Wolfgang Schulze. Seminar: Kategorien II Kategorienverwandtschaft W. Schulze Sprachl. Zeichen des Präteritums
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- Mareke Reuter
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1 Wolfgang Schulze Seminar: Kategorien II Kategorienverwandtschaft W. Schulze 2013 a. Ausgangspunkt: Der kategorielle Wert sprachlicher Zeichen: Signifié Signifiant KATEGORIE Sprachl. Zeichen einer ling. Kategorie E.g. Deutsch: VERGANGENHEIT [-t-] Sprachl. Zeichen des Präteritums Nota: Nur dasjenige sprachliche Zeichen kann mit einem kategoriellen Marker versehen werden, das diesbezüglich auch kategorisiert werden kann: 1 KATEGORIE LEX. KONZEPT KATEGORIE Morphem E.g. Deutsch: ZEITLICHKEIT VERGANGENHEIT HYPERKATEGORIEN zu HYPOKATEGORIE VERGANGENHEIT HYPOKATEGORIE LEX. <SAY> [za:g-] VERGANGENHEIT [-t-] Präteritum
2 Kategorielle sprachliche Zeichen profilieren also den kategoriellen Raum ihrer lexikalischen Hosts. Zugleich repräsentieren sie das Profil dieses Raums in ihrem signifié. Der kategorielle Raum eines sprachlichen Zeichens als Host wird also i.d.r. durch ein kategorielles Zeichen in der Form angesprochen, dass der Gesamtraum mitschwingt, aber in Bezug auf eine Dimension profiliert wird. Vereinfacht als Beispiel: Deutsch -t- spricht den kategoriellen Raums eines Lexems der Art {<; ZEITLICHKEIT; VERGANGENHEIT >} an, profiliert ihn aber hin zu <VERGANGENHEIT>. Der durch ein kategorielles Zeichen angesprochene, einwertige kategorielle Raum ist in der Regel durch eine hyp(er)o nyme Beziehung gekennzeichnet, e.g. für Deutsch -t- (Ausschnitt): ZEITLICHKEIT VERGANG. <> <ZEITL.> ist <VERGANG.> Hypokategorie zu Hyperokategorie zu In der Regel (aber nicht notwendigerweise) profiliert ein kategorielles sprachliches Zeichen seinen Host hin zur tieftsgelegenen Hypokategorie. 2 b. Mehrwertige kategorielle Zeichen Mehrwertige kategorielle Zeichen sind solche, die mehr als nur eine spezifische Dimension des kategoriellen Raums ihres Hosts profilieren. Formal kann von einer multikategoriellen Semantik des Zeichens gesprochen werden: KATEGORIE 1 KATEGORIE 2 LEX. KONZEPT KATEGORIE 1 KATEGORIE 2 Morphem
3 Etwa: Türkisch al-dı- genommen habend (Ausschnitt): ZEITLICHK. ERFAHRBARK. VERGANG. EXPERIENCED LEX. <TAKE> VERGANG. EXP.-CED [al-] [-dı] Morphem Voraussetzung: Kategorienverwandtschaft Ein multikategorielles sprachliches Zeichen ist nur dann gegeben, wenn die einzelnen kategoriellen Dimensionen zu einander in einem Verwandtschaftsverhältnis stehen (kategorielle Affinität): KAT1 KAT2 KAT3 3 Das Ensemble kategorieller Dimensionen eines sprachlichen Zeichens bildet seinen kategoriellen Raum (categorial space). Beispiel: Deutsch -s (Ausschnitt): OBJEKTPERMANENZ POSS INDIV. G1 [-s] -s / Genitiv Sg. (mask, fem (Namen)) Nota: Die Hypokategorie G1 ist (vorläufig) mit einem Dummy bezeichnet, da ihre kognitive Wertigkeit noch unklar ist {grammatisches Genus : nfem Sg, bei Namen auch Feminin Sg.). Zu lesen wäre:
4 Das sprachliche Zeichen /-s/ reagiert (u.a.) auf folgende Dimensionen des kategoriellen Raums seines Host: -> Objektpermanente Vorstellung, die die Rolle eines Possessors in einer entsprechenden possessiven Relation einnehmen kann, individuierbar ist (und als individuiert [Hypokategorie] erscheint) und dem kategoriellen Raum G1 zugeordnet ist. Typen der kategoriellen Verwandtschaft Der kategorielle Raum eines sprachlichen Zeichens ist strukturiert wie eine einzelne Kategorie selbst: (a) Disjunkt: Die einzelnen Hypokategorien sind markiert durch spezialisierte Merkmale, die nicht in anderen Hypokategorien zu finden sind: -> Ko-Hypokategorien Hyperokategorie Hypokategorie 1 Hypokategorie 2 Hypokategorie 3 Co- Co- 4 Co- Beispiel: Latein -ō (vereinfacht): [-o:] These: Das Signifié des Morphems -ō subkategorisiert die Kategorie Relator nach den Co-Hypokategorien Zeitlichkeit (weiter subkategorisiert hin zu Wahrnehmungsbasiertheit (ling. Kategorie: Präsens)) und Personalität (weiter subkategorisiert hin zu EGO (ling. Kategorie: 1SG)), wobei (synchron!) keine Merkmalsübereinstimmung zwischen Zeitlichkeit und Personalität gegeben ist (vgl. unten hybride Kategorien ). (b) Prototypisch: Der kategorielle Raum eines sprachlichen Zeichens wird prototypisch fixiert / profiliert durch die besten (qualitativ) oder am häufigsten (quantitativ) aktivierte Kategorie innerhalb dieses kategoriellen Raums:
5 Kategorieller Raum Hypokategorie 1 Hypokategorie 2 Hypokategorie 3 Beispiel: Arabisch -at- (vereinfacht): [-at] Nota: Die Hypokategorie FEM (GR) ist (vorläufig) mit einem Dummy bezeichnet, da ihre kognitive Wertigkeit noch unklar ist {grammatisches Genus : FEM Sg}. Im Sinne einer prototypischen Organisation des kategoriellen Raums von /-at/ wird also prototypisch die Hypokategorisierung des Host nach {FEM GR} gespiegelt. 5 Nota: Historisch stellte vermutlich die Hypokategorie {INDIVIDUIERUNG} den prototypischen Kern des kategoriellen Raums dar. (c) Radial: Der kategorielle Raum eines sprachlichen Zeichens wird radial fixiert, d.h. die Beziehung zwischen den Hypokategorien ist nicht Merkmal-/ Eigenschaft-bezogen, sondern qua Konventionen und in Spiegelung sozial motivierter kategorieller Zuordnungen etabliert: Hyperokategorie Hypokategorie 1 Hypokategorie 2 Hypokategorie 3 Das Symbol steht für radiale Verknüpfung. Theoretisch sind jegliche Kategorien radial verknüpfbar, sofern sie für eine Sprechergemeinschaft Sinn machen (oder einst Sinn gemacht haben).
6 Beispiel: Navajo yi- (stark vereinfacht, historische Lesart): [ji-] Die Verknüpfung der Hypokategorien {PATIENS} und {FORCE} ergibt sich nicht aus den Eigenschaften einer Klasse von Vorstellungen der Objektpermanenz, sondern aus ihrer sozialen (konventionellen, traditionellen) Bewertung: In der frühen Athapaska-Gesellschaft (stabilisiert in den späteren einzelsprachlichen Gemeinschaften) wurden Objektvorstellungen in der Rolle des Patiens dahingehend klassifiziert, ob die Dimension {FORCE} in bestimmten Ereignisvorstellungen aktiv ist oder nicht. Zugleich erfolgt eine Verknüpfung des kategorisierenden Ursache/Wirkung-Schemas (hier in seinem {PATIENS}-Wert) mit dem kategorisierenden Possessionsschema (hier in seinem {POSSESSOR}-Wert). Diese Verknüpfung ist i.d.r. ebenfalls radial zu verstehen (Possession als Patiens-ähnliche Zuordnung des Possessors zu einem Possessum (Y:Possessum X ist ihm zugeordnet (Possessor)). 6 c. Mehrwertige metonyme und metaphorische kategorielle Zeichen Mehrwertige metonyme und metaphorische kategorielle Zeichen sind nur dann gegeben, wenn sie synchron polysem sind, d.h. wenn ihr kategorieller Raum durch die parallele Präsenz einer Source- und einer Target-Domäne strukturiert wird. Damit sind aus einem diachronen Prozess der Metonymisierung oder Metaphorisierung resultierende kategorielle Zeichen dann nicht mehrwertig, wenn ihr kategorieller Raum nur durch das Metonymisierungs- oder Metaphorisierungsergebnis (Target) markiert ist (synchron: kühne Metapher à la H. Weinrich). Beispiel: Deutsch vor (Ausschnitt, Host-bezogen, stark vereinfacht): OBJEKTPERMANENZ RÄUMLICHKEIT ZEITLICHKEIT LANDMARK /vor/ [foɐ ]
7 Nota: Deutsch vor ist ein hybrides kategorielles Zeichen, siehe unten! Hier ist nur der kategorielle, nicht der konzeptuelle Raum angezeigt. Deutsch vor kategorisiert seinen Host (immer Landmark) in Bezug auf dessen Raum- Eigenschaften (Source) bzw. in Bezug auf dessen Zeit-Eigenschaften (Target). Dabei bleibt die basale Dimension der Source-Kategorie als Invarianz in der Target-Kategorie erhalten, vgl.: vor der Tür (Source) vor Napoleon (Source~Target) vor der Zeit von Napoleon (Target<Source) Nota: Die Grenzen zwischen Metonymisierung und Metaphorisierung ist fließend! Definition: (a) Metonymie: HYPEROKATEGORIE SOURCE-KAT TARGET-KAT Die Target-Kategorie ist innerhalb derselben Hyperokategorie angesiedelt wie die Source- Kategorie. 7 Beispiel: Deutsch -Ø- (vereinfacht): ZEITLICHKEIT -Ø (Präsens, Futur) WAHRNEHMUNG PROJEKTION [-Ø] (b) Metapher: HYPEROKATEGORIE HYPEROKATEGORIE SOURCE-KAT TARGET-KAT
8 Die Target-Kategorie ist innerhalb einer anderen Hyperokategorie angesiedelt als die Source- Kategorie, wobei die beiden Hyperokategorien über eine i.d.r. konventionalisierte Eigenschaftsbeziehung definiert sind. Beispiel: Dyirbal -gu (stark vereinfacht): REFERENT RÄUMLICHKEIT -gu (Dativ, Finalis) AUSRICHTUNG FINALITÄT [-gu] d. Mehrwertige hybride Zeichen Unter mehrwertigen hybriden Zeichen seien solche verstanden, die deren Signifié-Ebene sowohl kategorielle als auch konzeptuelle Dimensionen beinhalten: 8 KATEGORIE KONZEPT Beispiel: Deutsch -e (vereinfacht): -Bezogenheit SAP WAHRNEHMUNG EGO /-e/ (1Sg, Präs.) [-ə] (a) In der Regel besteht zwischen der konzeptuellen und der kategoriellen Dimension eine sekundäre Verwandtschaft, die aus der Amalgamierung zweier (oder mehrerer) ursprünglich getrennter sprachlicher Zeichen resultiert.
9 (b) Alternativ können sich konzeptuelle sprachliche Zeichen kategoriell spezialisieren, d.h. sie treten nur in einem bestimmten kategoriellen Kontext auf. In diesem Fall muss eine Verwandtschaft zwischen der kategoriellen Dimension und derjenigen Kategorie gegeben sein, in die das Konzept eingebettet ist. Beispiel für (a): Indogermanisch *-mi (stark vereinfacht): WAHRNEHMUNG WAHRNEHMUNG EGO HIC et NUNC EGO HIC et NUNC *[-m-] *[-i] *[-mi] Beispiel für (b): Russisch na- (stark vereinfacht): RÄUMLICHKEIT VERLAUF HOR.SURFACE.CONTACT PERFEKTIVITÄT 9 [na-] Konzeptuell Kategoriell
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