Univ.-Prof. Dr. Georg Wydra. Vorlesung Allgemeine Sportdidaktik Modul Didaktik/Methodik. Baustein 3: Unterrichtskonzepte

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Univ.-Prof. Dr. Georg Wydra Vorlesung Allgemeine Sportdidaktik Modul Didaktik/Methodik Baustein 3: Unterrichtskonzepte Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes WS 2015/2016 Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 1

Didaktische Entscheidungen Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 2

Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 3

Unterrichtskonzepte - die Vielfalt der Begriffe induktive vs. deduktive entwickelnd vs. darbietend Ganzheits- vs. Teilmethode Bewegungsaufgabe vs. Bewegungsanweisung Prozess- vs. Produktorientierung Schüler- vs. Lehrerzentrierung Lernen als Ergebnis der Vermittlung vs. Lernen als Prozess der Selbstaneignung Lehrziel- (Nürnberger Trichter) vs. Problemorientierung (konstruktivistisch) geschlossen vs. offen Lernen als Wissensvermittlung vs. Lernen mit Kopf, Herz und Hand Träges Wissen vs. Anwendungswissen Fremdsteuerung vs. Selbststeuerung Fremdorganisation vs. Selbstorganisation Fremdbestimmung vs. Selbstbestimmung Individuation vs. Sozialisation Frontalunterricht vs. Gruppenarbeit Differenzierung vs. gemeinsames Lernen Gegliedertes vs. Einheitsschulsystem Bürger vs. Mensch etc. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 4

Kurz (1998) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 5

Kurz (1998) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 6

Gliederung Deduktive und induktive Methoden Stoff- und Schülerorientierte Ansätze in der pädagogischen Diskussion Möglichkeiten und Grenzen der Öffnung des Unterrichts Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 7

Deduktive und induktive Verfahren Deduktive Lehrverfahren: Unterrichtsverfahren, bei denen vorwiegend zeit- und lehrökonomische Aspekte im Vordergrund stehen. Vormachen und Vorzeigen der Zielübung Beschreiben und Erklären Bewegungsanweisung Bewegungshilfe Bewegungskorrektur Üben Variables Anwenden (vgl. Grössing, 1997) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 8

Deduktive und induktive Verfahren Induktive Lehrverfahren: Unterrichtsverfahren, bei dem vorwiegend das selbstständige Erarbeiten von Lerninhalten im Vordergrund steht. Bewegungsaufgabe Suchen und Erproben Herausstellen der besten Lösung Bewegungskorrektur Üben Variables Anwenden (vgl. Grössing, 1997) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 9

Gegenüberstellung des deduktiven und induktiven Vorgehens Deduktive Verfahren Erprobte Lehrwege zur Vermittlung bestimmter technischer und taktischer Fertigkeiten (Methodische Übungsreihen) Planbarkeit effektiv und effizient Lernende als Objekte Wahl alternativer bzw. neuer Lösungen für motorische Problemstellung ist eingeschränkt Das, was von einem guten Sportlehrer erwartet wird. Induktive Verfahren Die von den Schülern eingeschlagenen Lernwege und -strategien sind ergebnisoffen: Der Weg ist das Ziel begrenzte Planbarkeit zeitaufwändig Lernende als Subjekte Individuelle und kreative Lösungen motorischer Probleme sind möglich Der weiß wohl selbst nicht, wie es geht. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 10

Frontal und Gruppenunterricht Die sieben G s des Frontalunterrichts: o Der gleiche Lehrer unterrichtet o alle gleichaltrigen Schüler o im gleichen Tempo o mit dem gleichen Material o im gleichen Raum o mit den gleichen Methoden o und dem gleichen Ziel. http://www.zeit.de/2011/51/interview-helmke Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 11

Innere und äußere Differenzierung Äußere Differenzierung Alle Maßnahmen, die zu einer räumlichen Trennung von Schülerinnen und Schülern mit ungleichen Voraussetzungen führen: Mehrgliederiges Schulsystem; Aufhebung des Klassenverbandes zur individuellen Förderung Innere Differenzierung Alle Maßnahmen, die das gemeinsame Arbeiten Schülerinnen und Schülern mit ungleichen Voraussetzungen am gleichen Ort ermöglichen: Gruppenarbeit Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 12

Gliederung Induktive und deduktive Methoden Stoff- und Schülerorientierte Ansätze in der pädagogischen Diskussion Möglichkeiten und Grenzen der Öffnung des Unterrichts Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 13

Stoffzentrierte Verfahren Der Lernstoff ist grundsätzlich vermittelbar. Der Lehrer / Experte weiß, was der Lerner in Zukunft wissen und deshalb lernen soll. Es gibt eine optimale Art der Stoffvermittlung. Der Lehrer kennt in etwa den Lernprozess des Lerners und kann ihn steuern. Aufgabe des Schülers ist es, den Lernstoff mehr oder weniger passiv aufzunehmen und in seinem Gedächtnis abzuspeichern. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 14

Rousseau (1712-1778) Schweizerisch-französischer Philosoph der durch zwei Werke ganz wesentlich die Geschichte Europas und der Pädagogik beeinflusst hat: Emile oder über die Erziehung (1762) Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes (1762) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 15

Rousseau (1712-1778) Der Mensch ist von Natur aus gut und wird erst durch die Kultur, Vernunft und Gesellschaft verdorben. Drei negative Entwicklungen hat es in der Geschichte der Menschheit gegeben: Die Entstehung des Eigentums schuf Reiche und Arme. Die Einsetzung einer Obrigkeit schuf Herrschende und Beherrschte. Die Ausartung der Macht in Willkür schuf Herren und Sklaven Retournons à la nature! Zum Leben von Rousseau: http://de.wikipedia.org/wiki/jean-jacques_rousseau; http://www.philolex.de/rousseau.htm Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 16

Emilie oder über die Erziehung Der Eigenwert der Kindheit Die Kindheit soll nicht nur als Durchgangsstadium zum Erwachsensein angesehen werden, darf nicht einer ungewissen Zukunft geopfert werden, sondern gilt als eigenständige, vollwertige Lebensspanne. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 17

Emilie oder über die Erziehung Die Kindheit studieren Man soll nicht zu früh damit angefangen, die ursprünglichen Gefühle, Neigungen und Bedürfnisse mit aufgepfropften Idealen, anerzogenen Gewohnheiten und unverstandenen Pflichten zu unterdrücken. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 18

Emilie oder über die Erziehung Die negative Erziehung Es geht darum, das Herz vor Last und den Verstand vor Irrtümern zu bewahren. Erst ab dem zwölften Lebensjahr ist ein Kind rationalen Argumenten gegenüber offen. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 19

Erfahrungslernen Emilie oder über die Erziehung Kinder lernen von der Natur, den Menschen und den Dingen. Die Aufgabe des Erziehers besteht darin, dass diese Erfahrungen im Gleichgewicht sind. Es muss ein Bezug zur eigenen Lebenswirklichkeit vorhanden sein, damit Inhalte gelernt werden können. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 20

Emilie oder über die Erziehung Altersgemäße Erziehung Kindheit bis zum dritten Lebensjahr Knabenalter bis zum zwölften Lebensjahr: Lernen aus eigener Erfahrung, Versuch und Irrtum. Vorpubertät: Nicht Wissen, sondern die Neugierde zum Erwerb von Wissen muss entwickelt werden Alter der Einsicht bis zum 20. Lebensjahr: Studium der Literatur; Begriffe, Ideen und Vorstellungen vom Ganzen; Entwicklung von Empathie (vgl. Landgrebe, 2012) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 21

Philanthropen Pädagogische Strömung in Deutschland, die die Gedanken der Aufklärung unter dem Postulat der Nützlichkeit und Brauchbarkeit des Individuums für die Gesellschaft verbreiten wollte. Im Gegensatz zu Rousseau wurde keine Kritik am bestehenden politischen System geübt und auch die Erziehung verfolgte keine diesbezüglichen Intentionen. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 22

Philanthropen Basedow (1724-1790): Gründer des Philanthropinums in Desau 1774; Ziel der basedowschen Philanthropie war es, Jugendliche durch freundliche, liebevolle Unterweisung in allem für das im Leben Notwendige im Sinne einer Vorbereitung auf die bestehenden Verhältnisse zu erziehen ( Pflanzschule der Menschheit ) Salzmann (1744-1811 ): Gründer des Philanthropinums in Schnepfental 1784 GuthsMuths (1759-1839): 1785 1839 Lehrer bei Salzmann; Begründer einer geregelten Körperausbildung vor allem der Jugendlichen. 1793: Gymnastik für die Jugend, das weltweit erste systematische Lehrbuch 1796: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Siehe hierzu: http://www.sportpaedagogik-online.de/gutsmuths/index.html Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 23

GutsMuths (1796): Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes Vorwort: Erholung ist dem Menschen, besonders im jugendlichen Alter, durchaus notwendig. Wenn demnach die Jugend, deren Zahl, allem in unserem Vaterland Millionen beträgt, täglich nur zwei Stunden spielt, so beträgt dies viele Millionen Stunden menschlicher Existenz. Sollte es denn da einer großen Nation wohl gleichgültig sein, ob ein so beträchtlicher Teil der Zeit, ja was noch mehr sagen will, der Bildungszeit, verloren geht oder genutzt wird; ob man ihn zum leidigen Zeitvertreib oder zur nötigen Ausbildung der Kräfte, unsittlich, geschmacklos, kurz schädlich, oder unschuldig, anständig und nützlich verwendet? Dies ist der ernsthafte Gesichtspunkt, aus dem ich dies Buch zu betrachten bitte. http://www.sportpaedagogik-online.de/gutsmuths/guthsmuths.html Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 24

Vergleich von Rousseau und Philanthropen Situation Methode Eigenwert der Kindheit gesellschaftsüberwindend Entfaltung natürlicher Anlagen Individualisierung formale 1, auf das Subjekt bezogene Bildung Kindheit als Vorbereitung auf das Erwachsenendasein gesellschaftskonform Erwerb nützlicher Fertigkeiten Institutionelle Erziehung materiale, auf den Inhalt bezogene Bildung (Prohl, 2006, S. 43) 1 Klafki geht bei der kategorialen Bildung von zwei Bildungstheorien aus, der materialen Bildungstheorie (auf den Inhalt bezogen) und der formalen Bildungstheorie (auf das Subjekt bezogen) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 25

Reformpädagogik Internationale Bewegung, die zwischen etwa 1890 und 1933 daran interessiert war, die traditionellen Schulsysteme zu verändern und zu reformieren. Sie kritisiert vor allem, dass die Schulen fast ausschließlich an der Vermittlung von Wissen ausgerichtet waren (Stoff-, Buchund Lernschulen). Selbstständigkeit und Freiheit des Individuums sollten stärker berücksichtigt werden, wobei die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder berücksichtigt werden sollten. (Riedl, 2007; Hager, 2007/2008) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 26

Reformpädagogik Schule der Freiheit Schule als Lebensgemeinschaft Prinzip der natürlichen Erziehung Betonung der Schüleraktivität Prinzip der Eigenverantwortung Betonung der Lebensbezogenheit Schule als Ort der ganzheitlichen Menschenbildung (Riedl, 2007; Hager, 2007/2008) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 27

Unterrichtskonzepte Bewertungen alt antiquiert stoffzentriert Unselbstständigkeit fördernd autoritär antidemokratisch neu modern schülerzentriert Selbstständigkeit fördernd basisdemokratisch zukunftsorientiert Es handelt sich Diskussionen in der Pädagogik, die schon immer geführt wurden. Die zum Teil ideologisch vorgetragenen jeweils neuen Positionen wurden und werden immer wieder als modern und zukunftsweisend hervorgehoben. Rousseau Nürnberger Trichter Reformpädagogik Konstruktivismus Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 28

Literatur Bielefelder Sportpädagogen. (1998). Methoden im Sportunterricht. Schorndorf: Hofmann. Grössing, S. (1997). Einführung in die Sportdidaktik (7. Auflage). Wiesbaden: Limpert. Hager, M. (2007/2008). Reformpädagogik. Begriffsbestimmung, Geschichte und Personen. www.geschichte-erforschen.de Hentig, H. von (2004). Rousseau oder Die wohlgeordnete Freiheit. München: Beck. Landgrebe, C. (2012). Zurück zur Natur? Das wilde Leben des Jean-Jacques Rousseau. Weinheim: Beltz. Prohl, R. (2006). Grundriss der Sportpädagogik. Wiebelsheim: Limpert. Riedl, A. (2007). Lernzirkel Reformpädagogik. Unterlagen zum Seminar Didaktik II - Berufliche Bildung. http://www.lrz-muenchen.de/~riedlpublikationen/pdf/lzreformpaedagogik.pdf Roth, G. (2002). Warum sind Lehren und Lernen so schwierig? http://www.studienseminarleverkusen.de/bk/ausbildung/reader-lernen/roth_lehrenundlernen.pdf Rousseau, J.-J. (2007). Emil oder über die Erziehung [1762]. In M. Krüger, Sportpädagogik - ein Textund Arbeitsbuch (S. 16-23). Wiebelsheim: Limpert. Scheid, V., & Prohl, R. (Hgg.). (2012). Sportdidaktik. Wiebelsheim: Limpert. Siebert, H. (2001). Selbstgesteuertes Lernen und Lernberatung. Neuwied: Luchterhand. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 29