Inklusive Erziehung und Bildung von Menschen mit Behinderungen als regionale Herausforderung

Ähnliche Dokumente
Davon Kinder in. integrativen Tageseinrichtungen. in Trägerschaft der Jugendhilfe. in schulischer Trägerschaft**

Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste. der Universität Siegen

Inklusive Erziehung und Bildung als Herausforderung für kommunale Behindertenpolitik

Wie man besondere Bedürfnisse in einer Schule unterrichtet

Schulen auf dem Weg zur Inklusion - im Rhein-Erft-Kreis - Schulamt REK

Gemeinsames Lernen an Schulen in NRW Veränderungen bei Schulformen, Ganztagsbetreuung und Inklusion aus statistischer Sicht

Die Behindertenrechtskonvention. Sonderpädagogik Plenumsvortrag auf der Fachtagung der KMK am in Bremen

Inklusion in der Schule wo stehen wir?

Sonderpädagogische Unterstützung in der Schule

Inklusion durch eine Vielfalt schulischer Angebote

Quantitative Entwicklung des Gemeinsamen Lernens im Kreis Unna

Wer Inklusion will, sucht Wege, wer sie verhindern will, sucht Begründungen.

Begründung des Regierungsentwurfs zu 2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule, Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen

UN-Behinderrechtskonvention umsetzen Voraussetzungen für umfassende schulische Inklusion schaffen

Inklusive Schule Grundlagen Beispiele - Visionen. Förderschulen in Bayern - Darstellung status quo

Entwicklung der Inklusion seit 2011

Inklusive Bildung in Niedersachsen. Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in Schulen. Umsetzung des Artikels 24 der Behindertenrechtskonvention

Inklusive Bildung in Niedersachsen. Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in Schulen. Umsetzung des Artikels 24 der Behindertenrechtskonvention

Herausforderungen durch eine veränderte Schullandschaft

Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer

Hessisches Kultusministerium. Inklusiver Unterricht und sonderpädagogische Förderung in Hessen

Umfrage für Eltern von Kindern an Bonner Förderschulen

Mission Inklusion: Ein Fokus des VBE NRW

Bürgerantrag zur Erarbeitung eines Inklusionsplans

Umsetzung der Inklusion an saarländischen Schulen

Zahlen, Daten und Fakten zur schulischen Inklusion. Andreas Henke Dortmund

Antrag zur Eröffnung des Verfahrens zur Feststellung/Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs ( 19 SchulG AO-SF 11) Schulstempel

Brandenburgische Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Schuljahren 1995/1996 bis 2004/2005

Entwurf Schulgesetznovelle Sachsen. Erste Stellungnahme

Schülerzahlentwicklung seit 1970 nach Schulform

Inklusion auf dem Weg zum gemeinsamen Lernen

Gesetzliche Grundlagen zur Inklusion in Baden-Württemberg. Staatliches Schulamt Donaueschingen

Die Festlegung des sonderpä dägogischen. Fo rderbedärfs und des Fo rderortes

Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer

Inklusion eine Herausforderung für jede Schule

Herzlich Willkommen INKLUSION MACHT (GRUND)SCHULE KITA UND DANN? Informationsveranstaltung 23. September 2014

Michael Schwager. Gesamtschule Köln-Holweide

Umsetzung des Art. 24 UN-Behindertenrechtskonvention in Bayern

Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer

Der Bayerische Weg der Integration durch Kooperation im Lichte der UN - Konvention

Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer

Ziel: Konstruktive Kritik zu den Anregungen und Ideen, damit alle SchülerInnen an der Schule erfolgreich lernen können.

Gemeinsamer Unterricht

Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer

Verfahren und Förderung in der Sekundarstufe II ( 19 Ausbildungsordnung Sonderpädagogische Förderung)

~SACHsEN. Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz Dresden

Gesprächskreis Heterogenität und Bildung in Deutschland 2. Thema: Inklusion

Ministerin Löhrmann: Gutachten liefert kein zutreffendes Bild der Folgekosten für die Kommunen

Claudia Grubmüller Vorsitzende Michaelsweg 20 a Niedermotzing

IQSH-Beratungsstelle für die schulische Bildung von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten in Schleswig-Holstein (BIS-Autismus)

Vorstellung des KsF-Albatros-Schule im Rahmen der Veranstaltung Inklusive Schulentwicklung Schritt für Schritt in die Praxis

UN-Behindertenrechtskonvention Aktionsplan der Landesregierung

ANLAGE 1: Hochschul-Fragebogen

Antrag zur Eröffnung des Verfahrens zur Feststellung/Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs ( 19 SchulG AO-SF 11) Schulstempel

Leitbildentwicklung. zur Erstellung eines Inklusionsplans. für Bildungseinrichtungen im Kreis Kleve

UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen. Bedeutung für die Schule

Vereinbarung zum Förder- und Beratungszentrum Südwestpfalz und zum Angebot der Förderschulen in der Region

Gemeinsames Lernen an der Sternenschule

Bildung für Berlin. Beispiele für Gruppen, die im Bildungsbereich ausgeschlossen oder marginalisiert sind

Sonderpädagogischer Förderbedarf bei Schülerinnen und Schülern in der Stadt Hamm welche Zahlen, Daten und Fakten hat die Landesregierung?

Verbandstag der Lebenshilfe am in Hannover

Auf dem Weg zur inklusiven Bildung in Niedersachsen. Fachtagung. Schulsozialarbeit in Niedersachsen. am 13. November 2013

Vernetzung der Beratung auf Seiten der Leistungserbringer

Inklusion an Berufskollegs und Zukunft der Förderberufskollegs Folgerungen aus den drei Inklusionsgutachten und Planungen des MSW

Sprechzettel von Ministerin Sylvia Löhrmann. für die Kabinettspressekonferenz

Schulentwicklungsplanung Sekundarstufe I Integration / Inklusion

Entscheidungsverfahren zum Anspruch auf sonderpädagogische Förderung

Auf dem Weg zur inklusiven Schule in NRW

Schulische Inklusion in Bayern Erste Ergebnisse der Befragung der allgemeinen Schulen und Förderschulen Lelgemann, Walter Klose & Singer (2015)

STATISTISCHE VERÖFFENTLICHUNGEN DER KUL TUSMINISTERKONFERENZ. Dokumentation Nr Februar Sonderpädagogische

Grundschule mit Schulprofil Inklusion

Übergang Schule - Beruf

Informationen für Eltern und Erziehungsberechtigte

~ SACHsEN. Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz Dresden. Sehr geehrter Herr Präsident,

Workshop 1 Berufskollegs und Inklusion

Exklusion. Theorie der. Regelschule. Bildungsunfähige 4/25. Dr. Carmen Dorrance

Referat Inklusion.

Schriftliche Kleine Anfrage

Berichtsvorlage Nr öffentliche Betreff: Inklusionskonzept für Dinslaken - aktueller Stand -

Referent: Markus Metzeld

Inklusive Schule. Rechtlicher Problemaufriss. RAìn Dr. Christiane Wegricht

Hintergründe und Stand der Inklusionsdebatte in Deutschland

Eine Schule für alle: Bildungssystem und Inklusion

Herzlich willkommen! B. Streese, M. Palm

Auswirkungen der Inklusion auf die Schulentwicklungsplanung

6. Forum Inklusive Gestaltung von Bildungseinrichtungen

Inklusion am Berufskolleg

Inklusion an der Regelschule

Inklusive Bildung. Informationen zum neuen Schulgesetzes für Baden-Württemberg Umsetzung - Abläufe

Sonderpädagogische Förderung

Sonderpädagogische Schülerakte Teil II

UNTERSTÜTZUNGSSYSTEME SIWI

Inklusion an der Staatl. Schulberatungsstelle. Karin Tharandt, Staatl. Schulpsychologin, StRin FS

LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/ Wahlperiode

Im Sozial-Raum Partner finden

Gemeinsames Lernen an der Möhnesee-Schule

UNTERSTÜTZUNGSSYSTEME SIWI

Schulische Inklusion und Gemeinsames Lernen in Bielefeld

Inklusion durch eine Vielfalt schulischer Angebote in Bayern

Transkript:

Inklusive Erziehung und Bildung von Menschen mit Behinderungen als regionale Herausforderung Lokale Untersuchungen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe Johannes Schädler, Ramona Alexandra Hensch, Miriam Rudolf, Elke Jänchen, ZPE, Universität Siegen

Gliederung: der europäische Projektzusammenhang: Pathways to Inclusion (P2I) Forschungsinteresse Methodik Statistische Entwicklungen Online-Befragung Experteninterviews Vorläufige Thesen zu Ergebnissen

EU-Projekt: Pathways to Inclusion Ziel: Erstellung eines Überblicks zur Situation und inklusiver Erziehung in ausgewählten EU- Ländern in Bezug zu Art. 24 der UN BRK Projektpartner: Belgien, Niederlande, Slowenien, Finnland, Österreich, Ungarn, Portugal, Deutschland, Koordinierender Partner: European Asociation of Service Providers (EASPD)

Projektaufgabe 1: Europäisches Inklusions- barometer nach dem SOVD-Modell Umsetzung von Art. 24 BRK ( Inclusive education): - Rechtsgrundlagen - Praxis - Entwicklungsfortschritte

Projektaufgabe 2: Vertiefende Untersuchungen in Projektregionen: OE-SI Fragestellungen: Was sagen statistische Daten über den Stand der inklusiven Erziehung und Bildung aus? Welche Erfahrungen mit inklusiver Erziehung und Bildung konnten in den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein bisher gemacht werden? Wie schätzen relevante Akteure der Region die Perspektiven inklusiver Erziehung und Bildung ein?

Methodik Kombination aus: 1.statistischer Analyse (Schulstatistik), 2.quantitative Forschungsmethode (Online- Befragung) 3.qualitative Forschungsmethode (Experten- Interviews)

Schüler/innen in Förderschulen F nach Förderschwerpunkten 2009/2010 (absolut und Anteil aller Schüler/innen) NRW- (abs.) NRW (rel.) Olpe (abs) Olpe (rel.) Siegen- Wittgenste in (abs) Siegen- Wittgenste in (rel) Emotionale und soziale Entwicklung 11 190 0,51 112 0,58 0 0,00 Geistige Entwicklung 17 692 0,81 173 0,89 250 0,67 Hören und Kommunikation 3 517 0,16 153 0,79 0 0,00 Körperliche und motorische Entwicklung 6 944 0,32 225 1,16 0 0,00 Lernen 44 132 2,03 384 1,98 691 1,86 Schule für Kranke 2 370 2,03 0 0,00 32 0,09 Sehen 2 211 0,10 59 0,30 0 0,00 Sprache 11 915 0,55 230 1,18 192 0,52 Waldorfschule 801 0,04 0 0,00 63 0,17 Gesamt: 100 772 4,63 1336 6,88 1228 3,31

Entwicklung der Segregationsquote in Prozent (2000 2010) 2000/01 2003/04 2006/07 2009/10 NRW 4,13 4,27 4,31 4,53 Primarstufe 3,40 3,48 3,68 4,19 Sekundarstufe I 5,20 5,41 5,46 5,29 Kreis Olpe 5,97 6,39 5,98 6,35 Primarstufe 4,41 4,55 4,66 6,05 Sekundarstufe I 7,78 8,35 7,72 7,73 Kreis Siegen-Wittgenstein 3,17 3,29 3,45 3,22 Primarstufe 2,53 3,15 3,22 3,36 Sekundarstufe I 4,09 3,92 4,30 3,86

Entwicklung der schulischen Integration vom Schuljahre 2000/2001 bis zum Schuljahr 2009/2010 (in absoluten Zahlen) Schuljahr Schuljahr Schuljahr Schuljahr 2000/2001 2003/2004 2006/2007 2009/2010 NRW 8.190 9.767 11.765 16.425 Kreis Olpe 46 46 57 91 Kreis Siegen- Wittgenstein 35 57 109 217

Förderschüler/innen in Integrationsklassen und sonderpäd. Fördergruppen an Regelschulen nach Förderschwerpunkten im Schuljahr 2009/2010 (absolut und bezogen auf die ges. Schülerschaft) NRW (abs.) NRW (rel.) OE (abs.) OE (rel) SI (abs) SI (rel) Emotionale und soziale Entwicklung 3584 0,16 8 0,04 14 0,04 Geistige Entwicklung 621 0,03 -- 22 0,06 Hören und Kommunikation Körperliche und motorische Entwicklung 472 0,02 3 -- 5 0,01 1491 0,07 28 0,14 25 0,07 Lernen 7451 0,34 28 0,14 109 0,29 Sehen 239 0,01 -- -- 4 -- Sprache 2567 0,12 19 0,10 38 0,10 Gesamt: 16.425 0,75 91 0,47 217 0,58

Anzahl der integrativ arbeitenden Einrichtungen Siegen-Wittgenstein 174 Kindertagesstätten: 119 (68%) ermöglichen integrative Erziehung 68 Grundschulen: 29 (43%) ermöglichen integrative Erziehung 50 weiterführende Schulen: 14 (28%) ermöglichen integrative Erziehung Olpe 82 Kindertagesstätten: 51 (62%) ermöglichen integrative Erziehung 42 Grundschulen: 22 (52%) ermöglichen integrative Erziehung 21 weiterführende Schulen: 7 (33%) ermöglichen integrative Erziehung

Die Online-Befragung Um einen umfassenden Überblick über die Erziehungsund Bildungseinrichtungen der beiden Kreise zu erhalten, wurden - Kindertagesstätten - Grundschulen - weiterführende Schulen (jeglicher Art) - Förderschulen - Einrichtungen der außerschulischen Kinder- und Jugendbildung - Erwachsenenbildungseinrichtungen - Berufsschulen um ihre Einschätzungen gebeten

Die Online-Befragung 515 Erziehungs- und Bildungseinrichtungen in SI-WI and OE wurden gebeten an der Befragung teilzunehmen Dafür wurden offizielle Einladungen verschickt Zeitraum: 31 Mai 5 Juli 2010 Die Untersuchung wurde sowohl von den Schulverwaltungen in SI und OE als auch von beiden Kreisverwaltungen offiziell unterstützt

Die Online-Befragung Rücklauf: 223 (43,3%) - 127 Einrichtungen aus Si-Wi und - 96 Einrichtungen aus Olpe

Erfahrungen mit inklusiver Erziehung Fast 80% aller Einrichtungen haben bereits Erfahrungen mit inklusiver Erziehung: ~ 70%: eher positive, ~ 11%: eher negative In 167 (~ 75%) Einrichtungen wird die Thematik aktiv diskutiert 51 Einrichtungen (~ 20%): keinerlei Erfahrungen mit inklusiver Erziehung.

Ressourcen Zusätzliche Unterstützung zur Förderung der Inklusionsmöglichkeiten, insbesondere personell und finanziell erhalten: 85% der Kindertageseinrichtungen 43% der Grundschulen 38% der weiterführenden Schulen

Ressourcen ~ 40% aller Einrichtungen: nicht genügend Personal Über 50%: Räumlichkeiten müssen umgebaut / angepasst werden ~ 63%: Weiterbildungsmaßnahmen notwendig Grundsätzlich: konzeptionelle Veränderungen wichtig

Kooperationsbeziehungen Viele Einrichtungen pflegen wenige bis gar keine Kooperationsbeziehungen zu anderen Einrichtungen bzgl. der Inklusion von Menschen mit Behinderungen Fast 50% sind nicht in fachlichen Netzwerken in den Kommunen vertreten hohes Maß an institutionellem Selbstbezug, mehr Nebeneinander statt Miteinander!

Perspektiven und Planungsabsichten Fast 30% Erziehungs- und Bildungseinrichtungen in Si-Wi und knapp 50% in OE erwarten in näherer Zukunft einen höheren Bedarf an inklusiven Angeboten Daher planen: - 38% konzeptionelle Veränderungen - 41% Fort- und Weiterbildung des Personals - 16% Fachpersonal einzustellen - 15% bauliche Veränderungen - 32% Anschaffung von speziellen Fördermaterialien - z.t. eine engere Zusammenarbeit mit verschiedenen Therapeuten

Perspektiven Die meisten Einrichtungen halten es nicht für möglich, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre 80-90% aller Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regeleinrichtungen unterrichtet werden. Mehr als 50%: die aktuelle Situation lässt dies nicht zu zu wenig Personal, bauliche Barrieren, zu wenig Unterstützung seitens der Politik, zu wenig finanzielle Unterstützung, etc. Viele: Die Etablierung eines inklusiven Erziehungs- und Bildungssystems benötigt wesentlich mehr Zeit! Viele: Ein Teil der Förderschulen sollte erhalten bleiben, aber mit verändertem Konzept

Die Experteninterviews 16 Experten aus folgenden Einrichtungen und Diensten wurden im Zeitraum von Mai bis August 2010 interviewt: - Schulaufsichtsbehörde - Frühförderstellen / Sozialpädiatrisches Zentrum - Jugendamt - Kindergartenfachberatung - Förderschulen - allgemeine Erwachsenenbildungseinrichtung - Agentur für Arbeit - Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen - Behindertenbeauftragter

Vorläufige Thesen zu Situation und Perspektiven inklusiver Erziehung in den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein: