6. Indonesienreise vom 17. bis 22. März Vortrag im Rahmen des Kolloquiums. Vortragsthema: Verfassungsrechtliche Verfahren bei der Überprüfung

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Transkript:

Dr. Siegfried Broß Dr. h.c. Universitas Islam Indonesia - UII - Yogyakarta Richter des Bundesverfassungsgerichts a.d. Honorarprofessor an der Universität Freiburg im Breisgau Ehrenvorsitzender der Deutschen Sektion der Internationalen Juristen-Kommission e.v. und der Juristischen Studiengesellschaft Karlsruhe 6. Indonesienreise vom 17. bis 22. März 2011 Vortrag im Rahmen des Kolloquiums Vortragsthema: Verfassungsrechtliche Verfahren bei der Überprüfung von Gesetzen (Normenkontrollklage) durch das Bundesverfassungsgericht in der Bundesrepublik Deutschland I. Einführung 1. Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland kennt zwei Arten der Normenkontrolle, für deren Entscheidung das Bundesverfassungsgericht ausschließlich zuständig ist. Es entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit der Verfassung oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrecht auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Art. 93 Abs. 1

- 2 - Nr. 2 GG) sowie über die Vorlage von Gerichten gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG. Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetz handelt. 2. Der wesentliche Unterschied der Struktur beider Normprüfungsverfahren liegt darin, dass es sich bei der abstrakten Normenkontrolle um ein objektives Verfahren handelt, das heißt, die Antragsteller brauchen durch die zur Prüfung gestellte Norm nicht betroffen zu sein, während die konkrete Normenkontrolle auf Vorlage eines Gerichts nur im Rahmen eines bei diesem Gericht anhängigen Rechtsstreits ausgelöst werden kann und durch den Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits beschränkt ist.

- 3 - II. Einzelheiten 1. Abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in Verbindung mit 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG a) Bemerkenswert ist in Bezug auf die abstrakte Normenkontrolle zunächst der beschränkte Kreis der möglichen Antragsteller, nämlich Bundesregierung, eine Landesregierung oder der Deutsche Bundestag. In diesem Zusammenhang ist unter Bundesregierung das Kollegium von Bundeskanzler und Bundesministern gemäß Art. 62 GG zu verstehen, während der Bundeskanzler allein trotz seiner Richtlinienkompetenz nach Art. 65 GG nicht antragsbefugt ist. Wer unter Landesregierung zu verstehen ist, ob also das Kollegium wie auf Bundesebene oder möglicherweise auch ein Ministerpräsident allein richtet sich nicht nach den Regeln des Grundgesetzes, sondern nach der jeweiligen Landesverfassung. Es verwundert nicht, dass der Bundesrat als Vertretung der Länder (Art. 50 GG) nicht unter den Antragstellern aufgezählt ist. Da jedes Land allein eine abstrakte Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht in die Wege leiten kann, bedurfte es insoweit keiner Berücksichtigung des Bundesrates. In Bezug auf den Deutschen Bundestag bedarf der besonderen Hervorhebung, dass hier ein gehobenes Quorum seiner Mitglieder erforderlich ist. Es bedarf wenigstens eines Drittels seiner Mitglieder.

- 4 - Hieran ist einiges bemerkenswert. Zunächst ist ein Drittel der Mitglieder des Bundestags gemeint (Art. 121 GG und nicht die zufällig im Plenum anwesende Zahl von Abgeordneten). Das kann bei Koalitionen im Alltag der Bundesrepublik Deutschland bedeuten, dass die Opposition nicht über dieses Quorum verfügt. Insoweit ist der Schutz der parlamentarischen Minderheit, der im Verfahren des noch zu behandelnden Organstreits der wesentliche Grundgedanke ist, abgeschwächt. Das allerdings hat seinen guten Sinn, weil andernfalls der rechtsstaatlich demokratische Gesetzgebungsprozess nicht mehr effektiv gehandhabt werden könnte, wenn zahlenmäßig beliebige Gruppierungen den Antrag auf Einleitung einer abstrakten Normenkontrolle stellen könnten. Das bedeutet keine Schwächung oder gar mögliche Beschädigung des Rechtsstaatsprinzips. Wird nämlich ein so umstrittenes Gesetz, ohne dass sich das Quorum für eine abstrakte Normenkontrolle bilden könnte, im Rechtsalltag durch Anwendung relevant, wird das Rechtsstaatsprinzip verfahrensmäßig flankiert durch die nachfolgend zu behandelnde konkrete Normenkontrolle und die Möglichkeit von Betroffenen, nach rechtskräftigem Abschluss des Gerichtszuges Verfassungsbeschwerde zu erheben. Gegenstand einer solchen Verfassungsbeschwerde wäre dann inzident die nunmehr konkret auf einen

- 5 - Anwendungsfall bezogene Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. b) Zulässig ist ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle wenn, Bundes- oder Landesrecht 1. wegen einer förmlichen oder sachlichen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht für nichtig gehalten oder 2. für gültig gehalten wird, nachdem ein Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder ein Organ des Bundes oder eines Landes das Recht als unvereinbar mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht nicht angewendet hat. Gegenstand des Verfahrens ist sonach alles Bundes- und Landesrecht, unabhängig davon, welchen Rang (Gesetz oder Rechtsverordnung), ob geschrieben oder ungeschrieben (Gewohnheitsrecht), bloß formeller oder bloß materieller Natur, ob nach- oder vorkonstitutioneller Art ist. Hingegen ist eine vorbeugende (präventive) Normenkontrolle grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme hiervon gilt für Zustim-

- 6 - mungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen, wenn nur noch die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und die Verkündung fehlen. Diese Ausnahme rechtfertigt sich deshalb, weil andernfalls für die Bundesrepublik Deutschland die völkerrechtliche Verbindlichkeit eingetreten wäre und deshalb ein verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz entweder ins Leere liefe oder aber die Bundesrepublik Deutschland im Falle einer negativen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts völkerrechtlich in erhebliche Schwierigkeiten geraten würde. Außer kraft getretene Normen können Antragsgegenstand sein, soweit sie noch Rechtswirkungen haben (vgl. BVerfGE 100, 249 <257>). aa) Zulässige Antragsgegenstände sind zum Beispiel für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge; Geschäftsordnungen der Verfassungsorgane; Haushaltsgesetze; Landesverfassungsrecht; primäres europäisches Unionsrecht als Inhalt des Zustimmungsgesetzes; Rechtsverordnungen; Satzungen; Parlamentsbeschlüsse, soweit sie wie bei landesrechtlichen Zustimmungsbeschlüssen zu Staatsverträgen funktionell an die Stelle von Gesetzen treten; verfassungsändernde Gesetze; Zustimmungsgesetze zu Staatsverträgen und zu völkerrechtlichen Verträgen.

- 7 - bb) Unzulässige Antragsgegenstände sind zum Beispiel Besatzungsrecht; DDR-Recht, soweit es nicht nach Maßgabe des Einigungsvertrags fortgilt; Kirchenrecht; sekundäres europäisches Unionsrecht; dagegen sind zulässige Prüfungsgegenstände Normensetzungsakte von Bund oder Ländern zur Umsetzung sekundären Unionsrecht, soweit die deutschen Normsetzer einen Gestaltungsspielraum haben; Verwaltungsvorschriften; Völkerrecht, soweit es nicht gemäß Art. 25 GG unmittelbar geltendes Bundesrecht ist. c) Die abstrakte Normenkontrolle erfordert ein objektives Klarstellungsinteresse dahingehend, ob die Norm verfassungsgemäß ist. Im Fall des Nr. 1 von 76 Abs. 1 BVerfGG reicht letztlich der Antrag aus, weil hierin schon mehr als konkludent die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, die jedenfalls der Antragsteller hat, ausgedrückt wird. Mehr kann nicht gefordert werden, weil schon der begrenzte Kreis der Antragsteller nebst dem gehobenen Quorum für eine Gruppe von Mitgliedern des Deutschen Bundestags Sperrwirkung für eine beliebige Antragstellung in sich birgt. Des Weiteren muss man sehen, dass bei der abstrakten Normenkontrolle nicht subjektive Interessen des antragstellenden Verfassungsorgans oder Teilen desselben inmitten ste-

- 8 - hen, sondern dass diese Antragsteller ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Rechtsstaatsprinzips nachkommen. Im Falle der Nr. 2 ergibt sich das objektive Klarstellungsinteresse daraus, dass mit dem Vollzug eines Gesetzes betraute Organe des Bundes oder eines Landes wie auch ein Gericht sich dem verweigert haben, weil sie das Gesetz für verfassungswidrig halten und damit die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers insoweit infrage stellen. d) Die abstrakte Normenkontrolle unterliegt keiner zeitlichen Begrenzung. Der Antrag kann solange gestellt werden, wie die angegriffene Norm in Kraft ist oder fortwirkt. Der Grund hierfür liegt darin, dass es um die Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung und damit um die Achtung des Rechtsstaatsprinzips geht. Damit wäre eine zeitliche Begrenzung für das Stellen des Antrags unvereinbar. 2. Konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG Zweck der Vorlagepflicht ist, die Autorität des unter der Herrschaft des Grundgesetzes tätig gewordenen parlamentarischen Gesetzgebers zu wahren und zu verhindern, dass sich jedes einzelne Gericht über dessen Willen hinwegsetzt, indem es die von ihm erlassenen Ge-

- 9 - setze nicht anwendet (BVerfGE 97, 117 <122>). Zudem sollen durch allgemeinverbindliche Klärung verfassungsrechtlicher Fragen divergierende Entscheidungen der Gerichte, Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung verhindert werden (BVerfGE 63, 131 <141>). Schließlich hat die konkrete Normenkontrolle auch das Ziel, das Rechtsstaatsprinzip im Einzelfall zu verwirklichen; denn durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Verfahren soll in einem konkreten Verfassungsrechtsstreit eine verfassungsgemäße Entscheidung gewährleistet werden. b) Die Vorlagepflicht besteht für jedes Gericht, das solche Zweifel hegt. Keinesfalls liegt es in seinem Ermessen. Andernfalls würde die Verfassung verletzt, weil eben auch - wie oben zur abstrakten Normenkontrolle ausgeführt - das Rechtsstaatsprinzip zu beachten ist und die konkrete Normenkontrolle solche Konstellationen flankiert, in denen das gehobene Quorum für die Einleitung eines Verfahrens der abstrakten Normenkontrolle nicht erreicht wird. c) Wichtig ist im Alltag, dass die beim Bundesverfassungsgericht für die Prüfung von Verfassungsbeschwerden und Vorlagen von Gerichten eingerichteten Kammern, die durch einstimmigen Beschluss

- 10 - Gesetzesvorlagen durch Gerichte verwerfen dürfen, wenn sie unzulässig sind, für den Fall ausgeschlossen ist, dass der Antrag von einem Landesverfassungsgericht oder von einem Obersten Gerichtshof des Bundes gestellt wird ( 81a BVerfGG). Das zu dem in diesem Kreis schon früher diskutierten Verhältnis von Verfassungsgericht zu Oberstem Gerichtshof. III. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Über Normenkontrollen - unabhängig ob abstrakt oder konkret - entscheidet das Bundesverfassungsgericht dahin, ob die angegriffene Norm nichtig ist mit der Folge der sofortigen Unanwendbarkeit. Des Weiteren ist denkbar, dass lediglich eine Unvereinbarerklärung ausgesprochen sowie eine Frist für eine Neuregelung gesetzt wird. Besondere Beachtung verdient das Verhältnis von verwerfender Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einer schon eingetretenen Rechtskraft von Gerichtsurteilen. Gemäß 79 Abs. 1 BVerfGG ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozessordnung zulässig gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach 78 BVerfGG für nichtig erklärte Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz

- 11 - erklärt worden ist. Im Übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des 95 Abs. 2 BVerfGG (Urteilsverfassungsbeschwerde, sonach keine endgültige Rechtskraft) oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß 68 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Allerdings ist die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung unzulässig. Ist die Vollstreckung schon durchgeführt, sind Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung zur Rückabwicklung des rechtskräftigen Gerichtsurteils ausgeschlossen 79 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG.