I. M könnte gegen U einen Anspruch auf Zahlung des Werklohnes für das Portrait nach 631 I BGB haben.

Ähnliche Dokumente
Geschäftsfähigkeit. Voraussetzung des wirksamen Rechtsgeschäfts

Einführung in das Privatrecht. (beschränkte) Geschäftsfähigkeit

Fall Wie viele Verträge sind im Sachverhalt abgeschlossen worden? 2. Ist der Kauf wirksam? 3. Wer ist Eigentümer des Mofa?

Lösung 10 a): 1. Frage: Anspruch des B gegen M auf Zahlung des restlichen Kaufpreises gem. 422 II BGB 1. Kaufvertrag a) Angebot durch B

Arbeitsgemeinschaft Sachenrecht. Wintersemester 2017/2018

I. Anspruch des F gegen K auf Herausgabe des Sonderdruckes gem. 985 BGB

Professor Dr. Rainer Schröder Sommersemester Universitätsrepetitorium Rechtsgeschäftslehre. Fall 11: (Lösung)

Beispielsfall 1. Folie 2. Vorlesung BGB-AT Christof Wagner, LL.M. (Cambridge)

Privatrecht II. Ass.jur. Ch. Meier. Übung Privatrecht II

Fall 4 Der verflixte Bildband

FALL 2 ARBEITSTECHNIKEN DER EHEMALIGE JURASTUDENT

Fahrradkauf/Lösung (Fall 1)

Lösung Fall 8 a. I. Beschränkte Geschäftsfähigkeit, 2, 106 BGB

Felix Biedermann, wiss. Angest. Eva-Maria Kuhn, wiss. Angest. Arbeitsgemeinschaft im Bürgerlichen Recht für Anfänger I Im WS 2004/2005

Fall 4: Doppelte Stereoanlage. Sachverhalt

ARBEITSGEMEINSCHAFT ZUM GRUNDKURS ZIVILRECHT I (G-L) WINTERSEMESTER 2011/12 PROF. DR. SUSANNE LEPSIUS. Lösung Fall 4

Eigentum - Erwerb durch Rechtsgeschäft

Übung zur Vorlesung "Einführung in das Zivilrecht I" Wintersemester 2009/10

Privatrecht I. Jur. Assessorin Christine Meier. Übung Privatrecht I

Sérgio Fernandes Fortunato, Übung im Zivilrecht für Anfänger II und Magister- und Erasmusstudierende. Lösungsskizze Fall 3

Lösungsskizze: Fall 1 Eine Flimmerkiste auf Reisen. A. Anspruch F gegen O auf Herausgabe aus 985 BGB. I. F müsste Eigentum am Fernseher erlangt haben

Universität Heidelberg 9. Sitzung Sommersemester 2017 Arbeitsgemeinschaft ZR (GK I) (Lösung) Florian Millner. 9. Sitzung - Lösung

Übung im Privatrecht II Sommersemester Fall 11: Zwielichtiger Fahrzeugverkauf (frei nach BGH NJW 2006, 3488)

FALL 2 LÖSUNG DER EHEMALIGE JURASTUDENT VARIANTE A

Arbeitsgemeinschaft (AG) BGB Allgemeiner Teil I AG BGB-AT. Fall 2

PROPÄDEUTISCHE ÜBUNGEN GRUNDKURS ZIVILRECHT (PROF. DR. STEPHAN LORENZ) WINTERSEMESTER 2013/14. Fall 11

Fall 4 Lösung ausformuliert. Grundfall. A. Herausgabeansprüche des Victor (V) gegen Karl (K) I. Herausgabe des Bildbandes gemäß 985 BGB

AG BGB-AT II. Daniela Pfau. Allgemeines. Allgemeines Arbeitsgemeinschaft (AG) BGB Allgemeiner Teil.

TUTORIUM WIPR I. Fallbesprechung

Bearbeitervermerk: Kann B von K oder deren Eltern Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 50,- verlangen?

C. Rechtsgeschäftslehre II: Wirksamwerden und Inhalt

Jura Online - Fall: Fløde de luxe - Lösung

Lösung Fall 19. Lösung Ausgangsfall:

Unwirksamkeit einseitiger Rechtsgeschäfte nach 111 BGB

Propädeutische Übung im Bürgerlichen Recht. Dr. Georgios Zagouras Sommersemester 2008

Besteht seitens der I ein Anspruch gegen N bzgl. der aufgeworfenen Frage?

Fall 20. Lösungshinweise Fall 20. A. Anspruch A gegen L auf Zahlung von 600 gem. 433 II

A könnte gegen B einen Anspruch auf Rückgewähr des gezahlten Kaufpreises in Höhe von 250,- Euro gem. 437 Nr.2, 1.Alt., 434, 323, 346 BGB haben.

FALL 12 LÖSUNG RATENKAUF MIT TASCHENGELD

Die Verwendung von Fallbearbeitungsschemata zur Lösung juristischer Klausuren

Lösungsskizze zu Fall 4

Rechtsgrundlagen des Bankgeschäfts - Musterlösung

A. Anspruch des V gegen M auf Herausgabe der Spielkonsole aus 985 BGB

Begleitkolleg zum Grundkurs I bei Wiss. Mit. Barbara Reich Fälle und Lösungen unter

I. Anspruch der K gegen V auf Übergabe und Übereignung des Kleides aus 433 I 1 BGB. Anspruch des K gegen V auf Schadensersatz aus 280 I, III, 283 BGB

Übereignungstatbestände gem. 929 ff. BGB

Übung im Privatrecht II Sommersemester Fall 11: Badewannen auf Abwegen

F. Rechtsgeschäftslehre V: Vertretung

7. Besprechungsfall. Was ist Venus zu raten?

57 Prof. Dr. F. Bien, Universität Würzburg Fälle zum Grundkurs BGB I Stand: Lösung

Fall 7: Hobelmaschine

Von dort wurden vom Dieb D kürzlich 20 Badewannen entwendet. Deren weiteren Verbleib konnte G wie folgt ermitteln:

Fall 3a Kranker Geschäftspartner

Arbeitsgemeinschaft im BGB AT SS 2013 Ref. iur. Dorothée Kalb, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht (Prof. Binder)

Fall 2. A. Ausgangsfall K könnte gegen V einen Anspruch auf Übereignung und Übergabe des Buches aus 433 Abs. 1 S 1 BGB haben.

Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht 08. Einheit

Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb Dr. Axel Walz. Grundkurs Zivilrecht Arbeitsgemeinschaft BGB-AT. 8. Dezember 2016

A. Trennungs- und Abstraktionsprinzip

Professor Dr. Rainer Schröder Sommersemester Universitätsrepetitorium Rechtsgeschäftslehre. Fall 12: (Lösung)

Übung im Bürgerlichen Recht für Anfänger WS 2008/09. Lösungshinweise zur 2. Klausur. Frage 1

Jura Online - Fall: Die vorgemerkten Grundstücke - Lösung

Kurs 55101: Bürgerliches Recht I

Der unwillige Verkäufer

Jura Online - Fall: Hardy's Bikes - Lösung

Jochen Saal Überblick über die Technik zivilrechtlicher Fallbearbeitung Seite 1

Fall 5. Lösungsskizze. Teil I: Vermieterpfandrecht des V gem. 562 Abs. 1 BGB an den Bildern?

A könnte einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung haben gem. 894 BGB.

Fall 8. Ausgangsfall. Hier wurde der unmittelbare Besitz am Gerät von A auf B vollständig übertragen.

Abwandlung: Wie, wenn V den Palandt nicht von E geliehen hatte, sondern ihn bei seinem letzten Besuch einfach mitgenommen hat?

Frage 1: Eigentumserwerb der Petra nach 929 ff. BGB vom F- Verlag

FALL 2 LÖSUNG DER EHEMALIGE JURASTUDENT AUSGANGSFALL

Fall 12 - Lösung. BGB-AT Fall 12 - Lösung - Seite 1. Anspruch des J (vertreten durch M) gegen K aus 812 I S.1, 1.Alt. BGB ÜBERSICHT FALL 12

Jura Online - Fall: Motor hin, Motor her - Lösung

Begleitkolleg zum Grundkurs I bei Wiss. Mit. Barbara Reich Fälle und Lösungen unter

Fall 22. Lösungshinweise Fall 22. A. Grundfall. Anspruch des B gegen den A auf Bezahlung der Zigarren gem. 433 II

Beispiel Einwilligung (nach Bork Rn. 1012)

Rechtsgeschäftslehre 2: Geschäftsunfähigkeit und beschränkte Geschäftsfähigkeit (II)

Fall 6 Alles schief gelaufen

Fall 9 Teil I: Anspruch des K gegen D auf Herausgabe gem. 985 BGB

Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft. Was haben wir lieb? Das Abstraktionsprinzip!

Fall 1 Karl, der Jugendstilfanatiker Lösung

Fall 7 Lösungsskizze

Wiederholung Trennungs- und Abstraktionsprinzip

- Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts gem. 449 I - Eigentumsübergang erst bei Eintritt der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung

Das Abstraktionsprinzip

FALL 1 ARBEITSTECHNIKEN EINFÜHRUNGSFALL: DIE KOMPLEXITÄT DES ZEITSCHRIFTENKAUFS

Fräsmaschine auf Abwegen

Juristische Fakultät. Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I Wintersemester 2015/16. Fall 11: Saftladen

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsche und europäische Rechtsgeschichte Prof. Dr. Stefan Chr. Saar

FALL 12 LÖSUNG RATENKAUF MIT TASCHENGELD

Prof. Dr. Martin Schwab Wintersemester 2004/2005. Übungen im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene Lösungsskizze Übungsfall 2

Bürgerliches Recht Übung für Fortgeschrittene Fall 6 (Lösung) vertiefend Schröder/Bär, Jura 1996, 449

Fall 15 Die Schokoladenweihnachtsmänner

XI. Besonderheiten des gutgläubigen Erwerbs

FALL 1 LÖSUNG EINFÜHRUNGSFALL: DIE KOMPLEXITÄT DES ZEITSCHRIFTENKAUFS

Lösung Fall 8: BGH, ZIP 1988, 829 (Smaragdhandel)

10 Mängel in der Person

Transkript:

Lösung zur 4. Klausur im Klausurenkurs Privatrecht WS 2014/2015 Frage 1 A. Anspruch des M gegen U I. M könnte gegen U einen Anspruch auf Zahlung des Werklohnes für das Portrait nach 631 I BGB haben. Dies wäre der Fall, wenn zwischen beiden ein entsprechender Werkvertrag geschlossen wurde. 1. Ein Werkvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag, der sich vom Dienstvertrag dadurch unterscheidet, dass hier die Herstellung eines bestimmten Werkes oder die Erbringung eines bestimmten Erfolges geschuldet ist. Der Dienstvertrag dahingegen verpflichtet nur zur Tätigkeit an sich. Hier soll M dem U ein Portrait malen, weshalb es sich bei dem Vertrag um einen Werkvertrag handelt. 2. a. Für den Abschluss eines Werkvertrages bedarf es zwei korrespondierender Willenserklärungen. Die Erklärung des U könnte aber nach 105 I BGB nichtig sein. Dies wäre dann der Fall, wenn sich U bei Abgabe der Willenserklärung in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand befunden hätte, 104 Nr. 2 BGB. U ist schon lange unerkannt geisteskrank. Es ist ihm damit nicht möglich, die Bedeutung seiner Handlungen zu verstehen. Eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit ist damit gegeben. Die Erklärung des U ist folglich nichtig. b. Zu überlegen ist allerdings, ob nicht vielleicht der Schutz des Rechtsverkehrs hier Vorrang zu genießen hat. Denn M hat die Geisteskrankheit des U weder erkannt, noch hätte er sie erkennen können. Da M auf die von Anfang an nichtige Willenserklärungen des U vertraut hat, hat er immerhin den Materialaufwand sowie seine Arbeitszeit verloren. Dieser Schaden könnte dazu führen, dass die Willenserklärung dem U doch zuzurechnen ist. Jedoch muss man feststellen, dass die Regeln über die Geschäftsunfähigkeit uneingeschränkt den Schutz des Geschäftsunfähigen gewährleisten sollen. Die Interessen des Rechtsverkehrs sind insoweit nachrangig zu berücksichtigen. Es bleibt also weiterhin dabei, dass die Erklärung des U nichtig ist. c. Der Vertrag könnte aber durch die Wirksamkeitsfiktion des 105 a. BGB als wirksam anzusehen sein. Bei einem Portrait handelt es sich aber nicht um ein Geschäft des täglichen Lebens. 105 a. BGB kann hier deshalb keine Anwendung finden. II. Im Ergebnis kann man festhalten, dass die Erklärung des U zum Abschluss des Werkvertrags von Anfang an nichtig war. Ein Werkvertrag über das Portrait ist damit nicht zustande gekommen. M hat deshalb keinen Anspruch gegen U auf Zahlung einer Vergütung aus Werkvertrag nach 631 I BGB. Andere Ansprüche des M sind nicht ersichtlich. 1

B. Anspruch des A gegen U I. A könnte einen Anspruch gegen U auf Zahlung von 200 für die Taschenuhr nach 433 II BGB haben. Auch für einen Kaufvertrag ist das Vorliegen zweier korrespondierender Willenserklärungen nötig. Allerdings ist wieder fraglich, ob die Willenserklärung des U auch hier nach 105 I, 104 Nr. 2 BGB nichtig ist. 1. Wie bereits oben erörtert, ist A in seiner Geistestätigkeit dauerhaft gestört. Jedoch befand er sich beim Kauf der Taschenuhr in einem lichten Moment (lucidum intervallum). In solchen Augenblicken versteht der Geisteskranke den Umfang und die Bedeutung seiner Handlungen vollkommen, weshalb er sich nicht in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand befindet, was allerdings Voraussetzung für 104 Nr. 2 BGB ist. Damit ist U in diesem Moment voll geschäftsfähig. 2. Weitere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Damit ist der Kaufvertrag über die Taschenuhr zu 200 zwischen U und A wirksam. II. A kann von U Zahlung der 200 für die Taschenuhr nach 433 II BGB verlangen. Weitere Ansprüche sind nicht ersichtlich. Zweiter richtiger Lösungsweg: Anspruch auf Zahlung vorerst entstanden. Erlöschen durch Erfüllung nach 362 I BGB. Frage 2 A. Fraglich ist, ob E von G Herausgabe der Taschenuhr nach 985 BGB verlangen kann. I. Dazu müsste E Eigentümer der Taschenuhr sowie G ihr Besitzer sein. Außerdem müsste es sich bei der Uhr um eine Sache handeln und G dürfte kein Recht zum Besitz isd. 986 I BGB haben. 1. a. Ursprünglich war A Eigentümer der Taschenuhr. Er könnte sein Eigentum aber nach 929 1. BGB an U übertragen haben. Dazu bedarf es einer Einigung in Form eines dinglichen Vertrages sowie der Übergabe der Sache. Einzelheiten zum Eigentumsübergang sind insoweit nicht dargelegt. Es kann jedoch angenommen werden, dass A die Uhr direkt bei Abschluss des Kaufvertrages an U übergeben hat und beide darüber einig waren, dass Eigentum übergehen sollte. 1 Grundsätzlich muss auch für eine dingliche Einigung Geschäftsfähigkeit bei den Handelnden vorliegen, weshalb die Erklärung des U wiederum gem. 105 I, 104 Nr. 2 BGB nichtig sein könnte. Allerdings befand sich U zur fraglichen Zeit in einem lichten Moment (s.o.). Seine Erklärung war daher wirksam. Weitere 1 Aufpassen! Sie können hier nicht sagen, dass U wegen des Kaufvertrages Eigentum erworben hat. Der Kaufvertrag ist nur ein Indiz dafür, dass hier auch Eigentum nach 929 1. BGB übergegangen ist. Denn das ist das, was allgemein und üblicherweise erwartet werden kann, solange es im Sachverhalt keine anderen Anhaltspunkte gibt. 2

Wirksamkeitsbedenken kommen nicht in Betracht. Damit hat U Eigentum an der Uhr erworben. b. U wiederum könnte das Eigentum an der Uhr im Zuge der Schenkung ( 516 I BGB) nach 929 1. BGB übertragen haben. Auch hier befand sich U noch in einem lichten Moment. Eine Unwirksamkeit seiner nach 929 1. BGB erforderlichen Einigungserklärung kommt damit nicht in Betracht. E ist allerdings erst 16 Jahre alt. Damit ist er in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt, 106, 2 BGB. Seine Einigungserklärung gerichtet auf Übertragung des Eigentums könnte aber nach 107 BGB wirksam sein. Dies wäre der Fall, wenn die Erklärung für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft wäre oder seine gesetzlichen Vertreter die Einwilligung für diese Erklärung erteilt hätten. Durch die Übereignung der Uhr erwirbt E an dieser Eigentum. Rechtliche Nachteile ergeben sich für ihn daraus nicht. E konnte damit Eigentum an der Uhr erwerben. c. E könnte sein Eigentum jedoch ebenso durch Einigung und Übergabe an F nach 929 1. BGB verloren haben. E hat dem F die Uhr zwar übergeben, allerdings bestand zwischen beiden keine Einigung darüber, dass Eigentum übergehen soll. So haben E und F das Geschäft auch nicht verstanden, denn beide gingen von einer zweiwöchigen Leihe isd. 598 BGB aus. E ist damit Eigentümer geblieben. d. Allerdings könnte E das Eigentum an der Uhr durch Übereignung von F an G nach 929 1. BGB verloren haben. aa. Dazu ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass Eigentum übergehen soll. F ist allerdings nicht Eigentümer der Sache. Ebenso wenig ist er von E zur Veräußerung der Uhr berechtigt, vgl. 185 I BGB. E hat sein Eigentum folglich nicht nach 929 1. BGB verloren. bb. Er könnte sein Eigentum aber durch Übereignung von F an G nach 929 1., 932 BGB verloren haben. Dies ist dann möglich, wenn F als Nichtberechtigter Eigentum nach 929 1. BGB übereignen wollte und G nicht bösgläubig isd. 932 II BGB war. (1). (a). Wie bereits oben geklärt, war F lediglich Besitzer der Taschenuhr, nicht aber Eigentümer. Er handelte somit als Nichtberechtigter. F hat dem G die Uhr auch übergeben. Eine Einigung über den Eigentumsübergang lag zwischen F und G vor. Zu hinterfragen ist allerdings die Wirksamkeit der Willenserklärung des F. (b). Für den 16-jährigen F ist die Einigungserklärung, durch die er sein Eigentum aufgibt, grundsätzlich nachteilig. Er bräuchte demnach zur wirksamen Erklärung die Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter, vgl. 107, 108 BGB. 3

F ist aber nicht Eigentümer der Sache. Er verfügt stattdessen als Nichtberechtigter über die Taschenuhr. Das heißt die Rechtsfolgen des Verfügungsgeschäftes treffen gar nicht ihn selbst, sondern den eigentlichen Eigentümer, der in diesem Fall E ist. Für F stellt die Verfügung an sich daher ein rechtlich neutrales (oder indifferentes) Geschäft dar. Die auf dieses Geschäft gerichtete Willenserklärung könnte ebenfalls nach 107 BGB wirksam sein. Dem Wortlaut des 107 BGB ist die Einwilligung nur dann entbehrlich, wenn es sich für den Minderjährigen um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft handelt. Seinem Sinn nach soll 107 BGB den beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen allerdings nur vor für ihn nachteiligen Geschäften schützen. Ein solch nachteiliges Geschäft liegt aber eben dann nicht vor, wenn es für den Minderjährigen neutral ist, also weder Vorteile noch Nachteile mit sich bringt. Der Wortlaut des 107 BGB ist auf die beschriebenen Fälle zu weit gefasst. Dass dies vom Gesetzgeber so gewollt war, ist nicht ersichtlich. Dafür spricht insbesondere die Wertung des 165 BGB, wonach ein beschränkt Geschäftsfähiger auch stellvertretend tätig werden kann. 107 BGB ist deswegen teleologisch zu reduzieren. 2 Da die Einigungserklärung des F wie beschrieben rechtlich neutral ist, ist sie gem. 107 BGB wirksam. (2). (a). G dürfte bezüglich der Verfügungsbefugnis des F nicht bösgläubig gewesen sein, 932 II BGB. G wusste nicht, dass es sich bei der Uhr um die des E handelt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass G dies hätte wissen müssen. G ist damit nicht in Bezug auf die Eigentümerstellung bösgläubig und könnte somit gutgläubig Eigentum erwerben. (b). Dieses Ergebnis scheint allerdings nicht den Wertungen des BGB zu entsprechen. Denn G kennt die Minderjährigkeit des F. Würde es sich bei der Uhr tatsächlich um das Eigentum des F handeln, könnte G Eigentum an ihr nicht ohne die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter des F erwerben. Nur die fehlende Veräußerungsbefugnis des F führt letztlich wie oben beschrieben dazu, dass G Eigentum erwerben könnte. Auf der einen Seite könnte die Gutglaubensvorschrift des 932 BGB allerdings dahingehend verstehanden werden, dass der Erwerber so zu stellen ist, wie er stünde, wenn seine Vorstellungen wahr wären. Demnach würde dann zwar G von der Verfügungsbefugnis des F ausgehen, allerdings müsste dann sogleich eingewendet werden, dass F über sein Eigentum gar nicht verfügen kann, denn der Minderjährige bedarf dazu wie gesagt der Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter, vgl. 107 BGB, soweit kein Fall des 110 BGB vorliegt. Da diese Folge von 932 BGB nicht vorgesehen ist, ist wiederum eine teleologische Reduktion der Norm vorzunehmen. Sodann könnte G nicht gutgläubig Eigentum von F erwerben. Diese Interpretation findet auch dahingehend Zustimmung, als dass nicht ein Mangel der Übereignung (F ist nicht Verfügungsberechtigter) durch einen zweiten Mangel (F ist nicht volljährig und könnte damit kein Eigentum übereignen) geheilt werden können sollte. Diese Lösung erscheint daher auf den ersten Blick begrüßenswert. 2 Für eine teleologische Reduktion muss die betroffene Norm einen Sachverhalt erfassen, den der Gesetzgeber nur ausversehen erfasst hat und eigentlich mit der Norm nicht regeln wollte. Der Anwendungsbereich wird durch eine teleologische Reduktion also verkürzt, während der Anwendungsbereich durch eine Analogie erweitert wird. 4

(c). Auf der anderen Seite muss man allerdings überlegen, wie die Normen des gutgläubigen Erwerbs und die des Minderjährigenschutzes zueinander stehen und was die Folge der oben angestellten Überlegungen wäre. Der zweiten Ansicht (herrschende Meinung unter c) ) zufolge benutzt die Gegensansicht (Mindermeinung unter b) ) Normen des Minderjährigenschutzes dazu, den gutgläubigen Erwerb zu verneinen, obwohl es sich dabei überhaupt nicht um schützenswerte Interessen des Minderjährigen handelt. Eine Vermischung der beiden Normkreise scheint daher nicht geboten. Außerdem wäre die Folge der ersten Lösung die, dass der gutgläubige Erwerb nicht komplett scheitert, sondern dass im Ergebnis die gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen dem Geschäft zustimmen müssten, 107, 108 BGB. Warum aber ausgerechnet diese über den Eigentumsverlust einer anderen Person entscheiden sollten, ist nicht ersichtlich. (d). Im Ergebnis gilt es also der zweiten Ansicht zu folgen, sodass G bei dem Eigentumserwerb von F nach 929 1., 932 BGB in gutem Glauben war und somit Eigentum erwerben konnte. (3). Außerdem dürfte die Uhr nicht abhanden gekommen sein, 935 I BGB. Ein Abhandenkommen der Sache liegt bei unfreiwilligem Verlust des unmittelbaren Besitzes vor. E hat die Uhr freiwillig an F, dieser hat sie wiederum freiwillig an G übergeben. Es scheint also unproblematisch ein Abhandenkommen der Sache abzulehnen. Allerdings ist fraglich, ob es bei der Frage der freiwilligen Besitzaufgabe auf den Willen des Minderjährigen selbst, oder auf den seiner gesetzlichen Vertreter ankommt. Es könnten hier die Gedanken der 106 ff. BGB heranzuziehen sein und zum Schutz des Minderjährigen die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zu verlangen sein. Allerdings handelt es sich bei der Besitzaufgabe nicht um ein Rechtsgeschäft, sondern um einen Realakt. Hier kommt es deshalb gerade nicht auf die Geschäftsfähigkeit der handelnden Person, sondern auf dessen natürliche Einsichtsfähigkeit an. Damit ist die natürliche Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen entscheidend. 3 Diese ist bei 16-Jährigen, wie hier E und F, wohl anzunehmen. Es bedarf hier daher nicht der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter. Die Uhr ist damit nicht abhanden gekommen. II. E hat sein Eigentum an der Taschenuhr folglich nach 929 1., 932 BGB durch gutgläubigen Erwerb des G verloren. Er hat daher keinen Anspruch auf Herausgabe nach 985 BGB. 3 Eine andere Meinung ist mit der Argumentation vertretbar, die Weggabe einer Sache ohne Kenntnis des gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen ist immer ein Abhandenkommen isd. 935 BGB, da sich der Minderjährige durch die Weggabe der Sache dem Risiko eines Eigentumsverlustes aussetzt. Dieses Risiko sei selbst für den beschränkt Geschäftsfähigen nie überschaubar. 5

B. Möglicherweise kann E von G Herausgabe der Taschenuhr nach 812 I 1. Alt. 1 BGB verlangen. I. Dazu müsste G etwas ohne rechtlichen Grund durch Leistung des E erlangt haben. G hat zwar Besitz und Eigentum an der Taschenuhr erlangt, die ursprünglich dem E gehörte, allerdings hat er die Uhr von F erhalten und nicht von E. Eine Leistungsbeziehung zwischen E und G besteht damit nicht. II. E kann daher nicht Herausgabe der Uhr gem. 812 I 1. Alt. 1 BGB verlangen. C. E könnte aber gegen G einen Anspruch auf Herausgabe der Uhr nach 812 I 1. Alt. 2 BGB haben. I. Zwar hat G Eigentum und Besitz an der Taschenuhr auf Kosten des E erlangt, allerdings kann 812 I 1. Alt. 2 BGB hier nicht als Anspruchsgrundlage herangezogen werden, da grundsätzlich der Vorrang der Leistungskondiktion zu beachten ist. II. E kann daher nicht Herausgabe nach 812 I 1. Alt. 2 BGB verlangen. 6