Wiss. Mitarbeiterin Bärbel Junk Wintersemester 2008/2009. Fall 16 - Lösung

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Fall 16 - Lösung Hier geht es um die Frage, ob ein Gesetz nach den Vorschriften des GG ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Diese Frage überprüft das BVerfG im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle gemäß Art. 93 I Nr. 2 GG. A. Zulässigkeit I. Antragsberechtigung Antragsberechtigt sind gemäß Art. 93 I Nr. 2 GG die Bundesregierung, die Landesregierung sowie ein Drittel der Mitglieder des Bundestages. Hier stellen sogar mehrere Landesregierungen den Antrag. Einen Antragsgegner gibt es bei der Normenkontrolle nicht, denn es handelt sich um ein objektives Kontrollverfahren. II. Prüfungsgegenstand Prüfungsgegenstand ist das gesamte Bundes- und Landesrecht, gleichgültig welchen Ranges (also nicht nur Gesetze, sondern auch Rechtsverordnungen, Satzungen o- der Geschäftsordnungen der Verfassungsorgane). Hier handelt es sich um ein Bundesgesetz, das bereits ausgefertigt und verkündet ist. Damit liegt ein zulässiger Prüfungsgegenstand vor. Beachte: Ein Gesetzesentwurf, der das Gesetzgebungsverfahren noch nicht vollständig durchlaufen hat, kann nicht Gegenstand einer Normenkontrolle sein. Grund: Der Entwurf kann schon wieder geändert sein, bevor das BVerfG überhaupt entscheidet. Ein solches verfrühtes Tätigwerden wäre dann sinnlos. Ausnahme: Bei Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen (diese erfolgt durch Gesetz, vgl. Art. 59 II GG) darf bereits vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahren ein Normenkontrollantrag gestellt werden. Denn bei einer nachträglichen Überprüfung und Änderung oder Abschaffung des Gesetzes könnte die Bundesrepublik völkerrechtliche Grundsätze verletzen, wenn der Vertrag dann nicht mehr eingehalten würde. III. Antragsgrund Fraglich ist, welcher Grund zur Überprüfung des Gesetzes vorliegen muss. Hier ist das Gesetz nicht eindeutig: Nach Art. 93 I Nr. 2 GG genügen Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel. Dies konkretisiert 76 I Nr. 1 BVerfGG dahingehend, dass die Norm für nichtig gehalten werden muss. Ein Für-Nichtig-Halten ist jedoch sehr viel strenger als bloße Zweifel. Fraglich ist daher, welchen Anforderungen der Vorrang zukommt. h.lit.: Das GG ist vorrangig und kann nicht durch einfaches Recht verengt werden => Zweifel genügen. 1

BVerfG: 76 I Nr. 1 BVerfGG nimmt das in Art. 94 II GG geregelte Recht zur Konkretisierung der Verfassung wahr und ist dabei gerade noch verfassungsgemäß => Überzeugung von Nichtigkeit muss vorliegen. Dieser Meinungsstreit ist hier aber irrelevant, denn die Landesregierungen zweifeln nicht nur an der Vereinbarkeit des Gesetzes mit dem GG, sondern sind von dessen Verfassungswidrigkeit überzeugt. IV. Form Nach 23 BVerfGG muss der Antrag schriftlich und mit Begründung eingereicht werden. B. Begründetheit Der Normenkontrollantrag ist begründet, wenn das Gesetz verfassungswidrig ist. Nicht erforderlich ist dabei, dass irgendjemand in seinen Rechten verletzt wird (wie z.b. bei der Verfassungsbeschwerde. Denn bei Art. 93 I Nr. 2 GG handelt es sich um ein objektives Verfahren zur Prüfung der Gültigkeit von Rechtsnormen. Das Verfahren dient daher öffentlichen und nicht privaten, individuellen Interessen. Ein Gesetz kann verfassungswidrig sein, wenn es formell oder materiell nicht den Voraussetzungen des Grundgesetzes genügt. Hier geht es um die Frage, ob das Gesetzgebungsverfahren eingehalten wurde, also um eine formelle Frage. I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Zuständigkeit (Gesetzgebungskompetenz) Ebenfalls eine Frage der formellen Verfassungsmäßigkeit ist die Zuständigkeit. Hier wurde der Bundestag tätig, so dass sich die Frage stellt, ob der Bund überhaupt das Gesetz erlassen durfte, oder ob dies nicht Sache der Länder wäre. Vgl. dazu die Materialien zum Bundesstaatsprinzip. Grundsätzlich sind die Länder für die Gesetzgebung zuständig, Art. 70 GG. Eine Ausnahme ist die ausschließliche Gesetzgebung, wonach der Bund für die Gesetzgebung zuständig ist, Art. 71 GG. Welche Materien unter die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz fallen, wird in Art. 73 GG aufgezählt. Für die Besoldung der Bundesbeamten ist Art. 73 I Nr. 8 GG einschlägig; hierfür ist der Bund also ausschließlich zuständig. Die Landesbeamten sind in Art. 74 I Nr. 27 GG erwähnt; hierbei handelt es sich also um eine Materie der konkurrierenden Gesetzgebung. Hier dürfen die Länder nur handeln, solange und soweit der Bund nicht tätig geworden ist, vgl. Art. 72 I GG. Allerdings betrifft das Gesetz in diesem Fall die Besoldung der Beamten. Diese ist in Art. 74 I Nr. 27 GG ausdrücklich von der konkurrierenden Gesetzgebung ausgenommen. D.h., die Besoldung obliegt alleine der Gesetzgebung der Länder (Grundsatz!). Der Bundestag durfte diesbezüglich also kein Gesetz erlassen. Eine Kompetenz des Bundes auch für die Landesbeamtenbesoldung kann sich aber ergeben, wenn die Bundes- und die Landesbeamtenregelungen so eng verzahnt sind, dass sie nur zusammen geregelt werden können. Dann kann sich aus der Teil- 2

kompetenz des Bundes für die Bundesbeamten die Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung der Landesbeamten mit ergeben. Vgl. Annexkompetenz und Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Davon ist hier aber nicht auszugehen, da kein Grund ersichtlich ist, warum beides zwingend zusammen geregelt werden müsste. Zwischenergebnis: Der Bund hatte für die Besoldung der Landesbeamten keine Gesetzgebungskompetenz und das Gesetz ist für diesen Teil aus diesem Grunde bereits verfassungswidrig. Schwerpunkt des Falles ist aber die Frage, ob das Gesetzgebungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist: 2. Ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren a) Gesetzesinitiative Gesetzesvorschläge können nicht von jedermann gemacht werden. Wer Gesetzesvorschläge einbringen kann (sog. Initiativrecht), bestimmt Art. 76 I GG: durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages, durch den Bundesrat. Die Mitte des Bundestages wird in 76 I GeschO BT konkretisiert: Vorlagen von Mitgliedern des Bundestages müssen von einer Fraktion oder von fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages unterzeichnet sein Erforderlich sind also 5% der Abgeordneten oder eine Fraktion. Der Bundestag hat gemäß 1 I BWahlG 598 Abgeordnete. Durch Überhangmandate besteht der Bundestag seit der Wahl 2005 aus 614 Abgeordneten. 5% hiervon sind 30 Abgeordnete. Hier bringen sogar 50 Abgeordnete den Gesetzesvorschlag in den Bundestag ein. Die Gesetzesinitiative ist daher ordnungsgemäß. Nach Art. 76 II, III GG müssen bei Vorlagen durch die Bundesregierung und durch den Bundesrat die anderen Organe beteiligt werden. Ansonsten ist das Gesetz nichtig. b) Zustandekommen des Gesetzes nach Art. 78 GG Art. 78 GG regelt, unter welchen Voraussetzungen das Gesetz zustande kommt. (1) Beschluss des Bundestags Erforderlich ist zunächst, dass der Bundestag das Gesetz mit der Mehrheit beschließt, Art. 77 I 1 GG (vgl. Art. 78 GG: ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz ). Dazu muss der Bundestag überhaupt beschlussfähig sein. (a) Problem: Beschlussfähigkeit des Bundestages Die Beschlussfähigkeit des Bundestages ist in 45 GeschO BT geregelt. (1) Der Bundestag ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist. 3

(2) Wird vor Beginn einer Abstimmung die Beschlussfähigkeit von einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages bezweifelt ( ), so ist in Verbindung mit der Abstimmung die Beschlussfähigkeit durch Zählung der Stimmen ( ) festzustellen. ( ) Danach ist der Bundestag grundsätzlich nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist, also 307 Abgeordnete. Zur Zeit der Beschlussfassung waren aber nur noch 100 Abgeordnete im Bundestag. Fraglich ist daher, ob der Bundestag das Gesetz überhaupt beschließen konnte. Die Beschlussunfähigkeit muss jedoch auf Antrag festgestellt werden, vgl. 45 II GeschO BT. Daraus wird geschlossen, dass solange dies nicht geschehen ist der Bundestag als beschlussfähig gilt. Da hier ein solcher Antrag nicht gestellt wurde, konnte der Bundestag das Gesetz auch wirksam beschließen. (b) Mehrheit der Stimmen Das Gesetz ist beschlossen, wenn die Mehrheit der Stimmen mit ja abgegeben wurde. Dies folgt aus Art. 42 II 1 GG, der für alle Beschlüsse, also auch Gesetzesbeschlüsse, des Bundestags gilt. Dabei kommt es auf die abgegebenen Stimmen an, also nicht auf die Gesamtzahl der Abgeordneten. Hier haben 67 von 100 anwesenden Abgeordneten für das Gesetz gestimmt, so dass es beschlossen wurde. (2) Mitwirkung des Bundesrats Die Gesetze werden nicht alleine vom Bundestag beschlossen, sondern die Länder wirken durch den Bundesrat hieran mit. Dies ist eine Ausprägung des Bundesstaatsprinzips. Zu unterscheiden sind zwei verschiedene Arten von Gesetzen, die unterschiedlicher Formen der Mitwirkung bedürfen. (a) Zustimmungsgesetze Nach Art. 78 Alt. 1 GG kommt das beschlossene Gesetz zustande, wenn der Bundesrat ausdrücklich zustimmt. Diese Zustimmung muss durch einen Beschluss des Bundesrats mit absoluter Mehrheit erteilt werden, vgl. Art. 52 III 1 GG. vgl. dazu Fall 12. (b) Einspruchsgesetze Nach Art. 78 Alt. 2 GG kommen sog. Einspruchsgesetze zustande, wenn kein Antrag nach Art. 77 II GG gestellt wird. Grundsätzlich sind Gesetze Einspruchsgesetze; es sei denn, die Zustimmungsbedürftigkeit wird im GG ausdrücklich angeordnet. Das heißt, sofern nichts festgelegt ist, handelt es sich bei einem Gesetz um ein Einspruchsgesetz. Anmerkung: Bedarf nur eine einzige Vorschrift eines Gesetzes der Zustimmung, so ist nach h.m. das gesamte Gesetz zustimmungsbedürftig. Beachte: Möglich ist es, das Gesetz aufzuteilen in einen zustimmungsbedürftigen Teil, in den alle zustimmungsbedürftigen Vorschriften aufgenommen werden, und einen nicht zustimmungsbedürftigen Teil mit allen übrigen Regelungen. Dies ist hier aber nicht geschehen. 4

Bei Einspruchsgesetzen kommt das Gesetz durch alle in Art. 78 GG genannten Möglichkeiten zustande. D.h. also in folgenden Fällen: Zustimmung des Bundesrats (denn mit der Zustimmung wird auch zum Ausdruck gebracht, dass kein Einspruch erhoben werden soll) Kein Antrag des Bundesrats auf Einberufung des Vermittlungsausschusses innerhalb von drei Wochen nach Art. 77 II 1 GG Keine Einlegung des Einspruchs innerhalb von zwei Wochen, Art. 77 III GG Rücknahme des Einspruchs Überstimmung des Einspruchs durch den Bundestag nach Art. 77 IV GG. Die Beteiligung des Bundesrats ist bei den Einspruchsgesetzen also wesentlich schwächer ausgestaltet als bei den Zustimmungsgesetzen. Der Bundesrat kann zwar einen Einspruch einlegen (vgl. Art. 77 III 1 GG). Dieser verhindert das Zustandekommen aber nur vorübergehend, denn er kann durch einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss der Mitglieder des Bundestags wieder zurückgewiesen werden, vgl. Art. 77 IV GG. (a) Vorliegen eines Einspruchsgesetzes Hier handelt es sich um ein Gesetz zur Änderung der Besoldung für Bundes- und für Landesbeamten. Für die Kompetenz in Art. 73 I Nr. 8 GG ist keine Zustimmungsbedürftigkeit angeordnet (vgl. Art. 73 II GG). Die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit gemäß Art. 74 II GG greift hier nicht, weil die Besoldung ausdrücklich aus Art. 74 I Nr. 27 GG ausgenommen ist (vgl. oben). Daher handelt es sich hier um den Grundfall eines Einspruchsgesetzes. (b) Einspruch des Bundesrats, Art. 77 III GG Zu untersuchen ist daher, ob der Bundesrat hier einen Einspruch gemäß Art. 77 III GG erhoben hat. Dies ist wörtlich zwar nicht geschehen, weil der Bundesrat seine Zustimmung verweigert hat. Dies kann aber als Einspruch ausgelegt werden, weil inhaltlich (trotz Gebrauchens der falschen Bezeichnung) dasselbe gemeint ist: Der Bundesrat ist mit dem Gesetz nicht einverstanden und will das Zustandekommen verhindern. (c) Zurückweisung des Einspruchs durch den Bundestag, Art. 77 IV GG Dieser Einspruch kann vom Bundestag aber durch Beschluss der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zurückgewiesen werden, vgl. Art. 77 IV GG. Vorsicht: Dabei ist die gesetzliche Zahl der Mitglieder gemeint (vgl. Art. 121 GG) und nicht nur die Zahl der anwesenden Mitglieder (wie z.b. bei Art. 42 II GG). Dies ist hier aber nicht geschehen, sondern das Gesetz wurde gleich an den Bundespräsidenten weitergeleitet. Es wurde also eine Stufe im Gesetzgebungsverfahren übersprungen und der Einspruch des Bundesrats ignoriert. 3. Zwischenergebnis Das Gesetz ist daher nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Der Bundespräsident hätte es deswegen nicht unterschreiben dürfen. 5

II. Materielle Verfassungsmäßigkeit Bedenken gegen die materielle Vereinbarkeit des Gesetzes mit dem Grundgesetz (also z.b. Verstöße gegen die Grundrechte) bestehen hier nicht. III. Ergebnis Die Normenkontrolle ist begründet, weil das Gesetz formell verfassungswidrig ist. Das Gesetzgebungsverfahren wurde nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Zudem hatte der Bund keine Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung der Landesbeamten. C. Gesamtergebnis Das Gericht wird feststellen, dass das Gesetz verfassungswidrig ist, vgl. 67 S. 1 BVerfGG. Diese Entscheidung hat gemäß 31 II BVerfGG Gesetzeskraft. Damit wird das Gesetz nichtig. Alternativ kann das BVerfG aber auch dem Gesetzgeber auftragen, das Gesetz innerhalb einer bestimmten Frist so zu ändern, dass es mit der Verfassung im Einklang steht. 6