I. Karnauchowa / L. Braussewitsch DIE FEUERROTE BLUME. (Originaltitel: Alen kij cvetoček) Märchen in drei Akten

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1 I. Karnauchowa / L. Braussewitsch DIE FEUERROTE BLUME (Originaltitel: Alen kij cvetoček) Märchen in drei Akten Aus dem Russischen von Renate Landa (Überarbeitete Fassung der Übersetzerin) 1

2 2006 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2

3 PERSONEN ) ) ) seine Töchter ) ), die Kinderfrau Ungeheuer Baba-Jaga Waldschrat Kikimora, eine Wald- und Moorhexe 3

4 ERSTER AKT Erstes Bild Ufer eines nicht sehr breiten Flusses. Das Anwesen eines mittleren s. Fenster und Tür stehen offen. Am Wasser ein einmastiges Boot, daneben Bündel, Säcke, Truhen. Der verlädt sie ins Boot. Auf einer kleinen Bank neben der Vortreppe sitzen die herausgeputzten älteren Töchter des s und knabbern Sonnenblumenkerne. Ein klarer sonniger Tag um die Mittagsstunde. Anton! Hä? Warum nimmst du die Flinte mit? Warum wohl? Weil ich damit feuern will. Auf wen willst du feuern? Mal sehen. Du weißt doch ich geh auf eine weite Reise, segle mit dem Herrn in ferne Länder. Sieh an, was für ein Held er zieht ins Feld, rennt von der Ofenbank zum Bette, mit den Schaben um die Wette. Na was, ich werd schon meinen Mann stehen! Vielleicht überfallen uns Wegelagerer, oder ein achtköpfiges Meerungeheuer geht auf uns los, ich schieß alles tot. Bist du aber mutig, Anton! Und ob! Ich fürcht weder Tod noch Teufel. Und wenn ich zurückkomme, erzähl ich euch, wie ich mit Hexen und Höllengeistern gekämpft habe. Ich bin ein richtiger Draufgänger! Ein Draufgänger, aber nur gegen Schafe und Lämmer. (Geht ins Haus.) Dumme Pute!? Was ist? 5

5 Gehst du zum Dorftanz, wenn Vater fort ist? Na klar. Nimmst du mich mit? (Gleichgültig, Kerne knackend.) Meinetwegen. (Einschmeichelnd.) Ach,, wie schön du heute wieder bist. Du wirst sie alle ausstechen. Hm. (Aus dem Fenster.) Meine Mädchen, seid so lieb und legt Stroh ins Boot, damit es euer Vater schön weich hat. (Gleichgültig.) Anton! Hä? (Zeigt auf das Boot.) Stroh! (Der legt das Boot mit Stroh aus.) (Zeigt sich wieder im Fenster.) Aber Mädchen, auf das Stroh gehört ein Teppich. (Verschwindet.) Anton! Hä? (Weist mit dem Finger zum Boot.) Teppich! (Der legt einen Teppich über das Stroh und geht., einfach gekleidet, kommt aus dem Haus. Ganz in Sonnenlicht getaucht, leuchtet sie wie ein Sonnenstrahl. Sie stellt einen Bastkorb ins Boot und zupft den Teppich zurecht. Plötzlich schluchzt sie.) Was ist denn mit dir los? Ich hab Angst um Vater. (Ab.) Heulsuse. Warum flennt sie? Vater fährt doch nicht das erste Mal weg. 6

6 und Und wenn er zurückkommt, bringt er uns Geschenke mit. Mir schenkt er was ganz ganz Mir auch, mir auch. Noch was Schöneres als dir. Was? Ich bin hier die Ältere. Na und? Und wenn du dich noch so aufdonnerst, du siehst doch aus wie eine gerupfte Krähe. Und du und du wie ein aufgegangener Hefeteig. Daraus wird ein leckerer Kuchen. Aber dich mag ja keiner anschauen. Vogelscheuche. (Springen auf, bereit, miteinander zu raufen.)!! (Kommt heraus.) Zankt ihr euch schon wieder? Wie könnt ihr nur! Euer Vater geht auf eine weite Reise, muß durch Wald und Wüste, übers tosende Meer, aber das kümmert euch nicht, ihr knackt eure Sonnenblumenkerne und zankt euch. Kalt und herzlos seid ihr. (Setzt sich wieder.) Troll dich,, ich hab dich satt. (Setzt sich.) Bis obenhin. ( kommt heraus und legt ein Kissen ins Boot. Schluchzt.), mein Sonnenschein, warum weinst du? Ich hab solche Angst um Vater. Wie wird es ihm ergehen in der Fremde? Auf dem Meer toben Stürme, in den Wäldern lauern wilde Tiere, in den fernen Städten leben böse Menschen. Mußt nicht weinen,. Er wird heil und gesund zurückkommen. Sei nicht traurig, Kindchen, mach deinem Vater das Herz nicht noch schwerer. Tränen beim Abschied verheißen nichts Gutes. Du hast recht, ich will nicht mehr weinen. Sehen wir lieber nach, ob im Boot alles für die Reise bereit ist. (Sie machen sich am Boot zu schaffen. und knacken Sonnenblumenkerne. Der tritt in Reisekleidung aus dem Haus, Schlüssel in der Hand. Die älteren Töchter springen auf, laufen zu ihm, umschmeicheln ihn.) 7

7 Liebster Vater Bester Vater Meine lieben, geliebten Töchter, es wird nun Zeit, daß ich aufbreche. Ich lasse euch im wohlbestellten Haus zurück, es wird euch an nichts mangeln. Komm nur recht bald zurück. So schnell ich kann, mein Töchterchen. In Gedanken bin ich immer bei euch, meine Kinder. Ihr habt keine Mutter mehr, darum sorgt sich mein Herz Tag und Nacht um euch. Herr, ich setze das Segel in den Wind. Ich bin gleich soweit, muß nur noch der lieben Hausherrin die Schlüssel übergeben. (Wendet sich zu.) Aber Vater, willst du etwa der Jüngsten die Schlüssel geben? Stellst du über uns? Ihr beide könnt gar trefflich singen und tanzen, aber sitzt immer daheim, kümmert sich um Haus und Hof. Solch eine Schande gabs noch nie. Die Jüngste soll die Hausherrin sein? (Leise.) Gib ihnen die Schlüssel. Nun ja, nach Recht und Gesetz steht es ihnen auch zu. Da hast du die Schlüssel,. Und sei gut zu, kränke sie nicht. Herr, das Wasser ist unruhig, Wellen schlagen ans Ufer, es ist höchste Zeit. Gleich, gleich. Also, meine lieben, guten, hübschen Töchter, was soll ich euch aus fernen Ländern mitbringen? Mir ein blaues Seidenkleid, mit Goldborte und Perlenknöpfen, so prächtig und einzigartig, daß meine Freundinnen vor Neid platzen. 8

8 Eine schwere Aufgabe, meine Tochter. Aber ich weiß, wo ich ein solches Kleid kaufen kann. Es wird nach deinem Geschmack sein. Und ich wünsche mir ein Geschmeide aus Saphiren. In einem Saphir soll die Sonne leuchten, im andern der Mond silbern schimmern. Meine Freundinnen werden vor Neid verdorren. Diese Aufgabe ist noch schwerer als die deiner Schwester. Aber ich weiß, wo solche Edelsteine feilgeboten werden, meine Tochter. Auch du wirst ein Geschenk nach deinem Geschmack bekommen. (Zu.) Und was soll ich dir mitbringen, mein liebes Kind, mein stilles Sternchen? (Verneigt sich tief vor dem Vater.) Lieber Vater, ich will kein Seidenkleid und keinen kostbaren Schmuck, keinen schwarzen Zobelpelz aus Sibirien und keinen Goldbrokat aus Buchara. Bringe mir die feuerrote Blume, das Schönste, was es auf der weiten Welt gibt! (Alle schweigen. Der Tag hat sich gleichsam verdunkelt.) (Nach längerem Schweigen.) Du stellst mich vor die schwerste Aufgabe. Wenn man weiß, was man sucht, findet man es auch. Aber wie soll man finden, was man nicht kennt? Du wirst sie schon finden, Vater. Ich will mir Mühe geben, mein Kind, aber ob es mir gelingt Herr, der Wind bläht das Segel, treibt die Wolken am Himmel, wir müssen los, Herr! Nun denn, nehmen wir Abschied, meine Töchter. Aber zuvor wollen wir uns einen Moment setzen, wie es russischer Brauch ist. Auch du, liebe Kinderfrau. (Alle setzen sich. Sie schweigen. Schließlich steht der auf und verabschiedet sich von seinen Töchtern, die sich tief vor ihm verneigen. schmiegt sich an den Vater, er streichelt sie zärtlich und macht sich dann frei. Zur Kinderfrau) Leb wohl, meine Gute. Bleib gesund. Glückliche Reise und glückliche Heimkehr. (Das Boot legt ab. Die Schwestern winken mit Tüchlein. Es wird Abend. und machen sich fein.) 9