1. Definition und Mechanismen
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- Jörn Waltz
- vor 8 Jahren
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Transkript
1 Zusammenfassung
2 1. Definition und Mechanismen Epigenetik (von griechisch epi- über ) bezeichnet erbliche Veränderungen in der Genexpression, die nicht von Veränderungen in der DNA Sequenz (Mutationen) abhängen. Von den etwa 200 verschiedenen Zelltypen eines humanen Organismus enthalten alle Zellen dasselbe Genom (= DNA Sequenz) aber ein unterschiedliches Epigenom, welches phänotypische Eigenschaften eines Gewebes bedingt. Die Vererbung dieser Eigenschaften ist essentiell, um die Zellidentität zu erhalten. Epigenetische Mechanismen müssen die Expression gewebsspezifischer Gene regulieren, aber auch nicht- kodierende Bereiche der DNA stilllegen. Dies geschieht indem bestimmte Bereiche des Chromatins leichter zugänglich gemacht werden, falls ein Gen transkribiert werden soll. Bereiche, die reprimiert werden müssen, werden enger verpackt und die Information dieser Bereiche wird somit unzugänglich. a. DNA Methylierung Die DNA Base Cytosin (C) kann, wenn sie einem Guanin (G) folgt (CpG Dinukleotid), durch die Addition einer (CH 3 - Gruppe) methyliert werden. Generell bedingt DNA Methylierung die Stilllegung von DNA Abschnitten. Ungefähr 70% aller CpGs im Genom werden methyliert. Besonders wichtig ist die Methylierung in Bereichen die parasitäre DNA enthalten (z.b. Transposons, repetitive Sequenzen, retrovirale Sequenzen). Weiters werden auch gewebsspezifische Gene mittels DNA Methylierung ausgeschaltet. Innerhalb eines Gens findet man DNA Methylierung in Introns und Exons. Die Rolle dieser Methylierung ist Transkriptionsrauschen zu unterbinden. Damit wird verhindert, dass Transkription innerhalb eines Genes starten kann. Die Promotoren von aktiven Genen müssen unmethyliert sein. Dies erleichtert die Zugänglichkeit und das Binden von Transkriptionsfaktoren an die Promotoren. CpG Inseln stellen eine Besonderheit dar. Dies sind DNA Bereiche, die zumindest 500 bp lang sind, 55% G+C Gehalt haben und höhere CpG Häufigkeit als das restliche Genom aufweisen (dies wird bedingt durch erhöhte Mutationsraten von methyliertem Cytosin). Etwa 60% aller Gene enthalten CpG Inseln in ihren Promotoren. Diese Housekeeping Gene sind in allen Geweben gleichermaßen exprimiert. Es gibt zwei Enzymgruppen, die für die Aufrechterhaltung der DNA Methylierung wichtig sind: i) de novo Methyltransferasen, die nicht methylierte DNA modifizieren und ii) maintenance Methyltransferasen, die hemimethylierte DNA während der DNA Replikation methylieren und somit etablierte Methylierungsmuster an die Tochterzellen vererben. b. Histon Modifikationen und Remodeling DNA wird mittels globulären Proteinkomplexen, den Nukleosomen, in Chromatin verpackt. (Chromatin = DNA + Proteine). Diese bestehen aus einem Oktamer von Histonproteinen ( 2xH2A + 2xH2B + 2xH3 + 2xH4). Die C- terminalen Enden dieser Proteine bilden den Nukleosomkern ( nucleosome core ), während die N-terminalen Bereiche als Schwänzchen ( tails ) aus dem kugelförmigen Kern herausragen. Diese 2
3 tails bieten durch hoch konservierte Aminosäurereste Angriffspunkte für posttranslationelle Modifikationen. Dies sind unter anderem Histon Azetylierung, Methylierung und Phosphorylierung. Sogenannte Histonazetyltransferasen übertragen Azetylgruppen auf konservierte Lysinreste, was eine Änderung der Ladung hervorruft und zur Abstoßung der tails von der DNA führt. Dadurch wird das Chromatin aufgelockert und die DNA leichter zugänglich. Histondeazetylasen können die Azetylgruppen wieder entfernen; dadurch werden die tails wieder positiv geladen und von der negativ geladenen DNA angezogen, was eine Kompaktierung des Chromatins bedingt. Generell wirkt Histon- Azetylierung transkriptionell aktivierend. Histon-Methylierung hingegen kann aktivierend oder reprimierend wirken, je nach Position der Methylierung im Histonrest. So wirkt die Methylierung am Lysin 4 (K4) aktivierend, während die Lysin 27 (K27) Methylierung repressiv auf Transkription wirkt. Die Methylierung erfolgt mittels Histonmethyltransferasen, die Demethylierung wird von Histondemethylasen bewerkstelligt. Serin-, Tyrosin- und Threoninreste in den Histonmolekülen können phosporyliert werden. Dies erhöht die negative Ladung der Histone und wirkt wie die Azetylierung auf das Chromatin auflockernd und daher aktivierend. Weiters ist die Phosphorylierung aber auch wichtig, um die Verpackung des Chromatins in mitotische Chromosomen zu ermöglichen. Kinasen und Phosphatasen ermöglichen die dynamische Phosphorylierung und Dephosphorylierung von Histonproteinen. Es gibt zahlreiche konservierte Reste in den Histon tails, die modifiziert werden können. Oftmals wird ein aktivierender Mark durch Modifikation eines benachbarten Restes verstärkt, während ein negativer Mark eine benachbarte positive Markierung behindern kann. Daher ergibt das Zusammenspiel verschiedener Modifikationen einen sogenannten Histon-Code, der Veränderung der Chromatinstruktur und Bindung von weiteren Proteinen bedingen kann. Spezielle Bindungsstellen in Proteinen können die verschiedenen Modifikationen erkennen und binden und sind somit die reader (Leser) des Histon-Codes. Neben Histonmodifikationen kann das Chromatin weiters durch Remodeling verändert werden. Riesige Proteinkomplexe können die Nukleosomendichte auf der DNA verändern, DNA Bereiche vom Nukleosom entwinden oder die Nukleosomenzusammensetzung durch den Einbau sogenannter Histonvarianten verändern. c. Nicht-kodierende RNA Ein Großteil der RNA, die im Zellkern von der DNA abgeschrieben (transkribiert) wird, dient nicht als Vorlage für die Proteinsynthese (Translation) sondern ist nicht- kodierend. So werden etwa r-rnas für den Aufbau der Ribosomen und t-rnas für die Bindung von Aminosäuren für die Proteinsynthese benötigt. Weiters gibt es eine Vielzahl kurzer nichtkodierender RNAs, die an epigenetischen Mechanismen beteiligt sein können und wichtige Funktionen für die Verteidigung von Zellen gegenüber Fremd-DNA haben. Der 3
4 Prozess der RNA Interferenz (RNAi) wird bedingt durch kurze doppelsträngige RNA Moleküle und führt zum Stilllegen von Genen. Dazu gehören small interfering (si) oder micro (mi) RNAs, die maximal 23 Nukleotide lang sind. Diese RNAs können i) zum Abbau von messenger RNAs (mrnas) durch sequenzspezifisches Binden an diese führen, ii) die Proteinsynthese stoppen aber auch iii) im Kern direkt Veränderungen der Chromatinstruktur bedingen. Besonders während der Frühentwicklung werden viele zelluläre Gene durch mirnas reguliert. Eine weitere Gruppe der nicht-kodierenden RNAs sind linc-rnas (long intergenic non-coding RNAs), welche große Bereiche des Genoms (z.b X-chromosom) bedecken können und durch Rekrutierung von Chromatin modifizierenden Komplexen das Chromatin verändern können. 2) Epigenetische Phänomene Noch lange vor Aufklärung der zugrunde liegenden Mechanismen wurden viele Epigenetische Phänomene in verschiedenen Modellorganismen wie Hefe (Saccharomyces cerevisiae) oder in der Taufliege (Drosophila melanogaster) beobachtet. Die Hintergründe für viele dieser Phänomene wurden erst in den letzten Jahren erforscht. a. Genomische Prägung ( Imprinting ) Jedes Gen des Säugergenoms besitzt zwei Allele: ein väterliches und ein mütterliches. Beide dieser Allele sind gleichermaßen exprimiert. Eine Ausnahme stellt Imprinting dar. Hier wird entweder nur das mütterliche oder nur das väterliche Allel eines Genes exprimiert. Es gibt etwa 200 verschiedene imprinted Gene beim Menschen, die zumeist eine Rolle für die Embryogenese und Frühentwicklung nach der Geburt spielen. Die Erkennung des väterlichen oder mütterlichen Allels erfolgt durch unterschiedliche Markierung der Allele bereits in den Keimzellen an einem sogenannten impriniting control element (ICE) mittels DNA Methylierung. Wird ein ICE methyliert, bedingt dies zumeist das Stilllegen des Allels, während das unmarkierte Allel des anderen Elternteiles exprimiert wird. Interessanterweise werden Gene, die Wachstum fördern, zumeist vom väterlichen Allel exprimiert, während Gene, die Wachstum hemmen, eher von der mütterlichen Kopie erzeugt werden ( parental conflict hypothesis ). Imprinting- Defekte sind mit verschiedenen Krankheiten assoziiert (z.b: Prader-Willi- und Angelmann- Syndrom). b. X- Chromosom Inaktivierung Durch die ungleiche Verteilung der Geschlechtschromosomen (XX versus XY), entsteht zwischen weiblichen und männlichen Säugern ein Unterschied in der Gendosis der X- chromosomalen Gene. Um dies auszugleichen, wird in weiblichen Säugern ein X- Chromosom stillgelegt und das sogenannte Barrkörperchen gebildet. Die endgültige 4
5 Stilllegung erfolgt während dem Blastulastadium in der frühen Embryonalentwicklung und die Wahl des väterlichen oder mütterlichen Chromosoms erfolgt dabei rein zufällig. Daher ist in den Zellen eines adulten Organismus entweder nur das väterliche oder mütterliche X- Chromosom aktiv. Die X-Chromosom Inaktivierung wird bedingt durch ein hoch reguliertes Zusammenspiel unterschiedlicher epigenetischer Mechanismen wie nicht- kodierende RNA, Histonmodifikationen und DNA Methylierung. Gemeinsam bewirken diese Mechanismen die Kompaktierung des X-Chromosoms zu Heterochromatin und die Bildung des Barrkörperchens. 3) Epigenetik und Krankheiten Epigenetische Mechanismen sind essentiell für Entwicklung und Differenzierung und für die Aufrechterhaltung der Zellidentität in adulten Organismen. Umwelteinflüsse können epigenetische Muster beeinflussen, was zu Veränderungen in der Genexpression oder genomischer Instabilität führen kann und somit als Ursache für verschiedene Krankheiten dienen kann. Für die Erforschung epigenetischer Effekte verschiedener Krankheiten werden genetisch identische Organismen, wie z.b. eineiige Zwillinge oder Mausmodelle verwendet. Besonders gut erforscht sind epigenetische Veränderungen in Tumorerkrankungen. Sehr früh während der Krebsentstehung kann man Veränderungen im DNA Methylierungsmuster in Tumorzellen erkennen. CpG- Inseln, die in normalen Zellen nicht methyliert sind, werden in Tumorzellen methyliert. Dies führt zur Abschaltung von Tumorsuppressorgenen, die für kontrolliertes Zellwachstum, Reparatur von Mutationen oder geregelten Zelltod (Apoptosis) wichtig sind. Interessanterweise ist der Grossteil der genomischen DNA in Tumorzellen aber hypomethyliert. Dadurch können parasitische DNA Sequenzen aktiv werden oder die Struktur des Chromatins verändert werden. Dies führt zu vermehrter Fragilität des Genoms. Unterschiedliche DNA Methylierungsmuster in Genen von Tumorzellen werden zur Zeit als mögliche Biomarker für nicht-invasive Diagnostik erforscht. Tumorzell-DNA kann aus Blut, Urin oder Stuhl isoliert werden und mittels sensitiver Methoden auf Methylierungsmuster untersucht werden. Dies könnte in der Zukunft für Diagnose, Monitoring, Therapie von Tumorerkrankungen eine wichtige Rolle spielen. Veränderungen in epigenetischen Mustern sind reversibel. Daher werden Möglichkeiten für epigenetische Therapien untersucht. Die ersten Wirkstoffe sind bereits getestet und werden vor allem für hämatologische Krebserkrankungen wie T-Zell-Lymphomen oder das Myelodysplastische Syndrom erfolgreich eingesetzt. 5
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