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Transkript:

Universität Freiburg 8.11.2016

Kapital 2. Konvergenz 1. Grenzwerte von Folgen Definition 1.1 (Folge) Eine Folge reeller Zahlen ist eine Abbildung N R, n a n. a n heißt das n-te Glied der Folge, die Folge insgesamt wird mit (a n ) n N bzw. kurz mit (a n ) bezeichnet. Oft wird die Folge durch das Bildungsgesetz angegeben, durch Aufzählen der ersten Folgenglieder oder durch die rekursive Definition definiert.

Zum Beispiel ist die Folge der Quadratzahlen gegeben durch a n = n 2, bzw. alternativ aufzählend a n = 1, 4, 9, 16,. Beispiel 1.1 (Folge der Fibonaccizahlen) Ist a 1 = 0 und a 2 = 1, und für n 3 ist a n durch die Rekursionsvorschrift a n := a n 1 + a n 2 gegeben. Beispiele Folge (a n ) n N ) mit folgenglieder a n a n = a, a R (Konstante Folge) a n = 1/n. (Harmonische Folge) a n = q n (Geometrische Folge) a n = ( 1) n

Definition 1.1 (Konvergenz von Folgen) Die Folge (a n ) n N konvergiert mit n gegen a R, falls gilt: Zu jedem ε > 0 gibt es ein N R, so dass für alle n > N gilt: a n a < ε. Die Zahl a heißt dann Grenzwert der Folge und wir schreiben kurz lim n a n = a oder a n a für n. (gelesen: a n strebt gegen a für n gegen unendlich) Eine Folge (a n ) n N heißt konvergent, wenn es ein a R gibt, das Grenzwert der Folge ist; andernfalls heißt die Folge divergent. Mit den Quantoren (für alle), (existiert) und (daraus folgt) lässt sich die Definition der Konvergenz auch wie folgt fassen: ( ) ε > 0 N R : n > N a n a < ε.

Beispiel 1.2 (Harmonische Folge) Die Folge a n = 1/n konvergiert gegen a = 0. Beweis: Zu gegebenem ε > 0 wählen wir N = 1/ε, und es folgt für alle n > N a n a = 1/n 0 = 1/n < 1/N = ε. Je kleiner die geforderte Abweichung ε > 0 vom Grenzwert und damit die Genauigkeit der Approximation sein soll, desto größer muss im allgemeinen die Zahl N in der Definition des Grenzwerts gewählt werden, d.h., wie in obigem Beispiel hängt N von ε ab, N = N(ε). Eine Ausnahme bildet hier nur die konstante Folge.

Beispiel 1.3 (Konstante Folge) Ist a n = a für alle n N, so folgt lim n a n = a. Beweis: Denn für ε > 0 gilt a n a = 0 < ε für alle n > 0, also können wir immer N = 0 wählen. Übrigens ist es egal, ob in der Definition des Grenzwerts statt N R die Bedingung N N verlangt wird, denn wir können statt N R ja immer die nächstgrößere natürliche Zahl nehmen. Überhaupt kann N immer vergrößert werden, und in der Regel besteht kein Interesse daran, dass kleinstmögliche N(ε) N mit a n a < ε für n N(ε) zu finden.

Beispiel 1.4 (Geometrische Folge) Sei q R mit q < 1. Wir betrachten (a n ) = (q n ). lim n q n = 0. Dann gilt Beweis: Um das zu zeigen, können wir q 0 voraussetzen und haben dann 1/ q > 1, also gilt 1/ q = 1 + x für ein x > 0. Es folgt mit der Bernoulli-Ungleichung, Satz 2.2 im Kapital 1, q n 0 = q n = 1 (1 + x) n 1 1 + nx 1 nx < ε für alle n > 1/(εx). Wir können also N = 1/(εx) wählen.

Beispiel 1.5 (divergente Folge) Die Folge a n = ( 1) n, also a n = 1, 1, 1,... ist nicht konvergent. Beweis: Angenommen es wäre lim n a n = a für ein a R. Zu ε = 1 gibt es dann ein N R mit a n a < 1 für n > N, also gilt für n > N ein Widerspruch. 2 = a n a n+1 = a n a + a a n+1 a n a + a a n+1 < 1 + 1 = 2,

Der Begriff des Grenzwerts wird anschaulicher, indem wir folgende Teilmengen von R einführen. Definition 1.3 (ε-umgebung) ε-umgebung von a R ist die Menge U ε (a) := {x R : x a < ε} = {x R : a ε < x < a + ε}. Eine Folge (a n ) n N konvergiert genau dann gegen a R, wenn die Folgenglieder ab einer gewissen Nummer in der ε-umgebung von a liegen, egal wie klein ε > 0 gewählt ist.

Satz 1.1 (Eindeutigkeit des Grenzwerts) (a n ) n N konvergent ist, so ist ihr Grenzwert eindeutig bestimmt. Beweis: Wir beginnen mit einer Vorüberlegung, und zwar behaupten wir 0 < 2ε a a U ε (a) U ε (a ) =. (1.1) Denn ist x U ε (a) U ε (a ), so folgt mit der Dreiecksungleichung a a = a x + x a x a + x a < 2ε. Seien nun a, a R Grenzwerte der Folge (a n ) n N. Zu jedem ε > 0 gibt es dann N, N R mit a n U ε (a) für n > N, sowie a n U ε (a ) für n > N. Wäre a a, so wählen wir ε = 1 2 a a > 0 und erhalten für n > max(n, N ) ein Widerspruch. a n U ε (a) U ε (a ) =,

Unser nächstes Ziel ist es, einige Rechenregeln für Grenzwerte zu erarbeiten. Wir beginnen mit der Definition 1.4 (Beschränktheit von Folgen) Eine Folge (a n ) n N heißt a) nach oben (bzw. nach unten) beschränkt, wenn es ein K R gibt mit a n K (bzw. a n K) für alle n N. b) beschränkt, wenn sie nach oben und nach unten beschränkt ist. Beispiel 1.6 Die Folge a n = n ist nach unten beschränkt, denn es ist zum Beispiel a n 0 für alle n. Sie ist aber nicht nach oben beschränkt: angenommen, es gibt ein K R mit a n K für alle n N. Dann ist K a 1 = 1 > 0, also auch 1/K > 0, und nach Archimedes (A3) gibt es ein n N mit 1/n < 1/K, also a n = n > K, ein Widerspruch.

Satz 1.2 (konvergent beschränkt) Jede konvergente Folge ist beschänkt. Beweis: Sei lim n a n = a. Wähle zu ε = 1 ein N R mit a n a < 1 für n > N. Wir können N N annehmen, andernfalls ersetzen wir N durch die nächstgrößere natürliche Zahl. Es gilt dann n > N a n = a n a + a a n a + a < 1 + a n N a n max( a 1,..., a N ). Wir haben also a n K für alle n, wobei K = max( a 1,..., a N, 1 + a ). Bemerkung. beschränkt konvergente.

Satz 1.3 (Rechenregeln für Grenzwerte) Es gelte a n a, b n b mit n. a) Für alle λ, µ R ist (λa n + µb n ) n N konvergent mit Grenzwert lim n (λa n + µb n ) = λa + µb. b) Die Folge (a n b n ) n N ist konvergent mit Grenzwert lim n (a n b n ) = a b. c) Falls b 0, so gibt es ein N 0 R mit b n 0 für n > N 0 und die Folge (a n /b n ) n>n0 ist konvergent mit Grenzwert lim n a n /b n = a/b.

Beweis: Wir beginnen mit dem Beweis von b). Nach Satz 1.2 gibt es ein K > 0 mit a n K für alle n N, und außerdem mit b K. Dann gilt für alle n N a n b n ab = a n b n a n b + a n b ab a n b n b + a n a b K( a n a + b n b ). Zu ε > 0 gibt es nun ein N R mit a n a < ε/(2k) sowie b n b < ε/(2k) für n > N. Also folgt für n > N ( ε a n b n ab < K 2K + ε ) = ε. 2K Für a) reicht es wegen b), den Fall λ = µ = 1 zu betrachten. Zu ε > 0 gibt es ein N R mit a n a < ε/2 und b n b < ε/2 für n > N. Es folgt für n > N (a n +b n ) (a+b) = (a n a)+(b n b) a n a + b n b < ε 2 + ε 2 = ε.

Für c) können wir uns auf den Fall a n = b = 1 beschränken, denn sonst schreiben wir a n b n = a n b 1 b n mit b n = b n b und wenden b) an. n > N 0, also Es gibt nun ein N 0 R mit b n 1 1 2 für b n = 1 (1 b n ) 1 1 b n 1 2 > 0. Damit ist die erste Aussage gezeigt. Zu ε > 0 wähle weiter N N 0 mit 1 b n < ε/2 für n > N, und somit 1 1 b n = 1 b n < 2 ε 2 = ε. b n

Hier zwei Anwendungen der Rechenregeln für Grenzwerte. Beispiel 1.7 (Grenzwerte rationaler Funktionen) Seien p, q : R R Polynome vom Grad m, n N 0, das heißt für alle x R gilt p(x) = a m x m + a m 1 x m 1 +... + a 0 und q(x) = b n x n + b n 1 x n 1 +... + b 0, wobei a i, b j R mit a m, b n 0. Wir bestimmen im Fall m n das Verhalten von p(k)/q(k) für k, und zwar liefert mehrfache Anwendung der Konvergenzregeln in Satz 1.3 p(k) q(k) = a km n m + a m 1 k 1 +... + a 0 k m b n + b n 1 k 1 +... + b 0 k n { a m /b n falls m = n, 0 falls m < n.

Beispiel 1.8 (geometrische Reihe) Für 1 < q < 1 betrachten wir die Folge a n = 1 + q +... + q n = n k=0 qk. Dann ergibt sich aus Beispiel 2.2 im Kapital 1, Beispiel 1.4 und Satz 1.3 lim a n = lim n n n k=0 q k 1 q n+1 = lim n 1 q Wir schreiben hierfür auch k=0 qk = 1/(1 q). = 1 1 q. Definition 1.5 Folgen, deren Folgenglieder Summen sind, heißen Reihen. Die Reihen spielen eine große Rolle in der Analysis und werden in Kürze ausführlicher untersucht.

Satz 1.4 (Grenzwerte und Ungleichungen) Seien (a n ) n N und (b n ) n N konvergent, mit Grenzwerten lim n a n = a und lim n b n = b. Dann gelten folgende Aussagen: a) Ist a n b n für alle n, so folgt a b. b) Gilt c a n d für alle n mit c, d R, so folgt c a d. c) Ist a n c n b n und gilt a = b, so konvergiert auch die Folge (c n ) n N gegen a = b.

Beweis: Nach Voraussetzung gibt es zu jedem ε > 0 ein N R mit a n > a ε und b n < b + ε für alle n > N. Die Voraussetzung in a) liefert dann a ε < b + ε beziehungsweis (a b)/2 < ε für jedes ε > 0, also a b. Aussage b) folgt unmittelbar aus a), indem wir c, d als konstante Folgen auffassen. Unter den Voraussetzungen in c) folgt für n > N die Ungleichungskette a ε < a n c n b n < b + ε = a + ε, also lim n c n = a nach Definition des Grenzwerts. Achtung: aus a n < b n folgt nicht a < b, sondern nur a b. Die Striktheit von Ungleichungen geht beim Übergang zu Grenzwerten im allgemeinen verloren. Zum Beispiel gilt 1/n > 0 für alle n N, aber lim n 1/n = 0.

Beispiel 1.9 (n-te Wurzel) Hier betrachten wir für a > 0 und n N die Gleichung x n = a. Es gibt höchstens eine Lösung x > 0, denn für x, y > 0 mit x > y folgt x n > y n, oder x, y > 0 und x n y n x y. Die Existenz der Lösung wird im nächsten Kapitel aus dem Vollständigkeitsaxiom hergeleitet. Damit gibt es genau eine Lösung x > 0, die mit a 1/n oder n a bezeichnet wird, und es gilt a, b > 0 und a b a 1/n b 1/n. (1.2) Wir behaupten nun lim n a1/n = 1.

Beweis: Für a 1 ist a 1/n 1 nach (1.2). Wir setzen ξ n = a 1/n 1 0 und schließen aus der Bernoulli-Ungleichung, a = (1 + ξ n ) n 1 + nξ n 0 ξ n (a 1)/n. Also folgt lim n ξ n = 0 bzw. lim n a 1/n = 1 mit Satz 1.4 c). Für a < 1 gilt ( a 1/n (a 1 ) 1/n) n = a a 1 = 1 a 1/n = 1 (a 1 ) 1/n, und die Behauptung folgt aus dem vorigen Fall mit Satz 1.3 c).

Definition 1.6 (Uneigentliche Konvergenz) Die Folge (a n ) n N konvergiert uneigentlich (oder divergiert bestimmt) gegen +, falls gilt: Zu jedem K > 0 gibt es ein N R, so dass a n > K für alle n > N. Wir schreiben lim n a n = + oder a n + mit n. Uneigentliche Konvergenz gegen ist analog definiert.

Beispiel Für q > 1 gilt lim n q n = +. Denn zu gegebenem K > 0 gibt es nach Beispiel 1.4 ein N R mit (1/q) n < 1/K für n > N, also q n > K für n > N. Insgesamt haben wir für das Verhalten der Folge q n mit n folgende Tabelle: q > 1 lim n q n = +, q = 1 lim n q n = 1, 1 < q < 1 lim n q n = 0, q 1 (q n ) nicht konvergent. Der Fall 1 < q < 1 wurde in Beispiel 1.4 behandelt, und der Fall q 1 folgt mit etwas Überlegung aus Beispiel 1.5 (Übung). Für eine Folge mit a n > 0 für alle n ist lim n a n = + äquivalent zu lim n 1/a n = 0 (Übungsaufgabe).

Zum Schluss dieses Abschnitts führen wir noch folgende Bezeichnungen für Teilmengen von R ein: (a, b) = {x R : a < x < b} [a, b] = {x R : a x b} [a, b) = {x R : a x < b} (a, b] = {x R : a < x b} I = b a für ein Intervall I offenes Intervall abgeschlossenes Intervall rechtsseitig offen, linksseitig abgeschlosse linksseitig offen, rechtsseitig abgeschlosse Intervalllänge Hierbei sind + und als offene Intervallgrenzen zugelassen, zum Beispiel ist (, 1] = {x R : < x 1}. Den ε-umgebungen bei der Definition der Konvergenz entsprechen bei uneigentlicher Konvergenz gegen + die Intervalle (K, + ): ab einem gewissen Index müssen alle Folgenglieder in (K, + ) liegen, egal wie groß K gewählt ist.