Prozess- und Projektmanagement Konfigurations- und Änderungsmanagement 2011 Manfred Bauer
Bei jedem Projekt ergeben sich während des Projektablaufes Änderungen im Liefer- und Leistungsumfang. Diese Änderungen können im "Prozess der Erkenntnisgewinnung", aufgrund von Planungsfehlern oder durch Einflüsse von außen erforderlich werden. Jede Änderung hat Einfluss auf Kosten, Termine oder Qualität. Damit das Projekt nicht durch unkontrollierte Änderungen außer Kontrolle gerät, ist es erforderlich, grundlegende Methoden des Konfigurations- und Änderungsmanagements zu kennen. 2
Es ist von Bedeutung, gleich beim Projektstart die Regeln für Änderungen und deren Dokumentation festzulegen, damit die Ziele Qualität, Kosten und Termine steuerbar bleiben. Zu den Regeln gehören auch die Festlegungen, wer welche Unterlagen erstellen, prüfen und freigeben darf. In vielen Fällen sind diese Abläufe unternehmensintern geregelt, es ist aber auch von Bedeutung, diesen Prozess für externe Projektbeteiligte auf das Projekt bezogen festzulegen. Das Projektmanagement-Handbuch gibt teilweise Festlegungen vor. Anmerkung: Es müssen projektbezogene Festlegungen ggf. aus dem Projektvertrag getroffen und im Projekt-Handbuch festgeschrieben werden. 3
Konfiguration Begriff Die Produkt-Dokumentation entspricht dem Produkt. DIN EN ISO 10 007 Konfiguration: Funktionelle und physische Merkmale eines Produktes, wie sie in seinen technischen Dokumenten beschrieben und im Produkt verwirklicht sind. 4
Abgrenzung: Änderungsmanagement = Change Control Bezieht sich auf das Projekt bzw. Produkt Veränderungsmanagement = Management of Change Bezieht sich auf Veränderungen im Projektumfeld 5
Historie Situationen, die zur Entwicklung des KM führten: 1. Termin- und Kostenüberschreitungen durch unkontrollierte Änderungen. 2. Technische Systeme mit unterschiedlichen Schnittstellen und Entwicklungsstadien. 3. Unterschiedliche Produkt- und Systemgenerationen bestehen nebeneinander. 6
Notwendigkeit zur Anwendung von KM: Um die Flut von fachlich-inhaltlichen, technischen u. administrativen Konzeptionen sowie Änderungen während des Projektablaufes zu bewältigen, ist die Einführung eines KM unerlässlich. 7
Notwendigkeit zur Anwendung von KM KM ist ein Frühwarnsystem: Das KM unterwirft Änderungen einem formalen Genehmigungsprozess, der die Auswirkungen rechtzeitig transparent macht. 8
KM liefert die Gewähr, dass die zur Endabnahme kommende Konfiguration bekannt und dokumentiert ist, nur unvermeidliche Änderungen genehmigt werden, alle Vertragsziele (Konstruktionsziele) im Produkt verwirklicht werden, der Projektleiter jederzeit weiß, wann, wie und warum Änderungen erfolgt sind und welchen Einfluss diese auf Kosten, Termine, Vertrag haben, sich verschiedene Auftragnehmer an einheitliche Praktiken halten, jeder Projektbeteiligte den aktuellen Konfigurationsstand kennt bzw. nachvollziehen kann, Mängel und fehlerhafte Teile und Leistungen zurückverfolgt werden können. 9
Zusammenspiel von Konfigurations-, Dokumenten- und Änderungsmanagement Was ist festgelegt? Passt das alles zusammen? = Konfigurationsmanagement Wo ist was mit welchem Stand dokumentiert? = Dokumentationsmanagement Warum wird was geändert und wer hat/wie ist das dokumentiert? = Änderungsmanagement Was ist vereinbart? = Vertragsmanagement Welche Auswirkungen haben die Änderungen auf das Projektergebnis (Dreieck) = Projectcontrolling 10
Zusammenspiel von Konfigurations-, Dokumenten- und Änderungsmanagement Abstimmung von Daten und Fakten = Konfigurationsmanagement Verwaltung von Unterlagen = Dokumentationsmanagement Aktualisieren von Daten/Fakten in Unterlagen = Änderungsmanagement Bereitstellung von Daten und Fakten Projektinformationsmanagement (nach DIN 69905) Projektteam Stakeholder 11
Teilgebiete des KM KM ist in vier Teilgebiete untergliedert die Konfigurationsüberwachung die Konfigurationsidentifizierung die die Konfigurationsbuchführung die Konfigurationsauditierung 12
Konfigurations-Überwachung Dokumentation von Anlass und Begründungen von Änderungen. Beurteilung von Änderungsauswirkungen. Genehmigung oder Ablehnung von Änderungen. Bearbeitung von Sonderfreigaben vor oder nach der Realisierung. Überlappung von Konfigurationsmanagement mit dem Änderungsmanagement. KM = Abstimmen von Daten und Formen ÄM = Aktualisieren von Daten und Fakten 13
Konfigurations-Identifizierung Auswahl der Bezugs- und Referenzkonfiguration. Dokumentation der physischen und funktionellen Merkmale in einer eindeutig gekennzeichneten Konfigurationsdokumentation. Regeln zur Identifizierung vor, während und nach der Realisierung. Formalisierte Vereinbarungen, die mit den genehmigten Änderungen die aktuell vereinbarte, d.h. gültige Konfiguration darstellen. 14
Konfigurations-Identifizierung Unterlagen Identifizierung: formale = Festlegung der Unterlagenart fachlich-inhaltliche = Was ist in den Unterlagen enthalten Konfigurationseinheiten = die Unterlagen, die in einer Phase zu betrachten sind Produktdokumentation = betrachtet auch Lastenheft und externe Vorschriften, z.b. Lagervorschriften etc. Die Unterlagen müssen eindeutig gekennzeichnet sein Die Schnittstellen sind zu beschreiben 15
Konfigurations-Buchführung Erfüllt die Forderungen nach Rückverfolgbarkeit von Einzeländerungen, z.b. für Änderungen, die durch staatliche Behörden genehmigt werden müssen. Überschneidung von Konfigurationsbuchführung und Dokumentationsmanagement. Dokumentationsmanagement = Verwaltung von Unterlagen 16
Konfigurations-Auditierung Funktionsbezogenes Audit Formale Prüfung, ob die in der Konfigurationsdokumentation festgelegten Leistungen und funktionellen Merkmale erreicht sind. Abnahmeprotokoll, Leistungsnachweis Physisches Audit Entspricht die Ist-Konfiguration den Konfigurationsdokumenten as Built Status der Ausführungsunterlagen 17
Woran wird eine Konfigurationsänderung gespiegelt? An der Bezugskonfiguration (Referenzkonfiguration) Was sind Bezugskonfigurationen? Alle Dokumente, die die Definition eines Produkts zu einem festgelegten Zeitpunkt darstellen, z.b. Lastenheft, Pflichtenheft, Terminpläne etc. 18
Zeitpunkt für Bezugskonfigurationen In der Angebotsphase und entsprechend des Projektfortschritts können neuere Unterlagen/Dokumente als neue Baseline für kommende Arbeiten festgelegt werden, z.b. Design Freeze nach dem Engineering, nach sonstigen Projektphasen, nach vereinbarten Meilensteinen. 19
KM und Claimmanagement Konfigurationsmanagement unterstützt das Claimmanagement: Jeder Projektbeteiligte kann aus seiner Sicht Änderungen veranlassen. Sind diese kosten-, termin- oder qualitätswirksam und beeinflussen sie vertragliche Festlegungen, so sind sie nach Genehmigung vertragswirksam. Das Claimmanagement oder Nachforderungsmanagement übernimmt auf Basis der Konfigurationsbuchhaltung die Handhabung eventueller daraus resultierender finanzieller Forderungen. Oder die Claimabwehr 20
Zusammenspiel von Konfigurations-, Dokumenten- und Änderungsmanagement Was ist festgelegt? Passt das alles zusammen? = Konfigurationsmanagement Wo ist was mit welchem Stand dokumentiert? = Dokumentationsmanagement Warum wird was geändert und wer hat/wie ist das dokumentiert? = Änderungsmanagement Was ist vereinbart? = Vertragsmanagement Welche Auswirkungen haben die Änderungen auf das Projektergebnis (Dreieck) = Projectcontrolling 21
Ursachen für Projektfehlschläge Fachliche-Inhaltliche Änderungen Übersicht geht verloren Konsistenzprobleme d.h. welche Version von A funktioniert mit welcher Version von B, gerade bei Software. Managementfehler Konzeptänderungen 22
Änderungsmanagement ist für die Überwachung und Steuerung von Änderungen verantwortlich, die identifiziert, beschrieben, klassifiziert, bewertet, genehmigt, durchgeführt und verifiziert werden. 23
Zusammenspiel von Konfigurations-, Dokumenten- und Änderungsmanagement Abstimmung von Daten und Fakten = Konfigurationsmanagement Verwaltung von Unterlagen = Dokumentationsmanagement Aktualisieren von Daten/Fakten in Unterlagen = Änderungsmanagement Bereitstellung von Daten und Fakten Projektinformationsmanagement (nach DIN 69905) Projektteam Stakeholder 24
Merkmale von Änderungen 1. Abweichung von etwas vorher Festgelegtem (Bezugskonfiguration). 2. Werden durch einen Anlaß ausgelöst. 3. Müssen einen Zweck haben. 4. Betreffen inhaltliche Projektziele, z.b. Zusatzleistungen. 5. Betreffen Vorgehensziele, z.b. Kürzung des Budgets. 6. Müssen mit Hilfe der Ablauforganisation zurückverfolgt werden können. 7. Verursachen in der Regel zusätzliche Kosten. 25
Merkmale von Änderungen 8. Werden notwendig durch: Eigenverschulden Fremdverschulden Kundenwunsch Auflagen, z.b. Sicherheitsgesetze Neue technische Entwicklungen Erkenntnisse nehmen zu etc. 26
Gestaltung des Änderungsverfahrens Nur kontrollierte Änderungen (Erfassung/Beantragung) Änderungsprozess schnell durchlaufen (Damit alle Beteiligten zeitnah informiert sind) Aktueller Stand immer darstellbar, inklusive Historie 27
Hauptschritte des Änderungsmanagements Veranlassung und Beantragung Änderungsantrag mit Begründung für die Änderung und Auswirkung betrachten. Bewertung und Genehmigung Überprüfung und Stellungnahme der betroffenen Stellen d.h. akzeptieren oder ablehnen. Einführung und Durchführung Umsetzen der Entscheidung und im Rahmen von KM überprüfen ob Papier und Produkt identisch sind. 28
Änderungsmanagementstelle Verwaltet die Vorschläge, prüft die Angaben und bereitet die Sitzungen des Änderungsausschusses vor, falls dies nicht im Projektteam erfolgt. Anmerkung: Bei kleineren Projekten sollten alle Änderungsbegehren über den Projektmanager freigegeben werden, dazu gehört auch die Freigabe von Revisionsläufen der unterschiedlichsten Unterlagen wie Zeichnungen und Spezifikationen etc. 29
Änderungsmanagementstelle Änderungsmanagementstelle Einzelaufgaben: identifizieren: Was ist der Anlass der Änderung? inhaltlich Was und ablaufbezogen Wie beschreiben klassifizieren: Welche Folgeänderungen werden verursacht? bewerten: Welcher Nutzen? Wie wird dieser gemessen? durchführen: Welche neuen Termine, Kosten? verifizieren: Ist der Nutzen eingetreten? 30
Zusammenspiel von Konfigurations-, Dokumentenund Änderungsmanagement Änderungen Dokumentation Konfiguration Konfiguration Dokumentation Änderungen 31
Arbeitshilfen zur Vorlesung Prozess- und Projektmanagement Die zur Verfügung gestellten Dokumente/ Präsentationen lehnen sich weitgehend an das entsprechende Kapitel des PMF an. Es handelt sich um eine Arbeitshilfe für Studierende und nicht um ein zitierfähiges Werk mit entsprechendem Copyright. Büdingen 29.3.2009 Manfred Bauer 32