Catarina Schock Klinik für Internistische Onkologie und Hämatologie Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Regensburg Leitung Prof. Dr. med. E.-D. Kreuser
Begriffsdefinition Fatigue Französisch: Fatigue = Müdigkeit, Erschöpfung In England/USA: cancer related Fatigue (CRF) Abgrenzung vom chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) bei anderen chronischen Erkrankungen
Inzidenz Häufig: Betrifft ca. 70% der Patienten während der Behandlung und über 30 % der Patienten nach abgeschlossener Behandlung Anhaltend: kann noch Jahre nach Ende der Behandlung vorhanden sein Gravierend: verhindert Patienten den Wiedereinstieg ins Berufsleben und schränkt das Familien- und Sozialleben ein
Symptome - anhaltende Schwäche und Abgeschlagenheit trotz ausreichender Schlafphasen - Überforderung bereits bei geringen Belastungen - deutliche Aktivitätsabnahme im privaten und beruflichen Umfeld, Interessenverlust - Konzentrationsstörungen ->Die Symptome betreffen sowohl physische als auch psychische, kognitive und emotionale Bereiche
Fatigue hat viele Gesichter
Teufelskreis Fatigue Fatigue verminderte Aktivität verminderte Leistungsfähigkeit erhöhtes Bedürfnis nach Ruhe Schwäche verminderter Antrieb Vereinfachtes Modell nach Winningham et. Al., 1994
Entstehung Multifaktorielle Genese
Ursachen von Fatigue Direkte Effekte der Tumorerkrankung Schmerz, Schlafstörungen, Konditionsverlust Anämie, Mangelernährung, Hormonungleichgewicht, Infektionen FATIGUE Therapie- Nebenwirkungen Komorbidität Psychosoziale Faktoren, Angst, Depression
Blutbildveränderungen Durch die Krebserkrankung bzw. durch die Therapie (Chemotherapie, Strahlentherapie) bedingt Zytopenien (Anämie, Neutropenie) klinisch relevant sind Hb-Werte < 8 g/dl und/oder Leukozyten < 1/nl Korrekturmaßnahmen: Blutbildkontrollen, bedarfsgerechte Transfusion von Blutprodukten, ggf. Stimulation der Hämatopoese durch Wachstumsfaktoren, Vorbeugung von Infektionen
Schmerz z.b. bei Knochenbeteiligung mit oder ohne pathologische Frakturen oder chronischen Schmerzsyndromen Korrekturmaßnahmen: Bedarfsgerechte Analgesie, die Mobilisation und Alltagsfertigkeiten ermöglicht = interdisziplinäre Herausforderung!
Komorbidität relevant vor allem bei der Behandlung älterer Patienten Korrekturmaßnahmen: Erfassung zugrundeliegender Komorbidität Optimale Therapie der Begleiterkrankungen (Überprüfung der Einstellung von Blutdruck und Blutzucker, geeignete Therapie bei Herz- und Niereninsuffizienz, pavk)
Metabolische Aspekte Tumorbedingte Symptome, B-Symptomatik, Zytokine, Katabolie -> Gewichtsverlust, Mangelernährung, Kachexie Endokrine Störungen, Elektrolytverschiebung, paraneoplastische Syndrome Korrekturmaßnahmen: Gewichtskontrolle, ggf. unterstützende enterale bzw. parenterale Ernährung Volumen- und Elektrolytausgleich, ggf. Hormonsubstitution
Therapienebenwirkungen Inappetenz, Übelkeit und Erbrechen Mukositis Korrekturmaßnahmen: Bedarfsgerechte Antiemese Schleimhautprophylaxe
Psychosoziale Faktoren Angst Sozialer Rückzug, Isolation Krankheitsverarbeitung, familiäre Probleme (reaktive) Depression Schlafstörungen Korrekturmaßnahmen: Psychoonkologische Betreuung, Lebensstiländerung, Entspannungsverfahren, ggf. Einsatz von Antidepressiva
Pharmakotherapie Dexmethylphenidat (Ritalin ) = Amphetamin-artige Substanz Modafinil (Vigil ) = Amphetamin-artige Substanz Paroxetin (Seroxat ) = SSRI (Antidepressivum) Bupropion (Zyban ) = NDRI (atypisches Antidepressivum) Donepezil (Aricept ) = Cholinesterase-Inhibitor (Antidementivum) Low dose-kortikosteroide -> sämtliche Substanzen bisher nur in (kleinen) Studien erprobt, unterschiedliches Nebenwirkungsprofil
Fatigue und Sport Wissenschaftliche Studien in der Vergangenheit konnten wiederholt belegen, dass die Symptome des Fatigue- Syndroms durch moderates körperliches Training signifikant verbessert werden können
Sport gegen Fatigue Negative Auswirkungen des Trainings wurden nicht beobachtet
Sport gegen Fatigue Empfohlen wird ein Ausdauertraining in Kombination mit dosiertem Krafttraining
Sport gegen Fatigue Therapiebeginn: so früh wie möglich! Fahrradergometer für das tägliche Training neben dem Krankenbett Fatigue effektiv vorbeugen und behandeln
Beispiel Randomized Controlled Trial of a Structured Training Program in Breast Cancer Patients with Tumor-related Chronic Fatigue Heim M. E., Elsner v. d. Malsburg M.-L., Niklas A., Onkologie July 2007
Studiendesign Randomisierung in Kontrollgruppe und Trainingsgruppe Kontrollgruppe: komplexes Standardrehabilitationsprogramm Trainingsgruppe: zusätzl. strukturiertes Übungsprogramm mit Kraftübungen und Ausdauertraining Ergebnisse wurden durch standardisierte Fragebögen erhoben sowie durch isometrische Muskelkraft und aerobe Ausdauerleistung gemessen
Patientencharakteristika Prävalenz eines Fatigue-Syndroms (Score > 4) im Gesamtkollektiv der Rehapatientinnen: 79% Nur 40% der in Frage kommenden Kandidatinnen waren tatsächlich zur Teilnahme an der Studie bereit
Verteilung der Fatigue-Schweregrade am Kollektiv der Rehapatientinnen 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Linear analog fatigue scale Linear analog fatigue scale
Patientencharakteristika Die Zusammensetzung der Trainingsgruppe (n=32) und der Kontrollgruppe (n = 31) bezügl. Alter, Lebensumstände, BMI und onkologischer Vorbehandlung war vergleichbar jeweils 50% der Teilnehmer in beiden Gruppen trieben bisher nur gelegentlich oder gar keinen Sport
Abnahme der Fatigue-Symptome im Zeitverlauf (p = 0,003) 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Messzeitpunkt 1 (Rehabeginn) Messzeitpunkt 2 (Rehaabschluß) Messzeitpunkt 3 (3 Monate später) Trainingsgruppe Kontrollgruppe
Studienergebnisse I Sowohl durch das Standardrehabilitationsprogramm als auch durch das zusätzliche Training konnte eine Reduktion der Fatigue-Symptome erzielt werden In der Trainingsgruppe waren die positiven Effekte anhaltend, während in der Kontrollgruppe nach Reha- Ende erneut eine Zunahme der Fatigue-Symptome zu verzeichnen war
Studienergebnisse II Die Motivation der Patientinnen konnte durch Gruppenaktivitäten (z.b. Walking) gesteigert werden Die Motivation der Teilnehmer der Trainingsgruppe zur Absolvierung des Trainingsprogramms war auch nach Ende der Rehabilitation deutlich höher als in der Kontrollgruppe
Umsetzung in die Praxis Patienten profitieren von einem langfristig angelegten Interventionsprogramm, z.b. im Rahmen von therapiebzw. nachsorgebegleitenden Krebssportgruppen Die Motivation zur regelmäßigen Teilnahme kann durch Gruppendynamik gestärkt werden Die Teilnahme am Rehasport wird von den Krankenkassen erstattet (budgetneutral)
Informationen für Betroffene Gespräch mit dem behandelnden Arzt Psychosoziale Beratungsstelle der Bayerischen Krebsgesellschaft in Regensburg Selbsthilfegruppen und Vereine Internetrecherche Das Team für Krebssport am Krankenhaus Barmherzige Brüder
Rehasportverordnung Muster 56
Zusammenfassung Fatigue vorbeugen frühzeitig informieren und beginnen Fatigue erkennen und reagieren Fatigue behandeln Ursachen erörtern Therapiemaßnahmen einleiten Pharmakotherapie? Beginn eines strukturierten Interventionsprogrammes in Form von dosierter körperlicher Aktivität
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!