Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Qualität beruflicher Bildung durch kooperatives Lernen (WS 03) Entwicklung von Teamkompetenz Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Modellversuch "Kooperatives Lehren und Lernen in typischen Lernsituationen (KOLLT)" Dr. Ina Pieringer, Sächsisches Staatsministerium für Kultus Daniel Hauswald, Sächsisches Bildungsinstitut Torsten Hofmann, Karl-Heine-Schule - Berufliches Schulzentrum der Stadt Leipzig 1. Zur Einordnung Die Umsetzung der lernfeldstrukturierten KMK-Rahmenlehrpläne der Berufsschule und der Rahmenvorgaben für die Berufsfachschule sind eine Herausforderung, der sich die Lehrkräfte vor Ort stellen müssen. Grundlage der Umsetzung der lernfeldstrukturierten Vorgaben ist die didaktisch-methodische Gestaltung des handlungsorientierten Unterrichts, Zielstellung die Entwicklung von beruflicher Handlungskompetenz in den Dimensionen Fach-, Sozial- und Humankompetenz. Während die Vermittlung der Fachkompetenz schon recht gut gelingt, muss der Vermittlung von Humankompetenz und Sozialkompetenz künftig noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zudem wird eingeschätzt, dass weitere Erfahrungen bei der Bewertung von Kompetenzen gesammelt werden müssen. Für beide Problemkreise wird in Sachsen der Modellversuch Kooperatives Lehren und Lernen in typischen Lernsituationen (KOLLT) durchgeführt. Die Ergebnisse dieses Modellversuches sollen den Lehrkräften neben Arbeitsmaterialien, begleitender Lehrerfortbildung und Unterstützungssystemen (wie Fachberater, Trainer für Unterrichtsentwicklung) eine weitere Unterstützung für die Gestaltung des lernfeldstrukturierten Unterrichts geben. Zielstellung des Modellversuches ist die Entwicklung, Erprobung und Evaluation von Lernsituationen zum kooperativen Lernen für Berufe des gewerblich-technischen und des sozialpflegerischen Bereiches in den Schularten Berufsschule und Berufsfachschule. Schwerpunktmäßig wird untersucht, wie Lernsituationen zu gestalten sind, die besonders geeignet sind, Teamkompetenz, zu vermitteln. Die Konzepte beziehen sich sowohl auf die Lernenden als auch auf die Lehrenden. Insofern soll im Modellversuch ein Trainer-Konzept zur Weiterentwicklung der Teamkompetenz der Lehrkräfte erarbeitet und umgesetzt werden. Ein weiteres Kernziel ist die Entwicklung, Erprobung und Evaluation von geeigneten Verfahren/Instrumenten zur Erfassung und Bewertung von Teamkompetenz. Dazu wurden im Modellversuch KOLLT Instrumente zur Erfassung von Teamfähigkeit bei Schülern entwickelt. Diese Instrumente wurden im Rahmen eines Forschungsprojektes des Modellversuchs- Programms SKOLA auch in anderen Modellversuchen erprobt. Damit bestand die Möglichkeit, den Probandenkreis zu erweitern. Die Ergebnisse dieser länderübergreifenden Erprobung der Instrumente... sollen wiederum in den einfließen. Der Problemkreis "Erfassung und Bewertung von Teamkompetenz" wird in diesem Beitrag nicht weiter betrachtet. Dennoch wird auf folgende Aspekte hingewiesen: - Lernfeldarbeit erfordert eine prozessbezogene Leistungsbewertung, d. h. der Weg zum Ergebnis ist in die Bewertung einzubeziehen. - "Kooperatives Lernen" und "Teamarbeit" erfordern Gruppen- und Einzelbewertungen. Der Grundsatz der individuellen Leistungsbewertung bleibt jedoch bestehen.
2 - Bei der Leistungsbewertung ist nicht nur die Fachkompetenz zu berücksichtigen, sondern auch die Sozial- und Humankompetenz. 2. Zur Entwicklung von Teamkompetenz Lernfeldarbeit ist Teamarbeit. Das gilt sowohl für die Lernenden als auch für die Lehrenden! Die Teamkompetenz der Lehrenden ist eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Lernfeldkonzeptes. Für die Umsetzung der Ziele und Inhalte der Lernfelder im Unterricht sind grundsätzlich die fachliche und die didaktisch-methodische Abstimmung und damit das kooperative Zusammenwirken aller am Bildungs- und Erziehungsprozess beteiligten Lehrkräfte notwendig. Die Teamkompetenz der Lernenden muss sich an den Erfordernissen der Arbeitswelt orientieren. Berufliches Arbeiten verläuft häufig kooperativ. Berufliche Bildung muss somit einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung durch Ausprägung von Human- und Sozialkompetenz leisten. Die Vermittlung von beruflicher Handlungskompetenz steht im Mittelpunkt der Ausbildung. Die Entwicklung von Teamkompetenz ist ein Prozess, d. h. Teamkompetenz muss schrittweise entwickelt werden. 2.1 Begriffsklärung Im Ergebnis einer umfangreichen Literaturrecherche ist Teamkompetenz für KOLLT: - ein Element der Sozialkompetenz, - das Endergebnis und damit das Ziel, - "nachgewiesene Teamfähigkeit". Insofern wurde für die weiteren Untersuchungen im der Begriff "Teamfähigkeit" definiert: Teamfähigkeit zeigt sich nach KOLLT in einer kooperativen Interaktion zwischen den Beteiligten, mit der Einordnung der eigenen Interessen in das gesetzte Ziel, durch Übernahme einer (definierten) Rolle, mit dem Ziel der engagierten und verantwortungsbewussten Bearbeitung und Lösung von Arbeitsaufgaben und Konflikten, durch die Fähigkeit, eigenes und fremdes Handeln sowie das Handeln der Gruppe zu reflektieren und in der Teilung von Ressourcen und Nutzung von Synergieeffekten. Im Mittelpunkt steht die Bearbeitung der beruflichen Arbeitsaufgabe / der beruflichen Problemstellung / des didaktisch-methodisch aufbereiteten Lernauftrages. Lernhandlung Teamgeplante Lehrer Lernauftrag Absprache im Team über das Vorgehen Einzel- bzw. Absprache im Team über Teilergebnisse Ergebnis Lehrer Partnerarbeit der Lehrer initiiert die Lernhandlung, indem er orientiert, reguliert und kontrolliert Abb.1: Grundstruktur kooperativen Lernens
3 Beim kooperativen Lernen nach KOLLT sind die didaktisch aufbereiteten beruflichen Arbeitsaufgaben und Problemstellungen durch die Lernenden gemeinsam im Team zu bewältigen, um einen gestellten Lernauftrag erfolgreich auszuführen und ein gesetztes Lernziel zu erreichen. 2.2 Berufliche Arbeitsaufgabe und Lernauftrag Die Suche nach der beruflichen Arbeitsaufgabe erfordert die Analyse der beruflichen Tätigkeiten sowie die Analyse der Planungsunterlagen. Die Umsetzung der Lernfelder erfolgt durch die Konkretisierung in Lernsituationen durch didaktische Reflexion der beruflichen Handlungssituationen. Die Lernsituation schafft den Rahmen für eine vollständige Lernhandlung. Eine kooperative Lernsituation setzt den Rahmen für eine gemeinsame, vollständige Handlung. 2.3 Entwicklung der Teamfähigkeit der Lernenden Die Entwicklung der Teamfähigkeit der Lernenden wird am Beispiel einer kooperativen Lernsituation aus KOLLT dargestellt (siehe Abb. 2, Seite 5). Bei der Lernsituation werden die Phasen der vollständigen Handlung berücksichtigt. Diesen Phasen werden Ziele/Kompetenzen, bei kooperativen Lernsituationen insbesondere die Sozialkompetenz, zugeordnet. Zudem werden für die einzelnen Phasen der Handlung Lernaufgaben abgeleitet. Nach KOLLT werden für die Entwicklung der Teamfähigkeit der Lernenden u. a. folgende Empfehlungen gegeben: - angemessenes Anspruchsniveau an die Problemstellung anstreben - Gruppenregeln aufstellen, vertraut sein mit den Gruppenregeln, Gruppenregeln einhalten - Rollen beschreiben, Rollenverteilung klar regeln - zu häufige Interventionen vermeiden - gruppenadressierte Intervention durchführen - Pufferzeiten einplanen - Wechsel von Einzel- und Gruppenarbeit Die Lernprogression ergibt sich bei aufeinander aufbauenden Lernsituationen durch die Erhöhung der Freiheitsgrade für die Lernenden. Sie führt sukzessive zu einer Zunahme der Selbstständigkeit bei der Handlungsausführung und damit zu einer Handlungskompetenz des Einzelnen für die erfolgreiche Ausführung eines Lernauftrages. Bei der Entwicklung von kooperativen Lernsituationen sollten nach KOLLT folgende Schritte berücksichtigt werden: 1. Analyse der Planungsunterlagen 2. Ableitung von Lernsituationen für das Lernfeld 3. Bestimmung der Ziele für die Lernsituation auf der Grundlage der Ziele des Lernfeldes 4. Operationalisierung der Ziele 5. Formulierung der beruflichen Problemstellung 6. Klärung der notwendigen Lernvoraussetzungen 7. Festlegung des Handlungsergebnisses 8. Ableitung geeigneter Lernaufgaben 2.4 Entwicklung der Teamfähigkeit der Lehrenden Kooperatives Lehren heißt in KOLLT: Gemeinsam im Team didaktische Aufgaben und Probleme bewältigen, um Lernhandlungen zu initiieren.
4 Für die Entwicklung von Teamfähigkeit der Lehrenden sind nach KOLLT förderlich: - Motivation zur Aktivierung der Teambereitschaft u. a. Bildung von Lehrerteams, Ermittlung des Teamentwicklungsbedarfs - Modulare Trainings zur Teamentwicklung - Gemeinsame Vorbereitung bestimmter Lernsituationen - Gemeinsame Reflexion der durchgeführten Lernsituationen - Planen von Zeiten für gemeinsame Arbeiten der Lehrkräfte in der Schule - Unterstützung durch Trainer für Unterrichtsentwicklung Im Ergebnis wurde im ein Trainer-Konzept zur Weiterentwicklung der Teamkompetenz der Lehrkräfte erarbeitet. 3. Ausblick Zum Abschluss des Beitrages wird der Bogen gespannt vom zu den "Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004)". Diese Standards beschreiben die Anforderungen an das berufliche Handeln der Lehrkräfte. Sie beziehen sich somit auf die Kompetenzen, über die eine Lehrkraft zur Bewältigung der beruflichen Anforderungen verfügt. Es können z. B. Bezüge hergestellt werden zwischen - dem Kompetenzbereich Unterrichten und der Entwicklung der Teamfähigkeit der Lernenden/der Entwicklung der KOLLT-Lernsituationen, - den Kompetenzbereichen Erziehen und Beurteilen und der Beurteilung der Teamfähigkeit nach KOLLT, - dem Kompetenzbereich Innovieren und der Entwicklung der Teamfähigkeit der Lehrenden/dem KOLLT-Trainer-Konzept. Die Standards gelten für die Lehrerbildung, sollten aber auch in der Lehrerfortbildung berücksichtigt werden.
5 Phase der Handlung Lernaufgabe Fachkompetenz Humankompetenz Sozialkompetenz Methoden- und Lernkompetenz Die Schüler und Schülerinnen Analysieren/ Informieren Erfassen Sie die komplexe Aufgabenstellung in Ihren Gruppen. Werten Sie Kundenwünsche aus. ermitteln die Kundenwünsche gehen mit Kundendaten verantwortungsvoll um tauschen Erfahrungen aus erarbeiten sich die wesentlichen Inhalte der Texte Planen Führen Sie eine Kundenbedarfsanalyse durch. kennen: die wichtigsten Vorschriften (DIN, VdS) Meldertypen kennen die Rolle in der Gruppenarbeit sind vertraut mit den Regeln bei der Zusammenarbeit in einer Gruppe können den Kundenwunsch mit betrieblichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Möglichkeiten abstimmen Entscheiden Legen Sie die Verteilung der Arbeitsthemen und Verantwortlichkeiten in Ihrer Gruppe fest. beurteilen den eigenen Lösungsvorschlag entscheiden über das Vorgehen Durchführen/ Ausführen Bearbeiten Sie Ihre individuellen Arbeitsthemen. Stellen Sie die Ergebnisse zusammen und dokumentieren Sie Ihren Arbeitsprozess. Präsentieren Sie Ihre Teamlösung im Plenum. platzieren Melder/ Zentrale setzen Dokumentationsformen um erläutern das Angebot dem Kunden halten die Zielvereinbarung ein übernehmen individuelle Verantwortung können aktiv zuhören kommunizieren unter Verwendung von Fachbegriffen wenden Gruppenregeln an führen ein Gruppengespräch stimmen ihr Vorgehen untereinander ab Bewerten/ Kontrollieren Werten Sie die vorgestellten Lösungen aus. halten Normen, Richtlinien, Kundenwünsche und kostenoptimale Lösung ein bewerten das eigene Arbeitsergebnis selbstkritisch bewerten die Präsentation anhand der aufgestellten Kriterien Reflektieren/ Auswerten Reflektieren Sie Ihren gesamten Arbeitsprozess. reflektieren eigenes Sozialverhalten reflektieren das Sozialverhalten anderer bewerten ihre Fähigkeit, als Gruppe zusammenzuarbeiten Abb. 2: Operationalisierung der Ziele (an ausgewählten Beispielen - nach KOLLT)