Prüfung FS 2013 (19. Juni 2013)
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1 Internationales Privatrecht I Prüfung FS 2013 (19. Juni 2013) Prof. A.K. Schnyder I. Allgemein-theoretische Fragen (50 %) ad 1 a) direkte Zuständigkeit: Einschlägig ist Art. 23 Abs. 1 IPRG. Die Bestimmung bezieht sich auf Personen, die neben der schweizerischen noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzen. Betroffen sind damit Auslandschweizer. Für die Begründung eines Heimatgerichtsstandes in der Schweiz kommt es (nur) auf die schweizerische Staatsangehörigkeit an. b) Bestimmung des anwendbaren Rechts: Einschlägig ist Abs. 2 von Art. 23 IPRG. Es gilt der Effektivitätsgrundsatz; d.h. es kommt auf die Staatsangehörigkeit an, zu dessen Staat eine Person die engste Verbindung hat. Das gilt, sofern das IPRG nichts anderes vorsieht. c) Anerkennung ausländischer Entscheide: Einschlägig ist Abs. 3 von Art. 23 IPRG. Es genügt die Beachtung einer der Staatsangehörigkeiten. Darin kommt der Gedanke des favor recognitionis zum Ausdruck. d) Beispiele: etwa für a: Art. 87 Abs. 1 oder Art. 60 IPRG. 2 P. für b: Art. 61 Abs. 2 IPRG. für c: Art. 65 Abs. 1 IPRG.
2 ad 2 Art. 137 Abs. 2 IPRG ist eine besondere Vorbehaltsklausel und damit eine Konkretisierung des Ordre public. Die Bestimmung statuiert das schweizerische Schadenersatzrecht als Standard bei der Berufung ausländischen Kartellrechts. ad 3 Prinzipiell gilt der Grundsatz auch für ausländisches Recht: Art. 16 Abs. 1 Satz 1 IPRG. Allerdings enthält das IPRG zwei Relativierungen: Es kann (generell) die Mitwirkung der Parteien verlangt werden: Satz 2 von Art. 16 Abs. 1 IPRG. Sodann: Bei vermögensrechtlichen Ansprüchen kann den Parteien der Nachweis ausländischen Rechts überbunden werden. ad 4 Die Vorfrage stellt eine präjudizielle Frage im Rahmen einer Verweisungsnorm dar. D.h.: Der Tatbestand oder ein Tatbestandsmerkmal einer Kollisionsnorm setzt das Bestehen eines anderen Rechtsverhältnisses voraus. Vorfragen sind grundsätzlich selbständig anzuknüpfen. Beispiel: Im Rahmen einer Ehescheidung ist zunächst zu prüfen, ob eine Ehe überhaupt gültig geschlossen worden ist.
3 ad 5 a) räumlich-geographisch: Art. 1 Abs. 1 CISG; zwei Möglichkeiten: die betroffenen Staaten sind Vertragsstaaten oder das IPR des Forums verweist auf das Recht eines Vertragsstaates. b) sachlich: Kaufverträge gemäss Art. 1 Abs. 1 i.v.m. Art. 2 ff. CISG. Total I 19 P. II. Kleinere Fälle Fall 1 Einschlägig ist Art. 37 IPRG. Der Name ist selbständig anzuknüpfen, d.h. unabhängig vom Eheschliessungsstatut. Grundsätzlich ist auf das Recht am ausländischen Wohnsitz (Paris) abzustellen. Allerdings kann gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bei Namensfragen im Zusammenhang mit einer Eheschliessung auf die (erkennbare) Intention der Brautleute abgestellt und entsprechend an deren ersten ehelichen Wohnsitz angeknüpft werden. Da X und Y Wohnsitz in Prag nehmen werden, ist das tschechische Recht anwendbar. Nach Art. 37 Abs. 1 IPRG ist dabei das tschechische Kollisionsrecht zu befragen, ob es die Verweisung annimmt, was der Fall ist bei gleich lautender Anknüpfung wie im schweizerischen Recht, oder ob es auf schweizerisches Recht zurückverweist oder auf ein drittes Recht weiterverweist.
4 Bei Nicht-Annehmen der Verweisung durch tschechisches Recht könnte diskutiert werden, ob mit Hilfe von Art. 15 IPRG nicht doch tschechisches Namensrecht zu berufen wäre, um der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Durchbruch zu verhelfen. Total Fall 1 9 P. Fall 2 Gerichtsstandsvereinbarung: Einschlägig ist Art. 23 LugÜ. Im Sinne von Art. 23 Abs. 1 LugÜ hat mindestens eine Partei Wohnsitz in einem gebundenen Staat, und es ist ein Gericht eines gebundenen Staates vereinbart worden. Aus dem Sachverhalt ergibt sich nichts, das gegen die Formgültigkeit der Vereinbarung spräche. Auch ist kein Ungültigkeitsgrund nach Art. 23 Abs. 5 LugÜ ersichtlich. Anerkennung eines österreichischen Urteils: Nach Art. 33 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 LugÜ sind Urteile aus gebundenen Staaten grundsätzlich anerkenn- und vollstreckbar. Ein Verweigerungsgrund nach Art. 35 Abs. 1 LugÜ ist nicht gegeben. Fragen kann man sich, ob die Nicht-Angabe des zahlenmässig bestimmten Höchstbetrages bzw. ein diesen Punkt schützendes Urteil gegen den schweizerischen Ordre public verstösst, Art. 34 Ziff. 1 LugÜ, da das schweizerische Recht eine solche Angabe verlangt; fakultativ: Art. 493 Abs. 1 OR. Das Bundesgericht hat zwar entschieden, dass die Angabe des Höchstbetrages auch in materieller Hinsicht eine Voraussetzung für die Gültigkeit einer Bürgschaft ist (bei Anwendung schweizerischen Rechts). Doch erscheint diese Vorschrift nicht als so fundamental, dass bei deren Nichtbeachtung durch ein ausländisches Gericht von einem "offensichtlichen" Verstoss gegen den inländischen Ordre public zu sprechen wäre (Art. 34 Ziff. 1 LugÜ). (Andere Ansicht zulässig). Total Fall 2 6 P.
5 Fall 3 Zuständigkeit Produzentin: Am schweizerischen Unfallort nach Art. 5 Ziff. 3 LugÜ oder vor den zuständigen deutschen Gerichten gestützt auf Art. 2 Abs. 1 LugÜ. Einbezug der französischen Verkäuferin: Höchstens im Rahmen einer Streitverkündung durch die beklagte Produzentin (Art. 78 ff. ZPO), da Art. 6 Ziff. 1 LugÜ nicht anwendbar ist. Anwendbares Recht: Einschlägig ist Art. 135 IPRG. Wahl deutschen oder französischen Haftungsrechts durch die Geschädigten. Total Fall 3 4 P. Total Fälle 19 P. Gesamttotal 38 P.
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