I. Zuständigkeit des BVerfG, Art. 93 I Nr. 4 a GG, 13 Nr. 8a BVerfGG. II. Beschwerdefähigkeit, Art. 93 I Nr. 4 a GG, 90 I 1 BVerfGG
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- Elke Raske
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1 Lösung Fall 5 Die aufgelöste Obersatz: Die Verfassungsbeschwerde hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde I. Zuständigkeit des BVerfG, Art. 93 I Nr. 4 a GG, 13 Nr. 8a BVerfGG Enumerationsprinzip II. Beschwerdefähigkeit, Art. 93 I Nr. 4 a GG, 90 I 1 BVerfGG = jedermann : jeder, der fähig ist, Träger von Grundrechten zu sein Im Fall: A als natürliche Person (+) III. Prozessfähigkeit = die Fähigkeit, Prozesshandlungen aus eigenem Recht selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter vornehmen zu können. Wer geschäftsfähig i.s.d. BGB ist, ist auch prozessfähig (vgl. 104 ff.; 1896 ff. BGB Im Fall: A ist voll geschäftsfähig und somit auch prozessfähig. IV. Postulationsfähigkeit, 22 I 1 BVerfGG = die Fähigkeit, in eigener Person rechtswirksam prozessual zu handeln; richtet sich danach, wer das Recht zum prozessualen Handeln besitzt (= prozessfähig). Anwaltszwang bei mündlicher Verhandlung, 22 I 1 Hs. 2 BVerfGG! Im Fall: A wird von Rechtsanwalt R vertreten. 1
2 V. Beschwerdegegenstand, Art. 93 I Nr. 4 a GG i.v.m. 90 I BVerfGG ( 93 I BVerfGG) = jeder Akt der öffentlichen Gewalt [d.h. alle Maßnahmen, Handlungen und Unterlassungen der deutschen öffentlichen Gewalt, also der Exekutive, Judi- kative oder Legislative (Art. 1 III GG), die über Rechtswirkung nach außen (Grundrechtsrelevanz) verfügen]. Im Fall: Der Verwaltungsakt (Auflösungsverfügung) in der Form, die er durch das letztinstanzliche Urteil erhalten hat. VI. Beschwerdebefugnis, 90 I BVerfGG = wenn aufgrund des Vortrags die Möglichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt ist. 1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung = Verletzung möglich und nicht von vorneherein ausgeschlossen Hier erfolgt die Nennung aller in der Begründetheitsprüfung in Frage kommenden Grundrechte. Im Fall: Möglichkeit der Verletzung von Art. 8 GG; eine Verletzung von Art. 5 I GG scheidet offensichtlich aus, da sich die Maßnahme nicht gegen die vertretene Meinung richtet, sondern sich allein auf die Art der Meinungskundgabe bezieht. 2
3 2. selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen a) Selbstbetroffenheit = Betroffenheit in eigenen Rechten (i.d.r. Adressat der Maßnahme oder hinreichend enge rechtliche Beziehung zwischen der Grundrechtsposition des Beschwerdeführers und der Maßnahme). Im Fall: A war Adressat der Auflösungsverfügung und Kläger im Verwaltungsgerichtsverfahren und ist daher in eigenen Rechten betroffen. b) Unmittelbarkeit = wenn der angegriffene Akt den Beschwerdeführer ohne zusätzliches Dazwischentreten eines weiteren Aktes der öffentlichen Gewalt beschwert. Im Fall: A ist durch das ihn belastende Urteil beschwert. c) Gegenwärtigkeit = wenn die Beeinträchtigung noch andauert, also noch nicht weggefallen oder erst zukünftig ist. Im Fall: Von dem rechtskräftigen Urteil ist A momentan betroffen. VII. Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde 1. Rechtswegerschöpfung, 90 II BVerfGG (i.v.m. Art. 94 II 1 GG) = Erschöpfung aller zulässigen und zumutbaren Rechtsbehelfe/Rechtsschutzmöglichkeiten Im Fall: A hat den Rechtsweg bis zur letzten Instanz beschritten. 3
4 2. Subsidiarität im engeren Sinne = Pflicht, alle zumutbaren Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Im Fall: Wegen fehlender Angaben im Sachverhalt (+) VIII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis = es fehlt, wenn Ziel des Verfahrens auf anderem Wege leichter erreicht werden kann. Im Fall: Wegen fehlender Angaben im Sachverhalt (+) IX. Ordnungsgemäßer Antrag und Frist, 23 I; 92; 93 BVerfGG 1. Ordnungsgemäßer Antrag a) Schriftlichkeit, 23 I 1 BVerfGG b) Begründung unter Angabe der Beweismittel, 23 I 2; 92 BVerfGG 2. Frist, 93 BVerfGG Bei Gerichtsentscheidungen innerhalb eines Monats. Im Fall: Die Verfassungsbeschwerde müsste von A form- und fristgerecht erhoben werden. X. Ergebnis Die Verfassungsbeschwerde des A ist zulässig. 4
5 B. Begründetheit Obersatz: A könnte durch das letztinstanzliche Urteil in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 I GG verletzt sein. Dies ist dann der Fall, wenn in nicht gerechtfertigter Weise in den Schutzbereich von Art. 8 I GG eingegriffen wurde. I. Prüfungsmaßstab des BVerfG bei Urteilsverfassungsbeschwerden Das BVerfG ist kein Rechtsmittelgericht und somit keine Superrevisionsinstanz. Daher prüft es im Rahmen von Urteilsverfassungsbeschwerden nicht die Einhaltung des Verfahrens oder die richtige Auslegung oder Anwendung des einfachen Rechts im Einzelfall durch das Fachgericht. Vielmehr überprüft es nur, ob das Fachgericht spezifisches Verfassungsrecht verletzt hat. Eine solche Verletzung ist zu bejahen, wenn das Fachgericht Prozessgrundrechte missachtet, ein verfassungswidriges Gesetz angewandt, eine offensichtlich willkürliche Entscheidung getroffen oder die Wertung eines Grundrecht bei der Auslegung des einfachen Rechts verkannt hat. II. Verletzung von Art. 8 I GG 1. Schutzbereich a) Persönlicher Schutzbereich Deutsche i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG, hier (+) geschützt ist jeder Versammlungsteilnehmer, nicht die Versammlung als solche b) sachlicher Schutzbereich (1) Versammlung Versammlung = Zusammenkunft einer Vielzahl von Menschen, die durch eine innere Verbindung geprägt ist und einen gemeinsamen Zweck verfolgt. 5
6 i) Vielzahl von Menschen Mehr als 2 Personen auf jeden Fall ausreichend. ii) Innere Verbindung Diese unbestrittene Voraussetzung dient der Abgrenzung von bloßen Ansammlungen. (z.b. einer Menge Schaulustiger bei einem Unfall) Info: Zufällige Ansammlungen können zu Versammlungen werden, wenn sich die anfangs fehlende innere Verbindung nachträglich einstellt. Im Fall: Innere Verbindung (+) iii) Gemeinsamer Zweck Problem: Welche Anforderungen sind an den Zweck der Versammlung zu stellen? e.a.: Weiter Versammlungsbegriff bestimmter Zweck unnötig, weil der gemeinsame Wille gerade durch seine thematische Offenheit geprägt ist; auch das Selbstbestimmungsrecht über Art und Inhalt der Versammlung ist geschützt; Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet die Persönlichkeitsentfaltung in Gruppenform (Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 11); Schutzgut des Art. 8 GG ist auch der "Schutz vor Isolierung" a.a.: Erweiterter Versammlungsbegriff Nötig ist eine gemeinschaftliche, auf Kommunikation angelegte Entfaltung. Dieser Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird. Private Zweckverfolgung genügt, wenn es nur um eine Form der Meinungsbildung geht. Art. 8 GG wird als kollektive Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit (Art. 5 6
7 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG) verstanden, ihm kommt insoweit eine Komplementärfunktion zu Zweck also: Gemeinsame Meinungsbildung und äußerung. a.a.: Enger Versammlungsbegriff (wohl auch BVerfG) Der Zweck muss auf die Erörterung öffentlicher Angelegenheiten gerichtet sein. Contra: demokratisch-funktionale Missdeutung der Versammlungsfreiheit; das GG differenziert auch sonst nicht zwischen verschiedenen Meinungen; eine politische Meinung ist nicht per se schutzwürdiger als eine private Meinung (vgl. Höfling aao., Rn. 13) Pro: Politische Veranstaltungen bedürfen des besonderen Schutzes vor dem Staat; funktionale Interpretation; Art. 8 GG soll in einem parlamentarischen Repräsentativsystem der Bevölkerung die Partizipation am demokratischen Meinungsbildungsprozess ermöglichen, daher soll auch ein die Allgemeinheit betreffendes Anliegen Gegenstand des gemeinsamen Zweckes sein. Hier: Nach allen drei Meinungen liegt eine Versammlung vor, da eine öffentliche Angelegenheit zur Erörterung steht. Eine Entscheidung der Streitfrage erübrigt sich daher. Das Verhalten ist auf die Teilnahme und Durchführung einer Versammlung gerichtet und damit vom Schutzbereich des Art. 8 GG geschützt. (2) Friedlich (zur Zuordnung zum Schutzbereich vgl. z.b. Jarras/Pieroth, GG, Art. 8 Rn. 6) 7
8 = die Versammlung ist solange friedlich, wie sie nicht einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt; es genügt, wenn ein gewalttätiger oder aufrührerischer Verlauf unmittelbar bevorsteht. Irrelevant ist jedoch, dass gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird, denn das Grundrecht kann nicht vom einfachen Gesetz her interpretiert werden. Auch genügen nicht Gewalttätigkeiten einzelner, da es sonst Einzelne in der Hand hätten, die Versammlung zu sprengen den friedlichen Teilnehmern kommt also Art. 8 GG zugute (geschützt ist schließlich nicht die Versammlung als solche) o Gewalttätigkeit setzt eine aktive körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen voraus, die aggressiv und von einiger Erheblichkeit sein muss. o Aufrührerisch bezieht sich zum einen auf den Umsturz als das Ziel der Versammlung, zum anderen auf das Mittel des aktiven gewaltsamen Widerstands gegen rechtmäßig handelnde Vollstreckungsbeamte (vgl. Pieroth/Schlink, Rn. 699). Es reicht, wenn ein gewalttätiger Verlauf droht, d.h. unmittelbar bevorsteht; dafür ist die Vermummung von Teilnehmern indes kein ausreichendes Indiz. (3) Ohne Waffen (zur Zuordnung zum Schutzbereich vgl. z.b. Jarras/Pieroth, GG, Art. 8 Rn. 6) = Waffen im technischen Sinne und gefährliche Werkzeuge, nicht: passive Bewaffnung wie z.b. Helme etc. c) Zwischenergebnis Die Veranstaltung des A fällt unter den Schutz des Art. 8 I GG 8
9 2. Eingriff = jedes zurechenbare staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, unmöglich macht Im Fall: Durch die Auflösungsverfügung, die durch das letztinstanzliche Urteil bestätigt wurde, wird es A unmöglich gemacht sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auszuüben. 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Der Eingriff ist gerechtfertigt, wenn die Auflösungsverfügung der Versammlung verfassungsgemäße Konkretisierung der Grundrechtsschranken von Art. 8 GG ist. a) Schranke (Einschränkbarkeit) Art. 8 Abs. 2 GG gestattet es, bei Versammlungen unter freiem Himmel in den Schutzbereich durch oder aufgrund eines Gesetzes einzugreifen. Im Fall: Versammlung unter freiem Himmel (+) Beachte: Entscheidend für das Vorliegen einer Versammlung unter freiem Himmel ist der Außenkontakt, nicht eine Überdachung oder ähnliches. Es geht bei dem Merkmal unter freiem Himmel nicht um die Gefahr des Nasswerdens durch Regen, sondern darum, dass die Kommunikation mit der Außenwelt die Versammlung besonders störanfällig und gefährlich macht. Beim Erfordernis des freien Himmels ist also insbesondere auf die seitlichen Begrenzungen zu achten (also Innenhof oder Stadion = geschlossener Raum; überdachter Marktplatz = unter freiem Himmel). Hier stützt sich die Auflösung auf 15 Abs. 3 VersG ivm. 14 Abs. 1 VersG. Die Auflösung ergeht also aufgrund eines Gesetzes (= Schranke). 9
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