3 Lineare Algebra I/II
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- Maximilian Kohl
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1 49 3 Lineare Algebra I/II Ursprünglich gab es parallel zu den Analysis-Vorlesungen zu Beginn des Mathematik-Studiums eine Vorlesung mit dem Titel Analytische Geometrie, bei der dann im Laufe der Zeit die Namen Analytische Geometrie und Lineare Algebra, Lineare Algebra und Analytische Geometrie und schließlich Lineare Algebra zeigten, dass sich die Inhalte und die Schwerpunkte allmählich veränderten. Heutzutage wird teilweise nur noch am Rande auf geometrische Aspekte hingewiesen. Als Begleitlektüre zu meiner Einführungsvorlesung Lineare Algebra und Geometrie im Wintersemester 1965/66 (in Tübingen) wurde u.a. das Buch Analytische Geometrie (in der 5. Auflage) von G. Pickert empfohlen; es ist in 3 Kapitel unterteilt: I. Affine Geometrie II. Metrische Geometrie III. Projektive Geometrie a) Gleichungssysteme und Matrizen Im 1.Kapitel werden Gegenstände der Linearen Algebra behandelt: Vektorräume, Lineare Gleichungssysteme, Matrizen, Determinanten, Eigenwerte und Eigenvektoren. Es wird bei allen Begriffen sofort eine Verbindung zur Geometrie hergestellt, zu Parallelverschiebungen oder Parallelprojektionen. Gleichungssysteme wurden schon 1700 v.chr. von den Babyloniern gelöst, allerdings noch nicht systematisch. Die erste systematische Behandlung linearer Gleichungssysteme findet man in einem chinesischen Lehrbuch Mathematik in neun Büchern, das wahrscheinlich von Chang Ts ang (um v.chr.) verfasst wurde und von dem eine Bearbeitung von Liu Hui (3. Jh. n.chr.) aus dem Jahre 263 (?) n.chr. vorliegt. Dort findet man in Buch VIII. mit dem Titel Rechteckige Tabelle ein Lösungsverfahren, in dem man ohne Mühe den Gauß-Algorithmus erkennen kann. Dieses Verfahren ist allerdings sehr wahrscheinlich im Westen nicht bekannt geworden. Der Begriff des Vektors wurde 1843/44 von William Rowan Hamilton (* in Dublin, im Observatorium Dunsink bei Dublin) und Siegmund Ludolf Robert Graßmann (* in Stettin, in Stettin) in die Mathematik eingeführt. Hamilton suchte nach einem Zahlensystem für den dreidimensionalen Raum, das das leistet, was die komplexen Zahlen in der Ebene leisten. b) Kegelschnitte Im 2. Kapitel geht es dann um Vektorräume mit Skalarprodukt, um symmetrische Bilinearformen und quadratische Formen, um den Begriff des Winkels und um Polarkoordinaten im R n. Als Abbildungen werden Translationen, Drehungen, Spiegelungen und Gleit- bzw. Schubspiegelungen betrachtet. In diesem Kapitel wird auch angegeben, wie man den Inhalt von Parallelotopen berechnet und wie sich der Inhalt unter bijektiven affinen Abbildungen verhält. Außerdem geht es um das vektorielle oder Kreuzprodukt von Vektoren. Wir finden folgenden
2 50 Satz Sind a und b linear unabhängig, so ist der Vektor c eindeutig dadurch bestimmt, dass er zu a und b senkrecht ist, seine Länge übereinstimmt mit dem Flächeninhalt eines vom 2-Bein (a, b) aufgespannten Parallelogramms und (a, b, c) ein orientiertes 3-Bein darstellt. In den Paragraphen 21 bis 23 geht es um Kreis und Kugel, um komplexe metrische Räume und um Hyperflächen, das sind die geometrischen Gebilde, die sich als Nullstellenmenge einer Gleichung der Form a i,j x i x j + 2 a i x i + a = 0, i,j=1 bei der nicht alle a i,j verschwinden, darstellen lassen. Dabei erhalten wir im Fall n = 2 nach geeigneter Koordinatentransformation die folgenden Gebilde, wobei wir die Variablen mit x und y bezeichnen: i=1 b 2 = 1 a 2 y2 b 2 = 1 b 2 = 1 y 2 = a 2 y 2 = a 2 y 2 = 2px y 2 = a 2 y 2 = a 2 y 2 = 0 Ellipse Hyperbel nullteilige Kurve zweiter Ordnung Paar sich schneidender reeller Geraden Paar sich schneidender nichtreeller Geraden Parabel Paar reeller paralleler Geraden Paar nichtreeller paralleler Geraden Doppelgerade Wir wollen noch kurz auf die Namensgebung eingehen. O.B.d.A. können wir a b voraussetzen; sonst benennen wir die Variablen um. Dann erhalten wir durch Verschiebung des Nullpunktes in den Punkt (a, 0) bei der Ellipse und durch Verschiebung des Nullpunktes in den Punkt ( a, 0) bei der Hyperbel die Gleichung y 2 = 2px + (ε 2 1) mit ε = 1 für die Parabel, mit ε = a2 b 2 a < 1 für die Ellipse und ε = a2 + b 2 a > 1 für die Hyperbel sowie p = b2 für die beiden letzten Fälle. ε heißt Exzentrizität der Quadrik, und die obige Gleichung wird Scheitelgleichung der Hyperfläche zweiter Ordnung genannt. Von der Größe ε ist a der Name der Quadriken abgeleitet. Parabel kommt von dem griechischen Wort παραβαλλειν
3 51 fu r gleichkommen, Ellipse von dem griechischen Wort ελλειπειν fu r mangeln und Hyperbel von dem griechischen Wort υπερβαλλειν fu r u bertreffen. Diese Namensgebung geht auf Apollonius von Alexandria (262?-190?) zuru ck. Wir ko nnen zeigen, dass der Schnitt einer Ebene E mit einem geraden Kreiskegel eine Ellipse ergibt. Dazu passen wir in den Kreiskegel zwei Kugeln ein, die die Schnittebene (von oben bzw. unten) in den Punkten F1 und F2 beru hren (vgl. Skizze). Wir zeigen, dass fu r jeden Punkt P, der in der Mantelfla che des Kegels und der Schnittebene liegt, die Summe der Absta nde zu den Punkten F1 und F2 konstant ist. Wir betrachten die
4 52 Gerade durch die Spitze S des Kegels und den Punkt P ; diese Gerade ist eine Tangente an die beiden Kugeln und berührt diese in den Punkten U und V. Diese beiden Punkte liegen auf zwei parallelen Ebenen E 1 und E 2, die alle Berührpunkte von S an die beiden Kugeln enthalten. Damit ist d(u, V ) = const = 2a. Da der Abstand eines Punktes (außerhalb einer Kugel) zu allen Berührpunkten mit der Kugel gleich groß ist, erhalten wir und damit d(p, V ) = d(p, F 2 ) und d(p, U) = d(p, F 1 ) d(p, F 1 ) + d(p, F 2 ) = d(p, U) + d(p, V ) = d(u, V ) = 2a. Also ist die Schnittkurve der Ebene mit der Mantelfläche des geraden Kreiskegels eine Ellipse. Die Idee für diesen Beweis geht auf Dandelin (* in Le Bourget (Frankreich), in Brüssel (Belgien)) und Quetelet (* in Ghent (Belgien), in Brüssel (Belgien)) zurück, weshalb die Kugeln auch (Quetelet )Dandelinsche Kugeln genannt werden. Im Fall n = 3 ergeben sich nach geeigneter Koordinatentransformation mit x, y, z statt x 1,, x 3 die folgenden geometrischen Gebilde: b 2 + z2 c 2 = 1 b 2 z2 c 2 = 1 x2 a 2 y2 b 2 + z2 c 2 = 1 b 2 + z2 c 2 = 1 b 2 = z2 b 2 + z2 = 0 b 2 = 2z a 2 y2 b 2 = 2z b 2 = 1 a y2 2 b = 1 2 a + y2 2 b = 1 2 Ellipsoid einschaliges Hyperboloid zweischaliges Hyperboloid nullteilige Fläche zweiter Ordnung Kegel mit reellen Erzeugenden Kegel mit nichtreellen Erzeugenden elliptisches Paraboloid hyperbolisches Paraboloid elliptischer Zylinder hyperbolischer Zylinder Zylinder mit nichtreellen Erzeugenden
5 53 y 2 = a 2 y 2 = a 2 = 2pz = a 2 = a 2 = 0 Paar sich schneidender reeller Ebenen Paar sich schneidender nichtreeller Ebenen parabolischer Zylinder Paar reeller paralleler Ebenen Paar nichtreeller paralleler Ebenen Doppelebene Ellipsoid Einschaliges Hyperboloid Zweischaliges Hyperboloid Kegel Elliptisches Paraboloid Hyperbolisches Paraboloid Elliptischer Zylinder Hyperbolischer Zylinder Parabolischer Zylinder c) Determinanten Die Form und die Schreibweise der Matrizen geht auf eine Arbeit von Arthur Cayley (* in Richmond, in Cambridge) aus dem Jahr 1855 zurück. Er schreibt für ein lineares Gleichungssystem A x = b, setzt die Existenz von A 1 voraus und verweist bezüglich der Berechnung von A 1 auf die wohlbekannte Theorie der Determinanten. Die Determinante kann man als Funktion auf dem Vektorraum der quadratischen (n n)- Matrizen A n = a a 1n.. a n1... a nn
6 54 mit reellen oder komplexen Zahlen als Einträgen rekursiv definieren. Ist n = 1, so definiert man det(a 11 ) = a 11 ; Ist für (n 1) (n 1)-Matrizen die Determinante schon definiert, so setzt man für eine (n n)-matrix A n die Determinante durch det A n = ( 1) j+1 a 1j det A 1j. j=1 Dabei ist A 1j die (n 1) (n 1)-Matrix, die aus A n dadurch hervorgeht, dass man die erste Zeile und die j-te Spalte streicht. Dann erhält man z.b. ( ) a11 a det 12 = a a 21 a 11 a 22 a 12 a und ( a22 a = a 11 det 23 a 32 a 33 det a 11 a 12 a 13 a 21 a 22 a 23 a 31 a 32 a 33 ) ( ) a21 a a 12 det 23 a 31 a 33 ( a21 a + a 13 det 22 a 31 a 32 = a 11 (a 22 a 33 a 23 a 32 ) a 12 (a 21 a 33 a 23 a 31 ) + a 13 (a 21 a 32 a 22 a 31 ) = a 11 a 22 a 33 + a 12 a 23 a 31 + a 13 a 21 a 32 (a 13 a 22 a 31 + a 11 a 23 a 32 + a 12 a 21 a 33 ). Die Determinantenschreibweise mit Indizes geht wohl auf Leibniz zurück, obwohl viele Eigenschaften schon früher bekannt waren. Die erste zusammenfassende Darstellung findet man 1770 in einer Arbeit von Alexandre Theòophile Vandermonde (* in Paris, in Paris), allerdings ohne die Leibniz sche Schreibweise. Der Determinantenmultiplikationssatz und der Entwicklungssatz von Pierre Simon Laplace (* in Beaumont-en-Auge, in Paris) gehen wohl auf Arbeiten von Augustin-Louis Cauchy ( in Paris, in Sceaux (bei Paris)) zurück. Der Entwicklungssatz besagt, dass man bei der rekursiven Berechnung der Determinante statt der ersten Zeile irgendeine Zeile auswählen kann und dass es auch möglich ist, statt einer Zeile eine Spalte als Entwicklungsspalte zu wählen, d.h. es gilt (bei festem i): det A n = ( 1) i+j a ij det A ij. j=1 Dabei ist A ij die (n 1) (n 1)-Matrix, die aus A n dadurch hervorgeht, dass man die i-te Zeile und die j-te Spalte streicht. Bei der Entwicklung nach einer Spalte erhält man (bei festem j): det A n = ( 1) i+j a ij det A ij. i=1 Es gibt auch eine explizite Definition der Determinante einer (n n)-matrix, die wohl auf Leibniz zurückgeht: det A n = n sign σ σ S n i=1 a iσ(i) )
7 55 Dabei ist S n die Gruppe aller Permutationen der Zahlen 1, 2,..., n und sign σ das Vorzeichen der Permutation σ. Da S n aus n! Elementen besteht, wird die Anzahl der Summanden bei wachsendem n sehr schnell groß. Die Interpretation der Determinante als orientiertes Volumen eines Parallelflachs findet man ebenfalls bei Cauchy. Für Kegelschnitte wollte man das Koordinatensystem so wählen, dass die zugehörige Gleichung eine möglichst einfache Form hat. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Koordinatenachsen mit den Hauptachsen des Kegelschnitts übereinstimmen. Um die zugehörige Koordinatentransformation durchzuführen, benötigt man die Eigenwerte von geeigneten (2 2)-Matrizen. Für den Fall n = 3 wurden die entsprechenden Fragestellungen zwischen 1800 und 1830 an der Ecole Polytechnique in Paris gelöst. Es wurde gezeigt, dass eine reelle symmetrische (3 3)-Matrix reelle Eigenwerte besitzt.
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