geldfunktion Geldfunktionen 2. Wertaufbewahrungsfunktion: Geld als konservierte Kaufkraft ermöglicht ein zeitliches Auseinanderfallen von Erwerb von Geld durch Tausch und Verwendung von Geld für Tausch. Erleichtert intertemporale Entscheidungen. Möglichkeit, Liquidität zeitweise an andere zu übertragen. Funktion wird durch (hohe) Inflation bedroht. 3. Recheneinheitsfunktion: Geldpreise ermöglichen einheitliche Rechnungslegungs-, Bilanzierungs- und Buchungssysteme. Einfache Berechnung von Vermögen, Forderungen und Verbindlichkeiten.

288 8. Geld, Inflation und Geldpolitik 8.1 Geldbegriff und Geldfunktion Geldmengenaggregate Geldmengenaggregate nach Abgrenzung der Europäischen Zentralbank: M1 M2 M3 Bargeldumlauf 1.028, , ,8 täglich fällige Einlagen 5.495, , ,3 Einlagen mit Laufzeit bis zu 2 Jahren 1.444, ,7 Einlagen mit Kündigungsfrist bis zu 3 Monaten 2.154, ,0 Repoverbindlichkeiten 106,7 Geldmarktfondanteile 471,5 Schuldverschreibungen bis zu 2 Jahren 78,0 Summen 6.524, , ,0 (in Mrd. Euro, Stand 10/2015, Quelle: Bundesbank) Zusätzlich: M0 (Geldbasis, Zentralbankgeldmenge): Bargeld + Reserven der Geschäftsbanken bei der Zentralbank S.288

289 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.1 Geldbegriff und Geldfunktion Geldmengenaggregate Wachstumsrate von M3: Anstieg der durchschnittlichen Wachstumsrate weit über reales Wirtschaftswachstum plus Inflationsrate hinaus (bis 2008). In Wirkungen der Finanzkrise: Stagnation trotz sehr expansiver Geldpolitik (M0). (Quelle: Deutsche Bundesbank)

290 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.1 Geldbegriff und Geldfunktion Geldmengenaggregate Entwicklung des Geldes: Standardisierte Tauschobjekte von hohem Wert Prägung von Münzen mit hohem physischen Wert (z.b. Gold) Geldformen ohne physischen Wert, aber mit sog. Golddeckung (Einlöseverpflichtung Geld Gold) Geldformen ohne physischen Wert und ohne Einlöseverpflichtung Entscheidend ist das Vertrauen in die Fähigkeit, die Geldfunktionen zu erfüllen. Geldversorgung dergestalt, dass physische arbeitsteilige Produktion und Tausch möglichst effizient funktioniert, was Akzeptanz und Wertstabilität des Geldes voraussetzt.

291 8. Geld, Inflation und Geldpolitik 8.2 Geldnachfrage Keynesianische Theorie Liquiditätspräferenztheorie nach Keynes: 1) Transaktionsmotiv Transaktionskassenhaltung Geld wird für geplante Transaktionen (Bezahlung von Gütern oder Faktoren) verwendet. Zahlungsgewohnheiten (z.b. Lohnzahlungen täglich, wöchentlich, monatlich etc.) bestimmen Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Das Transaktionsvolumen korrespondiert mit dem nominalen Einkommen = Preisniveau P Realeinkommen Y. Geldnachfrage zu Transaktionszwecken bei gegebenen Zahlungsgewohnheiten: M v = P Y M P = 1 v Y = ky = L T (Y ) mit M als nominaler Geldmenge, v als Umlaufgeschwindigkeit bzw. k = 1/v als Kassenhaltungskoeffizient. S.291

292 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.2 Geldnachfrage Keynesianische Theorie 2) Vorsichtsmotiv Vorsichtskassenhaltung Geldhaltung zur Vermeidung von Illiquidität bei unvorhergesehenen Zahlungsausgängen oder unvorhergesehenem Ausbleiben von Zahlungseingängen. Annahme, dass mit steigendem Einkommen auch das Volumen unerwarteten Liquiditätsbedarfs ansteigt. Da aber im Normalfall dieses Geld nicht für Transaktionen benötigt wird, entstehen Opportunitätskosten in Gestalt des entgangenen Zinses. Daher: positive Abhängigkeit von Y, negative Abhängigkeit vom Zinssatz i. Keynes argumentiert, dass die Präferenz für Liquiditätshaltung vom Ausmaß fundamentaler Unsicherheit abhängt.

293 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.2 Geldnachfrage Keynesianische Theorie 3) Spekulationsmotiv Spekulationskassenhaltung Geld ist nur eine mögliche Form Vermögen zu halten. Alternative: zinstragende, jedoch riskante Finanzaktiva (bei Keynes: festverzinsliche Bonds). Da für die effektive Verzinsung eines Bonds gilt: i eff = Nennwert Nominalzinssatz Kurswert verhalten sich Zinssatz und Kurswert (Marktpreis des Wertpapiers) invers zueinander. Der erwartete Gewinn aus der Bonds-Haltung ergibt sich aus den festen Zinszahlungen plus der erwarteten Differenz aus Verkaufs- und Kaufpreis (Kurswert morgen und heute).

294 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.2 Geldnachfrage Keynesianische Theorie Fortsetzung Spekulationskasse: Je höher der aktuelle Zinssatz, desto mehr Personen erwarten sinkende Zinsen = steigende Kurse und werden deshalb Bonds halten statt Geld. Für die Spekulationskassenhaltung gilt also eine negative Zinsabhängigkeit: L S (i), dl S di < 0 Zusammenfassung der Geldhaltungsmotive (ohne Vorsichtsmotiv): L T (Y ) + L S (i) = L(Y, i), L Y > 0, L i < 0

295 8. Geld, Inflation und Geldpolitik 8.2 Geldnachfrage Portfoliotheorie Portfoliotheorie (H.M. Markowitz, 1927 ): Alternativen der Vermögenshaltung: Geld und Wertpapiere Geld: risikofrei, aber geringe Verzinsung (hier: Null) Wertpapiere: z.b. Aktien, Bonds; Rückflüsse aus der Wertpapierhaltung streuen mehr oder weniger stark a) Bonds: feste Zinszahlungen, jedoch Schwankungen des Kurswertes b) Aktien: Dividendenzahlungen in unregelmäßiger Höhe und Schwankungen der Kurswerte Risikoscheue Anleger berücksichtigen den Erwartungswert der Renditen (Verzinsung) und deren Streuung (Varianz bzw. Standardabweichung) als Risikomaß. Außerdem zu beachten: Die Kurse und somit Renditen unterschiedlicher Wertpapiere können korrelieren, gemessen an dem Korrelationskoeffizienten bzw. an der Kovarianz. S.295

296 8. Geld, Inflation und Geldpolitik 8.2 Geldnachfrage Portfoliotheorie Mischung unterschiedlich riskanter Wertpapiere Risikostreuung. Erwartete Rendite und Risiko eines Portfolios ergeben sich aus den erwarteten Renditen, Varianzen und Kovarianzen der darin enthaltenen Wertpapiere. Frage: Welche Mischung riskanter Wertpapiere ist optimal? Welche Mischung aus einem riskanten Portfolio und risikolosem Geld ist optimal? Man kann folgendes zeigen: Es gibt eine Menge effizienter Kombinationen riskanter Anlagen (effizient = es gibt keine weitere Kombination mit derselben erwarteten Rendite und geringerem Risiko). Es gibt ein effizientes riskantes Portfolio R, welches man optimal mit der risikolosen Anlage = Geld kombinieren kann. Unterschiedlich risikoscheue Anleger unterscheiden sich nur in der Kombination von R und dem risikolosen Geld, nicht aber in der Zusammensetzung von R, d.h. diese Entscheidungen sind separierbar J. Tobin ( ) S.296

297 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.2 Geldnachfrage Portfoliotheorie Was folgt daraus für die Geldnachfrage? Steigender Zinssatz bedeutet, dass die erwartete Rendite des riskanten Portfolios R steigt (bei unverändertem Risiko). Dies führt i.d.r. zu einer Umstrukturierung des Portfolios zugunsten riskanter Anlagen bzw. zulasten von Geld. Negativer Zusammenhang zwischen Geldnachfrage und Zinssatz (analog zu Keynesianischer Theorie)

298 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.3 Geldangebot Schaffung von Zentralbankgeld Wie wird Geld geschaffen? Wie gelangt Geld in den Umlauf? Wichtige Unterscheidung: Zentralbankgeld M0: Wird ausschließlich durch Transaktionen der Zentralbank geschaffen M1, M2, M3: außer der Komponente Bargeld werden die anderen Komponenten durch Transaktionen des privaten Sektors (Geschäftsbanken und Nichtbanken) geschaffen, wobei die Zentralbank diesen Prozess beeinflussen kann. Vereinfachte Bilanz der Zentralbank: Zentralbank Währungsreserven Bargeld (C) Gold Einlagen der GB (R): Wertpapiere Mindestreserve Forderungen an GB Überschussreserven M0 = C + R

299 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.3 Geldangebot Schaffung von Zentralbankgeld (A) Geldschöpfung von M0: 1) Die Zentralbank kauft von einer Geschäftsbank ein Aktivum (z.b. Wertpapier) und bezahlt dieses mit Zentralbankgeld (Gutschrift als Reserve): Zentralbank Wertpapiere Reserve Geschäftsbank - Wertpapiere + Reserve

300 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.3 Geldangebot Schaffung von Zentralbankgeld 2) Die Zentralbank gibt der Geschäftsbank einen Kredit: Zentralbank Forderung an GB Reserve Reserve Geschäftsbank Verbindlichkeit gegenüber Zentralbank Diese Kredite haben eine bestimmte Laufzeit und es sind bestimmte Zinsen zu bezahlen. Über die Kreditkonditionen kann die Zentralbank die Nachfrage nach Reserven steuern.

301 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.3 Geldangebot Schaffung von Kreditgeld (B) Geldschöpfung von M1, M2, M3: Wir konzentrieren uns hier auf M1 = Bargeld (C) + Sichteinlagen (D). Schaffung von Sichteinlagen erfolgt durch Kreditvergabe (daher auch: Kreditgeldschöpfung): Geschäftsbank vergibt einen Kredit und schreibt diesen auf einem Sichtkonto gut: Kredit Geschäftsbank Sichteinlagen Alternativ: Bank kauft Wertpapier von Nichtbank Theoretische Möglichkeit, dass Sichteinlagen (und damit M1, M2, M3) unendlich anwachsen könnten. Einschränkung dadurch, dass Geschäftsbanken einen Teil der Sichteinlagen (Depositen D) als Mindestreserve bei der Zentralbank halten müssen: MR = r D mit r als Mindestreservesatz.

302 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.3 Geldangebot Schaffung von Kreditgeld Depositen schwanken stark im Zahlungsverkehr Geschäftsbank will liquide Reserven vorhalten um plötzlichen Depositenabflüssen zu begegnen. hält freiwillig eine Überschussreserve: ER = e D. Durch Mindest- und Überschussreserve wird der Giralgeldschöpfungsprozess an eine Nachfrage der Geschäftsbanken nach Zentralbankgeld gekoppelt, so dass die Zentralbank Einfluss auf diesen Prozess hat. Kreditnehmer kann einen Teil des Sichtguthabens als Bargeld abheben. Annahme: Aufgrund von Zahlungsgewohnheiten beträgt das Verhältnis von Bargeld zu Giralgeld C/D = b, so dass C = b D gilt.

303 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.3 Geldangebot Schaffung von Kreditgeld Algebraische Beziehung zwischen M0 und M1: M0 = C + R = b D + r D + e D = (b + r + e) D M1 = C + D = b D + D = (1 + b) D Nach D auflösen und in erste Gleichung einsetzen: (b + r + e) M0 = M1 (1 + b) M1 M0 = M1 (1 + b) = M0 (b + r + e) m (Geldschöpfungs multiplikator ) Der Multiplikator suggeriert, dass die Zentralbank autonom M0 festlegt, und damit auch M1 steuert. Der Zusammenhang ist jedoch rein algebraischer Natur.

304 8. Geld, Inflation und Geldpolitik 8.3 Geldangebot Schaffung von Kreditgeld Der Prozess hängt maßgeblich vom Verhalten von Banken und Nichtbanken ab: Angebot und Nachfrage am Kreditmarkt hängen von den Kalkülen der Banken und der Nachfrager ab. Gleichgewichtszins bestimmt die Kreditmenge. Das Bankenverhalten bestimmt die Neigung, Überschussreserve zu halten. Das Zahlungsverhalten der Nichtbanken bestimmt die Neigung, Bargeld statt Depositen zu halten. Daraus ergibt sich die Nachfrage der Banken nach Zentralbankgeld. Auf dem Markt für Zentralbankgeld (Geldmarkt) entsteht ein Gleichgewicht (Geldmarktzinssatz). Zentralbank kann das Geldmarktgleichgewicht beeinflussen. Sie beeinflusst durch geldpolitische Maßnahmen den Prozess der endogenen Geldschöpfung. S.304

305 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Volkswirtschaftliche Kosten von Inflation Volkswirtschaftliche Kosten der Inflation: 1. Preisanpassungskosten ( Menükosten ): Aufwand, neue optimale Preise zu bestimmen, Änderungen von Preislisten, Katalogen, Webseiten etc. 2. Beeinträchtigung der Informationsfunktion: Flexible Einzelpreise wichtig für effiziente Allokation durch Märkte. Bei Inflation ist es weniger durchschaubar, welcher Teil einer Einzelpreisbewegung auf die Änderung von Knappheitsverhältnissen zurückzuführen ist Allokationseffizienz sinkt. 3. Verzerrte Vermögensstruktur: Inflation wirkt wie eine Steuer auf das Halten von Geld und festverzinslichen Forderungen. Umschichtung in Sachwerte oder Aktiva, deren Preise ebenfalls inflationieren oder mit variabler nominaler Verzinsung erschwert langfristige Finanzierung von Investitionen.

306 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Volkswirtschaftliche Kosten von Inflation 4. Willkürliche Umverteilungseffekte: Bei Verträgen mit festen nominalen Zahlungen verliert der Empfänger dieser Zahlungen: Lohnkontrakte: Inflation senkt Reallohn. Renten: Inflation senkt Realwert der Renten. Kredite: Inflation senkt Realwert der Schulden. Kalte Progression: Inflationiertes Nominaleinkommen führt zu höheren Steuersätzen (Umverteilung Private Staat) Vermögende Haushalte haben mehr Möglichkeiten, sich gegen Inflation zu schützen, als weniger vermögende Haushalte. 5. Nettorenditeeffekte: Auf die Rückflüsse aus Investitionen wirkt Inflation ähnlich wie eine Besteuerung reale Nettorendite r N sinkt.

307 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Volkswirtschaftliche Kosten von Inflation Einige negative Effekte (siehe 2. und 4.) könnten vermieden werden, wenn die Inflationsrate antizipierbar wäre (Berücksichtigung in den Kontrakten). Empirie: Je höher die Inflationsrate, desto volatiler ist sie (und somit weniger antizipierbar). Daher ist eine Stabilisierung der Inflationserwartungen auf niedrigem Niveau durch eine glaubwürdige Geldpolitik wichtig.

308 8. Geld, Inflation und Geldpolitik 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Messung von Inflation Messung von Inflation: Bestimmung eines Warenkorbes, in welchen bestimmte Güter i = 1,..., n jeweils mit einem bestimmten Gewicht q i eingehen. Bestimmung des Durchschnittspreises p i für diese Güter. Vergleich der Ausgaben für den Warenkorb in der aktuellen Periode im Vergleich zur Basisperiode. Zwei Konzepte zur Konstruktion eines Indexes: Laspeyres-Index PL : Warenkorb der Basisperiode t = 0 Paasche-Index PP : Warenkorb der aktuellen Periode t P L = n i=1 pt i q0 i n i=1 p0 i q0 i, P P = n i=1 pt i qt i n i=1 p0 i qt i Die Europäische Zentralbank verwendet als ihre Zielgröße den Harmonisierten Verbraucherpreis-Index (HVPI) = Laspeyres-Index. Zur Inflationsbereinigung des Einkommens verwendet das Statistische Bundesamt den BIP-Deflator = Paasche-Index. S.308

309 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Messung von Inflation Entwicklung der Inflationsrate der Eurozone: Quelle: Deutsche Bundesbank (links) / Eurostat (rechts)

310 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Messung von Inflation Einige Probleme der Inflationsmessung: Neuartige Güter und Änderung der Verbrauchsgewohnheiten von Zeit zu Zeit Festlegung eines neuen Warenkorbes. Änderung der Qualität der Güter (z.b. Computer, Elektronik) Durchschnittspreisbildung bildet nicht das Kaufverhalten der Konsumenten ab, welche tendenziell geringere Preise bevorzugen. Änderungen der Relativpreisverhältnisse innerhalb des Warenkorbes führen zu Anpassungsreaktionen der Konsumenten, denen nicht Rechnung getragen wird. Auch die Preisentwicklung von Vermögensgegenständen (= Bestandsgrößen) ist relevant.

311 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Ursachen von Inflation Definitionsgemäß gilt immer die Quantitätsgleichung M v = P Y da man die Umlaufgeschwindigkeit v gerade definiert als v = P Y /M (Tautologie). In Wachstumsraten ausgedrückt: ˆM + }{{} ˆv = ˆP + Ŷ 0 Da v sich im Zeitablauf nicht gravierend verändert, gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen realem Wachstum (Ŷ ), Geldmengenentwicklung ( ˆM) und Inflationsrate ( ˆP). Inflation als rein monetäres Phänomen (Monetarismus, M. Friedman, )

312 8. Geld, Inflation und Geldpolitik 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Ursachen von Inflation Monetaristische Empfehlung: Zentralbank soll Geldmengenentwicklung strikt an die langfristige Entwicklung des Realeinkommens koppeln. Empirie: In langer Frist und unter Berücksichtigung hoher Inflationsraten enger Zusammenhang von ˆM und ˆP. Zusammenhang in den OECD-Ländern seit ca. Mitte 1980er Jahre eher mäßig. Aber: Quantitätstheorie liefert keine kausale Erklärung für steigende Preise, welche am Gütermarkt gebildet werden. Die Geldmengenentwicklung ist endogen und wird von der Zentralbank lediglich beeinflusst. Beispiel: Preise steigen aufgrund von Ursache XYZ steigende nominale Geldnachfrage Expansion Kreditgeldschöpfung steigende Nachfrage nach Reserven wird von der Zentralbank akkomodiert. Zwar besteht dann ein positiver Zusammenhang zwischen ˆM und ˆP, jedoch hat ˆM nicht ˆP kausal verursacht. S.312

313 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Ursachen von Inflation Gleichgewichtiges Preisniveau durch Zusammenspiel von gesamtwirtschaftlicher Nachfrage Y D und gesamtwirtschaftlichem Angebot Y S. P Y S P Y S Y S Y D Y D Y nachfrageinduzierte Inflation kosteninduzierte Inflation Y D Y

314 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Ursachen von Inflation Nachfrageinduzierte Inflation: Erhöhung der realen Nachfrage = Rechtsverschiebung von Y D. Gründe z.b.: Senkung des Nominalzinses i Erhöhung der Inflationserwartung ˆP e Expansive Fiskalpolitik Nominale Abwertung der Währung Exportnachfrage steigt Angebotsinduzierte Inflation: Verringerung des gesamtwirtschaftlichen Angebots aufgrund gestiegener Kosten = Linksverschiebung von Y S. Gründe z.b.: Anstieg der Lohnkosten oder Steuern Höhere Preise importierter Vorprodukte (z.b. Öl) ( importierte Inflation )

315 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.4 Kosten, Messung und Ursachen von Inflation Ursachen von Inflation Lohn-Preis-Spirale: Um Reallohnsenkungen aufgrund von Inflation zu kompensieren, setzen Gewerkschaften höhere Nominallöhne durch, was auf der Kostenseite Inflationsdruck ausübt und somit erneut Nominallohnerhöhungen induziert usw. (hängt vom Organisationsgrad der Gewerkschaften ab). Geldpolitik hat vor allem Einfluss auf die Nachfrageseite: Nominalzinssatz i kann relativ gut beeinflusst (gesteuert) werden. Glaubwürdige Geldpolitik stabilisiert die Inflationserwartungen ˆP e auf niedrigem Niveau.

316 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.5 Einige Grundlagen der Geldpolitik Ziele und Instrumente der Geldpolitik Globales Ziel von Wirtschaftspolitik ist die Erhöhung der Wohlfahrt muss operationalisiert werden! Magisches Viereck (Stabilitäts- und Wachstumsgesetz) Hoher Beschäftigungsstand = niedrige Arbeitslosenquote Preisniveaustabilität Außenwirtschaftliches Gleichgewicht Angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum Wir beziehen uns hier auf die ersten beiden Ziele: Da Arbeitslosigkeit u und Inflation ˆP die Wohlfahrt senken, sollen die wirtschaftspolitischen Strategievariablen so gewählt werden, dass die Verlustfunktion minimiert wird: min L = L(u, ˆP) Zielkonflikte! (hier kurzfristig: Phillipskurve)

317 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.5 Einige Grundlagen der Geldpolitik Ziele und Instrumente der Geldpolitik Tinbergen-Regel: Hat man n verschiedene Ziele, so sollten auch n verschiedene wirtschaftspolitische Mittel eingesetzt werden. Zuordnung der Ziele zu den Mitteln und damit zu den Trägern der Wirtschaftspolitik Hier: Inflationsziel Geldpolitik Zentralbank Operationalisierung des Inflationsziels (EZB): HVPI-Anstieg um knapp unter 2%. Die Zielinflationsrate ist also nicht Null. Warum? HVPI überzeichnet die Inflation etwas (siehe oben). Deflation (negative Inflationsraten) hat gravierendere negative Konsequenzen als moderate Inflation, daher: Abstand von negativen Inflationsraten halten. Ermöglicht Reallohnanpassung bei rigiden Nominallöhnen.

318 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.5 Einige Grundlagen der Geldpolitik Ziele und Instrumente der Geldpolitik Instrumente der Geldpolitik (hier: EZB, Eurozone): 1. Mindestreservesatz: Erhöhung von r erhöht die Nachfrage nach Reserven und senkt den Geldschöpfungsmultiplikator. Wird in der Praxis kaum als Steuerungsinstrument eingesetzt. 2. Offenmarktgeschäfte: Hauptrefinanzierungsgeschäfte: Kredite an Geschäftsbanken, Laufzeit i.d.r. eine Woche, wöchentliche Anpassung der Zinssätze möglich; Vergabe über eine Art Auktionsverfahren (Tender) Langfristige Refinanzierungsgeschäfte: Kredite an Geschäftsbanken, Laufzeit drei Monate, monatliche Anpassung der Zinssätze Strukturelle und Feinsteuerungsoperationen: teils Kredite an Geschäftsbanken mit nicht standardisierter Laufzeit; unregelmäßig, teils definitive Käufe/Verkäufe von Wertpapieren.

319 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.5 Einige Grundlagen der Geldpolitik Ziele und Instrumente der Geldpolitik Instrumente der Geldpolitik (Fortsetzung): 3. Ständige Fazilitäten: Spitzenrefinanzierungsfazilität: Kredite an Geschäftsbanken mit Laufzeit von 1 Tag ( über Nacht ) mit relativ hohem Zinssatz. Einlagenfazilität: Gering verzinste Einlagen von Geschäftsbanken über Nacht. Zu beachten: Kreditvergabe an Geschäftsbanken setzt eine Besicherung voraus, d.h. Geschäftsbanken müssen Wertpapiere in bestimmter Qualität halten. Als weiteres Instrument kann die Kommunikationspolitik angesehen werden, welche für die Bildung von Inflationserwartungen eine erhebliche Rolle spielt.

320 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.5 Einige Grundlagen der Geldpolitik Ziele und Instrumente der Geldpolitik Der Schwerpunkt im Euroraum liegt auf den Hauptrefinanzierungsgeschäften: die EZB tritt als Anbieter auf dem Markt für geliehene Reserven auf (Geldmarkt i.e.s.) seit der Eurokrise allerdings weniger relevant. Der Teilmarkt für Reserven, bei dem nur die Banken beteiligt sind, heißt Interbankenmarkt. In den USA ist das Hauptinstrument der Zentralbank (Federal Reserve System = Fed) der Kauf/Verkauf von Wertpapieren, hier vor allem Staatsschuldverschreibungen. Ungewöhnliche geldpolitische Maßnahmen während der Finanz- und europäischen Schuldenkrise (z.b. Quantitative Easing ).

321 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.5 Einige Grundlagen der Geldpolitik Ziele und Instrumente der Geldpolitik Quelle: Deutsche Bundesbank

322 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.5 Einige Grundlagen der Geldpolitik Mögliche Wirkungszusammenhänge Die Zentralbank kann recht präzise den Geldmarktzinssatz steuern und damit die Refinanzierungskosten der Banken. Dies beeinflusst die Angebotsfunktion der Banken auf dem Kreditmarkt und damit indirekt den Kreditzinssatz. (Kreditnachfrage kann aber kaum beeinflusst werden.) Gesamtwirtschaftliche Nachfrage hängt vom langfristigen Realszins ab (siehe Kapitel 7). Dieser wird ebenfalls von der Zentralbank lediglich beeinflusst, nicht gesteuert. Instrument kurzfristiger Geldmarktzins = langfristiger Realzins r Nachfrage Y D Inflation

323 8. Geld, Inflation und Geldpolitik 8.5 Einige Grundlagen der Geldpolitik Mögliche Wirkungszusammenhänge Geldpolitische Strategien: Zentralbank kann nicht direkt die Inflation beeinflussen. Geldpolitik wirkt mit Verzögerungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Inflationsrate. Inflation Targeting : Inflationsentwicklung hängt von Entwicklung der Nachfrage (bzw. Output-Lücke ) sowie den Inflationserwartungen ab. Prognose der realiserten Inflation und der Nachfrageentwicklung sowie weiterer makroökonomischer Variablen (z.b. Geldmenge, Kreditvergabe, Wechselkurse, sog Zwischenziele ). Bestimmung der angemessenen Geldpolitik (kurzfristige Zinsen) für die kommenden Quartale, sowie deren Kommunikation an den privaten Sektor. Beeinflussung der Inflationserwartungen Zwei-Säulen-Strategie der EZB S.323

324 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.5 Einige Grundlagen der Geldpolitik Glaubwürdigkeit und Zentralbankunabhängigkeit Begründung für die Zentralbankunabhängigkeit: Wäre die Zentralbank abhängig von der Regierung als Trägerin der Fiskalpolitik, so würde Geldpolitik evtl. in den Dienst anderer Ziele gestellt. Welches Problem kann entstehen, wenn Geldpolitik das Preisniveau- und das Beschäftigungsziel verfolgt? Problem der zeitinkonsistenten Politik: angekündigte niedrige Inflationsrate wird faktisch nicht angestrebt. Individuen, welche rationale Erwartungen bilden, antizipieren den Anreiz zum zeitinkonsistenten Verhalten und erwarten hohe Inflationsrate, die zu einer optimalen Geldpolitik führt, welche genau diese hohe Inflationsrate implementiert. Lösung des Problems durch Regelbindung und Zentralbankunabhängigkeit.

325 S Geld, Inflation und Geldpolitik 8.5 Einige Grundlagen der Geldpolitik Glaubwürdigkeit und Zentralbankunabhängigkeit Hoch verschuldete Regierungen haben kein Interesse an niedriger Inflation. Wie kann sichergestellt werden, dass eine Zentralbank dem Druck anderer wirtschaftspolitischer Träger standhalten kann? Zentralbankunabhängigkeit wird als Voraussetzung für Glaubwürdigkeit gesehen. Empirische Evidenz dafür ist gemischt. (Vertiefend hierzu: Donges, J.B., Freytag, A. (2004), Allgemeine Wirtschaftspolitik. 2. Aufl. Stuttgart: Lucius & Lucius)

326 S Ökonomische Theorie der Politik Gliederung: 9.1 Normative und positive Theorie der Politik 9.2 Direkte Demokratie: Wahlverfahren 9.3 Repräsentative Demokratie 9.4 Interessengruppen und rent-seeking 9.5 Institutionen und wirtschaftliche Entwicklung Literatur: Donges, J.B., Freytag, A. (2004), Allgemeine Wirtschaftspolitik. 2. Aufl. Stuttgart: Lucius & Lucius [Kapitel IV.1-IV.4] vertiefend: Kirsch, G. (2004), Neue Politische Ökonomie, Stuttgart. Bernholz, P., Breyer, F. (1994), Grundlagen der Politischen Ökonomie, Bd. 2, 3. Aufl., Tübingen.

327 S Ökonomische Theorie der Politik 9.1 Normative und positive Theorie der Politik Begründung von Staatstätigkeit: (Wdh., Kapitel 6) Theorie des Marktversagens (Externe Effekte, Bildung von Marktmacht, Informationsasymmetrien) Schaffung bindender rechtlicher Regeln als Voraussetzung für Marktallokation Vertragsrecht, Eigentumsrecht etc. Umverteilung und soziale Sicherung Dem Nutzen staatlicher Tätigkeit sind die Kosten gegenüber zu stellen: Informations-, Entscheidungs-, Ausführungs-, Kontrollkosten Normative Analyse: Wo, in welcher Form, in welchem Ausmaß sollte der Staat tätig werden um die Wohlfahrt zu erhöhen? Staat als wohlmeinender Diktator bzw. sozialer Planer.

328 S Ökonomische Theorie der Politik 9.1 Normative und positive Theorie der Politik Positive Analyse (Institutionenökonomik, Public Choice ): Analyse der politischen Entscheidungsverfahren und Institutionen (z.b. direkte/repräsentative Demokratie, Diktatur) Wie gelangt man in direkten oder repräsentativen demokratischen Wahlverfahren zu kollektiven Entscheidungen? Welche Anreizwirkungen gehen von den Verfahren und Institutionen für den politisch oder verwaltungsmäßig Handelnden aus (Politiker und Bürokraten als individuelle Nutzenmaximierer)? Welche Rolle spielen organisierte Interessen bei der Entscheidungsfindung? (Parteien, Verbände, Lobbygruppen) Analyse zeigt die Grenzen staatlichen Handelns auf.

329 S Ökonomische Theorie der Politik 9.2 Direkte Demokratie: Wahlverfahren Demokratische Wahlen als Allokationsmechanismus: Direkte Demokratie: Wähler stimmen direkt über eine Alternativenmenge ab. Repräsentative Demokratie: Wähler bestimmen die Zusammensetzung des Parlaments (Repräsentanten); die Repräsentanten stimmen über die Alternativenmenge ab.

330 S Ökonomische Theorie der Politik 9.2 Direkte Demokratie: Wahlverfahren Können individuelle Präferenzen in einem demokratischen Wahlverfahren sinnvoll aggregiert werden? Alle individuellen Präferenzordnungen werden zugelassen. Pareto-Effizienz: Wenn alle Wähler A gegenüber B schwach vorziehen, und mindestens ein Wähler A gegenüber B streng vorzieht, dann soll kollektiv A gegenüber B vorgezogen werden. Kollektive Rangordnung zwischen A und B soll unverändert bleiben, wenn auch die individuellen Rangordnungen bezüglich A und B unverändert bleiben, auch wenn sich die Rangordnungen anderer Alternativen ändern. Kein Individuum darf das Ergebnis diktieren. K. Arrow (1921 -) bewies, dass demokratische Wahlverfahren die Einhaltung dieser Forderungen nicht sicherstellen könen (Unmöglichkeitstheorem). Foto: Linda A. Cicero, Stanford News Service

331 S Ökonomische Theorie der Politik 9.2 Direkte Demokratie: Wahlverfahren Können Wahlentscheidungen zu Pareto-Verbesserungen führen? Eine kollektive Entscheidung über die Alternativen A, B,... führt dann zu einer Pareto-Verbesserung, wenn alle Wähler zustimmen können: Einstimmigkeitsregel. Diese Regel bietet den maximalen Schutz des Individuums vor dem Kollektiv. Die Ermittlung einer pareto-verbessernden Alternative setzt enormes Wissen voraus, über das keine Institution verfügt. Einstimmigkeit ist unrealistisch.

332 S Ökonomische Theorie der Politik 9.2 Direkte Demokratie: Wahlverfahren Mehrheitsregel: Je mehr Wähler einer Alternative zustimmen, desto geringer sind die (Opportunitäts-) Kosten der Wahlverlierer. Je mehr Wähler einer Alternative zustimmen können, desto aufwändiger (teurer) ist die Suche nach dieser Alternative. Lösung: Optimale Mehrheitsregel als Ausdruck der Kostenminimierung. Problem: Dies ist für jedes Entscheidungsproblem anders! Historisch: Absolute Mehrheit (50% + 1 Stimme) Qualifizierte Mehrheit (z.b. 67%) Einfache Mehrheit (Alternative mit den meisten Stimmen)

333 S Ökonomische Theorie der Politik 9.2 Direkte Demokratie: Wahlverfahren Probleme bei Wahlen mit Mehrheitsregel: 1. Mehrheit kann sich auf Alternativen verständigen, welche die Minderheit ausbeuten. 2. Zyklische Mehrheiten Rolle der Abstimmungsagenda: (Condorcet-Paradoxon, Marquis de Condorcet (1785)) Beispiel (Nutzenwerte): Max Moritz Uschi A B C Die Präferenzen sind entsprechend: Max: Moritz: Uschi: A > B > C < A A > B < C > A A < B > C > A Eine kollektive eindeutige Rangfolge gibt es nicht. Stimmt man paarweise ab, so ist: A > B > C > A, d.h. Intransitivität: je nach Abstimmungsagenda kann ein beliebiges Ergebnis erzeugt werden.

334 S Ökonomische Theorie der Politik 9.2 Direkte Demokratie: Wahlverfahren 3. Stimmentausch Wähler(gruppen) stimmen entgegen ihrer Präferenzen, um im Tausch dagegen die Unterstützung anderer Wählergruppen bei den von ihnen stark präferierten Projekten zu bekommen. Beispiel: Gesetzesvorlagen A und B Nettonutzen A B Max -2-2 Moritz 5-2 Uschi -2 5 Bei Einzelabstimmung werden beide Projekte abgelehnt. Wenn Moritz und Uschi Stimmentausch betreiben, werden beide Projekte realisiert.

335 S Ökonomische Theorie der Politik 9.2 Direkte Demokratie: Wahlverfahren Bemerkungen: Stimmentausch ist stillschweigende Praxis, obwohl dadurch gefährdet wird, dass demokratische Wahlen die Mehrheitspräferenzen durchsetzen. Aber: Von den vier Möglichkeiten Weder A noch B, Nur A, Nur B und A und B haben Moritz und Uschi eine klare Präferenz für letztere Allokation gegenüber Weder A noch B. D.h. Stimmentausch führt nicht zwangsläufig zu Ineffizienz.

336 S Ökonomische Theorie der Politik 9.3 Repräsentative Demokratie Wähler wählen die Repräsentanten, welche die politischen Entscheidungen treffen. Ökonomisch gesehen: Prinzipal-Agenten-Beziehung Wähler als Prinzipal, Politiker als Agenten Annahme: Politiker maximieren ihren eigenen Nutzen: Nutzen durch Umsetzung der eigenen ideologischen Vorstellungen. Nutzen durch die Vorteile des öffentlichen Amtes. Beides erreicht man nur dann, wenn man gewählt wird zentrales Interesse an einer (Wieder-) Wahl.

337 S Ökonomische Theorie der Politik 9.3 Repräsentative Demokratie Rolle der Wähler: Wahlen sollen möglichst die Präferenzen der Wähler in kollektive Entscheidungen umsetzen. In einer repräsentativen Demokratie: Wahl der Partei/Politiker, deren Programm den eigenen Präferenzen am nächsten kommt. Sehr hohe Informationsanforderungen rationale Uninformiertheit Prinzipal-Agenten-Verhältnis: Wähler sind nur begrenzt über die Ziele und Fähigkeiten des Politikers informiert. Wähler können nach Vertragsabschluss (Wahl) die Handlungen des Politikers nur bedingt beobachten und kontrollieren.

338 S Ökonomische Theorie der Politik 9.3 Repräsentative Demokratie Wahl-Paradoxon: Der Wahlgang und die zuvor erforderliche Informationsbeschaffung sind kostenträchtig. Die Wahrscheinlichkeit, durch die eigene Stimme das Wahlergebnis in Richtung der eigenen Präferenzen beeinflussen zu können (= Nutzen der individuellen Wahlbeteiligung), ist extrem gering. Ein hinreichend großer Grenznutzen einer Wahlbeteiligung, welcher den Grenzkosten entspricht, ist nur bei extrem geringer Wahlbeteiligung gegeben. Empirisch gesehen ist die Wahlbeteiligung aber sehr viel höher erklärungsbedürftig.

339 S Ökonomische Theorie der Politik 9.3 Repräsentative Demokratie Politischer Wettbewerb: Idee, dass Politiker am ehesten entsprechend den Präferenzen der Wähler entscheiden, wenn sie im politischen Wettbewerb stehen. Funktionierender politischer Wettbewerb setzt Freiheitsrechte voraus (Meinungs-, Pressefreiheit etc.). Entscheidend ist das Risiko für den Politiker, nicht gewählt zu werden bzw. das Amt zu verlieren. Durch Wiederwahl maximiert der Politiker seinen Nutzen, zur Wiederwahl ist jedoch eine Mehrheit der Wähler erforderlich.

340 S Ökonomische Theorie der Politik 9.3 Repräsentative Demokratie Um wiedergewählt zu werden, muss der Politiker mehr als 50% Zustimmung, also die Zustimmung des sog. Medianwählers erhalten. Hypothese: Wahlprogramme bewegen sich auf die Mitte hin zu und verharren nicht in extremen Positionen (das wäre nur bei mehr als zwei Parteien und Koalitionsbildung möglich bzw. sinnvoll). Der politische Wettbewerb entwickelt nicht nur alternative Ideen zur Problemlösung und diskutiert deren Vor- und Nachteile, er informiert auch über die Position des Medianwählers.

341 S Ökonomische Theorie der Politik 9.3 Repräsentative Demokratie Im politischen Entscheidungsprozess einer repräsentativen Demokratie (Abstimmung über Alternativen im Parlament, in Ausschüssen oder Koalitionsverhandlungen) treten auch die Wahlprobleme der direkten Demokratie auf, z.b. Zyklische Präferenzen und die Rolle der Abstimmungsagenda Stimmentausch (z.b. bei Koalitionsverhandlungen) Wahlverfahren in repräsentativen Demokratien sind sehr unterschiedlich (z.b. Deutschland, Frankreich, USA). Alle diese Wahlverfahren haben teilweise problematische Eigenschaften.

342 S Ökonomische Theorie der Politik 9.3 Repräsentative Demokratie Beispiel: Wahl zum Deutschen Bundestag mit Erst- und Zweitstimmen und somit der Möglichkeit von Überhangmandaten (Stand: 2012): Möglichkeit, dass eine Partei trotz Stimmenverlustes mehr Parlamentssitze erhält als vorher, oder umgekehrt Sitze verliert trotz Stimmengewinnen (Paradoxon des negativen Stimmengewichts). Möglichkeit, dass sich bei Stimmenzuwachs von Partei A die Sitzverteilung zwischen Parteien B und C verschiebt (Stimmenzuwachsparadoxon). Es gibt kein paradoxiefreies Wahlsystem.

343 S Ökonomische Theorie der Politik 9.4 Interessengruppen und rent-seeking In Politikfeldern, die bestimmte Gruppen von Wählern betreffen, kann deren Einflussnahme auf politische Entscheidungen erhöht werden, indem sie ihre Interessen organisieren: Lobbygruppen Beispiel: Industrieverbände (z.b. BDI, BITKOM), Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Sozialverbände, Verbraucherverbände, ADAC, BUND, Steuerzahlerbund etc. etc. Stellen Politikern Informationen bereit und können mediale Unterstützung bieten bzw. mit medialer Kritik drohen. Erwarten im Gegenzug eine verstärkte Berücksichtigung ihrer Interessen bei politischen Entscheidungen.

344 S Ökonomische Theorie der Politik 9.4 Interessengruppen und rent-seeking Aus Sicht der Lobbygruppenteilnehmer ist die Lobbytätigkeit ein öffentliches Gut. Warum bilden sich dann überhaupt solche Gruppen? Determinanten der Gruppenbildung: Interessengruppen bieten neben diesem öffentlichen Gut zusätzlich private Güter an, z.b. ADAC. Interessengruppen werden durch staatlichen Zwang gegründet, z.b. IHK. Für große Mitglieder lohnt sich der Beitrag zum öffentlichen Gut bereits privat. Wächst das politische Gewicht der Gruppe durch Hinzunahme weiterer kleiner Teilnehmer, so kann dies die Zahlungsbereitschaft der Großen noch erhöhen.

345 9. Ökonomische Theorie der Politik 9.4 Interessengruppen und rent-seeking Vorteile des Lobbying: Bereitstellung fachlicher Informationen zu geringeren Transaktionskosten, als wenn fachfremde Politiker diese sammeln und bewerten müssten. Senkung von Informationskosten auch für die Wähler. Senkung von Verhandlungskosten zwischen Politikern und privaten Akteuren. Kosten des Lobbying: Ressourcenaufwand geht anderen (produktiven) Verwendungsmöglichkeiten verloren. Organisierte Interessen erhalten gegenüber nicht-organisierten ein stärkeres Gewicht: verzerrte Abbildung der Wählerpräferenzen. Konsequenzen der durch Lobbying beeinflussten Entscheidungen haben auch Dritte zu tragen. S.345

346 S Ökonomische Theorie der Politik 9.4 Interessengruppen und rent-seeking Rent-seeking : Rente = dauerhafter Vorteil bzw. Einkommen, das nicht durch Leistung erworben wurde (Beispiel: Zusatzgewinne durch verminderten Wettbewerbsdruck oder durch Zwang, eine bestimmte Leistung nachfragen zu müssen). Anreiz, Einfluss auf die Politik und damit auf die Spielregeln zu nehmen, die einem solche Renten verschaffen können. Ressourcenverbrauch durch rent-seeking geht anderen Verwendungsmöglichkeiten verloren. Lobbytätigkeit kann z.t. als rent-seeking interpretiert werden: Politik wird bewegt Entscheidungen zu treffen, die die Erzielung künstlicher Einkommen (Renten) ermöglichen.

347 9. Ökonomische Theorie der Politik 9.4 Interessengruppen und rent-seeking Beispiel: Zölle Unternehmen klagen über zu hohen Wettbewerbsdruck durch ausländische Konkurrenten, sehen einen besonderen Schutzbedarf der heimischen Industrie und drohen mit Arbeitsplatzverlusten. Ziel: Einführung eines Importzolls, der die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie erhöht. Analog auch bei nicht-tarifären Handelshemmnissen. Beispiel: Marktzutrittsbeschränkungen Kann z.b. aufgrund von Informationsasymmetrieproblemen (Kapitel 6) sinnvoll sein Beispiel: Arzt Andere bestehende oder von Interessengruppen gewünschte Marktzutrittsbeschränkungen (z.b. durch Erwerb bestimmter formaler Qualifikationen oder Lizenzen) sind eher fragwürdig. S.347

348 S Ökonomische Theorie der Politik 9.5 Institutionen und wirtschaftliche Entwicklung Institutionen: kollektive Mechanismen, die das Verhalten des einzelnen Insividuums prägen (siehe Kapitel 2) Formale Institutionen (Beispiele): Rechtsnormen und Rechtssystem Institutionen der politischen Willensbildung: Parteien, Wahlverfahren, Parlament etc. Bürokratie Informelle Institutionen (Beispiele): Ethische Überzeugungen Kulturelle Traditionen Religion Institutionen... koordinieren individuelle Entshcheidungen,... ermöglichen kollektives Handeln,... erzeugen Erwartungssicherheit und Stabilität,... sind damit eine funktionale Voraussetzung individueller Freiheit

349 S Ökonomische Theorie der Politik 9.5 Institutionen und wirtschaftliche Entwicklung Beispiel: Abschluss eines Vertrages Vertrag entfaltet eine bindende Wirkung nur dann, wenn Vertragsverletzungen sanktioniert werden können. Das setzt funktionierendes Rechtssystem voraus. Beispiel: Demokratische Willensbildung Demokratische Wahlen als Allokationsmechanismus nur sinnvoll, wenn politischer Wettbewerb um die besten Problemlösungen vorhanden ist. Das setzt institutionellen Schutz von Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit voraus.

350 S Ökonomische Theorie der Politik 9.5 Institutionen und wirtschaftliche Entwicklung Institutionen sind schwach bzw. gefährdet durch: Unzureichend definiertes Recht, unzuverlässiges Rechtssystem Korruption Staatliche Willkür (ermöglicht durch fehlende Kontrolle, fehlende Abwahlmöglichkeit) Fehlende friedliche Konfiktlösungsmechanismen zwischen religiösen oder ethnischen Gruppen. Empirisch bestehen enge Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichem Fortschritt und Indikatoren für stabile Institutionen (z.b. Economic Freedom Index, Corruption Perception Index ).

351 S Internationale Arbeitsteilung und Handel Gliederung: 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Komparative Preisvorteile Produktvielfalt Auswirkungen auf Preise und Löhne 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Zahlungsbilanz, Handels- und Kapitalströme Bestimmungsgründe für den Wechselkurs Makroökonomische Zusammenhänge 10.3 Handelspolitik Wirkungen von Handelsbeschränkungen Strategische Handelspolitik und Handelsabkommen

352 S Internationale Arbeitsteilung und Handel Literatur: Hanusch, H., Kuhn, T., Cantner, U. (2000), Volkswirtschaftslehre 1, 5. Aufl., Berlin: Springer [Kapitel 17.2, 17.3, 17.6] Mankiw, N.G. (1999), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel [Kapitel 29-30] Bofinger, P. (2007), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., München: Pearson [Kapitel 25] vertiefend: Krugman, P, Obstfeld, M. (2003), Internationale Wirtschaft. Theorie und Politik der Außenwirtschaft, 6. Aufl., Pearson Studium.

353 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Mögliche Gründe für internationale Arbeitsteilung und Handel: Ressourcenverfügbarkeit Komparative Preisvorteile Höhere Produktvielfalt Größenvorteile (steigende Skaleneffekte)

354 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Komparative Preisvorteile Komparative Preisvorteile: siehe Beispiel aus Kapitel 1.2! Das Relativpreisverhältnis zwischen Gütern ist verschieden, d.h. unterschiedliche Opportunitätskosten im Autarkiefall: Land V: 8 Einheiten Fleisch für 1 Einheit Kartoffeln Land A: 0.5 Einheiten Fleisch für 1 Einheit Kartoffeln Ein Händler aus Land A, welcher 1 Einheit Kartoffeln gegen Fleisch tauschen will, würde in Land V das 16-fache (8 statt 0.5) erhalten wie im eigenen Land Anreiz zum Export von Kartoffeln. Ein Händler aus Land V, welcher 1 Einheit Fleisch gegen Kartoffeln tauschen will, würde in Land A ebenfalls das 16-fache (2 statt 1/8) erhalten wie im eigenen Land Anreiz zum Export von Fleisch. Auf dem Weltmarkt wird sich ein für beide Länder gültiges Preisverhältnis einstellen, welches zwischen den Relativpreisen im Autarkiefall liegt.

355 10. Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Komparative Preisvorteile Klassische Theorie: D. Ricardo ( ) Komparative Kostenvorteile durch unterschiedliche (Arbeits-) Produktivität = unterschiedliche Produktionstechnologie Es kommt nur auf die relativen, nicht auf die absoluten Vorteile an! Handel auch dann sinnvoll, wenn ein Land in allen Sektoren unproduktiver ist. Jedes Land spezialisiert sich (ganz oder teilweise) auf jenes Gut, bei welchem es einen komparativen Produktivitäts- und damit Kosten- bzw. Preisvorteil hat, und exportiert dieses. Mit den Exporterlösen wird das importierte Gut finanziert. A. Smith ( ) glaubte zuvor noch, dass internationale Arbeitsteilung voraussetze, dass ein Land absolute Vorteile gegenüber dem anderen Land haben müsse. S.355

356 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Komparative Preisvorteile Neoklassische Theorie des Außenhandels E.F. Heckscher ( ), B. Ohlin ( ) Handel zwischen technologisch ähnlichen Ländern. Beobachtung, dass relativ kapitalreiche Länder einen komparativen Preisvorteil bei kapitalintensiven Gütern haben, und relativ arbeitsreiche Länder bei arbeitsintensiven Gütern. Annahmen (u.a.): Gleiche Technologien mit konstanten Skalenerträgen. Unterschiedliche relative Faktorausstattungen; Faktoren wandern nicht zwischen den Ländern. Es gibt eindeutig arbeitsintensive und kapitalintensive Güter. Wettbewerbliche Märkte.

357 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Komparative Preisvorteile Wegen der unterschiedlichen relativen Faktorausstattung sehen die Transformationskurven beider Länder verschieden aus, obwohl sie dieselbe Technologie nutzen. Relativ kapitalreiches Land: Kapital relativ billig relativer Kosten- und Preisvorteil bei kapitalintensivem Gut Spezialisierung auf kapitalintensives Gut Relativ arbeitsreiches Land: Arbeit relativ billig relativer Kosten- und Preisvorteil bei arbeitsintensivem Gut Spezialisierung auf arbeitsintensives Gut

358 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Komparative Preisvorteile In der Praxis treten beide Gründe für Spezialisierung auf: Unterschiede in der Technologie, d.h. in den Produktivitäten der Faktoren und Unterschiede in der relativen Faktorausstattung Beide Ansätze erklären aber nur, warum Länder unterschiedliche Güter austauschen (Fleisch gegen Kartoffeln, Tuch gegen Wein, Fernseher gegen Reis usw.) Ein großer Teil des Handels ist jedoch sog. intraindustrieller Handel zwischen Ländern, die keine drastischen Unterschiede in Technologie und Faktorausstattung aufweisen, z.b. deutsche Autos in Frankreich, französische Autos in Deutschland. Kann weder mit der klassischen (Smith, Ricardo) noch mit der neoklassischen (Heckscher, Ohlin) Theorie erklärt werden.

359 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Produktvielfalt P. Krugman (1953 -) Neue Außenhandelstheorie Produkte sind differenziert Marktform der monopolistischen Konkurrenz (Kapitel 4.3.3) Nachfrager haben Präferenz für Produktvielfalt. Produktion oft mit hohen Fixkosten, d.h. sinkende Durchschnittskosten und damit Größenvorteile. Bei gegebenem Nachfragevolumen wird nur eine bestimmte Anzahl n von Unternehmen = Produktvarianten (vereinfachende Annahme) gewinnbringend produzieren.

360 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Produktvielfalt Zwei Länder Autarkiefall: Nachfragevolumen: V 1, V 2, Anzahl der Unternehmen/Produktvarianten: n 1, n 2 Nach Aufnahme von Außenhandel: Nachfragevolumen Weltmarkt: V = V1 + V 2 Anzahl der Produktvarianten: n 1, n 2 < n n 1 + n 2 Zwar wird es auf dem Weltmarkt eventuell weniger Produktvarianten geben als die Summe der Varianten im Autarkiefall. Aber in beiden Ländern besteht eine höhere Produktvielfalt als im Autarkiefall. Aufgrund der Größenvorteile produzieren die verbleibenden Unternehmen billiger, was zu Preissenkungen führt.

361 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Produktvielfalt Exkurs: Messung von intraindustriellem Handel: Einteilung der Wirtschaft in i = 1, 2,..., n Sektoren Inter-industrieller Handel dann, wenn Ex i > 0, Im i = 0 oder Ex i = 0, Im i > 0. Intra-industrieller Handel, wenn Ex i > 0, und Im i > 0. Konstruktion eines Index: I i = 1 Ex i Im i Ex i + Im i Im Fall von rein inter-industriellem Handel ist I i = 0, der Maximalwert bei intra-industriellem Handel ist I i = 1. Zusammenfassung aller Indizes zum Gesamtindex (Grubel-Lloyd-Index): I = n i=1 g ii i mit g i als den Anteilen der Sektoren i am Gesamthandel.

362 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Auswirkungen auf Preise und Löhne Durch Spezialisierung und Tausch auf den Weltmärkten werden sich die Relativpreise angleichen. Gleichgewichtiges reales Austauschverhältnis ( terms of trade ): Bei gegebenem Relativpreis p 1 /p 2 wird in jedem Land ein bestimmter Punkt auf der Transformationskurve gewählt (Produktionsentscheidung der Firmen), und die Konsumenten wählen ein bestimmtes Güterbündel. Aus beidem ergeben sich die geplanten Exporte und Importe. Gleichgewichtige terms of trade, wenn die Export- und Importpläne beider Länder miteinander kompatibel sind.

363 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Auswirkungen auf Preise und Löhne Einfluss auf die Faktorpreise (Annahme: Ricardo-Modell) Aus der Mikroökonomik wissen wir: Wertgrenzprodukt = Nominallohn (siehe Kapitel 3.2.4) y 1 L p 1 = w y 1 p 1 Teilen durch p 2 = w [Euro/h] [Stck] bzw. L p 2 p 2 [Euro/Stck] [h] Das reale Austauschverhältnis p 1 /p 2 ist durch den Weltmarkt vorgegeben. Auf der rechten Seite steht ein realer Lohnsatz, d.h. die Entlohnung ausgedrückt in Einheiten von Gut 2. Ist nun die Grenzproduktivität in einem Land geringer als im anderen Land, so ist auch der reale Lohnsatz geringer. Geringere reale Entlohnung erklärt, weshalb das unproduktivere Land einen komparativen Preisvorteil hat und deshalb an Arbeitsteilung und Handel teilnehmen kann.

364 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Auswirkungen auf Preise und Löhne Kauf von Waren aus Ländern mit extrem niedrigen Löhnen: Ist das nicht Ausbeutung? Resultat aus der klassischen Theorie: Entscheidend ist, was sich der Arbeiter in dem armen Land von dem Lohn in heimischer Währung kaufen kann, also der reale Lohn, ausgedrückt in Gütereinheiten (s.o.). Was hätte er sich ohne Handelsbeziehungen (Autarkie) leisten können? Zu bedenken ist, dass die Beteiligung am Handel Handelsgewinne, d.h. ein größeres Konsumgüterbündel ermöglicht. D.h. im Autarkiefall wäre der reale Lohn geringer. Falls reale Lohndifferenzen die (empirisch z.t. enorm großen) Produktivitätsdifferenzen widerspiegeln, kann man nicht von Ausbeutung sprechen.

365 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Auswirkungen auf Preise und Löhne Fortsetzung: Durch die Öffnung der Märkte entsteht ein Wettbewerbsdruck, die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. Empirisch gesehen ist die Produktivitäts- und Reallohnentwicklung in offenen Schwellenländern äußerst dynamisch tendenzielle Angleichung der Faktorpreise. Zu bedenken ist aber, dass die Voraussetzung kompetitiver Güter- und Faktormärkte oft nicht erfüllt ist (z.b. Nachfragemacht auf lokalen Arbeitsmärkten, Nachfragemaucht auf Agrarrohstoffmärkten), und die terms of trade deutlich stärker von ökonomisch starken (entwickelten) Volkswirtschaften bestimmt werden.

366 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.1 Realwirtschaftliche Theorie des Außenhandels Auswirkungen auf Preise und Löhne In der neoklassischen Theorie kommt es hingegen zum Ausgleich der Faktorpreise (Löhne, Renditen): Der relativ reichlich vorhandene Faktor wird aufgrund der Spezialisierung nun stärker genutzt (= verstärkt nachgefragt) und wird dadurch relativ teurer. Bei vollkommenen Märkten und teilweiser Spezialisierung gibt es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Güterpreis- und Faktorpreisverhältnis. Sind die Technologien gleich, so ist dann auch das Faktorpreisverhältnis gleich. Die Mobilität der Güter ersetzt die im Modell fehlende Mobilität der Produktionsfaktoren.

367 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Zahlungsbilanz, Handels- und Kapitalströme Zahlungsbilanz (siehe Kapitel 7.1.2) Exporte Ex Leistungsbilanz (Handel mit Gütern und Dienstleistungen, sowie Übertragungen) Importe Im Saldo: NX = Ex Im (Außenbeitrag) Kapitalimporte K Im Kapitalbilanz (kurz-, langfristig) Kapitalexporte K Ex Saldo: B = K im K Ex Devisenbilanz (Devisentransaktionen der Zentralbank) Saldo: Änderung Währungsreserven R NX + B

368 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Zahlungsbilanz, Handels- und Kapitalströme Wir abstrahieren von Eingriffen der Zentralbank (Änderungen der Devisenreserven R = 0), so dass buchungstechnisch gilt: oder kurz Nettoexporte = Nettokapitalexport Ex Im = (K Im K Ex ) = K Ex K Im NX = B Exporte und Importe hängen vom in- und ausländischen Einkommen sowie den terms of trade (realer Wechselkurs), d.h. vom nominalen Wechselkurs und dem in- und ausländischen Preisniveau ab. Kapitalimporte und -exporte hängen davon ab, welche Renditen aus der Investition im In- und Ausland zu erwarten sind, was u.a. von den Zinssätzen abhängt.

369 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Zahlungsbilanz, Handels- und Kapitalströme Ohne Eingriff der Zentralbank ist NX = B ex post stets erfüllt. Ein Gleichgewicht liegt vor, wenn die Gleichung auch für die geplanten Güter- und Kapitalströme gilt. NX (Y, Y a, P, P a, w) = B(i, i a, w e ) Einkommen Y, Y a werden am Gütermarkt bestimmt. Preisniveaus P, P a werden durch gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Angebot bestimmt. Zinssätze i, i a werden am Kapitalmarkt bestimmt. Wechselkurserwartungen w e : bestimmt durch...? Wechselkurs w als Anpassungsinstrument!

370 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Zahlungsbilanz, Handels- und Kapitalströme Nominaler Wechselkurs...in Preisnotierung: Wieviele inländische Geldeinheiten müssen für eine ausländische Geldeinheit bezahlt werden? [ ] Euro w P = 0.9 Dollar...in Mengennotierung: Wieviele ausländische Geldeinheiten erhält man für eine inländische Geldeinheit? [ ] Dollar w M = 1.11 Euro In den Medien ist seit der Einführung des Euros die Mengennotierung üblich. In den Lehrbüchern dominiert die Preisnotierung (Konvention: w = w P ) Aufwertung: w = w P sinkt, Abwertung: w = w P steigt.

371 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Zahlungsbilanz, Handels- und Kapitalströme Effekte einer Abwertung der heimischen Währung: Exporteure verdienen im Ausland ausländische Währungseinheiten (z.b. Dollar). Durch die Abwertung bekommen sie nun mehr Euro für ihre Dollareinnahmen, weshalb sie auf dem Auslandsmarkt preislich wettbewerbsfähiger werden und mehr absetzen werden Exportwert (Menge Preis in Euro) steigt. Importeure müssen nun mehr Euro in Dollar umtauschen um Importe bezahlen zu können Importmengen gehen zurück. Wegen des gestiegenen Importpreises ist der Effekt auf den Importwert unklar. Außenbeitrag NX : Reaktion ist deshalb ebenfalls unklar. Unter bestimmten normalen Voraussetzungen wird der Außenbeitrag aber mittelfristig ansteigen.

372 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Bestimmungsgründe für den Wechselkurs Wonach richten sich Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt, d.h. durch welche Größen wird der Wechselkurs erklärt? Lange Frist: Kaufkraftparität-Theorie Kurze Frist: Zinsparität-Theorie Weitere Einflüsse: z.b. Spekulation, Zentralbankinterventionen Empirie: Umsätze auf Devisenmärkten extrem viel größer als Umsätze auf realen Gütermärkten.

373 10. Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Bestimmungsgründe für den Wechselkurs Kaufkraftparität-Theorie: Absolute Kaufkraftparität: Homogene Güter, keine Transportkosten Gesetz des einheitlichen Preises [ ] [ ] [ ] Euro Dollar Euro w P a = P Dollar Stck. Stck. Wechselkurs spiegelt nominales Preisverhältnis wider: w = P/P a bzw. in Änderungsraten: ŵ = ˆP P ˆa d.h. das stärker inflationierende Land wertet ab. Gäbe es nur homogene Güter, dann wäre nach der Theorie der reale Wechselkurs θ = 1. Gehen wir von einem beliebigen realen Wechselkurs θ = wp a /P aus, so gilt in Wachstumsraten: ˆθ = ŵ + ˆ P a ˆP S.373

374 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Bestimmungsgründe für den Wechselkurs Zinsparität-Theorie: Gesamtwirtschaftliche Ersparnis kann im Inland oder im Ausland investiert werden Kapitalbilanz Annahme: Entscheidend ist die erwartete Rendite, die im Gleichgewicht bei beiden Investitionsmöglichkeiten gleich ist. Bei der Anlage im Ausland ist aber zu bedenken, dass das Investitionsvolumen zum heutigen Wechselkurs eingetauscht, im Ausland angelegt, und später zum dann gültigen Wechselkurs zurückgetauscht wird. Darüber müssen Erwartungen (w e ) gebildet werden.

375 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Bestimmungsgründe für den Wechselkurs Bei der sog. Zinsparität gilt dann: w e w w = ˆ w e = i i a mit i, i a als inländischem und ausländischem Zinssatz. (Achtung: im Lehrbuch von Bofinger wird das Symbol S für den Wechselkurs in Mengennotierung verwendet) Wodurch sich die Wechselkurserwartung bestimmt, ist hier noch nicht geklärt! Bei gegebenem w e werden Wechselkursänderungen durch Zinsdifferenzen bestimmt.

376 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Bestimmungsgründe für den Wechselkurs Zusammenfassung Kaufkraft- und Zinsparität: Wechselkursänderungen werden durch Inflations- und Zinsdifferenzen bestimmt: Das stärker inflationierende Land wertet ab. Das Land mit sinkendem Zins wertet ab. Empirisch gesehen bieten beide Ansätze keine befriedigende Erklärung, vor allem nicht für die hohe Volatilität der Wechselkurse.

377 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Bestimmungsgründe für den Wechselkurs Wechselkurssysteme: Feste Wechselkurse (z.b. Bretton-Woods-System ): Zentralbanken greifen in den Devisenmarkt ein um den Wechselkurs auf einem vorgegebenen Niveau zu stabilisieren. Auswirkungen auf den Devisenbestand R (siehe Zahlungsbilanz) und damit auf die Geldmenge. Flexible Wechselkurse: keine Interventionspflicht der Zentralbanken, Bestimmung des Kurses am freien Markt durch Angebot und Nachfrage nach Devisen.

378 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.2 Wechselkurse und Zahlungsbilanz Bestimmungsgründe für den Wechselkurs Euro Dollar Euro Dollar Angebot Angebot Nachfrage Menge Dollar Aufwertung Dollar (Beispiel) Nachfrage Menge Dollar Abwertung Dollar (Beispiel)

379 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Wirkungen von Handelsbeschränkungen Handelsbeschränkungen: Zölle: Importzölle, seltener: Exportzölle Mengenzoll Wertzoll Exportsubventionen Mengenbeschränkungen, Kontingente bei der Einfuhr oder bei der Ausfuhr ( freiwillige Selbstbeschränkung ) Weitere Beschränkungen

380 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Wirkungen von Handelsbeschränkungen Importzölle: Schutz der heimischen Anbieter, Umlenkung der Nachfrage auf heimische Produkte, Erzielung von Staatseinnahmen vorteilhaft? Analyse mit Hilfe des Konzepts der Produzenten- und Konsumentenrente (siehe folgende Grafik); Annahme: kleines Land, d.h. keine Auswirkung auf den realen Wechselkurs. Ergebnis: Der negative Effekt auf die Konsumentenrente überkompensiert stets die positiven Effekte auf die heimischen Anbieter und das Staatsbudget Wohlfahrtssenkung!

381 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Wirkungen von Handelsbeschränkungen p p A Änderungen: Produzentenrente: +a Zolleinnahmen: +c Konsumentenrente: -(a+b+c+d) p + t p a b c d N c b+d M y 0 y 1 c 1 c 0 y, c m 1 m 0 m p = Weltmarktpreis, t = Zollsatz

382 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Wirkungen von Handelsbeschränkungen Linke Seite: heimischer Markt, rechte Seite: resultierende Importnachfrage Kleines Land: Nachfrageänderungen bewirken keine Änderung von p! Zölle erhöhen den Inlandspreis. Nachfrage geht zurück auf c 1, Angebot steigt aufgrund des Zollschutzes auf y 1. Analyse der Wohlfahrtseffekte: Verlust an Konsumentenrente: (a + b + c + d) Gewinn an Produzentenrente: +a Zolleinnahmen: +c Gesamteffekt (Summe): (b + d) < 0 Der Wohlfahrtsverlust (b + d) entspricht dem Dreieck unter der Importnachfragefunktion (rechte Seite).

383 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Strategische Handelspolitik und Handelsabkommen Fazit: Liegen wettbewerbliche Märkte vor und sind die Staaten klein, dann ist Freihandel die beste Option Abbau von Handelshemmnissen. Gibt es dennoch eine Ratio für aktive Handelspolitik? a) Aktive Handelspolitik als Drohung bei unfairer Handelsverzerrung durch den Handelspartner (z.b. Strafzoll) b) Großes Land: Zoll kann die terms of trade zugunsten des großen Landes beeinflussen. Aber: Wohlfahrtsgewinn geht zulasten der anderen Länder. Andere große Länder reagieren darauf mit sog. Retorsionszöllen. Gleichgewicht in wechselseitigen Zöllen ist pareto-ineffizient! Lösung durch verbindliche Abkommen.

384 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Strategische Handelspolitik und Handelsabkommen Fortsetzung: c) Imperfekter Wettbewerb, z.b. Monopolanbieter: Handelspolitische Maßnahmen können disziplinierend und somit wohlfahrtserhöhend wirken. d) Strategische Handelspolitik: z.b. Subventionierung heimischer Firmen, wenn auf dem Weltmarkt nur sehr wenige große Firmen überleben können. Beispiel: Airbus versus Boeing.

385 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Strategische Handelspolitik und Handelsabkommen In einer Welt, in der Handelsbeschränkungen existieren, kann es das strategische Problem geben, dass ein einzelnes Land keinen Anreiz hat, einseitig Handelsbeschränkungen abzubauen, weil es dann alleine alle Nachteile und Anpassungslasten zu tragen hätte: Land A Protektion Freihandel Protektion 0,0 2,-1 Land B Freihandel -1,2 1,1 Durch individuell rationale Entscheidungen verbleibt man dann in einem ineffizienten Zustand, denn bei Freihandel würden sich alle verbessern. Lösung durch bindende Verträge GATT, WTO

386 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Strategische Handelspolitik und Handelsabkommen General Agreement on Tariffs and Trade (GATT), 1947/48 Verhandlungen über den Abbau von Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen. GATT-Prinzipien: Prinzip der Gleichbehandlung. Meistbegünstigungsklausel: Gewährt ein Mitgliedsland einem anderen Mitgliedsland Handelserleichterungen, so muss es dies auch allen anderen Mitgliedsländern gewähren. Diskriminierungsverbot: Werden zulässige Handelsbeschränkungen erlassen, so dürfen sie nicht gegen einzelne Länder gerichtet sein, sondern gelten für alle. Verbot mengenmäßiger Kontingente für Importe und Exporte Reziprozität: Handelspräferenzen, die Land A dem Land B einräumt, soll Land B auch dem Land A einräumen kann im Widerspruch zum Gleichbehandlungsgrundsatz stehen.

387 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Strategische Handelspolitik und Handelsabkommen Verhandlungsrunden: Tokio-Runde ( ) Uruguay-Runde ( ) 1994 Gründung der World Trade Organization (WTO), welche das GATT ablöst. Doha-Runde (2001-?), anschließend diverse WTO-Konferenzen alle paar Jahre. Konzentration jeweils auf bestimmte Problembereiche der Handelspolitik.

388 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Strategische Handelspolitik und Handelsabkommen Erfolg im Zollabbau: Durchschnittliche Zollsätze

389 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Strategische Handelspolitik und Handelsabkommen Anstieg des Welthandels: 1,6E13 1,2E13 8E12 4E Quelle: WTO, in Dollar, Skalierung beachten!

390 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Strategische Handelspolitik und Handelsabkommen Anstieg des Welthandels nach Produktgruppen (2006=100): Quelle: WTO, World Trade Statistical Review 2017

391 S Internationale Arbeitsteilung und Handel 10.3 Handelspolitik Strategische Handelspolitik und Handelsabkommen Prozentuale Änderung des Welthandels relativ zum BIP: Quelle: WTO, World Trade Statistical Review 2017

392 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel Gliederung: 11.1 Das empirische Bild von Wachstum Unterschied Wachstum Konjunktur Stilisierte Fakten 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Bevölkerungsentwicklung Ersparnisbildung und Kapitalstock Innovation und technischer Fortschritt Bildung und Humankapital Sozialkapital und institutionelle Faktoren 11.3 Wachstumskritik Wachstum als Ziel? Grenzen des Wachstums?

393 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel Literatur: Hanusch, H., Kuhn, T., Cantner, U. (2000), Volkswirtschaftslehre 1, 5. Aufl., Berlin: Springer [Kapitel ] Mankiw, N.G. (1999), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart: Schäffer-Poeschel [Kapitel 24] Bofinger, P. (2007), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., München: Pearson [Kapitel 26]

394 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.1 Das empirische Bild von Wachstum Gemessen wird Wachstum an der relativen Änderung des gesamtwirtschaftlichen Einkommens (BIP bzw. Y ): w Yt = Y t Y t 1 Y t 1 Wichtige Unterscheidung: nominales Wachstum: Y in jeweiligen Preisen reales Wachstum: inflationsbereinigtes Y Konstante Wachstumsrate w Y bedeutet, dass Y t exponentiell wächst: Y t = Y 0 e w Y t (hier: stetige Zeit).

395 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.1 Das empirische Bild von Wachstum Unterschied Wachstum Konjunktur Wenn Y wächst, kann das zwei Bedeutungen haben: In der Ausgangslage waren die Produktionsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft (z.b. Arbeitslosigkeit), die Kapazitäten werden lediglich besser ausgelastet Konjunktur. Die Produktionsmöglichkeiten sind erweitert worden (z.b. höherer Kapitalstock K oder eine verbesserte Produktionstechnik) Wachstum. Wachstum beschreibt die längerfristige Entwicklung des Produktionspotentials. Konjunktur beschreibt eine verbesserte Auslastung dieses Produktionspotentials. Problem: Y kann man messen (VGR), das Produktionspotential Y P aber nicht (muss geschätzt werden).

396 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.1 Das empirische Bild von Wachstum Unterschied Wachstum Konjunktur Quelle: Hanusch/Kuhn/Cantner (2000)

397 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.1 Das empirische Bild von Wachstum Unterschied Wachstum Konjunktur Wenn das BIP ein Indikator für Wohlstand sein soll, dann ist es nur sinnvoll, das Pro-Kopf-Einkommen und dessen Wachstum zu betrachten. Wachstum bedeutet, dass sich die Transformationskurve ( Kapitel 1) nach außen verschiebt bzw. sich die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve ( Kapitel 7) nach rechts verschiebt.

398 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.1 Das empirische Bild von Wachstum Stilisierte Fakten 1. Die Wachstumsrate des realen Pro-Kopf-Einkommens Y /A ist langfristig positiv. 2. Die Kapitalintensität der Produktion (Kapitalstock pro Kopf, K/A) nimmt zu. 3. Der Realzins (Grenzproduktivität des Kapitals) hat keinen langfristigen Trend. 4. Das Verhältnis von Kapitaleinsatz und Output K/Y (sog. Kapitalkoeffizient) hat keinen langfristigen Trend. 5. Die Einkommensverteilung (Arbeitseinkommen vs. Einkommen aus Gewinnen, Zinsen, Pachten) hat keinen langfristigen Trend. 6. Arbeitsproduktivität, Pro-Kopf-Einkommen und Wachstumsraten sind international sehr verschieden. 7. Das Wachstum von Y kann nicht allein durch vermehrten Einsatz von A und K erklärt werden technischer Fortschritt.

399 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.1 Das empirische Bild von Wachstum Stilisierte Fakten Die Wachstumstheorie versucht diese stilisierten Fakten zu erklären. (Es geht nicht um Propagierung von Wachstum.) Eine wichtige Rolle kommt dabei der Berücksichtigung des technischen Fortschritts (und ggf. dessen Erklärung) zu. Ein wesentliches Problem stellt die Erklärung der internationalen Unterschiede in der Produktivität, des Pro-Kopf-Einkommens und der Wachstumsraten dar.

400 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.1 Das empirische Bild von Wachstum Stilisierte Fakten BIP pro Kopf (1998) USA ,4 1,9 2 OECD Europa ,1 1,8 1,8 Japan ,1 2,3 0,9 Übriges Asien ,9 3,5 5,1 Lateinamerika ,5 1,0 0,2 Afrika ,1 0 1,8 Welt ,9 1,3 2,5 Quelle: OECD (2006), entnommen aus Bofinger (2007)

401 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.1 Das empirische Bild von Wachstum Stilisierte Fakten Wenn das technologische Wissen weltweit diffundiert, dann sollte in der langen Frist erwartet werden können, dass es eine Konvergenz der Volkswirtschaften gibt. Ein Zeichen für Konvergenz ist es, wenn arme Länder im Durchschnitt schneller wachsen ( catching up ). Es ist festzustellen, dass dies für einige Länder zutrifft, für andere nicht, d.h. es kommt zu Konvergenz-Clubs, wo einige Schwellenländer zu den Industriestaaten aufschließen, sich aber die Kluft zu anderen Entwicklungsländern weiter vergrößert (siehe Tabelle).

402 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.1 Das empirische Bild von Wachstum Stilisierte Fakten Die Rolle des Produktivitätsfortschritts: Sei T ein Maß für die totale Faktorproduktivität, die vom technischen Entwicklungsstand der Volkswirtschaft abhängt. Y = T f (A, K) Wachstum von Y kann nur teilweise durch Wachstum von A und K erklärt werden. Bei gegebenem f muss Wachstum auch durch Erhöhung von T erklärt werden.

403 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Bevölkerungentwicklung Wachsender Arbeitsinput A führt zu wachsendem Output Y. Aber: Bei gegebener Technologie ist mit einem abnehmenden Grenzertrag der Arbeit zu rechnen. Damit die Grenzproduktivität der Arbeit mindestens gleich bleibt, muss zusätzlich Kapital akkumuliert werden. Wächst Y mit derselben Rate wie der Arbeitsinput A, dann gibt es kein Pro-Kopf-Einkommenswachstum. Das jedoch ist der zu erklärende stilisierte Fakt! In den meisten Industriestaaten wächst A kaum noch.

404 11. Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Bevölkerungentwicklung Neoklassische Wachstumstheorie Modell von R.M. Solow (1924 ): Bevölkerung wächst mit konstanter Rate w A = n. Ein fester Anteil s des Einkommens wird gespart = investiert: I = sy. c The Nobel Foundation Dadurch erhöht sich der Kapitalstock: w K = I /K. Ergebnis: Im Wachstumsgleichgewicht wachsen A, K, Y alle mit derselben Rate n. Pro-Kopf-Einkommen Y /A, Kapitalintensität K/A und Kapitalkoeffizient K/Y wachsen nicht. Eine Vereinbarkeit mit einigen stilisierten Fakten erhält man nur, wenn zusätzlich (exogen) von einem Wachstum von T ausgegangen wird. S.404

405 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Ersparnisbildung und Kapitalstock Arbeit A Y = f (A, K) S = s Y (Sparen) I = K (Investieren) S = I

406 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Ersparnisbildung und Kapitalstock Je höher die Sparquote, desto stärker wird Kapital akkumuliert, und desto höher ist das Pro-Kopf-Einkommen im Wachstumsgleichgewicht. Aber die Wachstumsrate wird dadurch nicht beeinflusst! In einer offenen Volkswirtschaft muss die Ersparnis nicht unbedingt im Inland investiert werden. Es kommt auf die Investitionsbereitschaft an. Diese hängt wesentlich vom Grenzertrag des Kapitals ab. Ändert sich der Grenzertrag des Kapitals und damit der Zins, so passen Haushalte ihr Sparverhalten optimal an.

407 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Innovation und technischer Fortschritt Innovationsprozess: Invention Innovation Diffusion Produktinnovationen (neue Produkte) versus Prozessinnovationen (neue Produktionsverfahren) Basisinnovationen versus inkrementelle (graduelle) Innovationen Beispiel: Automobil Verbesserungen beim Otto-Motor In der makroökonomischen Produktionsfunktion werden die Produkt- und Prozessneuerungen nicht abgebildet. Sie erscheinen nur als Änderung der totalen Faktorproduktivität. Schumpeter: Prozess der schöpferischen Zerstörung ; Wachstumsprozess ist immer mit strukturellem Wandel verbunden.

408 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Innovation und technischer Fortschritt Fortschrittskonzepte: Exogener technischer Fortschritt wird nicht innerhalb des Modells erklärt, sondern vorausgesetzt. Er sollte Eigenschaften aufweisen, die mit den stilisierten Fakten übereinstimmen. Endogener technischer Fortschritt wird durch ökonomische Aktivitäten aus dem Modellzusammenhang heraus erklärt: Teil des Einkommens wird für Forschung und Entwicklung (FuE) verwendet. Ergebnis des FuE-Prozesses ist unsicher. Es muss ein FuE-Anreiz bestehen, d.h. die Innovation sollte Gewinne erzeugen.

409 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Innovation und technischer Fortschritt Probleme bei der Erzeugung von Innovationen durch FuE: Neues technisches Wissen kann die Eigenschaft eines öffentlichen Gutes aufweisen (Kapitel 6): Neues Wissen rivalisiert nicht in der Nutzung. Es besteht (zunächst) keine Ausschließbarkeit von der Nutzung. Vorsprung durch Innovation wird durch Imitation der Konkurrenten nivelliert, so dass keine ausreichenden Gewinne erzielt werden können, welche die FuE-Kosten decken Es wird zu wenig FuE betrieben. Lösung: Geistige Eigentumsrechte, z.b. Patente. Schutz des Innovators für eine bestimmte Zeit, so dass Gewinne möglich sind und FuE durchgeführt wird.

410 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Innovation und technischer Fortschritt Aber: Monopol führt zu Marktineffizienz (Kapitel 5 und 6) und behindert ggf. weitere Anwendung des neuen Wissens. Aufgabe der Politik: Design eines ausgewogenen Systems geistiger Eigentumsrechte sowie Kontrolle von entstehender Marktmacht. Grundlagenforschung wird überwiegend durch öffentliche Einrichtungen betrieben (Universitäten, Forschungseinrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft, Humboldt-Gesellschaft etc.). Angewandte Forschung wird eher von privaten Unternehmen durchgeführt.

411 11. Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Bildung und Humankapital Faktor Arbeit ist nicht homogen; Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse können durch Akkumulation von Humankapital (v.a. Bildung) erhöht werden. Humankapital als gesonderter Produktionsfaktor: Y = T f (A, H, K) Humankapital hat im Gegensatz zu technischem Wissen eher den Charakter eines privaten Gutes. Akkumulation durch Bildung... Schulische Bildung Hochschulen Betriebliche Aus- und Weiterbildung... aber auch durch learning-by-doing. Durchschnittliche Zahl der Ausbildungsjahre dient oft als Messgröße für Humankapital. S.411

412 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Bildung und Humankapital Durchschnittliche Ausbildungsjahre Quelle: Bofinger (2007)

413 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Bildung und Humankapital Einsatz knapper Mittel im Bildungssektor geht der physischen Produktion verloren, d.h. Opportunitätskosten. Humankapital hat unmittelbar produktive Auswirkungen, beeinflusst zudem die Diffusion neuen technischen Wissens und hat positive externe Effekte. Investitionen in physisches Kapital in bestimmten Branchen und Regionen nur dann, wenn ausreichend Humankapital vorhanden. Humankapitalbasierte endogene Wachstumstheorie: Humankapital hat erheblichen Einfluss auf das Wachstum; Orientierung der Entwicklungspolitik weg von physischen Investitionsprojekten hin zur Förderung von Bildung.

414 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.2 Determinanten von Wachstumsprozessen Sozialkapital und institutionelle Faktoren Beeinflussung des Wachstums durch institutionelle Faktoren: Stabilität und Verlässlichkeit formeller politischer Institutionen, z.b. (Nicht-) Anfälligkeit für Korruption Verlässliche durchsetzbare Eigentumsrechte Transparenz staatlicher Entscheidungen Informelle Institutionen, z.b. Verlässlichkeit der Vertragseinhaltung Maß an Vertrauen Soziale Stabilität (geringe Wahrscheinlichkeit von Unruhen) Weitere Faktoren: Offenheit der Volkswirtschaft Funktionsfähige Kapitalmärkte

415 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.3 Wachstumskritik Wachstum als Ziel? Angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum ist als ein Ziel im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz festgeschrieben. Die Wachstumstheorie versucht zunächst nur zu erklären, wie es zu Wachstum kommt. Aus Modellen folgen evtl. wirtschaftspolitische Empfehlungen um ein möglichst effizientes Wachstumsgleichgewicht zu erreichen (Paretokriterium, Kapitel 5). Die Modelle unterstellen, dass Konsumgüter Nutzen stiften, und die Nutzenfunktion einen abnehmenden Grenzertrag und Nichtsättigung aufweist. Problem: Definition einer Wohlfahrtsfunktion ist methodisch sehr problematisch (Kapitel 5). Darf man dann Y als näherungsweisen Indikator für Wohlfahrt verwenden?

416 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.3 Wachstumskritik Wachstum als Ziel? Längerfristige Entwicklung der Wachstumsraten:

417 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.3 Wachstumskritik Wachstum als Ziel? Das BIP ist als Wohlfahrtsmaß wenig geeignet: Unvollständigkeit: keine Erfassung von privater Wertschöpfung, die nicht von Märkten bewertet wird. Defensive Ausgaben: Leistungen, welche nur einen erlittenen Schaden kompensieren sollen, erhöhen das BIP (Bsp: Autoreparatur und Krankenhausaufenthalt nach Unfall; Maßnahmen zur Reduktion von Umweltbelastungen, die ohne ökonomische Aktivität gar nicht stattgefunden hätten). Keine Aussagen über das hergestellte Güterbündel. Keine Aussage über die Verteilung der Güter. Glücksforschung : Das Maß empfundener Zufriedenheit hängt nur sehr bedingt von der Einkommenshöhe ab.

418 11. Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.3 Wachstumskritik Grenzen des Wachstums? D.H. Meadows et al. (1972), The Limits of Growth. Beginn einer Debatte über eine Begrenzung ökonomischer Aktivität durch begrenzte nicht-regenerierbare Ressourcen, begrenzte Aufnahmefähigkeit der Umwelt von Schadstoffen. Entwicklung des Ecological Footprint : Source: S.418

419 11. Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.3 Wachstumskritik Grenzen des Wachstums? Ressourcenökonomik: Ressourcen können regenerierbar oder nicht-regenerierbar sein. Es wird angenommen, dass langfristig eine Substitutionsbeziehung zu anderen Inputfaktoren besteht. Einsatz von (nicht-) regenerierbaren Ressourcen ist ein dynamisches Optimierungsproblem. Ein größerer Teil des Outputs Y muss verwendet werden, um substitutive Inputs (K, H) verstärkt zu akkumulieren. Zunehmende Knappheit von Ressourcen führt zu steigenden Knappheitspreisen: Bisher nicht wirtschaftlich nutzbare Ressourcenbestände können dann genutzt werden. Suche nach effizienteren Technologien (steigende Ressourcenproduktivität). Suche nach Technologien, die ganz ohne die Nutzung dieser Ressource auskommen. Steigende Attraktivität von Recycling. S.419

420 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.3 Wachstumskritik Grenzen des Wachstums? Fürt technischer Fortschritt und Strukturwandel zu einer Entkopplung von BIP und Umweltverbrauch? Ja. Ecological Footprint pro Einheit BIP nimmt mit zunehmender Entwicklung ab. Environmental Kuznets Curve Aber: Wächst das BIP schneller als die Entkopplung voranschreitet, steigt die Belastung. Der Teil des BIP, der für diese Entkopplung aufgewendet werden muss, geht anderen Verwendungen verloren ( Leerlaufgrenze ). Rebound-Effekte

421 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.3 Wachstumskritik Grenzen des Wachstums? Nutzung der Umwelt als Senke für Schadstoffe: Problem der Externalität. Der Anreiz zu umwelt- und ressourcenschonenderen Gütern und Produktionsmethoden wird durch das Preissystem nur teilweise vermittelt. Der Staat kann den Prozess unterstützen: Korrektur des Preissystems dort, wo Externalitäten vorliegen, oder andere regulierende Eingriffe. Unterstützung von umweltbezogener FuE. Überwindung von Markteintrittsbarrieren (z.b. bei Mindestproduktion in Solarindustrie um Skaleneffekte auszunutzen). Woher bezieht der Staat das Wissen, dass es sich um eine überlegene Alternative handelt, die er unterstützt?

422 S Wachstum, Innovation und wirtschaftlicher Wandel 11.3 Wachstumskritik Grenzen des Wachstums? Ethische Aspekte: Entscheidungen heute betreffen die Umwelt- und Ressourcensituation morgen. Rational entschieden werden kann aber nur entsprechend der Präferenzen der heute Lebenden. Die zukünftig Lebenden können kein Veto einlegen. Unterstellt man stabile Präferenzen, so kommt man in den optimalen dynamischen Entscheidungsmodellen nur dann zu einer Lösung, wenn zukünftige Nutzen und Kosten abdiskontiert werden Problem.

423 S Strategisches Verhalten Gliederung: 12.1 Strategische Interaktionen: Bei-Spiele 12.2 Nash-Gleichgewichtslösung 12.3 Einige Standard-Spiele 12.4 Dynamische Spiele 12.5 Spiele mit unvollständiger Information 12.6 Spiele mit bindenden Verträgen 12.7 Rationalität und Verhalten Literatur: Güth, W. (1998), Spieltheorie und ökonomische (Bei)Spiele. Springer (2.Aufl.) Rieck, Ch. (1993), Spieltheorie. Gabler.

424 S Strategisches Verhalten 12.1 Strategische Interaktionen: Bei-Spiele Spieltheorie als ökonomische Theorie sozialer Interaktion: Der Zustand, der von Akteur i bewertet wird, hängt nicht nur von dessen Entscheidung ab, sondern auch von den Entscheidungen anderer Akteure. Bei seiner (optimalen) Entscheidung muss sich Akteur i Gedanken über das Verhalten der anderen Akteure machen. Jeder Akteur muss dabei berücksichtigen, dass sich auch die anderen Akteure Gedanken über ihn machen, d.h. Erwartungen über sein Verhalten bilden. strategische Interdependenz! Die meisten sozialen Interaktionen sind durch Konflikt, Kooperations- oder Koordinationsprobleme gekennzeichnet.

425 S Strategisches Verhalten 12.1 Strategische Interaktionen: Bei-Spiele Strategische Wechselbeziehungen in allen Lebensbereichen: Beispiele: Shell kündigt eine Benzinpreiserhöhung an; kurz darauf kündigt auch Aral dieselbe Erhöhung an, womit Shell allerdings schon gerechnet hat. Unternehmen A erwartet, dass Unternehmen B in den Markt eintritt, in dem A eine Monopolstellung hat. Nun meldet A ein Patent an, das den Markteintritt für B prohibitiv teuer macht. B tritt nicht in den Markt ein. Die Autofahrer auf der A4 werden im Radio vor einem Stau gewarnt; eine Umleitungsempfehlung wird gegeben. Ein Autofahrer erwartet, dass alle anderen dieser Empfehlung folgen und bleibt daher auf der A4. Da diese Überlegung aber viele angestellt haben, kommt es trotz der Warnung zum Stau.

426 12. Strategisches Verhalten 12.1 Strategische Interaktionen: Bei-Spiele Beispiele: (Forts.) An einer auf grün springenden Fußgängerampel bewegen sich zwei Fußgängergruppen aufeinander zu. Wer weicht aus? Und wohin? In einer Firma soll ein Team eine Präsentation vorbereiten, die für das ganze Team zu positiven oder negativen Konsequenzen führen kann. Die Arbeit ist sehr anstrengend. Ein Teammitglied überlegt sich, dass sein Beitrag zum Gesamterfolg ohnehin nur gering ist und reduziert seine Arbeitsanstrengung. Der Erfolg der Politik der Zentralbank hängt stark von ihrer Glaubwürdigkeit ab, mit der sie das Inflationsziel verfolgt. In einer konjunkturellen Flaute hätte die Zentralbank die Möglichkeit, durch expansive Maßnahmen gegenzusteuern. Sie tut dies aber nicht, weil sie antizipiert, dass das Publikum in Zukunft weniger Vertrauen in ihre Stabilitätsorientierung hat. S.426

427 S Strategisches Verhalten 12.1 Strategische Interaktionen: Bei-Spiele Beispiele (Forts.) Zwei Länder würden von einem Abbau der Handelsschranken profitieren. Dennoch kommt es nicht zu einer solchen Liberalisierung, weil jedes Land noch stärker profitieren würde, wenn jeweils nur das andere Land einseitig die Beschränkungen abbaut. Auf einer langen Autofahrt lärmen und streiten sich zwei Kinder auf dem Rücksitz. Der Vater dreht sich um und droht, die Kinder an der nächsten Raststätte auszusetzen, wenn sie jetzt nicht ruhig wären. Nach einem kurzen Schockmoment lärmen die Kinder weiter, weil sie antizipieren, dass die Drohung unglaubwürdig war. Der BWL-Absolvent wird in seinem ersten Vorstellungsgespräch über seine Gehaltsvorstellung befragt. Nennt er einen zu hohen Betrag, wird er den Job nicht bekommen, nennt er einen zu niedrigen Betrag, wird dies als Signal für die geringe Selbsteinschätzung seiner Leistungsfähigkeit betrachtet. Der Absolvent muss versuchen, die Zahlungsbereitschaft des Arbeitgebers für leistungsfähige Kandidaten korrekt einzuschätzen.

428 S Strategisches Verhalten 12.1 Strategische Interaktionen: Bei-Spiele Beispiele (Forts.) Das Kind hilft freiwillig beim Abwaschen, weil es sich davon eine wohlwollendere Reaktion der Eltern verspricht, wenn es anschließend seine 5 in der Mathe-Arbeit vorzeigt. Der Online-Versandhandel liefert dem Kunden eine per Vorauskasse bezahlte Ware nicht aus, weil er antizipiert, dass dieser wegen der hohen Transaktionskosten nicht gegen ihn klagen wird. Aufgrund der Gefahr, dass Fernsehzuschauer bei einer Werbepause auf einen anderen Sender umschalten, kommt es zu einer gewissen Synchronisation der Werbepausen unterschiedlicher Sender. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände verhandeln über den Lohn. Bei einer Abstimmung A im Parlament sagt eine Fraktion den Abweichlern der konkurrierenden Fraktion ihre Unterstützung in Abstimmung B zu, wenn diese bei Abstimmung A gegen deren eigene Fraktion stimmen.

429 S Strategisches Verhalten 12.2 Nash-Gleichgewichtslösung Grundlagen: Spieler i = 1,..., n Strategieraum S i mit Strategie s i S i Beispiel: S I = {links abbiegen, rechts abbiegen}, oder S i = R + im Fall von Preissetzung Sei s i der Vektor aller Strategien der anderen Spieler. Nutzen = Auszahlung für Spieler i: u i (s i, s i ) Es gibt keine bindenden Absprachen zwischen den Spielern. Was macht ein rationaler Spieler? 1. Bildung von Erwartungen s i erw über das rationale Verhalten der anderen Spieler. 2. Wahl der Strategie si, die den höchsten erwarteten Nutzen bringt: u i (si, s i erw ) u i (s i, s i erw ) für alle s i S i.

430 S Strategisches Verhalten 12.2 Nash-Gleichgewichtslösung Konzept des Nash-Gleichgewichts J. Nash ( ) Jeder Spieler wählt die beste Antwort auf die erwarteten Strategieentscheidungen der anderen Spieler. Foto: Elke Wetzig In einem Gleichgewichtszustand beruhen die Entscheidungen nicht auf systematischem Irrtum. Das rationale Verhalten der anderen Spieler wird antizipiert: s erw i = s i. Zustand mit wechselseitig besten Antworten: u i (si, s i ) für alle i. Kein Spieler hat einen Anreiz, als einziger von der Strategiewahl abzuweichen.

431 S Strategisches Verhalten 12.2 Nash-Gleichgewichtslösung Liegt vollständige Information vor (alle Informationen sind gemeinsames Wissen ), so sind alle Spieler in der Lage, ihr Verhalten wechselseitig zu antizipieren und somit eine Nash-Lösung zu bestimmen. Probleme: Existiert immer ein Nash-Gleichgewicht? Ist das Nash-Gleichgewicht eindeutig? Was passiert im Fall mehrerer Gleichgewichte? Ist das Nash-Gleichgewicht pareto-effizient?

432 12. Strategisches Verhalten 12.2 Nash-Gleichgewichtslösung Ermitteln einer Nash-Lösung in einem Spiel (Matrixform) Für jede Entscheidung des Spaltenspielers ermittelt der Zeilenspieler seine beste Antwort (die entsprechende Auszahlung ist fett gedruckt). Für jede Entscheidung des Zeilenspielers ermittelt der Spaltenspieler seine beste Antwort (die entsprechende Auszahlung ist fett gedruckt). Einträge, bei denen beide Auszahlungen fett gedruckt sind, stellen somit wechselseitig beste Antworten dar (Nash-Lösung). links Mitte rechts oben 7,5 4,4 4,5 unten 8,3 6,4 3,3 Hier: zwei Nash-Gleichgewichte, beide pareto-ineffizient. S.432

433 S Strategisches Verhalten 12.3 Einige Standard-Spiele Gefangenendilemma: Spieler A K D K (3, 3) (0, 5) Spieler B D (5, 0) (1, 1) K ooperieren, D efektieren. D ist eine sog. dominante Strategie und (D, D) die (Nash-) Lösung des Spiels. Beide würden sich mit (K, K) besser stellen, d.h. die Nash-Lösung ist pareto-ineffizient. Individuell rationales Handeln führt zu kollektiv ineffizienten Ergebnissen. Beispiel: öffentliche Güter

434 S Strategisches Verhalten 12.3 Einige Standard-Spiele Kampf der Geschlechter (battle of sexes): Sie Er Tanzen Tennis Tanzen (2, 1) (0, 0) Tennis (0, 0) (1, 2) Koordinationsproblem: zwei (Nash-) Lösungen Zwar gibt es unterschiedliche Präferenzen bezüglich Tanzen und Tennis, aber ein dominierendes gemeinsames Interesse an einer gemeinschaftlichen Tätigkeit.

435 S Strategisches Verhalten 12.3 Einige Standard-Spiele Chicken Game: B A chicken tough chicken (0, 0) ( 10, 5) tough (5, 10) ( 100, 100) Film Denn sie wissen nicht, was sie tun (1955). Koordinationssproblem: zwei (Nash-) Lösungen rein antagonistische Interessen

436 S Strategisches Verhalten 12.3 Einige Standard-Spiele Matching Pennies: A Kopf Zahl Kopf ( 1, 1) (1, 1) B Zahl (1, 1) ( 1, 1) Diskoordinationsspiel: kein Gleichgewicht in reinen Strategien (Nash-) Lösung in sog. gemischten Strategien Beispiel: Torwart Torschütze

437 S Strategisches Verhalten 12.4 Dynamische Spiele Spielablauf in der Zeit, wo Spieler die zuvor getroffenen Entscheidungen (zumindest teilweise) beobachten können. Wiederholte einfache Spiele (endlich oft, unendlich oft) Beispiel: Wiederholtes Gefangenendilemma, dynamische Strategie Tit for Tat Komplexere dynamische Entscheidungsstrukturen: Darstellung als Spielbaum, bestehend aus Knoten (Situation, in der ein Spieler eine Entscheidung treffen muss) und Kanten (Entscheidungen), die eventuell zu neuen Knoten führen, sowie den Auszahlungsvektoren für die Spieler. Strategie = Verhaltensplan für das gesamte dynamische Spiel, d.h. Entscheidungen für jeden Knoten, zu dem der Spieler gelangen könnte.

438 S Strategisches Verhalten 12.4 Dynamische Spiele A a b B B x y m n (.,.) (.,.) (.,.) A c (.,.) d (.,.) Strategiemenge Spieler A: {a, (b, c), (b, d)} Strategiemenge Spieler B: {(x, m), (x, n), (y, m), (y, n)}

439 S Strategisches Verhalten 12.4 Dynamische Spiele Rückwärtsinduktion: Die optimale Entscheidung eines Spielers an einem bestimmten Knoten kann von dem vorhergehenden Spieler antizipiert werden! Seine optimale Entscheidung beruht auf dieser Antizipation. Nash-Gleichgewicht auch für dynamische Spiele anwendbar. Aber: Nicht alle Nash-Gleichgewichte sind plausibel! Teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht (R. Selten, ): Strengeres Konzept, bei dem alle Gleichgewichte eliminiert werden, die auf unglaubwürdigen Ankündigungen beruhen. Rationale Spieler antizipieren, dass unglaubwürdige Strategieankündigungen nicht realisiert werden würden. Foto: Tohma

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