KAPITEL 9 Funktionenreihen 9. TaylorReihen............................ 28 9.2 Potenzreihen............................ 223 9.3 Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen........ 230 9.4 Anwendungen............................ 240 Lernziele 9 Potenzreihen: Taylorreihen, Taylorformel, Restglied nach Lagrange, Konvergenz, Konvergenzradius, Konvergenzbereich, Zentrum, absolute und gleichmäßige Konvergenz, Addition, Subtraktion von Potenzreihen Differentation, Integration von Potenzreihen Methoden der Reihenentwicklung (wie?, Konvergenz bzw. Konvergenzbereich) 27
9.. TaylorReihen mittels TaylorFormel = Taylorreihe, bekannte Reihen addieren oder subtrahieren (gemeinsames Konvergenzintervall) bekannte Reihen differenzieren oder integrieren (gleiches Konvergenzintervall) unbestimmter Ansatz Anwendungen: Berechnung von Grenzwerten, Integration nicht geschlossen integrierbarer Integranden, 9. TaylorReihen TaylorFormel Es geht hierbei um die Approximation einer hinreichend oft differenzierbaren Funktion f durch das sogenannte TaylorPolynom. Satz 9. (TaylorFormel) Für jede auf dem offenen Intervall I R (n + )mal stetig differenzierbare Funktion f und x 0, x œ I gilt f (x) =f (x 0 )+ f Õ (x 0 )! mit dem Restglied (x x 0 )+ f ÕÕ (x 0 ) 2! (x x 0 ) 2 +...+ f (n) (x 0 ) (x x 0 ) n +R n (x, x 0 ) n! R n (x, x 0 )= n! x 0 (x t) n f (n+) (t) dt (nach Cauchy) 28
9.. TaylorReihen bzw. R n (x, x 0 )= f (n+) ( ) (n + )! (x x 0) n+ mit zwischen x und x 0, (nach Lagrange). x 0 heißt Entwicklungspunkt. Beweis: Für n = 0 lautet die Taylorformel f (x) =f (x 0 )+ x 0 f Õ (t) dt, das ist aber gerade der Hauptsatz der Differential und Integralrechnung und damit nachgewiesen. Ist die Funktion f mehr als einmal stetig differnzierbar, so können wir partiell integrieren: f (x) =f (x 0 )+ x 0 f Õ (t) dt = f (x 0 )+ x 0 = f (x 0 ) (x t)f Õ (t) x x 0 + x 0 f Õ (t) d ( (x t)) dt dt x 0 (x t)f ÕÕ (t) dt = f (x 0 )+f Õ (t)(x x 0 )+ (x t)f ÕÕ (t) dt x 0 x 3 4 = f (x 0 )+f Õ (t)(x x 0 )+ f ÕÕ (t) d (x t) 2 dt dt 2 29
= f (x 0 )+f Õ (t)(x x 0 ) = f (x 0 )+ f Õ (x 0 )!......... (x t)2 2 (x x 0 )+ f ÕÕ (x 0 ) 2! Insbesondere wurde dabei verwendet: (k )! x 0 (x t) k f (k) (t) dt = = k! 5 f ÕÕ (t) x x 0 + 2 a (x t) 2 f ÕÕÕ (t) dt (x x 0 ) 2 +... + f (k) (x 0 ) (x x 0 ) k k! (k )! + k! x 0 (x t) k f (k) (t) x x 0 + = f (k) (x 0 ) (x x 0 ) k + k! k! x 0 (x t) k f (k+) (t) dt f (k) (t) d dt x 0 x 3 4 (x t) k dt k 6 f (k+) (t)(x t) k dt x 0 (x t) k f (k+) (t) dt. 9.. TaylorReihen Die Darstellung des Restgliedes nach Lagrange ist nun eine Konsequenz des Mittelwertsatzes der Integralrechnung: n! a f (n+) (t)(x t) n dt = n! f (n+) ( ) a (x t) n dt = f n+ ( ) (n + )! (x a)n+.# Folgerung 9.2 (Deutung der TaylorFormel) Sind die Werte einer Funktion f : I æ R und ihrer ersten n Ableitungen in einem Punkt x 0 œ I im Innern bekannt, dann wird f in der Umgebung des Punktes x = x 0 gut durch das TaylorPolynom p(x) =T n (x, x 0 )=f(x 0 )+f Õ (x 0 )(x x 0 ) +... + f (n) (x 0 ) (x x 0 ) n n! approximiert. Die Kurven y = p(x) und y = f (x) gehen beide durch (a, f (x 0 )), sie haben dort dieselbe Steigung und Krümmung sowie alle Eigenschaften 220
9.. TaylorReihen gemeinsam, die sich aus den Ableitungen bis zur Ordnung n ergeben, da p (k) (x 0 )=f (k) (x 0 ) ( Æ k Æ n). Der Approximationsfehler kann mit Hilfe des Restglieds abgeschätzt werden. Beispiel 9.3 (Approximationsfehler) Es ist für x 0 =0 e x =+x + x 2 2! +... + x n So ergibt sich für x Æ die Abschätzung 3 ex +x + x 2 2! +... + x n n! 4 = n! + e (n + )! x n+. e (n + )! x n+ Æ e (n + )! x n+. Bei einem tolerablen Fehler von z.b. ungefähr 0 7, ist n (in Abhängigkeit von e x œ (, ), so zu bestimmen, dass (n+)! x n+ Æ gilt. 0 7 Im Fall x > zerlegt man x = x 0 + x mit x 0 œ Z und x < und rechnet mit e x = e x 0 e x. Folgerung 9.4 (Anwendung: ExtremwertTest) Ist die Funktion f auf dem offenen Intervall I nmal stetig differenzierbar und x 0 œ I mit f Õ (x 0 )=f ÕÕ (x 0 ) =... = f (n ) (x 0 ) = 0, f (n) (x 0 ) = 0, dann gilt. x 0 Extremalstelle n gerade; 2. n gerade, f (n) (x 0 ) < 0 a ist lokale Maximalstelle, n gerade, f (n) (x 0 ) > 0 a ist lokale Minimalstelle. Beweis: Da f (n) ( ) und f (n) (x 0 ) für nahe x 0 dasselbe Vorzeichen haben, gilt f (x) f (x 0 )= f (n) ( ) (x x 0 ) n. n! 22
9.. TaylorReihen Ist n ungerade, so tritt ein Vorzeichenwechsel beim Übergang von x < x 0 nach x > x 0 auf. Ist dagegen n gerade, dann gilt stets (x x 0 ) n > 0 (für x = x 0 ) und aus f (n) (x 0 ) < 0 folgt f (x) < f (x 0 ) für alle x nahe x 0 mit x = x 0.# Satz 9.5 (TaylorReihe) Ist f auf dem offenen Intervall I beliebig oft differenzierbar und x 0 œ I, dann konvergiert die TaylorReihe genau für diejenigen x œ I gegen f (x), f (x) = f (k) (x 0 ) (x x 0 ) k, k! für die das Restglied R n (x, x 0 )= f (n+) ( ) n! (x x 0 ) n für n æ 0 gegen 0 strebt. Bemerkung 9.6 Im Allgemeinen ist es schwierig, die Konvergenz der Taylorreihe durch Betrachtung des Restglieds zu erhalten. Trotzdem ist diese Untersuchung notwendig, da aus der Konvergenz der Potenzreihe (=Taylorreihe) nicht folgt, dass die Taylorreihe gegen die Funktion f (x) konvergiert. D.h. es ist möglich, dass die Potenzreihe gegen g(x) = f (x) konvergiert, obwohl a n = f (n) (x 0 ) n! gilt. Nur wenn die Taylorreihe gegen f (x) konvergiert, dann stimmen Potenz und Taylorreihe überein und haben den gleichen Grenzwert f (x). Man kann aber mit Hilfe der Rechenregeln für Potenzreihen aus bekannten Taylorreihen durch Addition, Subtraktion, Differentation und Integration weitere Taylorreihen berechnen. Aus der Potenzreihe ergibt sich allerdings nicht wie schnell das Taylorpolynom gegen die Taylorreihe konvergiert, d.h. Aussagen über die Konvergenzgeschwindigkeit bzw. die Güte der Approximation durch das Taylorpolynom ergibt sich aus dem Restglied in der Taylorformel (Satz 9., Seite 28). 222
9.2. Potenzreihen 9.2 Potenzreihen Definition 9.7 Eine unendliche Reihe der Form a k x k mit x œ R (veränderlich) und a k œ R (konstant) heißt Potenzreihe, die Zahlen a k (k Ø 0) heißen Koeffizienten der Potenzreihe. Es handelt sich also um eine Funktionenreihe mit f k (x) =a k x k. Beispiel 9.8 Die Reihe ( ) k x 2k+ (2k + )! = x x 3 3! + x 5 5! +... hat die Koeffizienten a 0 = 0, a =, a 2 = 0, a 3 =, a 3! 4 = 0, a 5 =,... bzw. 5! a 2k = 0, a 2k+ =( ) k. (2k+)! Das Ziel ist, eine Funktion f auf einem Intervall I durch eine Potenzreihe darzustellen. Dafür untersuchen wir, wann und wo eine Potenzreihe punktweise konvergiert. Definition 9.9 Es sei M := I x œ R; a k x k konvergiert. J 223
9.2. Potenzreihen und die Zahl ; sup{ x, x œ M}, falls M beschränkt ist, R := Œ, falls M unbeschränkt ist. Man nennt R den Konvergenzradius der Potenzreihe. Es gibt die drei Möglichkeiten R = 0, 0 < R < Œ, R = Œ. Satz 9.0 (Berechnung des Konvergenzradius) Es sei a k x k eine Potenzreihe und existiert der eigentliche oder uneigentliche Grenzwert lim a k+ a k = c oder lim apple k ak = c, so ist R = (falls c = Œ, so ist R = 0 und für c = 0 ist R = Œ) der c Konvergenzradius der Reihe. Beweis: Quotienten bzw. Wurzelkriterium für Zahlenreihen. Nachweis für Quotientenkriterium: Wir untersuchen für welche x die Zahlenreihe = Potenzreihe konvergiert und wenden deshalb das Quotientenkriterium für Zahlenreihen an: lim næœ a k+x k+ a k x k = lim næœ a k+x a k = x lim næœ a k+ a k 224
Für x lim næœ a k+ a k < konvergiert die Zahlenreihe (absolut). Folglich konvergiert die Reihe (absolut) für alle x mit Ist dagegen x lim næœ a k+ a k x < lim a k+ næœ a k. > dann divergiert die Reihe für alle 9.2. Potenzreihen x < lim a k+ næœ a k. Analog geht es mit dem Wurzelkriterium. # Beispiel 9. Die Potenzreihen x k, k= x k k, haben alle den Konvergenzradius R =, da x k k 2 k= k + lim = lim k (k + ) 2 = lim =. k 2 In den Randpunkten ist das Konvergenzverhalten jedoch sehr verschieden: Die Reihe Die Reihe Die Reihe Beispiel 9.2 Darstellung von k= k= x k divergiert für x = und x =. x k k konvergiert für x = und divergiert für x =. x k k 2 konvergiert für x = und x =. f (x) = ln( + x) = k= ( ) k+ x k k 225
9.2. Potenzreihen als Potenzreihe. Potenzreihenentwicklung von ln(+x), x < 4 2 2 0 2 2 4 6 Reihe divergiert, Funktion ist nicht definiert f n (x) = n k= 8 Reihe konvergiert absolut und gleichmäßig gegen die Funktion ( ) k x k, n = 2; 3; 8; 4; 25; 36 Der Konvergenzradius der Reihe ist c = lim a k+ a k = lim Reihe divergiert, Funktion ist definiert f(x) =ln(+x) ( ) k+2 k+ ( ) k+ k = lim k = k + und damit ist der Konvergenzradius R = =, folglich konvergiert die Reihe c absolut für x < gegen die Funktion. Im Randpunkt x = divergiert die Reihe, da hier gilt k= ( ) k+ x k k = k= ( ) k+ ( ) k k = k= k und die harmonische Reihe divergent ist. Außerdem ist für x = und allgemein x Æ, die Funktion ln( + x) nicht definiert. Im anderen Randpunkt 226
9.2. Potenzreihen x = dagegen erhält man die alternierende harmonische Reihe k= ( ) k+ x k k = k= ( ) k+ k = k= ( ) k+ k und diese konvergiert q (bedingt). Da für x = auch die Logarithmusfunktion Œ erklärt ist, folgt ln 2 = k= ( )k+, somit ist die Summe der alternierenden k harmonischen Reihe gerade ln 2. Aus dieser Potenzreihendarstellung geht aber nicht hervor, wie (gut bzw. schnell) die Folge der Partialsummen der Potenzreihe gegen die Funktion konvergiert. Potenzreihen mit dem Zentrum a = 0. Definition 9.3 Eine unendliche Reihe der Form a k (x a) k heißt Potenzreihe mit dem Zentrum (oder Entwicklungspunkt) a, die Zahlen a k heißen ihre Koeffizienten. Bemerkung 9.4. Durch die Substitution z := x a geht die Potenzreihe mit dem Zentrum a in eine Potenzreihe mit dem Zentrum 0 über. 2. Als Konvergenzradius der Reihe mit dem Zentrum a bezeichnet man den Konvergenzradius R der entsprechenden Reihe mit dem Zentrum 0. Wegen x a < R a R < x < a + R gilt a) x œ (a R, a + R) a k (x a) k konvergiert, 227
9.2. Potenzreihen b) x < a R oder x > a + R a k (x a) k divergiert. 3. Man bezeichnet das offene Intervall (a R; a + R) als auch Konvergenzintervall im Unterschied zum Konvergenzbereich, der alle x enthält für die die Reihe konvergiert. Beispiel 9.5 Wegen e x = e a e x a folgt die Darstellung der efunktion als Potenzreihe mit Zentrum a direkt aus der Potenzreihe für e x mit dem Zentrum 0 : e x = e a k! (x a)k, x œ R. Beispiel 9.6 Die Reihe (2x ) k = 2 k x 2 k 2 hat das Zentrum a =. Der Konvergenzradius ergibt sich aus 2 lim a n+ a n = lim 2 k+2 2 k = lim 2=2 zu R =. Alternativ hätte man auch rechnen können 2 lim a n+ a n = lim (2x )k+ (2k ) k Folglich ist die Reihe (absolut) konvergent, wenn = 2x. 2x < < 2x < 0 < x < 2 < x 2 < 2 x < 2 2. 228
9.2. Potenzreihen Summe und Produkt Aus den Eigenschaften konvergenter Reihen und des CauchyProdukts folgt: Satz 9.7 (Summe) Für die Summe (Differenz) zweier Potenzreihen gilt im gemeinsamen Konvergenzbereich a k x k und b k x k a k x k + b k x k = (a k + b k )x k. Satz 9.8 (Produkt) Für das Produkt zweier Potenzreihen gemeinsamen Konvergenzbereich A ÿ Œ B a k x k A Œ ÿ a k x k und b k x k B = b k x k gilt im c k x k mit c k := kq l=0 a l b k l = a 0 b k + a b k +... + a k b 0.(CauchyProdukt) Beispiel 9.9 Es gilt e x = x k k! =+x + x 2 2 + x 3 3! + x 4 4! +... Hieraus folgen unmittelbar die Eigenschaften der efunktion: e 0 =, 229
9.3. Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen e x ist für alle x œ R definiert, Konvergenzradius = Œ, es gilt e x+y = e x e y für alle x, y œ R, e x = e x, e x > 0 für alle x œ R. Beweis: e 0 = folgt durch Einsetzen, Konvergenzradius der Potenzreihe ist lim a k+ a k = lim k! (k+)! = lim k+ = Œ, folglich konvergiert die Reihe für alle reellen x. e x e y = = A Œ ÿ = e x+y. k! x k k! B kÿ j=0 A Œ ÿ y k k! B x k j y j k! (k j)! j! = = kÿ j=0 x (k j) y j (k j)! j! CauchyProdukt k! (x + y)k Binomischer Satz 9.3 Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen Offensichtlich stellen die Potenzreihen Funktionen dar. Eine wesentlich Frage ist, ob sich Eigenschaften der Glieder der Reihe f k (x) =a k x k auf die Grenzfunktion übertragen. D.h. jedes Polynom a k x k ist differenzierbar und integrierbar, die Potenzreihe kann deshalb gliedweise differenziert und integriert werden. Wir beantworten die Fragen: Konvergieren die gliedweise differenzierten/integrierten Reihen ebenfalls? Welchen Konvergenzradius bzw. welchen Konvergenzbereich haben diese Reihen? Konvergieren diese Reihen gegen die Ableitung bzw. das Integral der Ausgangsfunktion? 230
9.3. Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen Ein wesentlicher Begriff zur Beantwortung dieser Fragen ist die gleichmäßige Konvergenz. Gleichmäßige Konvergenz In diesem Abschnitt wird die gleichmäßige Konvergenz von Funktionen. Dabei geht es darum, dass eine Folge stetiger Funktionen auf einem abgeschlossenen Intervall [a, b] gegen eine stetige Grenzfunktion konvergiert. In der Anwendung betrachten wir dann Potenzreihen, deren Partialsummen Polynome und damit stetige Funktionen sind. Nur bei gleichmäßiger Konvergenz ist die Grenzfunktion stetig. Als erstes führen wir den Begriff der punktweisen Konvergenz ein. Das bedeutet, dass die Stelle x 0 festgehalten wird und die Zahlenfolge {f n (x 0 )} nø0 auf Konvergenz untersucht wird. Definition 9.20 Es sei f 0, f, f 2,... eine auf dem Intervall I R erklärte Funktionenfolge. Zu jedem x œ I bildet man die Zahlenfolge f 0 (x), f (x), f 2 (x),... und bezeichnet im Fall der Konvergenz den Grenzwert mit f (x). Man sagt, dass die Funktionenfolge (f k ) kø auf I punktweise gegen f, konvergiert, wenn für jedes feste x œ I der Grenzwert lim f k (x) existiert. Da die Konvergenzgeschwindigkeit i. Allg. von Punkt zu Punkt verschieden ist, gehen oft gemeinsame Eigenschaften alle f k bei der Grenzwertbildung verloren. Beispiel 9.2 (Folge stetiger Funktionen mit unstetiger Grenzfunktion) f n (x) =x n, 0 Æ x Æ, 23
9.3. Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen dann sind alle f n auf dem Intervall I = [0, ] stetig. Die Grenzfunktion ist aber lim x n = f (x) = næœ I 0 für 0 Æ x <, für x =. d.h. die Grenzfunktion f (x) ist in x = nicht stetig., Um die Stetigkeit der Grenzfunktion zu sichern, braucht man einen stärkeren Konvergenzbegriff: Definition 9.22 Eine Funktionenfolge f 0 f, f 2,..., konvergiert gleichmäßig auf I gegen die Funktion f : I æ R, wenn für jedes >0 ein Index N = N( ) existiert, so dass gilt f (x) f n (x) < für alle x œ I und alle n Ø N( ). 232
9.3. Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen Satz 9.23 (Kriterium für gleichmäßige Konvergenz) Eine Funktionenfolge f 0 f, f 2,..., konvergiert gleichmäßig auf I, genau dann wenn lim f n (x) f (x) = 0. sup næœ xœi Beispiel 9.24 Wir betrachten die Funktionenfolge f n (x) = sin(nx), n Ø, auf dem Intervall n [ fi, fi]. Als erstes schätzen wir den Betrag der Differenz der nten Funktion der Folge und der Grenzfunktion, in diesem Fal f (x) = 0, also f n (x) 0, ab: sup f n (x) 0 = sup xœ[ fi, fi] xœ[ fi, fi] sin(nx) n Anschliessen wird der Grenzwert n æœgebildet: lim sup f n (x) f (x) = lim næœ xœi sup næœ xœi Æ sup xœ[ fi, fi] sin(nx) 0 Æ lim n n = n. næœ n = 0. Folglich konvergiert die Funktionenfolge f n (x) = sin(nx) n auf [ fi, fi]. gleichmäßig gegen Null Eigenschaften der Grenzfunktion Satz 9.25 (Stetigkeit der Grenzfunktion) Sind alle Funktionen f n, n Ø 0, auf dem Intervall I stetig und konvergiert die Folge (f n ) nø0 auf I gleichmäßig gegen f, dann ist auch die Grenzfunktion f stetig. 233
9.3. Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen Folgerung 9.26 Sind alle Funktionen f n, n Ø 0, auf dem Intervall I stetig und konvergiert die Folge (f n ) nø0 auf I gleichmäßig gegen f, dann gilt lim f (x) = lim f n(x 0 ). xæx 0 næœ Folgerung 9.27 Eine Funktionenreihe konvergiert gleichmäßig gegen f (x), wenn die Folge der Partialsummen gleichmäßig auf [a, b] gegen f konvergiert. Im nächsten Satz wird ein Kriterium angegeben, dass die gleichmäßige Konvergenz von Funktionenreihen sichert. Satz 9.28 (Majorantenkriterium, MTest) Gilt für jede Funktion der auf dem Intervall I R definierten Funktionenfolge (f k ) kø0 eine Abschätzung und konvergiert die Zahlenreihe f k (x) ÆM k =const, für alle x œ I f k (x) auf I gleichmäßig und absolut konvergent. M k, dann ist die Funktionenreihe Beweis: Nach dem Majorantenkriterium ist die Reihe punktweise konvergent. Sei f (x) := f k (x) 234
9.3. Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen der jeweilige Summenwert. Die gleichmäßige Konvergenz der Reihe ist die gleichmäßige q Konvergenz der Folge der Partialsummen (S n (x)) nø0 mit n S n (x) := f k (x). Es sei >0, dann gibt es wegen der Konvergenz der Zahlenreihe M k ein N = N( ), so dass k=n+ M k = M k nq M k <, falls n Ø N. Damit erhält man für alle x œ I die einheitliche Abschätzung: nÿ f (x) S n (x) = f (x) f k (x) = f k (x) Æ f k (x) Æ M k <. # k=n+ k=n+ k=n+ Beispiel 9.29 Die Reihe k= cos kx k Æ 2 k 2 cos kx k 2 konvergiert gleichmäßig und absolut auf R, denn es ist für alle x œ R und k= k 2 ist konvergent. Insbesondere Potenzreihen lassen sich gliedweise schnell differenzieren und integrieren. Konvergieren die erhaltenen Reihen gegen die Ableitung bzw. das Integral der Funktion f (x)? Satz 9.30 (Konvergenz von Potenzreihen) Für eine Potenzreihe mit dem Konvergenzradius R gilt. R =0 Die Reihe konvergiert nur für x = 0. 2. Ist R > 0 und fl œ R mit 0 <fl<r, dann konvergiert die Reihe a k x k absolut und gleichmäßig auf dem abgeschlossenen Intervall fl Æ x Æ fl. (D.h. die Reihe konvergiert punktweise auf dem offenen Intervall R < x < R.) 3. Für alle x mit x > R ist die Reihe a k x k divergent. 235
9.3. Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen Divergenz absolute & gleichmäßige Konvergenz Divergenz.. x x=r Randpunkte extra betrachten x=r Beweisidee: Rückführung auf die geometrische Reihe: q Œ qk () offensichtlich. (2) Es sei fl<r, dann gibt es ein x 0 œ M mit fl<x 0 Æ R, wegen der Definition des Supremums. Da die Glieder einer konvergenten (Zahlen)reihe eine Nullfolge bilden, gibt es ein C > 0 mit a k x k 0 ÆC für alle k Ø 0. Für x Æfl und alle k Ø 0 bedeutet das, dass a k x k = a k x k 0 x k Æ Cq k, mit q := fl <. x 0 x 0 Nach dem MTest (vgl. Satz 9.28) ist die Reihe auf fl Æ x Æ fl absolut und gleichmäßig konvergent. (3) folgt aus der Definition von R. # Über das Konvergenzverhalten der Reihe in den Randpunkten des Konvergenzbereichs M macht der Satz keine Aussage, diese Punkte müssen extra untersucht werden. Beispiel 9.3 Die Reihe x k hat den Konvergenzradius R =, denn diese Reihe k k= konvergiert nach dem Wurzel oder Quotientenkriterium für lim x k+ k+ x k k = lim k= x k+ k x k (k + ) = lim kx = x <, k + ( ) k k q für x = erhält man die alternierende Reihe, die nach dem k= LeibnizKriterium konvergent ist, und für x = erhält man die divergente harmonische Reihe. Der Konvergenzbereich der Reihe x k k k das halboffene Intervall [, ). k= ist folglich 236
9.3. Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen Differentation und Integration von Potenzreihen Auf relativ einfache Weise kann man durch Differentation und Integration aus konvergenten Porenzreihen weitere konvergente Reihen gewinnen. Es sei a k x k eine Potenzreihe mit dem Konvergenzradius R > 0 und der Reihensumme f (x), für x > r. Man sagt, die Funktion f wird auf ( R, R) durch die Potenzreihe dargestellt. Satz 9.32 (Differentation von Potenzreihen) Eine durch eine Potenzreihe dargestellte Funktion f ist im offenen Konvergenzintervall R < x < R, R > 0, beliebig oft differenzierbar. Die Ableitungen erhält man durch gliedweise Differentation: f Õ (x) = ka k x k, f ÕÕ (x) = k(k )a k x k 2, usw. k= k=2 Die abgleiteten Reihen k= den Konvergenzradius R. ka k x k, k=2 k(k )a k x k 2,... haben alle Beweis: Jedes x œ ( R, R) liegt in einem abgeschlossenen Teilintervall x Æfl<x 0 Æ R, in dem die Reihe und die Ableitungen gleichmäßig und absolut konvergieren, denn es gilt ka k x k ÆCkq k mit q = fl x 0 <.# 237
9.3. Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen Satz 9.33 (Integration von Potenzreihen) Für alle a, b aus dem offenen Konvergenzintervall ( R, R) der Potenzreihe f (x) = a k x k gilt b a f (x) dx = b a a k x k dx = a k k + (bk+ a k+ ). Insbesondere ist mit a = 0 und b = x F(x) := a k k + x k+ eine Stammfunktion von f auf ( R, R); der Konvergenzradius von F ist ebenfalls R. Beweis: Folgerung aus der gleichmäßigen Konvergenz der Ausgangsreihe. # Beispiel 9.34 Die geometrische Reihe liefert:. f (x) = x 2. f Õ (x) = 3. f ÕÕ (x) = = x k für x <. ( x) 2 = kx k für x <. k= ( x) 3 = 2 k(k )x k 2 für x <. k=2 238
9.3. Grenzfunktionen von Funktionenfolgen bzw. reihen Beispiel 9.35 Wir betrachten die speziellen geometrischen Reihen: f (t) = +t = ( t) k bzw. g(t) = +t 2 = ( ) k t 2k. durch gliedweise Integration erhält man dann 0 f (t) dt = für x < und 0 dt = ln( + x) = +t 0 ( t) k dx = ( ) k k + x k+ 0 g(t) dt = 0 dt = arctan x = +t2 0 ( ) k t 2k dx = ( ) k 2k + x 2k+ ebenfalls für x <. Mit Hilfe des LeibnizKriteriums für Zahlenreihen kann man zeigen, dass diese Reihen auch für x = konvergieren, man erhält ln 2 = 2 + 3 4 + 5 +... und fi 4 = 3 + 5 7 +.... Koeffizientenvergleich Falls eine Funktion f über (a R, a + R), R > 0, als eine Potenzreihe f (x) = a k (x a) k mit dem Zentrum a darstellbar ist, kann man sofort die Koeffizienten berechnen (vgl. Satz 9.32): In der nten Ableitung f (n) (x) = k(k ) (k n + )a k (x a) k n k=n = n(n ) a n +(n + )n 2 a n+ (x a)+ setzt man x = a und erhält f (n) (a) =n! a n. 239
9.4. Anwendungen Satz 9.36 (Eindeutigkeitssatz für Potenzreihen) Aus f (x) = a k (x a) k = b k (x a) k für alle x œ (a R, a+r), R > 0, folgt a k = b k = f (k) (a), k = 0,, 2,.... k! Die beiden wichtigsten Interpretationen des Satzes sind:. Wenn es überhaupt möglich ist, f über (a R, a + R) als Potenzreihe darzustellen, dann nur als TaylorReihe F(x) = f (k) (a) (x a) k. k! 2. Wird eine Funktion f auf zwei verschiedene Arten als Potenzreihe mit Zentrum a dargestellt, dann sind die Koeffizienten entsprechender (x a)potenzen gleich. (Prinzip des Koeffizientenvergleichs). 9.4 Anwendungen Es gibt eine Vielzahl von Anwendungen, die darauf beruhen, dass sich Reihen leicht differenzieren und integrieren lassen bzw., dass sie sich durch Polynome approximieren lassen. Wir wollen nur auf zwei Anwendungen näher eingehen: Grenzwertberechnung Dazu wird der Ausdruck, dessen Grenzwert bestimmt werden soll, durch eine Reihe in der Umgebung des Punktes, für den un s der Grenzwert interessiert 240
9.4. Anwendungen entwickelt. Es ist z.b.: x ln( x) sin 2 x = 2 x x x2 x3... 2 3! x x 3 + x5 "! +... x x3 + x5 " +... 3! 5! 3! 5! für x <. Für x æ 0 kann man x 2,(x = 0) kürzen und erhält 2 x x2... 2 3 x ln( x) lim xæ0 sin 2 x = lim xæ0! x 2 3! + x4 5! +... "! x2 3! + x4 5! +... " =. Diese Methode hat gegenüber der L Hospitalschen Regel den Vorteil, dass man keine Ableitungen berechnen muss. Außerdem erhält man einen guten Einblick in des Konvergenzverhalten. Reihendarstellung und Berechnung einer Integralfunktion mit nicht elementar integrierbarem Integranden. Nicht elementar bzw. nicht geschlossen integrierbar wird eine Funktion genannt, deren Stammfunktion zwar existiert, aber nicht durch elementare Funktionen (Potenzen, Winkelfunktionen, Exponential und Logarithmusfunktionen und beliebige Kombinationen dieser mit Hilfe der Grundrechenarten) in Form eines geschlossenen Ausdrucks angegeben werden kann. Beispiele solcher Funktionen sind sin x (ihre Stammfunktion heißt Integralsinus ), e x2 und e x2 x deren Integral die Gaußsche Fehlerfunktion (x) = 0 e t2 dt ist. Das Integral wird durch gliedweise Integration der Reihe e t2 = ( ) k t 2k k!, t œ R, erhalten 24
9.4. Anwendungen (x) = ( ) k x 2k+ k! (2k + ), x œ R. Diese Reihendarstellung gestattet die Berechnung der Funktionswerte bis zu jeder gewünschten Genauigkeit, wobei man aber bei der Approximation des Funktionswertes durch die nte Partialsumme n umso größer wählen muss, je weiter sich x von der Null entfernt. 242