Fehlzeitenreport 2012 Krankheits- und unfallbedingte Fehlzeiten in Österreich Thomas Leoni Wien 24.10.2012
Inhalte der Präsentation 1. Eckdaten des Krankenstandsgeschehens im Lichte der jüngsten Krankenstandsstatistik 2. Krankenstand und Unternehmenskultur
1. Geringfügiger Anstieg der Krankenstandsquote in 2011 5.5 Krankenstandstage in % des Jahresarbeitsvolumens 5.0 4.5 4.0 3.5 Männer Insgesamt Frauen 3.0 2.5 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 Hauptaussagen Anstieg betraf die Frauen (2011: 13,5 KST; 2010: 13 KST) stärker als die Männer (2011: 12,9 KST; 2010: 12,8 KST) Langfristig niedriges KS-Niveau, mittelfristig Anstieg seit 2006 Demographische Entwicklung wirkt leichten Druck auf die KS-Quote aus Q: HSV; WIFO-Berechnungen
Weitere Zunahme der Kurzkrankenstände (in der Statistik) 450 Kurzkrankenstände je 1.000 Versicherte 400 350 300 250 200 150 ArbeiterInnen Angestellte 100 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 Hauptaussagen Inzidenz und Anteil von Kurzkrankenständen (bis 3 Tage) steigt ungebrochen unterschiedliche Ursachen möglich Kurzkrankenstände haben auch nach Berücksichtigung der Untererfassung in der Statistik einen geringen Anteil am Fehlzeitenvolumen Q: HSV; WIFO-Berechnungen
Weitere stylized facts aus dem Krankenstandsgeschehen Der Krankenstand wird heute vor allem von den Krankheiten des Skelettes, der Muskeln und des Bindegewebes und jenen der oberen Atemwege geprägt. Ein klarer Aufwärtstrend ergibt sich weiterhin für die Häufigkeit von psychischen Erkrankungen, dagegen sind Verletzungen, vor allem jene die auf Arbeitsunfälle zurückgehen, rückläufig. Unterschiede in der Krankenstandsquote nach sozialrechtlicher Stellung (ArbeiterInnen vs. Angestellte) und Wirtschaftssektor bleiben ausgeprägt, haben sich aber in den letzten Jahren deutlich verringert. Salzburg ist nach wie vor das Bundesland mit den geringsten Fehlzeiten, 2011 lag die Krankenstandsquote 20% unter dem österreichischen und 30% unter dem niederösterreichischen Wert. Q: HSV; WIFO-Berechnungen
2. Unternehmenskultur und Krankenstand Was verstehen wir unter Unternehmenskultur? Unternehmenskultur kann nach Schein (1995) als das weitgehend implizite, selbstverständliche Muster gemeinsamer Werte und Prämissen verstanden werden, das die Mitglieder einer Organisation bei der Bewältigung von Anpassungs- und Integrationsproblemen erlernt haben, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt. Die Unternehmenskultur prägt den organisatorischen Rahmen, in dem sich die betrieblichen Akteure bewegen, sie durchdringt alle wesentlichen Prozesse und Abläufe und beeinflusst die Entscheidungen der Akteure und ihr gegenseitiges Verhalten.
Wie wirkt sich die Unternehmenskultur auf Gesundheit und Krankenstände aus? Unterschiedliche Transmissionsmechanismen bestimmen den Einfluss der Unternehmenskultur auf die Gesundheit. Direktes Verhältnis: dort, wo im Unternehmen die Gesundheit der Beschäftigten explizit angesprochen wird. Einen indirekten Einfluss übt die Unternehmenskultur über zwischengelagerte Faktoren wie Motivation, Identifikation und Arbeitszufriedenheit auf die Gesundheit aus.
Unterschiedliche kausale Effekte der Arbeitsumgebung Arbeitsumgebung Aufgabe Arbeitsmittel Physische Arbeitsumgebung Soziale Arbeitsumgebung Psychische Belastung Individuum Psychische Beanspruchung Aktivierung Aufwärmeffekt Psychische Ermüdung Monotonie Herabgesetzte Wachsamkeit Psychische Sättigung Ermüdungsähnliche Effekte Fördernde Effekte Beeinträchtigende Effekte
Elemente einer gesundheitsfördernden Unternehmenskultur Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF), die bestimmten Kriterien (z.b. Ganzheitlichkeit) entspricht und durch ein betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) gesteuert wird. Darüber hinaus sind folgende Elemente der Unternehmenskultur für die Gesundheit der Beschäftigten besonders relevant: Qualität der sozialen Interaktion, Qualität der Führung und Ausmaß an Partizipation.
Empirische Zusammenhänge zwischen Unternehmenskultur und Krankenstand (bivariat) Krankenstandstage im Jahr 0 5 10 15 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 Führungsqualität Krankenstandstage im Jahr 0 2 4 6 8 0,00 0,06 0,13 0,19 0,25 0,31 0,38 0,44 0,50 0,56 0,63 0,69 0,75 0,82 0,88 0,94 1,00 Entscheidungsspielraum Krankenstandstage im Halbjahr 0 5 10 15 1 2 3 4 5 Zufriedenheit mit Führungsstil Krankenstandstage im Halbjahr 0 5 10 1 2 3 4 5 Zufriedenheit mit Entscheidungsspielraum Krankenstandstage im Jahr 0 5 10 15 20 0,00 0,08 0,17 0,25 0,33 0,42 0,50 0,58 0,67 0,75 0,83 0,92 1,00 Unterstützung Krankenstandstage im Jahr 0 5 10 15 0,00 0,08 0,17 0,25 0,33 0,42 0,50 0,58 0,67 0,75 0,83 0,92 1,00 Gratifikation Krankenstandstage im Halbjahr 0 5 10 15 20 25 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 Unterstützung Krankenstandstage im Halbjahr 0 5 10 15 1 2 3 4 5 Zufriedenheit mit Mitsprache EWCS Daten für EU27 AKI/AGM Daten für Österreich
Empirische Zusammenhänge zwischen Unternehmenskultur und Krankenstand (multivariat) Psychosoziale Belastungen** Körperliche Belastungen** Mangelnde Unterstützung** Zufriedenheit mit Mitsprache Zufriedenheit mit Entscheidungsspielräumen AKI/AGM Daten für Österreich Zufriedenheit mit Führungsstil* -1.0 0.0 1.0 2.0 Abweichung von den durchschnittlich 7,5 Krankenstandstagen pro Jahr Mehr Kontrolle als Anforderung Körperliche Belastung** Gratifikation** Unterstützung** Entscheidungsspielraum EWCS Daten für EU27 Führungsqualität** -1.0 0.0 1.0 2.0 Abweichung von den durchschnittlich 7 Krankenstandstagen pro Jahr
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Es stellt sich nicht die Frage, ob betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) sinnvoll ist, sondern wie sie gestaltet werden muss, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen (Partizipation, Ganzheitlichkeit, Integration, Fokus auf Gesundheit, Einbettung in die längerfristige Unternehmensplanung und strategie). Theorie und Empirie zeigen, dass Arbeitskräfte, die ihr betriebliches Umfeld negativ beurteilen, deutlich überdurchschnittliche Krankenstandsquoten und einen schlechten (subjektiven) Gesundheitszustand aufweisen. Eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur kann über BGF hinaus einen allgemeinen Beitrag zur Stärkung der individuellen Ressourcen und zur Verbesserung von gesundheitlichen Indikatoren im Betrieb leisten. Veränderungsprozesse in Richtung einer gesundheitsfördernden Unternehmenskultur sollten gleichzeitig bei den MitarbeiterInnen und Führungskräften ansetzen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass insbesondere kleine- und mittelgroße Unternehmen (KMUs) bei der Ausrichtung ihrer Unternehmenskultur an mitarbeiterorientierte und gesundheitsfördernde Ziele einer gezielten Unterstützung bedürfen. Trotz der großen Bedeutung der Unternehmen und ihrer Kultur als Faktor zur Förderung von Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit sind gesunde Organisationen eine notwendige, aber nicht eine hinreichende Bedingung für eine gesunde Erwerbsbevölkerung.