Vorsorgeauftrag oder Unternehmensführung durch die KESB
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1 Rechtsanwälte Steuerberater öffentliche Notare Referat Vorsorgeauftrag oder Unternehmensführung durch die KESB lic. iur. Marc Weber Rechtsanwalt und öffentlicher Notar Waisenhausstrasse St.Gallen
2 Themen 1. Nachfolgeplanung für Ausnahmesituationen 2. Exkurs: Urteils(un)fähigkeit 3. Instrumente für Ausnahmesituationen 4. KESB 5. Vorsorgeauftrag, insb. für UnternehmerInnen 6. Praxisbeispiel 7. WICHTIG
3 Nachfolgeplanung für Ausnahmesituationen Unzerstörbarkeit bzw. Unsterblichkeit von Unternehmen und UnternehmerInnen? Geordnete Nachfolgeplanung Nachfolgeplanung für Ausnahmesituationen Unfall, z.b. Schädel-Hirn-Trauma Schwere Krankheit, z.b. Schlaganfall, Demenz Es kann jeden und jede treffen!
4 Nachfolgeplanung für Ausnahmesituationen Wer sitzt in Ausnahmesituationen mit am Tisch? Ohne Regelung: Mit Regelung: Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Personen eigener Wahl
5 Exkurs: Urteils(un)fähigkeit Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. (Art. 16 ZGB) Urteilsfähigkeit ist der vom Gesetz vermutete Normalzustand
6 Exkurs: Urteils(un)fähigkeit 40-jährige Frau, akuter Schlaganfall (seit 1,5h) Gemäss Angehörigen immer gesund gewesen Notwendigkeit einer Akutbehandlung (Patientin kann sich nicht äussern) Akutbehandlung wird umgehend eingeleitet Ursache für Schlaganfall geklärt: Verengung der Halsschlagader, Operation nötig (bald, aber kein Notfall) Patientin versteht Aufklärung über Nutzen und Risiken offenbar nicht, was nun?
7 Exkurs: Urteils(un)fähigkeit Entscheidung immer im Einzelfall Relativ in sachlicher Hinsicht Wie anspruchsvoll ist das Geschäft? Relativ in zeitlicher Hinsicht Vorübergehend aufgehoben - Z.B. Rausch, evtl. Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma etc. Vorübergehend vorhanden «lucides Intervall» - auch bei Demenz möglich?
8 Exkurs: Urteils(un)fähigkeit Voraussetzungen für Urteilsfähigkeit Kognitive Fähigkeiten Willensbildungsfähigkeit (Einsicht, Erkenntnis) - Fähigkeit, die Bedeutung einer Handlung und die Wirkungen eines Verhaltens abzuschätzen und auf dieser Grundlage einen vernünftigen Willen zu bilden Voluntative Fähigkeiten Willensumsetzungsfähigkeit - Fähigkeit, dem Willen gemäss zu handeln
9 Instrumente für Ausnahmesituationen Vollmacht (bei Urteilsunfähigkeit/über den Tod hinaus) - nur eingeschränkt zulässig, wird bei Urteilsunfähigkeit oft von KESB gekündigt Heirat (eherechtliche Vertretungsmacht) - gilt nur für Alltagshandlungen (Essen, Kleidung, Wohnungsmiete bezahlen, Krankenkasse, Freizeit,...) - gilt nicht für Belastung, Verkauf Eigenheim, Familienunternehmen, Wertgegenstände (Mobiliar, Wertschriften), Prozesse führen usw. Vorsorgeauftrag (zu Lebzeiten) - umfassende Vertretung Ehe- und Erbvertrag (Todesfallregelung) - ev. Demenzklausel
10 KESB Beispiel Eine Baufirma streitet mit Gipser Ansgar Vontobel um Geld. Der Konflikt wird mit ungewöhnlichen Mitteln ausgetragen: Die Firma habe ihn bei der KESB angeschwärzt, sagt Vontobel. Ansgar Vontobel (35) aus Benken SG, Betreiber eines Gipsergeschäfts mit 85 Mitarbeitern, wurde kürzlich von der KESB vorgeladen. Grund dafür: Eine Gefährdungsmeldung, die die Anwälte der Generalunternehmung HRS eingereicht hatten. Über Vontobel hatte der Baukonzern gar ein psychiatrisches Kurzgutachten erstellen lassen, das er der KESB zukommen liess, wie die «Obersee Nachrichten» berichten. Es attestiert dem Gipser eine «dissoziale und infantile Störung» und eine «Suchtproblematik».
11 KESB Grundsätze Gefährdungsmeldung: Jede Person kann der Erwachsenenschutzbehörde Meldung erstatten, wenn eine Person hilfsbedürftig erscheint, Art. 443 Abs. 1 ZGB. Offizial- und Untersuchungsmaxime (Art. 446 ZGB) bzw. KESB wird von Amtes wegen tätig. Anhörungsrecht (Art. 447 ZGB) Mitwirkungspflicht der am Verfahren beteiligten Personen (Art. 448 ZGB).
12 KESB Weiteres Vorgehen Ermittlung des Sachverhaltes (Erstgespräch, Hausbesuch, Arztbericht, Auskünfte von Behörden und Institutionen, Gespräche mit Angehörigen,...) Einstellung des Verfahrens oder Verfügung einer Massnahme Beschwerdemöglichkeit: (Verwaltungsrekurskommission, Kantonsgericht, Bundesgericht)
13 KESB Mögliche behördliche Massnahmen Vorsorgliche Massnahmen (z.b. Kontosperre, Spitex) Fürsorgerische Unterbringung (in einer geeigneten Einrichtung) Beistandschaft: - Begleitbeistandschaft, ZGB Vertretungsbeistandschaft, ZGB 394 f. - Mitwirkungsbeistandschaft, ZGB Umfassende Beistandschaft, ZGB 398
14 KESB Beistandschaft Richtet sich nach konkretem Schutzbedürfnis - Administrative Angelegenheiten - Finanzielle Angelegenheiten - Gesundheitliches Wohl, medizinische Massnahmen - Soziales Wohl - Wohnsituation, Unterbringung - Rechtsvertretung - usw. ACHTUNG: KESB ist nicht für die Unternehmensführung geeignet und sehr teuer!
15 Vorsorgeauftrag Errichtung/Abänderung/Widerruf eigenhändig oder öffentlich beurkundet (bei öff. Notar) Vorlagen immer auf den eigenen Bedarf anpassen Hinterlegung Kopie bei beauftragter Person, evtl. Vermerk beim Zivilstandsamt (Fr. 70.-), evtl. Hinterlegung beim Amtsnotariat (Fr ) Errichtung/Abänderung/Widerruf ist jederzeit möglich, solange Auftraggeber urteilsfähig ist - im Zweifel: z.b. bei Verdacht auf Demenz oder anderen besonderen Umstände wie vorhersehbaren Konflikten: Mitunterzeichnung durch Arzt, aktuelles Arztzeugnis weniger geeignet)
16 Vorsorgeauftrag Dauer und Ende Inkrafttreten: Vorsorgeauftrag kommt erst zum Tragen, wenn die Urteilsunfähigkeit tatsächlich eintritt. Dann wird er durch die KESB geprüft und in Kraft gesetzt (Validierung). Daraufhin kann der Beauftragte tätig werden. Beendigung: Bei Gefährdung der Interessen des Auftraggebers kann die KESB selber oder auf Antrag eingreifen. Der Vorsorgeauftrag verliert seine Wirkung immer, sobald die Person wieder urteilsfähig wird, verstirbt oder der Beauftragte zurücktritt.
17 Vorsorgeauftrag Mindestinhalt Auftrag an Vertrauensperson/en (auch jur. Person möglich) - ev. Aufteilung des Auftrages auf verschiedene Personen - ev. Auftrag an Personenmehrheit (Kollektivbeauftragte zu zweien oder dreien), aber ACHTUNG: bei Uneinigkeit entscheidet KESB Konkrete oder allgemeine Anweisungen: - Personensorge - Vermögenssorge und/oder - Rechtsverkehr Was will der Auftraggeber und was nicht? ev. separate Patientenverfügung (geht dem VA stets vor)
18 Vorsorgeauftrag für UnternehmerInnen Ziele: Sicherstellung der Fortführung des Unternehmens bei Ausfall der Aktionäre, Gesellschafter einer GmbH, Einzelunternehmer usw. Instruktionen können die Ausführung des Auftrages genau und detailliert umschreiben. Regelung des «Notfallszenarios» im Unternehmen ACHTUNG:Abänderung nach Eintritt der Urteilsunfähigkeit nicht mehr möglich. Zuviele Details können lähmend/blockierend wirken.
19 Vorsorgeauftrag für UnternehmerInnen Aktionäre/Gesellschafter GmbH: Auflagen/Weisungen bezüglich Ausübung von Stimmrechten an der GV - z.b. Instruktionen, wer als Verwaltungsrat/Geschäftsführer zu wählen ist. Einzelunternehmer: Person(en) mit der Fortführung des Betriebes beauftragen (Zahlung laufenden Ausgaben wie Löhne, Sozialabgaben usw.) Für alle Unternehmen: Instruktionen für Massnahmen zur Weiterführung der Gesellschaft bzw. grundlegende Geschäftsentscheide (detaillierte Umschreibung möglich)
20 Vorsorgeauftrag für UnternehmerInnen Ev. Berufsausübungsbewilligungen oder andere besondere Eigenschaften bei Auftragnehmer notwendig (Meisterprüfung, zugelassener RevisorIn, Arztzulassung, Anwaltspatent usw.) VA ist ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft (Übertragung auf andere Person unzulässig) Beizug von Hilfspersonen bei einzelnen Rechtsgeschäften grundsätzlich möglich, wenn dies nötig oder üblich ist oder wenn die Ermächtigung des Auftraggebers vorliegt. Der Beauftragte bleibt verantwortlich für die korrekte und sorgfältige Ausführung des Auftrags. D.h. er muss die notwendige Instruktion und Kontrolle der Hilfsperson ausüben können.
21 Vorsorgeauftrag Entschädigung Festlegung im Vorsorgeauftrag Unentgeltlich, sofern nicht aufgrund Umfang oder Üblichkeit Leistungen nur gegen Entgelt erbracht werden Wird von KESB festgelegt, wenn nicht im VA festgelegt
22 Vorsorgeauftrag Vorteile Sie als UnternehmerIn bestimmen, wer am Tisch sitzt und für Sie bestimmt; erteilen Instruktionen für Ihr privates Leben und Ihr Geschäft; sichern sich ab gegen Eingriffe von Unbekannten; bestimmen die Massnahmen für ein Notfallszenario. WICHTIG: Periodische Überprüfung notwendig Abstimmung mit Nachfolgeplanung und Ehe- und Erbvertrag Abänderung nur bis zum Eintritt des Vorsorgefalls möglich
23 Praxisbeispiel Herr Muster (55), dipl. Metallbauingenieur, ist Inhaber der Metallbau AG in St.Gallen mit 25 Angestellten. Verkehrswert 2015: CHF 5 Mio. Im VR sind neben ihm als Präsident noch ein Spezialist für Rechnungswesen und seine Tochter (32), Verkaufsleiterin der Gesellschaft. Frau Muster (57) (Ehefrau) ist selbständige Spezialärztin. Der gemeinsame Sohn (27) arbeitet als Deutschlehrer in Genf. Herr und Frau Muster sind Eigentümer eines Mehrfamilienhauses. Sie wohnen im Attikageschoss.
24 Praxisbeispiel VA von Herrn Muster 1. Personensorge inkl. Rechtsverkehr (gem. Familienrat) a) Frau Muster b) 1. Ersatzbeauftragte: Tochter (wohnt in der Nähe) c) 2. Ersatzbeauftragter: Sohn (wohnt in Genf) Keine Patientenverfügung: Herr Muster traut keinem Arzt ausser seiner Frau.
25 Praxisbeispiel VA von Herrn Muster 2. Vermögenssorge inkl. Rechtsverkehr a) Metallbau AG: Frau Muster 1. Ersatz Sohn und Tochter kollektiv zu zweien 2. Ersatz Spezialist Rechnungswesen (VR) Spezielle Regelungen: - VRP Tochter, VR Mutter und Spez. Rechnungswesen - Tochter erhält Übernahmerecht an Metallbau AG innert 5 Jahren zu Verkehrswert, ansonsten gilt Regelung gem. Ehe- und Erbvertrag b) übriges Vermögen Frau Muster, Ersatz wie Personensorge
26 Praxisbeispiel VA von Frau Muster 1. Personensorge inkl. Rechtsverkehr (gem. Familienrat) a) Herr Muster b) 1. Ersatzbeauftragte: Tochter (wohnt in der Nähe) c) 2. Ersatzbeauftragter: Sohn (wohnt in Genf) Frau Muster hat eine detaillierte Patientenverfügung, weil sie ihre Angehörigen entlasten will.
27 Praxisbeispiel VA von Frau Muster 2. Vermögenssorge inkl. Rechtsverkehr a) Arztpraxis: Arztkollegin für ärztliche Belange und Herr Muster für alle anderen Belange bzw. reine Vermögensbelange 1. Ersatz Arztkollegin und Tochter (Kompetenz wie oben) 2. Ersatz Arztkollegin und Spezialist Rechnungswesen (Kompetenzen wie oben) Spezielle Regelungen: - Arztkollegin betreut Patienten ad interim mit Recht, die Praxis innert 2 Jahren zu erwerben (Bewertung durch FMH), ansonsten bestmöglicher Verkauf der Praxis, aber keinesfalls an Herrn Dr. Med. H. Meier b) übriges Vermögen Herr Muster, Ersatz wie Personensorge
28 Spezifische Wünsche Praxisbeispiel VA von Frau Muster Gehobener Lebensstandard soll erhalten bleiben Priorität selbständiges Wohnen: 1. Zuhause mit Pflegepersonal 2. Betreutes Wohnen in St.Gallen 3. Pflegeheim in St.Gallen Zur Finanzierung des gehobenen Lebensstandards, inkl. Pflege und Betreuung, sollen auch Wohnungen im Mehrfamilienhaus veräussert werden können. 1 x pro Jahr: Fahrt ans Meer, solange transportfähig
29 Wichtig VA ist für UnternehmerInnen in jedem Alter ein Muss VA muss mit ehe- und erbrechtlichen Regelungen sowie Patientenverfügung (falls vorhanden) im Einklang stehen VA und weitere Regelungen periodisch überprüfen Vorlagen und Muster taugen höchstens als Besprechungsgrundlage (Sparen beim VA lohnt sich nie) NOCH WICHTIGER: VORSORGE IST WICHTIG, NOCH WICHTIGER IST ES, DAS LEBEN NICHT AUF SPÄTER ZU VERSCHIEBEN!
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