Altenhilfe Tübingen ggmbh 1
18. Gerontopsychiatrische Arbeitstagung Auswirkungen der Pflegereform 2008 für die Demenzversorgung in Baden-Württemberg Stefanie Lohrmann (Dipl. Betriebswirtin/ Krankenschwester) Geschäftsführerin der Altenhilfe Tübingen ggmbh 2
Pflege-Weiterentwicklungsgesetz PfWG Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung trat zum 01.07.2008 in Kraft 3
Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Stationäre Leistungen für Demenzkranke 4
87b SGB XI/ 45b SGB XI Betreuungsassistenz in der stationären Versorgung Für die zusätzliche Betreuung von pflegebedürftigen Personen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf werden von den gesetzlichen und den privaten Pflegekassen zusätzliche Betreuungskräfte finanziert. Über die Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit hinaus sollen die BewohnerInnen zusätzlich betreut und aktiviert werden. Lt. Gesetzesbegründung soll hiermit eine Verbesserung der Demenzbetreuung im Heim erreicht werden. 5
87b SGB XI/ 45a SGB XI Der Begründung des Gesetzesentwurf folgend, ist für je 25 demenziell erkrankte Heimbewohner eine Betreuungskraft vorgesehen (Personalschlüssel 1:25). Die Feststellung der Anspruchsgrundlage obliegt dem MDK und erfolgt nach den Kriterien des 45a SGB XI. Berechtiger Personenkreis: Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung + Erheblicher, dauerhafter Bedarf allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung 6
87b SGB XI/ 45a SGB XI 1. Pflegebedürftige der Pflegestufen I, II und III sowie 2. Personen, die einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung haben, die nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht. + demenzielle Fähigkeitsstörungen, geistige Behinderungen oder psychische Erkrankungen wo der MDK im Rahmen der Begutachtung als Folge der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens festgestellt hat, die dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz geführt haben. 7
87b SGB XI/ 45a SGB XI Für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich ist, sind folgende Schädigungen und Funktionsstörungen maßgebend: Die Alltagskompetenz ist erheblich eingeschränkt wenn der Gutachter des MDK bei dem Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus den Bereichen 1-9, dauerhafte und regelmäßige Schädigungen oder Funktionsstörungen feststellt. 1-9 z.b.: unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereichs, im situativen Kontext inadäquates Verhalten, Störung des Tag- /Nacht-Rhythmus 10-13 z.b.: Unfähigkeit,eigenständig den Tagesablauf zu planen 8
87b SGB XI/ 45a SGB XI Die zusätzlichen Leistungen sollen nicht durch Pflegefachkräfte sondern durch Betreuungsassistenten erbracht werden, die in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen müssen. Der Einsatz von HelferInnen unter pflegefachlicher Anleitung soll lt. Gesetzesbegründung ausreichen. Bis zum 31.08.2008 muss der Spitzenverband Bund der Pflegekassen verbindliche Richtlinien zur Qualifikation und zu den Aufgaben der Betreuungskräfte beschließen. Die Finanzierung erfolgt über einen Vergütungszuschlag zur Pflegevergütung den das Pflegeheim direkt mit den Pflegekassen abrechnet. D.h., der Bewohner selbst als auch die Sozialhilfeträger wird nicht mit Kosten belastet werden. 9
Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Ambulante Leistungen für Demenzkranke 10
45a SGB XI/ 45b SGB XI Ambulante Leistungen für Demenzkranke Personen im häuslichen Bereich mit einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz, deren Hilfebedarf nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht (sog. Nuller) haben zukünftig in gleicher Weise wie eingestufte Personen (Pflegestufe I-III+) einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistung. Berechtigter Personenkreis: Menschen mit dementieller oder psychischer Erkrankung oder einer geistigen Behinderung Bei der Prüfung der Pflegebedürftigkeit hat der MDK automatisch auch das Vorliegen einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz nach 45a SGB XI zu prüfen. 11
45a SGB XI/ 45b SGB XI Ab 01.07.2008 steigt der Betreuungsbetrag von bisher jährlich 460 auf 100 (Grundbetrag) bzw. 200 (erhöhter Betrag) pro Monat. Personen mit einem vergleichweise geringem allg. Betreuungsaufwand erhalten den Grundbetrag, Personen mit einem im Verhältnis dazu höherem allgemeinen Betreuungsaufwand erhalten den erhöhten Betrag. Einzelheiten über die Zuordnung zu einer der beiden Gruppen werden von den Spitzenverbänden der Pflegekassen auf Bundesebene im Rahmen von Richtlinien noch festgelegt. Hierfür gibt es keine konkreten Termine bis wann diese Richtlinien vorliegen müssen. 12
45a SGB XI/ 45b SGB XI Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Betreuungsleistungen. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen: - der Tages- oder Nachtpflege - der Kurzzeitpflege - der zugelassenen Pflegedienste sofern es sich um ein Angebot der allg. Anleitung und Betreuung handelt (nicht für Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung) - der nach Landesrecht anerkannten, niederschwelligen Leistungsangebote die nach 45c gefördert oder förderfähig sind - der niederschwelligen Betreuungsangebote, die vom Pflegestützpunkt vermittelt werden 13
45c SGB XI Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen Zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und Versorgungskonzepte insbesondere für demenzkranke Pflegebedürftige fördern die Spitzenverbände der Pflegekassen im Wege der Anteilsfinanzierung aus Mitteln des Ausgleichsfonds mit 25 Mio je Kalenderjahr (bisher 10 Mio) den Auf- und Ausbau von niederschwelligen Betreuungsangeboten. Der Zuschuss ergänzt eine Förderung durch das jeweilige Land oder die jeweilige Gebietskörperschaft. Der Zuschuss wird jeweils in gleicher Höhe gewährt, wie der des Landes oder der Gebietskörperschaft und beträgt damit zukünftig insgesamt ein Fördervolumen von 50 Mio (bisher 20 Mio) pro Jahr. 14
45d SGB XI Förderung ehrenamtl. Strukturen sowie der Selbsthilfe Die soeben dargelegten Fördermittel können zukünftig auch für den Auf- und Ausbau verwendet werden von: - Gruppen ehrenamtlich/ bürgerschaftlich Tätiger - Selbsthilfegruppe, -organisationen - u. Kontaktstellen die sich der Unterstützung von Pflegebedürftigen mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf sowie derer Angehöriger zum Ziel gesetzt haben. Zu den Einzelheiten der Förderung wird es eine Bundesempfehlung der Pflegekassen geben, die Landesregierungen werden das Nähere über die Umsetzung der Empfehlungen durch Rechtsverordnung bestimmen. Zeitpunkt: zeitnah 15
Sonstige Regelungen Sonstige Neuregelungen im ambulanten Bereich Schriftliche Mitteilung des Begutachtungsergebnisses des Einstufungsverfahrens durch die Pflegekassen an den Versicherten sollen zukünftig bei der häuslichen Pflege + Inanspruchnahme von Pflegezeit binnen 2 Wochen nach Antragseingang erfolgen. Zukünftig besteht auch ein Anspruch auf halbjährliche Beratungseinsätze in der Häuslichkeit für Personen der Stufe 0, wenn Leistungen nach 45b SGB XI bezogen werden. 16
Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Verbesserungen für Angehörige (auch Demenzkranker) 17
39 Satz 2 SGB XI Leistungen der Verhinderungspflege Zur weiteren Stärkung der häuslichen Pflege wird die Wartezeit für die erstmalige Inanspruchnahme der (Urlaubs bzw.) Verhinderungspflege durch eine Pflegeperson von bisher 12 auf 6 Monate verkürzt (Zeitraum, in der der Pflegebedürftige in der häuslichen Umgebung gepflegt wurde). Verhinderungspflege ist die Möglichkeit bis zu 4 Wochen im Jahr während der Verhinderung der Pflegeperson auf Kosten der Pflegekasse eine Ersatzpflegekraft in Anspruch zu nehmen. 18
2 PfegeZG Anspruch auf kurzfristige Freistellung Beschäftigte, die kurzfristig die Pflege eines nahen Angehörigen organisieren oder übernehmen müssen, haben gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit für bis zu 10 Tage (pro Pflegefall einmal). Voraussetzung: Aufgrund des Akutereignisses plötzlich auftretender Pflegebedarf (mindestens Pflegestufe I). Der Beschäftigte muss die kurzzeitige Arbeitsverhinderung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitteilen. Auf Verlangen des Arbeitgebers muss der Beschäftigte eine ärztl. Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen und die Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung vorlegen. 19
3 und 4 PfegeZG Anspruch auf Pflegezeit Anspruch für nahe Angehörige auf eine Arbeitsfreistellung für bis zu 6 Monaten - vollständig oder teilweise (ab PS I). Für einen kürzeren Zeitraum als 6 Monate in Anspruch genommene Pflegezeit kann bis zur Höchstdauer von 6 Monaten verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Spätestens 10 Tag vor Inanspruchnahme muss der Arbeitgeber informiert werden. Mitteilung über Zeitraum, Umfang und bei teilweiser Inanspruchnahme über die Verteilung der Arbeitszeit, die schriftlich festgelegt werden muss. Vorlage einer Bescheinung der Pflegekasse oder des MDK. 20
3 und 4 PfegeZG Die Pflegezeit endet ausnahmsweise ohne Zustimmung des Arbeitgebers, wenn der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig (Umzug ins Heim, Tod) oder die häusliche Pflege für den nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar ist. Der nahe Angehörige muss Leistungen aus der PV erhalten und darüber hinaus mindestens 14 Stunden/ Woche in der häuslichen Umgebung gepflegt werden, dann werden von der Pflegekasse die Beiträge für die RV übernommen. Grundsätzlich kann ein Beschäftigter mehrmals Freistellungen von der Arbeit nach dem Pflegezeitgesetz in Anspruch nehmen (also zunächst eine kurzfristige Freistellung und danach eine Pflegezeit). 21
2, 3 und 4 PfegeZG Als nahe Angehörige gelten nach 7 Abs. 3 PflegeZG: - Großeltern - Eltern - Schwiegereltern - Ehegatten - Lebenspartner - Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft - Geschwister - Kinder - Adoptiv- oder Pflegekinder - Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners - Schwiegerkinder - Enkelkinder 22
Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Weitere Neuerungen 23
Anhebung der Leistungsbeträge 24
Kombination von Tagespflegeleistungen mit weiteren Leistungen Erleichterung der gleichzeitigen Inanspruchnahme von Sachleistungen (Pflege durch einen Ambulanten Dienst) nach 36 SGB XI oder Pflegegeld (Pflege in der Häuslichkeit wird selbst organisiert bzw. erbracht) nach 37 SGB XI und Leistungen für die Tagespflege 100% Tagespflegeleistungen plus 50% Pflegesachleistungen oder Pflegegeld (oder umgekehrt!!!) Neu: Bis zu 150% Leistungsanspruch bei kombinierten Leistungen aus dem Ambulanten Dienst + Tagespflege 25
Kombination von Tagespflegeleistungen mit weiteren Leistungen 26
Kombination von Tagespflegeleistungen mit weiteren Leistungen Kombination von Tagespflege mit Sachleistungen/ Pflegegeld: Beispiel I: Pflegebedürftiger der Pflegestufe II: - Tagespflege 980 (100%) - Pflegesachleistung 490 (50%) Beispiel II: Pflegebedürftiger der Pflegestufe II: - Tagespflege 980 (100%) - Pflegesachleistung 294 (30%) Der Pflegebedürftige schöpft hier die 150% nicht voll aus, die restlichen 20% können noch über ein anteiliges Pflegegeld beansprucht werden. 27
Pflegestützpunkte und Pflegeberater Die Entscheidung, ob es Stützpunkte geben soll, tragen die Länder Aufgaben: Auskunft und Beratung, Koordination von Unterstützungsbedarfe, Schaffung kostenträgerübergreifender Versorgungs- und Betreuungskonzepte Pflegeberater Ab 2009 hat jeder Versicherte den Anspruch gegenüber seiner Pflegekasse auf einen Pflegeberater Aufgaben: Feststellung des Hilfebedarfs sowie die Sicherung passgenauer Hilfen im Einzelfall + ggf. Nachsteuerung bzw. Anpassung des Hilfebedarfs (individueller Versorgungsplan) 28
Poolen von ambulanten Leistungen Bei Wohngemeinschaften, die ambulant versorgt werden, ist das POOLEN (zusammenfassen) von Leistungen (Pflegeund Betreuungsleistungen) möglich. Leistungen können von Pflegebedürftigen gemeinsam als Sachleistungen in An- Spruch genommen werden. Finanzierung Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung wird ab 01.07.2008 von 1,7% auf 1,95% angehoben (bei Kinderlosen von 1,95% auf 2,2%) 29