Logik für Informatiker
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- Monica Knopp
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1 Logik für Informatiker Wintersemester 2007/08 Thomas Schwentick Teil A: Aussagenlogik 2. Grundlagen Version von: 2. November 2007(16:19)
2 Inhalt 2.1 Beispiele 2.2 Syntax 2.3 Semantik 2.4 Modellierung mit AL: Beispiele 2.5 Einige Grundbegriffe 2.6 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 1
3 Gründe für formale Logik: Präzision (1) Keine zwei Spieler haben in allen Spielen gleich gut gespielt = höchstens ein Spieler hat in allen Spielen gleich gut gespielt? = es gab keine zwei Spieler, für die in jedem Spiel galt, dass beide gleich gut gespielt haben? (2) Jetzt trinken wir beide mal ein schönes Pils (Generaldirektor Haffenloher) Eins? Zusammen? (Barkeeper) (3) Ich fahre im März oder April nach Spanien Stimmt das auch noch, wenn ich am und am nach Spanien fahre? Formale Logik hat eine eindeutige Semantik und erlaubt daher, Zusammenhänge präzise zu beschreiben Aussagen wie (1) und (2): Prädikatenlogik (später) Aussage (3): Aussagenlogik (jetzt) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 2
4 Gründe für formale Logik: Ausnutzen von Struktur Eine schlüssige Überlegung Wenn der Zug zu spät kommt und keine Taxis am Bahnhof sind, kommt Jane zu spät zu ihrem Termin Jane ist pünktlich Der Zug ist zu spät Also gibt es Taxis am Bahnhof Noch eine schlüssige Überlegung Falls es regnet und John seinen Schirm nicht dabei hat, wird er nass John wird nicht nass Es regnet Also hat er seinen Schirm dabei (Beispiele aus [HR]) Die beiden Beispiele sind sehr ähnlich In beiden Fällen haben wir es mit 3 elementaren Aussagen zu tun: (1) Der Zug ist zu spät Es regnet (2) Es gibt Taxis am Bahnhof John hat seinen Schirm dabei (3) Jane kommt zu spät John wird nass In beiden Fällen ist die Struktur der Argumentation gleich: Falls (1) gilt und (2) nicht gilt, so gilt (3) (3) gilt nicht (1) gilt Also gilt (2) Erkenntnisse: Die Argumentation ist unabhängig vom Inhalt der Aussagen (1) - (3) Es kommt nur auf den logischen Zusammenhang zwischen den Aussagen an Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 3
5 Gründe für formale Logik: Problemlösen Eine typische Logelei Angela: Franz oder ich werden an der Regierungskoalition beteiligt sein. Franz: Entweder Joschka oder ich werden an der Regierung beteiligt sein. Joschka: Entweder Angela oder ich werden in der Opposition sein. Das lässt sich wie folgt formalisieren: (F A) (J F) (A J) Dabei steht A für Angela ist an der Regierung beteiligt etc. Durch Ausprobieren aller Möglichkeiten ergibt sich: Nur die Variablenbelegung J 0, F 1, A 1 macht die Formel wahr Erkenntnis: Die logische Formalisierung erlaubt die Anwendung systematischer Methoden zur Lösung von Problemen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 4
6 Aussagen und Aussagenvariablen Die Aussagenlogik ist (nicht sehr überraschend) die Logik der Aussagen Was ist eine Aussage? Beispiele für Aussagen: Der Zug ist pünktlich Alle Marsianer lieben Pizza Der BVB wird Meister der Saison 2007/08 Jede gerade Zahl, die größer als 2 ist, ist die Summe zweier Primzahlen Keine Aussagen sind: Geben Sie mir mal das Salz, bitte? Alles Gute! Möge das bessere Team gewinnen! Was unterscheidet Aussagen von anderen Sätzen? Aussagen können wahr oder falsch sein Gemäß dieser Erkenntnis wählen wir unsere Abstraktion von Aussagen: etwas, das wahr oder falsch sein kann Statt sprachlicher Aussagen verwenden wir Variablen, die die Werte wahr oder falsch annehmen können Solche Variablen nennen wir dann Aussagevariablen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 5
7 Inhalt 2.1 Beispiele 2.2 Syntax 2.3 Semantik 2.4 Modellierung mit AL: Beispiele 2.5 Einige Grundbegriffe 2.6 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 6
8 Sei AV eine Menge aussagenlogischer Variablen AV enthalte mindestens A, B, C sowie A i, für alle i N Def. 2.1 [Syntax aussagenlogischer Formeln] Die Menge AL der aussagenlogischen Formeln ist die kleinste Menge, die die folgenden Eigenschaften hat. (1) wahr undfalsch sind in AL (2) Jedes Element aus AV ist in AL (3) Sind F, F 1 und F 2 in AL, so auch F, (Negation) (F 1 F 2 ), (Konjunktion) (F 1 F 2 ), (Disjunktion) Formeln der Typen (1) und (2) nennen wir atomar Wir nennenwahr undfalsch Wahrheitswerte Abkürzungen: 1 statt wahr, 0 statt falsch Aussagenlogik: Syntax Beispiel Formeln sind: ((A 1 A 2 ) (A 1 A 3 )) ((A wahr) B) (A A) Keine Formeln sind: A B) A B A 2 ((A B)) Die Struktur einer aussagenlogischen Formel lässt sich durch ihren Syntaxbaum veranschaulichen: A 1 A 2 A 1 Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 7 A 3
9 Exkurs: Induktive Definitionen Die Definition von AL ist ein Beispiel für eine induktive Definition einer Menge: Zuerst werden gewisse Grundelemente der Menge definiert (hier: die aussagenlogischen Variablen, sowie wahr und falsch) Dann wird beschrieben, wie aus gegebenen Elementen der Menge neue Elemente gewonnen werden Implizit oder explizit gilt zusätzlich: es gibt keine anderen Elemente als die so konstruierbaren Ein (hoffentlich) bekanntes Beispiel einer induktiven Definition: 0 N n N n + 1 N Induktive Definitionen von Mengen erlauben: induktive Beweise von Eigenschaften aller Elemente der Menge und induktive Definitionen von Funktionen auf den Elementen der Menge Als Beispiel definieren wir die Tiefe d(f) einer aussagenlogischen Formel: d(a) = def d(wahr) = def d(falsch) = def 0 d( F) = def d(f) + 1 d((f 1 F 2 )) = def d((f 1 F 2 )) = def 1 + max(d(f 1 ), d(f 2 )) Sei noch F = def Länge von F als String Dann lässt sich die Behauptung d(f) F induktiv beweisen: d(f) = 0 < F für atomare Formeln d( F) = d(f) + 1 F + 1 = F d((f 1 F 2 )) = 1 + max(d(f 1 ), d(f 2 )) 1 + max( F 1, F 2 ) (F 1 F 2 ) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 8
10 Inhalt 2.1 Beispiele 2.2 Syntax 2.3 Semantik 2.4 Modellierung mit AL: Beispiele 2.5 Einige Grundbegriffe 2.6 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 9
11 Aussagenlogik: Semantik Bisher haben wir nur definiert, wie aussagenlogische Formeln aussehen (Syntax) Jetzt definieren wir, was sie bedeuten (Semantik) Was soll beispielsweise Die Formel F = ((A 1 A 2 ) (A 1 A 3 )) bedeuten? F stellt eine Beziehung her zwischen den Werten der aussagenlogischen Variablen und einem Wahrheitswert Genauer: für jede Wahl von Wahrheitswerten für die Variablen von F ergibt sich ein einzelner Wahrheitswert Diese Zuordnung soll gerade die Semantik von F sein Eine (Wahrheits-)Belegung α ist eine partielle Funktion α : AV {0, 1} Eine Belegung α heißt passend für eine Formel F, wenn α(x) für alle in F vorkommenden Variablen X definiert ist Die Semantik von F ordnet jeder passenden Belegung α einen Wahrheitswert α(f) zu Semantik aussagenlogischer Formeln Sei F AL Sei α eine zu F passende Belegung Dann ist α(f) = def 0, falls F = 0 1, falls F = 1 α(x), falls F = X und X AV 1 α(g), falls F = G min(α(f 1 ), α(f 2 )), falls F = F 1 F 2 max(α(f 1 ), α(f 2 )), falls F = F 1 F 2 Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 10
12 Aussagenlogik: Semantik (Beispiel) Beispiel Sei F die Formel ((A 1 A 2 ) (A 1 A 3 )) Sei die Belegung α wie folgt gegeben: Dann ist α(((a 1 A 2 ) (A 1 A 3 ))) X α(x) A 1 0 A 2 1 A 3 0 = min(α((a 1 A 2 )), α( (A 1 A 3 ))) = min(max(α(a 1 ), α(a 2 )), 1 min(α(a 1 ), 1 α(a 3 ))) = min(max(0, 1), 1 min(0, 1 0)) = 1 Wie aus der Vorlesung Rechnerstrukturen bekannt ist, lässt sich die Semantik einer aussagenlogischen Formel F in einer Wahrheitstabelle repräsentieren Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 11
13 Wahrheitstabelle (Beispiel) Beispiel Sei F wieder die Formel ((A 1 A 2 ) (A 1 A 3 )) Dann ist die Semantik von F durch die folgende Wahrheitstabelle gegeben: α(a 1 ) α(a 2 ) α(a 3 ) α(f) Jede Zeile der Wahrheitstabelle entspricht also genau einer Belegung α der Variablen von F Künftig werden wir das α in Tabellenköpfen weglassen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 12
14 Abkürzende Schreibweisen Wir lassen Klammern weg, wenn dadurch keine Missverständnisse entstehen: Statt ((A 1 A 2 ) (A 1 A 3 )) schreiben wir beispielsweise (A 1 A 2 ) (A 1 A 3 ) Weitere Fälle, in denen Klammern eingespart werden können, lernen wir bald kennen Und weiterhin: 0 fürfalsch und 1 fürwahr Wir vereinbaren die logischen Operatoren und als abkürzende Schreibweisen wie folgt: F 1 F 2 für F 1 F 2 F 1 F 2 für (F 1 F 2 ) ( F 1 F 2 ) Die entsprechenden Wahrheitstabellen: F 1 F 2 F 1 F F 1 F 2 F 1 F Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 13
15 Inhalt 2.1 Beispiele 2.2 Syntax 2.3 Semantik 2.4 Modellierung mit AL: Beispiele 2.5 Einige Grundbegriffe 2.6 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 14
16 Modellierung mit Aussagenlogik: Erstes Beispiel Beispiel Das Fluchtauto war rot oder grün und hatte weder vorne noch hinten ein Nummernschild Elementare Aussagen: A 1 : Das Fluchtauto war rot A 2 : Das Fluchtauto war grün A 3 : Das Fluchtauto hatte vorne ein Nummernschild A 4 : Das Fluchtauto hatte hinten ein Nummernschild Gesamtaussage: (A 1 A 2 ) ( A 3 A 4 ) (Beispiel aus [MG]) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 15
17 Modellierung mit Aussagenlogik: Zweites Beispiel Beispiel Platon hatte Recht mit seiner Einschätzung des Sokrates genau dann, wenn Sokrates kein großer Philosoph war Wenn Sokrates ein großer Philosoph war, dann hatte Aristoteles Recht mit seiner Einschätzung des Platon Aristoteles hatte nur dann Recht mit seiner Einschätzung des Platon, falls Platon Recht hatte mit seiner Einschätzung des Sokrates Elementare Aussagen: S: Sokrates war ein großer Philosoph A: Aristoteles hat Recht mit seiner Einschätzung des Platon P : Platon hat Recht mit seiner Einschätzung des Sokrates Teilaussagen: P S S A A P Gesamtaussage: ((P S) (S A)) (A P) (Beispiel aus [KuK]) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 16
18 Modellierung mit Aussagenlogik: Drittes Beispiel Beispiel Anfangs sind alle Felder verdeckt Einige der Felder enthalten eine Mine,alle anderen sind leer Durch Anklicken mit der linken Maustaste kann man ein Feld aufdecken: Klickt man auf eine Mine, so hat man verloren. Klickt man auf ein leeres Feld, so wird die Anzahl der Minen auf benachbarten Feldern angezeigt Durch Klicken mit der rechten Maustaste kann man ein Feld mit einem Fähnchen markieren Ziel des Spiels ist es, alle Felder aufzudecken, die keine Mine enthalten (Beispiel aus [MG]) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 17
19 Modellierung mit Aussagenlogik: Drittes Beispiel (Forts.) Beispiel: Verwendete Variablen Wir betrachten den Fall eines Spielfeldes mit 8 8 Feldern Wir nennen ein Paar (i, j) {1,..., 8} {1,..., 8} ein Feld Wir verwenden die folgenden aussagenlogischen Variablen für jedes Feld q = (i, j): A q soll intuitiv bedeuten: Feld q ist vermint Beispiel: Gültige Formeln Für jedes Feld q: F 1 q = def 8 k=0 A k q Für alle 0 k < l 8: F 2 q,k,l = def (A k q Al q ) Für jede Menge N von Nachbarfeldern von q: F 3 q,n = def A q A k q soll intuitiv bedeuten: Feld q hat k verminte Nachbarfelder q N k= N (für jedes k {0,..., 8}) Für jedes k {1,..., 8}: Fq,k 4 = def A k q N N(q,k) q N A q (dabei bezeichne N(q, k) die Menge der k-elementigen Nachbarfeldermengen von q) F bezeichne die Menge all dieser Formeln Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 18 8 A k q
20 Modellierung mit Aussagenlogik: Drittes Beispiel (Forts.) Beispiel: Schlüsse Ziehen Zu Beginn des Spiels wissen wir nur, dass alle Formeln aus F gültig sein müssen Angenommen, wir klicken auf Feld (4, 4) und es erscheint die Zahl 2 Dann wissen wir: A 2 (4,4) = 1 A k (4,4) A (4,4) = 0 = 0, für alle k 2 Zusammen mit den Formeln aus F folgt dann zum Beispiel, dass ((A (3,5) A (4,5) ) A (5,5) ) gültig sein muss Aus der Menge F und den gültigen Formeln, die sich aus den Informationen über angeklickte Felder ergeben, kann also auf die Gültigkeit weiterer Formeln geschlossen werden Wir können gefahrlos das Feld q = (i, j) anklicken, wenn wir die Gültigkeit der Formel A q erschließen können Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 19
21 Inhalt 2.1 Beispiele 2.2 Syntax 2.3 Semantik 2.4 Modellierung mit AL: Beispiele 2.5 Einige Grundbegriffe 2.6 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 20
22 Erfüllbare und allgemein gültige Formeln Eine Belegung α mit α(f) = 1 heißt Modell von F (Andere Notation: α = F ) Ist F eine Menge von aussagenlogischen Formeln, so heißt α Modell von F, falls für alle F F gilt: α(f) = 1 Eine Formel F heißt erfüllbar, falls sie ein Modell hat, andernfalls unerfüllbar Analog für Mengen F von Formeln Eine Formel F heißt allgemein gültig (oder: Tautologie), falls jede zu F passende Belegung ein Modell von F ist Beispiel (A 1 A 1 ) ist unerfüllbar (A 1 A 1 ) ist allgemein gültig A 1 A 2 ist erfüllbar aber nicht allgemein gültig {(A 1 A 2 ), A 2, A 1 } ist unerfüllbar Beobachtung 2.2 Eine Formel F ist genau dann allgemein gültig, wenn F unerfüllbar ist Beweisidee Angenommen, α(f) = 1, für jede passende Belegung α α( F) = 1 α(f) = 0, für jede passende Belegung α F unerfüllbar (Und umgekehrt) Die Menge AL ist also wie folgt strukturiert: allgemein gültig erfüllbar aber nicht allgemein gültig unerfüllbar Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 21
23 Inhalt 2.1 Beispiele 2.2 Syntax 2.3 Semantik 2.4 Modellierung mit AL: Beispiele 2.5 Einige Grundbegriffe 2.6 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 22
24 Äquivalenz von Formeln Zwei Formeln F 1, F 2 heißen äquivalent, falls für jede zu F 1 und F 2 passende Belegung α gilt: α(f 1 ) = α(f 2 ) Schreibweise: F 1 F 2 A (A B) A A B A B Beispiel Wir beweisen als nächstes zwei nützliche Lemmas: Mit dem Substitutionslemma können wir aus einfachen Äquivalenzen neue Äquivalenzen folgern, indem wir Variablen konsistent durch Formeln ersetzen Das Ersetzungslemma erlaubt uns eine Teilformel einer Formel durch eine äquivalente Teilformel zu ersetzen Beispiel: Natürlich gilt: (A B) A B Können wir daraus auch (F 1 F 2 ) F 1 F 2 für alle Formeln F 1, F 2 folgern? Ja, dank Substitutionslemma Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 23
25 Wir formalisieren Variablen konsistent durch Formeln ersetzen durch den Begriff der Substitution Eine Substitution S ist eine Funktion AV AL Für eine Substitution S und eine Formel F sei S(F) die Formel, die aus F entsteht, indem jede in F vorkommende Variable X durch S(X) ersetzt wird Beispiel Sei F = (A B) Sei S(A) = (A 1 B), S(B) = B Dann: S(F) = ((A 1 B) B) Bemerkung: Wir schreiben meistens S(X) nur für die relevanten Variablen auf Für alle übrigen Variablen X gelte dann stillschweigend S(X) = X Das Substitutionslemma Lemma 2.3 (Substitutionslemma) Ist S eine Substitution und gilt F 1 F 2, so gilt auch S(F 1 ) S(F 2 ) Beweisidee Sei für eine Belegung α die Belegung α S definiert durch: α S (X) = def α(s(x)) Dann gilt für alle F, α, S: α(s(f)) = α S (F) (Der Beweis lässt sich durch Induktion nach der Struktur von F führen) Für jede Belegung α gilt: α(s(f 1 )) = α S (F 1 ) = α S (F 2 ) (F 1 F 2 ) = α(s(f 2 )) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 24
26 Das Ersetzungslemma Wenn wir in einer Formel F eine Teilformel G 1 durch eine äquivalente Teilformel G 2 ersetzen, erhalten wir dann eine zu F äquivalente Formel? Ja: Ersetzungslemma Beispiel Wir wissen: (A B) A B Wir wollen daraus zum Beispiel folgern: (A B) C ( A B) C Lemma 2.4 (Ersetzungslemma) Sei F 1 eine Formel, in der eine Teilformel G 1 vorkommt Sei G 1 G 2 Sei F 2 die Formel, die aus F 1 entsteht, indem (ein Vorkommen von) G 1 durch G 2 ersetzt wird Dann gilt: F 1 F 2 Ohne Beweis Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 25
27 Äquivalenzen der Aussagenlogik Satz 2.5 Für aussagenlogische Formeln F, F 1, F 2, F 3 gelten: Kommutativität F 1 F 2 F 2 F 1 F 1 F 2 F 2 F 1 Assoziativität (F 1 F 2 ) F 3 F 1 (F 2 F 3 ) (F 1 F 2 ) F 3 F 1 (F 2 F 3 ) Idempotenz F F F F F F Absorption F 1 (F 1 F 2 ) F 1 F 1 (F 1 F 2 ) F 1 Distributivität F 1 (F 2 F 3 ) (F 1 F 2 ) (F 1 F 3 ) F 1 (F 2 F 3 ) (F 1 F 2 ) (F 1 F 3 ) Doppelnegation F F De Morgansche Regeln (F 1 F 2 ) F 1 F 2 (F 1 F 2 ) F 1 F 2 Der Beweis erfolgt jeweils wie folgt: Beweise die Äquivalenz für den Fall F i = A i durch Aufstellen der Wahrheitstabelle Folgere den allgemeinen Fall dann mit dem Substitutionslemma (A i F i ) Wegen der Assoziativität können wir schreiben: F 1 F 2 F 3 statt F 1 (F 2 F 3 ) F 1 F 2 F 3 statt F 1 (F 2 F 3 ) Außerdem: Statt F 1 F n schreiben n wir auch: i=1 F i Statt F 1 F n schreiben n wir auch: i=1 F i Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 26
28 Normalformen der Aussagenlogik: NNF Normalformen beschreiben Formeln, die bestimmte syntaktische Eigenschaften haben Wir betrachten drei Normalformen: Negations-Normalform Konjunktive Normalform Disjunktive Normalform Eine AL-Formel F ist in Negations-Normalform (NNF), falls sie Negationszeichen nur unmittelbar vor Variablen enthält Beispiel A 1 (A 2 A 3 ) ist nicht in NNF A 1 ( A 2 A 3 ) ist in NNF Satz 2.6 Zu jeder AL-Formel F gibt es eine äquivalente Formel F in NNF Beweisskizze Durch Induktion nach der Struktur von F lässt sich zeigen, dass der folgende Algorithmus eine solche Formel F berechnet Algorithmus NNF Eingabe: AL-Formel F Ausgabe: AL-Formel F F in NNF 1: case F ist von der Form 2: G: 3: RETURN NNF(G) 4: (F 1 F 2 ): 5: RETURN NNF( F 1 ) NNF( F 2 ) 6: (F 1 F 2 ): 7: RETURN NNF( F 1 ) NNF( F 2 ) 8: F 1 F 2 : 9: RETURN NNF(F 1 ) NNF(F 2 ) 10: F 1 F 2 : 11: RETURN NNF(F 1 ) NNF(F 2 ) 12: 0,1, X, oder X: 13: RETURN F Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 27
29 Normalformen der Aussagenlogik: KNF und DNF Ein Literal L ist eine Formel von der Form X oder X mit X AV Eine disjunktive Klausel ist eine Disjunktion k i=1 L i von Literalen Eine konjunktive Klausel ist eine Konjunktion k i=1 L i von Literalen Eine AL-Formel F ist in konjunktiver Normalform (KNF), falls sie eine Konjunktion disjunktiver Klauseln ist Eine AL-Formel F ist in disjunktiver Normalform (DNF), falls sie eine Disjunktion konjunktiver Klauseln ist Beispiel A 2 ist ein (negatives) Literal A 3 ist ein (positives) Literal A 1 ist kein Literal (A 1 A 2 A 4 ) ( A 3 A 4 ) A 3 ist in KNF A 3 (A 1 A 2 ) (A 3 A 2 A 1 ) ist in DNF Zusätzlich vereinbaren wir: Die Formeln 0 und 1 sind in KNF und DNF Beobachtung: KNF-Formeln und DNF-Formeln sind auch in NNF Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 28
30 Satz 2.7 Sei F eine AL-Formel Dann gibt es eine zu F äquivalente KNF-Formel F 1 und eine zu F äquivalente DNF-Formel F 2 F 1 und F 2 können durch einen Algorithmus berechnet werden Berechnung der KNF Beweisskizze Wir geben einen Algorithmus zur Berechnung von F 1 an: Algorithmus KNF Eingabe: AL-Formel F Ausgabe: AL-Formel F F in KNF 1: Bringe F in NNF 2: if F ist von der Form F 1 F 2 then 3: RETURN KNF(F 1 ) KNF(F 2 ) 4: if F lässt sich schreiben als F 1 (F 2 F 3 ) then 5: RETURN KNF(F 1 F 2 ) KNF(F 1 F 3 ) 6: else 7: RETURN F Die Korrektheit des Algorithmus lässt sich durch Induktion nach der Länge von F beweisen Bemerkung: der Algorithmus lässt eine gewisse Wahlfreiheit das Ergebnis ist nicht eindeutig bestimmt Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 29
31 KNF: Beispiel-Berechnung Beispiel Sei F = (A (B C)) ( B A) Ersetzung der Abkürzungen und ergibt: ((A (B C)) ( A (B C))) (B A) NNF: ((A (B C)) ( A ( B C))) (B A) Die Formel ist von der Form F 1 F 2 und F 2 = B A ist schon in KNF Es genügt F 1 =((A (B C)) ( A ( B C))) weiter zu bearbeiten F 1 ist von der Form F 1 (F 2 F 3 ) ((A (B C)) A) ((A (B C)) ( B C)) Diese Formel ist von der Form F 1 F 2, deshalb werden die beiden Teilformeln unabhängig weiter behandelt Aus F 1 = ((A (B C)) A) wird im nächsten Schritt (A A) ((B C) A) Die rechte Teilformel davon wird schließlich zu (B A) ( C A) Aus F 2 = (A (B C)) ( B C) wird (A ( B C)) ((B C) ( B C)) (aus [KuK]) Die rechte Teilformel davon wird schließlich zu (B B C) ( C B C) Insgesamt: (A A) (B A) ( C A) (A B C) (B B C) ( C B C) (B A) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 30
32 Die Berechnung der DNF verläuft analog Bei der Umwandlung einer Formel F in NNF ist die Ziel-Formel F nicht viel größer als F : F 2 F Die Umwandlung in DNF oder KNF kann zu einem wesentlich größeren Zuwachs führen Sei Parity(A 1,..., A n ) wahr genau dann, wenn eine ungerade Anzahl der A i wahr ist Satz 2.8 (a) Jede KNF-Formel F für Parity(A 1,..., A n ) hat mindestens 2 n 1 Klauseln (b) Jede DNF-Formel F für Parity(A 1,..., A n ) hat mindestens 2 n 1 Klauseln NNF, DNF, KNF: Bemerkungen Beweisskizze Sei F = k i=1 F i eine DNF-Formel für Parity(A 1,..., A n ) Jede Klausel F i enthält alle Variablen Denn: angenommen A j ist nicht in F i Sei α eine Belegung, die F i wahr macht Die Belegung α, in der der Wert für A j geändert wird, macht F auch wahr Widerspruch! Es gibt 2 n 1 Belegungen der Variablen, die F wahr machen Für jede dieser Belegungen gibt es eine andere Klausel Behauptung KNF: analog Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 31
33 Zusammenfassung Beispiele der Modellierung mit Aussagenlogik Syntax und Semantik der Aussagenlogik Wahrheitstabellen Wichtige Grundbegriffe wie erfüllbar, allgemein gültig Äquivalenzen der Aussagenlogik Normalformen: Negations-Normalform Disjunktive Normalform Konjunktive Normalform Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 32
34 Schlussbemerkungen Notationsunterschiede Die Vorlesung verwendet teilweise eine andere Notation als das Buch [KuK] Die (neuen) Notationsunterschiede werden jeweils am Ende eines Kapitels zusammengestellt (Falls Ihnen weitere Unterschiede auffallen, bitte melden...) Quellen KuK Hier Bemerkungen M AV ˆM AL ist allgemein üblich - wird in der Vorlesung als Metasymbol verwendet dito [MG ] Das Minesweeper-Beispiel ist der Logik-Vorlesung von Martin Grohe (HU Berlin) entnommen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 A: Aussagenlogik - 2. Grundlagen Folie 33
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