Open Innovation: Foundations, Tools, and the Development of Competencies

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Transkript:

Hagen Habicht, Kathrin M. Möslein, Ralf Reichwald, Handelshochschule Leipzig (HHL) Open Innovation: Grundlagen, Werkzeuge, Kompetenzentwicklung 1 Open Innovation gilt als grundlegend neues Paradigma mit enormen Potenzialen für den Einzelnen, für Unternehmen und ganze Volkswirtschaften. Chesbrough stellt diese Form der Innovation als neuen Ansatz der Wertschöpfung und als überlegenes Innovationsmodell gegenüber geschlossenen Innovation dar [1]. Andere betrachten Open Innovation eher mit Skepsis, sie sehen gar ein Risiko für das geistige Eigentum des Innovators. Was verbirgt sich hinter dem Konzept der Open Innovation? Welche Werkzeuge stehen Unternehmen für Open Innovation zur Verfügung? Wie können Unternehmen die nötigen Kompetenzen für Open Innovation erwerben? Wo liegen die Herausforderungen und Chancen für Unternehmen? Bringt Open Innovation Wettbewerbsvorteile für das innovierende Unternehmen? Diesen Fragen geht der Beitrag nach. Überschrift und Vorspann in Englisch: Open Innovation: Foundations, Tools, and the Development of Competencies Open innovation is considered as fundamentally new innovation paradigm with enormous potential for individuals, companies, and entire economies. Chesbrough portrays this form of innovation as a new approach to value creation and as superior to closed innovation [1]. Others regard open innovation with skepticism, stating that it may breed risks for the innovator s intellectual property. What is behind the concept of open innovation? What tools for open innovation are available to companies? How can companies acquire the necessary competencies for open innovation? What are 1 Der Verlag stellt keine finale Druckfahne zur Verfügung. Das Paper wurde in dieser Form zur Veröffentlichung akzeptiert und erschien in: Information Management & Consulting 1/2011, S.44-51. 1

the challenges and opportunities for companies? Does open innovation yield competitive advantages for the innovating firm? These questions are addressed by the contribution at hand. Keywords: Open Innovation, Innovation Tools, Innovation Competencies Stichworte: Open Innovation, Innovationswerkzeuge, Innovationskompetenz 2

1 Grundlagen der Open Innovation Open Innovation bezeichnet Innovationsprozesse, die nicht an den Grenzen von Unternehmen oder deren Innovationsabteilungen enden, sondern Akteure unabhängig von deren institutioneller Zugehörigkeit als Ideengeber, Konzeptentwickler oder auch Innovationsumsetzer in die Gestaltung von Innovationen einbinden. Der Grundsatz valuable ideas can come from inside or outside the company and can go to market from inside or outside the company as well [1, S. 43] stellt externe Ideen und Verwertungsmöglichkeiten internen gleich. Das zentrale Ziel der Öffnung besteht in der Integration von externem Wissen über Bedürfnisse und Lösungen in den Innovationsprozess. Durch gezielte Prozessöffnung wird die Menge verfügbarer Innovationsquellen erheblich erweitert, wie Abbildung 1 darstellt. Implementierung Ideengenerierung Innovationsentwicklung Innovationsbewertung Abb. 1: Open Innovation-Prozess, [2, S. 6] Es bestehen in der Literatur zwei grundlegende Begriffsverständnisse, die sich in der Perspektive unterscheiden, in der Sache jedoch ergänzen. So lässt sich Open Innovation einerseits in Anlehnung an das Open Source-Verständnis als ein Phänomen der weitgehend selbstorganisierten, eigenmotivierten, internetgestützten, verteilten und kollaborativen Entwicklung sowie Gestaltung verstehen. Diese Sichtweise stellt die interaktive Zusammenarbeit unabhängiger Einzelakteure ins 3

Zentrum. Sie verzichtet in ihrer Extremform auf die Institution der Unternehmung. Eric von Hippel geht soweit zu postulieren, dass die Institution der Unternehmung und die Funktion des Managements für die Gestaltung von Innovationen insgesamt obsolet werden könnten [3]. Für das aktuelle und zukünftige Innovationsgeschehen in Unternehmen und auf Märkten ist diese Vision zwar inspirierend, aber dennoch etwas weit gegriffen. So beobachten wir heute, dass selbst aus dezentral verteilten Innovationsaktivitäten vielfach neue Unternehmen hervorgehen oder etablierte Unternehmen diese nutzen und im Extremfall gar vollständig integrieren. Die zweite Perspektive wird insbesondere von Henry Chesbrough vertreten. Für ihn bildet Open Innovation den Gegenpol zur klassischen Innovation in abgeschotteten Forschungs- & Entwicklungsabteilungen [1]. Diese sogenannte Closed Innovation bezeichnet die funktionale Separation und Zuweisung von Innovationsaufgaben an einen definierten internen Personenkreis. Sie fokussiert auf die Ausbildung von Expertentum und den Schutz geistigen Eigentums. Entlang definierter Prozesse werden intern entwickelte Ideen im Unternehmen oder extern genutzt. Internes Expertentum geht jedoch mit einer grundsätzlichen Präferenz interner Lösungen einher ( Not-invented-here -Verhalten). Dabei bleiben wichtige Innovationspotenziale an den Schnittstellen traditioneller Organisationsgrenzen sowie zwischen Akteursebenen weitgehend ungenutzt [4]. Die Entstehung radikaler - weil Grenzen bewusst außer Acht lassender - Innovationen wird auf Kosten hoher Kontrolle über Wissensflüsse behindert. Als Gegenentwurf stützt sich Open Innovation auf die Möglichkeiten, in immer weiteren Bereichen Ideen, Konzepte und Innovationen mediengestützt, global verteilt, kollektiv über das Internet zu suchen, zu finden, zu entwickeln und auszutauschen, zu bewerten und zu selektieren sowie letztlich sogar umzusetzen und zu vermarkten. Beide skizzierten Grundperspektiven sind im heutigen globalen Innovationsgeschehen Realität. Dieser Beitrag fokussiert auf die Perspektive des Unternehmens. Er folgt der Definition von Open Innovation nach Reichwald & Piller: Open Innovation bezeichnet demnach die Abkehr von einem klassischen Innovationsprozess, der sich weitgehend innerhalb der Unternehmen abspielte. Open Innovation beschreibt den Innovationsprozess als einen vielschichtigen offenen Such- und Lösungsprozess, der zwischen mehreren Akteuren über die Unternehmensgrenzen hinweg abläuft. Diese Öffnung des Innovationsprozesses für 4

externen Input und die Auslagerung von Aufgaben an die Akteure, die besondere Kompetenzen oder lokales Wissen haben, schafft viele neue Potenziale [5, S. 95]. 2 Werkzeuge zur Unterstützung von Open Innovation Werkzeuge zur Unterstützung von Innovationsprozessen sind weit verbreitet und vielfach im Einsatz. Sie unterstützen spezifische Prozesse der Forschung und Entwicklung im Unternehmen. Nachfolgend werden nicht die klassischen Werkzeuge, sondern vielmehr die fünf primären Werkzeugklassen behandelt, die den Ansatz der Open Innovation unterstützen und vorantreiben. Es sind dies [6, S. 93]: Innovationswettbewerbe, Innovationsmarktplätze, Innovations-Communities, Innovations-Toolkits sowie spezielle Innovationstechnologien. Ihre Entstehung, Fortentwicklung und Verbreitung gründet sich primär auf Elemente des Web 2.0. Alle fünf Werkzeugklassen sollen im Folgenden knapp vorgestellt und anhand von kurzen Beispielen erläutert werden. 2.1 Innovationswettbewerbe Innovationswettbewerbe sind nicht neu: Sie rufen zur wettbewerblichen Lösung von konkreten Innovationsproblemen auf und schreiben hierfür Preise aus [7]. So schrieb bereits das British Empire im Jahr 1714 den so genannten "Longitude Prize" für die Suche nach einem innovativen Verfahren der korrekten Berechnung von Längengraden aus. Den für eine breite Anwendung von Innovationswettbewerben im heutigen Unternehmensumfeld notwendigen Quantensprung ermöglichte erst das Internet. Es gestattet jedermann die Ausschreibung von Innovationsfragestellungen zu geringen Kosten. Die notwendige Aufmerksamkeit für Wettbewerbe lassen sich durch Mechanismen des Web 2.0 leicht realisieren. Die Einsatzformen von Innovationswettbewerben sind vielfältig. Sie reichen von reinen Ideen- und Design-Wettbewerben über Konzeptwettbewerbe bis hin zu solchen, die tatsächlich auf marktfähige Innovationen zielen 5

(www.innovationcontest.de). Für Wettbewerbe, die konkrete Lösungen erbringen sollen, besteht eine zentrale Herausforderung in der Formulierung des Innovationsproblems: Wie kann ein Unternehmen ein Innovationsproblem so formulieren, dass die Darstellung fähige Innovatoren zur Mitwirkung motiviert, keine wettbewerbsstrategischen Informationen preis gibt und dennoch konkret genug ist, um einen relevanten Beitrag für das eigene Innovationsgeschehen im Unternehmen zu liefern. Diese Fähigkeit wird im weiteren Verlauf des Beitrags unter dem Begriff der Öffnungskompetenz nochmals aufgegriffen. 2.2 Innovationsmarktplätze Innovationsmarktplätze sind Intermediäre für Innovationsangebote und Innovationsnachfragen. Sie werden typischerweise als Online-Plattformen realisiert, auf denen Innovationssucher (typischerweise Unternehmen) Probleme ausschreiben und Innovationslösungsanbieter (einzeln oder in Teams) konkrete Lösungskonzepte vorschlagen. Im Internet gibt es zahlreiche solcher Intermediärsplattformen. Sie werden von Vorreiterunternehmen auch bereits im großen Stil genutzt. Einer der bekanntesten Innovationsmarktplätze ist Innocentive. Dieser Innovationsmarktplatz wurde 2001 von Eli Lilly gegründet und startete mit Fokus auf die chemische Industrie (www.innocentive.com). Heute bedient Innocentive Unternehmen in über 40 Industrien und 200 Ländern weltweit. Über 200.000 Innovatoren sind derzeit Mitglied der Innocentive Solver -Community. Die Preisgelder variieren zwischen 5.000 und 1.000.000 $. Eine Evaluierung der Erfolgsquoten zeigt die hohe Effizienz dieses offenen Prinzips: Ca. 30% der zuvor von Firmen nicht lösbaren Probleme wurden in einem Zeitraum von 6 Monaten gelöst. Im Durchschnitt investieren die Gewinner nur 72 Stunden für die Erstellung ihrer Lösung [8]. Planet Eureka (www.planeteureka.com) will das Prinzip der Problem-Ausschreibung umdrehen und sich als Anbieter-getriebener Innovationsmarktplatz etablieren. Ideenlieferanten und Innovatoren erhalten hier die Möglichkeit, nach einem Problem und einem Abnehmer zu suchen. Ein Ansatz der insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen einen besonderen Reiz hat. Daneben entstehen Marktplätze wie FellowForce (www.fellowforce.com) oder Brainfloor 6

(www.brainfloor.com), die weniger von Preisgeldern als vom Community-Gedanken der gemeinsamen Innovationsentwicklung geleitet werden. 2.3 Innovations-Communities Innovations-Communities ermöglichen mit Gleichgesinnten gemeinschaftlich Ideen zu entwickeln, zu diskutieren und Innovationen voranzutreiben. Die Community der Open-Source-Entwickler ist ein überaus erfolgreiches Beispiel. Längst hat sie weltweit die Inspiration zum Aufbau themenbezogener Innovations-Communities geliefert und in zahllosen Branchen Nachahmung gefunden z. B. OScar (www.theoscarproject.org): The idea behind the OScar project is simple: A community of people plans and develops a new car in the web. The idea is about the goal to develop a simple and innovative car, but also about the way how this goal is achieved. Unternehmen treten heute mehr und mehr an die Stelle rein selbstorganisierter Innovations-Communities. Die Apple Developer Connection lädt zur Entwicklung neuer Anwendungen und Lösungen rund um Apple-Produkte ein (www.developer.apple.com). Apple bietet mehrere Mitgliedschaften an, die mit unterschiedlichen Mitwirkungsrechten und Mitgliedsbeiträgen verbunden sind, wobei der Jahresbeitrag bis zu 3.500 $ reicht. Apples Innovations-Community wird damit zugleich als Geschäftsmodell betrieben. 2.4 Innovations-Toolkits Innovations-Toolkits bieten eine Entwicklungsumgebung, in der Nutzer ohne spezifische Vorbildung Schritt für Schritt konkrete Innovationslösungen entwickeln können. Sie geben einen beschränkten Lösungsraum vor und stimulieren häufig gerade dadurch die Kreativität der Nutzer. Reichwald & Piller unterscheiden drei Grundtypen von Toolkits hinsichtlich ihrer Zielsetzung, den Gestaltungsprinzipien und der jeweiligen Nutzergruppe. Abbildung 2 stellt dies dar. Toolkits für User Innovation Toolkits für User Co-Design 7 Toolkits zum Ideentransfer Ziel Generierung von Leistungsindividualisierung Transfer vorhandener

Innovationsideen Generierung innovativer Leistungseigenschaf ten durch Produktkonfiguration (Verkaufstool) Innovationsideen aus der Nutzerdomäne (externes Vorschlagswesen) Prinzip "Chemiekasten" Sehr großer Lösungsraum Hohe Nutzungskosten Vollständiges Trial-and-Error "Lego-Baukasten" Vordefinierter Lösungsraum durch technische Restriktionen des Herstellers Geringe Nutzungskosten durch Standardmodule Trial-and-Error nur teilweise möglich "Black Board" Unbegrenzter Lösungsraum Geringe Nutzungskosten Kein Trial-and-Error (bzw. nur Feedback durch andere Nutzer) Nutzer Nutzer mit Lead- User-Eigenschaften Alle Kunden Nutzer mit Lead-User-Eigenschaften Abb. 2: Toolkits für Open Innovation [5,S. 167] Unabhängig von der spezifischen Ausgestaltung lebt Toolkit-gestütztes Innovieren vom Feedback, von der Simulation möglicher Lösungen und einer prozessorientierten Unterstützung der Lösungssuche. Die zentrale Herausforderung bei der Gestaltung liegt in der Gestaltung der Freiheitsgrade des angebotenen Lösungsraums. 2.5 Innovationstechnologien Innovationstechnologien eröffnen schließlich den Schritt vom Design einer Innovation zu ihrer Umsetzung. Wir bezeichnen damit primär Technologien, die im Innovationsprozess die Schritte des Prototyping und der Umsetzung unterstützen und im Prinzip von jedermann über das Internet angesteuert werden können. Open Design, Open Development und Open Manufacturing nutzen diese Technologien, um global verteilt über das Internet immaterielle Spezifikationen für materielle Lösungen zu entwickeln. Der softwaregesteuerte Schnitt vielfältiger Materialen ermöglicht mittels CNC-Schneidegeräten faszinierende Designs für Accessoires und Einrichtungsgegenstände jeder Art (vgl. www.movisi.com). 3D- Drucker fertigen aus Kunststoffstaub CNC-gesteuert dreidimensionale Objekte z. B. für das rapid prototyping. Visionäre wie Neil Gershenfeld verbinden hiermit seit Jahren die Erwartung, dass sich analog zur Entwicklung des Personal Computing als einer selbstverständlichen Technologie für jedermann in Zukunft das Personal 8

Manufacturing bzw. die Personal Fabrication als Selbstverständlichkeit durchsetzen werde [9]. In der Tat ist die Vision in Teilen heute bereits Realität: So bietet das Internet-Unternehmen Ponoko (www.ponoko.com) jedem Einzelnen die Möglichkeit, vielfältige Designs zu entwerfen, unmittelbar zu produzieren, zu vertreiben und beispielsweise zu IKEA in Konkurrenz zu treten. Als Technologien des offenen Innovierens stehen diese Innovationstechnologien heute noch ganz am Anfang. 3 Kompetenzentwicklung: Open Innovation Maturity 3.1 Großzahlige Mitwirkung von Akteuren am Innovationsprozess verlangt neue Kompetenzen Die dargestellten, internetbasierten Werkzeuge der Open Innovation weisen vier zentrale Effekte auf: Sie ermöglichen die großzahlige Mitwirkung von Akteuren am Innovationsprozess. Sie erlauben die Zusammenarbeit dieser Akteure in großräumiger Verteiltheit. Sie bewirken eine deutliche Erhöhung der Geschwindigkeit der Interaktion. Sie stellen für die Akteure im Innovationsgeschehen ein globales Gedächtnis bereit. Insgesamt erleichtern sie die Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb von Unternehmen deutlich und eröffnen für den Einzelnen völlig neue Mitwirkungsmöglichkeiten an Innovationsprozessen. Man spricht in diesem Kontext daher auch von einem klaren Trend zur Mitmach-Innovation, der durch die Herausbildung und Verbreitung des Web 2.0 des sogenannten Mitmach-Webs als Plattform für Innovationsaktivitäten vorangetrieben wird. Um die eben beschriebenen Werkzeuge zur Umsetzung von Open Innovation erfolgreich anwenden zu können, benötigen Unternehmen eine Reihe von Kompetenzen. Im folgenden Kapitel stellen wir diese Kompetenzen vor und integrieren sie in einem prozessbasierten Kompetenzentwicklungsmodell. Das Open Innovation Maturity Modell, wie es Abbildung 3 zeigt, stellt ein Reifegradmodell dar, mit dessen Hilfe Unternehmen gezielt Kompetenzen aufbauen können, die für Open Innovation-Projekte erfolgswirksam sind. Es zeigt in erster Linie die weitreichenden Wirkungen der Transformation eines Unternehmens vom Closed Innovator zum Open Innovator. Strategien, Prozesse und die Kompetenzen der 9

beteiligten Menschen sind davon berührt. Die Open Innovation Maturity ist gleichzeitig ein Prozessmodell, mit dessen Hilfe aufgezeigt werden kann, auf welchem Level sich ein Unternehmen in der Realität wiederfindet und zwar in Abhängigkeit von den Kompetenzen, die es bereits erreicht hat. Noch nicht abschließend beantwortet ist die Frage, wie Open Innovation Maturity im Einzelfall gemessen werden kann. Dazu sind geeignete Indikatoren zu identifizieren. Open Innovation Maturity A) Strategisches Management B) Innovationsprozess 4 Maturity Levels Handlungsempfehlungen je nach Reifegrad Ziele C) Kompetenzen und Fähigkeiten 8 Prozesskategorien Auf das Unternehmen angepasste Praktiken Maturity Levels vergeben anhand von Evaluierungen Level 3: OI Best Practices Level 2: regelmäßige OI Level 1: OI Experiment Level 0: Closed Innovation Abb. 3: Das Open Innovation Maturity Modell [10] Im Folgenden werden die in der Open Innovation Maturity integrierten Kompetenzen anhand ihrer primären Gestaltungsparameter im Unternehmen erläutert. Anschließend werden vier prototypische Maturity Levels für die Beherrschung von Open Innovation skizziert. 3.2 Kompetenzen für Innovationserfolg Open Innovation kann klassische Innovationssysteme sinnvoll ergänzen, oder sogar komplett ersetzen. Die beschriebenen Erfolgsbeispiele dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Open Innovation Projekte fehlschlagen. Unternehmen 10

müssen sich Open Innovation daher als wertvolles Instrument aktiv erschließen und geeignete Kompetenzen entwickeln. Denn oft wird die Komplexität von Open Innovation Projekten unterschätzt und zentrale Führungsunterstützungsaufgaben des Innovationscontrollings werden vernachlässigt [10]. Dem Controlling fallen im Kontext von Open Innovation eine Reihe von Aufgaben zu, die der Kopplung von strategischem Management, Innovationsmanagement, Personalentwicklung und Technologiemanagement dienen [11]. Dies betrifft nicht nur die Transparenz über den Status quo von Open Innovation Aktivitäten, d.h. über organisatorische sowie individuelle Ressourcen, Kompetenzen und Fähigkeiten. Vielmehr soll Open Innovation Controlling die Befähigung des Unternehmens aktiv durch das Aufstellen geeigneter Ziele und die Bewertung von Entwicklungsschritten unterstützen. Das folgende Kapitel stellt einen Controllingansatz in Form eines Reifegradmodels vor, mit dessen Hilfe Unternehmen ihre Reife für Open Innovation ihre Open Innovation Maturity bewerten und steuern können. Das Open Innovation Maturity Modell wurde auf Basis von 14 Fallstudien erarbeitet, die im Rahmen des Projekts Open-I stattfanden [12]. 4 Reifegradmodelle für Open Innovation Die Durchführung von Open Innovation als Kompetenz zu betrachten ist relativ neu. Bislang publizierte Managementmodelle betrachten einzelne Facetten des Problems, so z. B. prozessbezogene gesamtorganisatorische Kompetenzen [13], Gruppenprozesse [4] oder individuelle Fähigkeiten [2]. Wir haben diese Ansätze um den organisatorischen Kontext [14] erweitert und zu einem ganzheitlichen Model mit den drei Prozessgebieten strategisches Innovationsmanagement, Innovationsprozess, sowie Kompetenzen und Fähigkeiten mit jeweils vier Reifegraden integriert und in der Praxis erprobt. 4.1 Strategisches Innovationsmanagement Die Ausrichtung eines Unternehmens auf Open Innovation ist eine neue Form des Strategischen Innovationsmanagements. Dazu gehören insbesondere die Verankerung in einem handlungsleitenden Zielsystem (Strategie und Kultur) sowie die Bereitstellung von Ressourcen (Strukturen und Ressourcen) [14]. 11

Strategie und Kultur: Die Formulierung und Durchsetzung einer Innovationsstrategie fungiert als explizite Handlungsleitung. In ihr lassen sich sowohl inhaltliche Ziele als auch Wege zu deren Erreichung formulieren. Dazu gehört die Verankerung von Open Innovation in der Unternehmensstrategie sowie der Marktorientierung in der Innovationsstrategie. Eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur sowie die Verankerung der Innovationsorientierung in den Unternehmenswerten stellen hingegen einen weichen Handlungsrahmen dar. Strukturen und Ressourcen: Innerhalb der betrieblichen Hierarchie schafft der Aufbau von Strukturen Legitimation sowie persönliche Verantwortung für Open Innovation. Die Bereitstellung notwendiger Ressourcen verleiht den Verantwortlichen die nötige Handlungsmacht und unterstreicht das Commitment der Führung. 4.2 Innovationsprozess Die Beherrschung des Innovationsprozesses ist eine ebenso zentrale Voraussetzung. Open Innovation Aktivitäten verlangen von Unternehmen spezifische Kompetenzen der Öffnung sowie der Aneignung und der Integration von Wissen [13]. Öffnungskompetenz: Innovieren dient dem Aufbau eines Wissensvorsprungs. Dennoch erfordert Open Innovation die Weitergabe von Informationen an andere Innovationspartner. Öffnungskompetenz besteht darin, den Open Innovation Prozess nicht zu behindern und dennoch nur die nötigen Informationen zu offenbaren. Je später die Einbindung Externer in den Innovationsprozess stattfindet, umso mehr Information muss über das Innovationsziel preisgegeben werden und umso wichtiger wird diese Kompetenz. Aneignungskompetenz: Open Innovation verzichtet auf den kostenintensiven Wissensaneignungsprozess durch Definieren, Aushandeln und Durchsetzen von Verfügungsrechten. Unternehmen benötigen daher eine Aneignungskompetenz, die sie befähigt ohne Verfügungsrechte (1) koproduziertes Wissen aufzunehmen und (2) gegenüber Außenstehenden und Trittbrettfahrern zu schützen [13]. Ersteres geschieht durch Bereitstellung von Kooperationsanreizen. Für letzteres bieten sich organisatorische Maßnahmen (Verträge, Verhaltensregeln, Geheimhaltungsanreize) sowie strategische Maßnahmen (Lead-time, Standards oder Marken) oder komplexe Designs an. 12

Integrationskompetenz: Ko-produziertes Wissen ist schließlich vom Unternehmen in zwei Schritten zu integrieren. Einerseits sind die Ideen vieler Beteiligter in eine Lösung zu transformieren. Andererseits sind diese externen Lösungen in den Produktentwicklungsprozess einzupassen. Heterogene Inputs lassen sich bei geringer Komplexität durch Software großteils automatisiert integrieren [13]. Komplexe Integrationsaufgaben lassen sich an die externen Innovatoren auslagern oder durch interne Mitarbeiter zu einer Lösung verdichten. Für die Integration externer Lösungen in die betriebliche Wertschöpfung, sind hingegen Lern-Routinen erforderlich [4]. Mit ihnen lässt sich die Kombination existierenden und neuen Wissens und dessen kommerzielle Nutzung unterstützen. 4.3 Kompetenzen und Fähigkeiten Neben den aus klassischen Innovationsmodellen bekannten individuellen Faktoren der Innovationsfähigkeit, wie Kreativität und Fachwissen, erfordert Open Innovation zusätzliche Fähigkeiten, die sich aus dem spezifischen Innovationsumfeld ergeben [2]. Dies sind technische, Führungs- und Boundary Spanning Kompetenzen. Technische Kompetenz: Open Innovation erfordert von ihren Anwendern technische Kompetenzen. Jedem stehen zahllose Online-Tools, wie Suchmaschinen, Datenbanken, Werkzeuge zum Erstellen von Wikis, Podcasts oder Webseiten, CAD- Programme und Toolkits zum Innovieren zur Verfügung. Damit ist eine Performance möglich, die mit der von FuE-Abteilungen vergleichbar ist [15]. Dies ist jedoch den Aufbau entsprechender Fähigkeiten gekoppelt. Leadership Kompetenz: Die Offenheit des Teilnehmerkreises und fehlende Hierarchien machen Selbstorganisation zum zentralen Koordinationsmechanismus. Interaktionen finden zudem meist nicht anonym statt. Kollaboration unter diesen Bedingungen erfordert Kompetenzen der persönlichen Führung. Boundary Spanning Kompetenzen: Oft übersehen wird die Heterogenität der Beteiligten. Ein zentraler Faktor der Zusammenarbeit in Communities ist die Fähigkeit zum Boundary Spanning, d. h. verschiedene Sprachen und Denkmuster zu gemeinsamen zusammenzuführen [16]. Erst Boundary Spanning ermöglicht die Übertragung und Integration von Wissen aus analogen Märkten sowie über analoge und komplementäre Technologien auf andere Innovationsfelder. 13

5 Reifegrade für Open Innovation Zum Controlling dieser Prozessgebiete werden Maturity Levels benötigt, anhand derer sich Status quo und Entwicklung beurteilen lassen. Da das ganzheitliche Management von Open Innovation erhebliche Komplexität mit sich bringt, werden lediglich vier grobe Maturity Levels vorgestellt und für jedes Prozessgebiet ausdifferenziert. Level 0 Closed Innovation: Unternehmen auf diesem Level besitzen noch keine Erfahrungen mit Open Innovation. Kontrollaspekte dominieren die Wissensbildung, nicht selten gepaart mit einer not invented here Einstellung. Typische Aneignungsmechanismen sind Geheimhaltung und Verfügungsrechte.Von den untersuchten Unternehmen besaßen neun keinerlei Erfahrungen mit Open Innovation. Level 1 Experimentelle Durchführung von Open Innovation: Durch ein Pilotprojekt werden experimentelle Erfahrungen gesammelt. Einfaches Monitoring von Inputs und Ergebnissen schafft die Basis zur Bewertung von Open Innovation Projekten, die kompatibel zu vorhandenen Kennzahlensystemen ist. Der Fokus sollte darauf liegen, Risiken transparent zu machen und eine Legitimationsgrundlage für Open Innovation zu schaffen. Nach Projektabschluss stoßen verfügbar gemachte Erfahrungen Lernprozesse an und ermöglichen die Formulierung Open Innovation-spezifischer Entwicklungsziele. Level 2 Durchführung von Open Innovation in verschiedenen Formen oder Bereichen: Open Innovation etabliert sich als ergänzendes Innovationssystem zur Closed Innovation. Das Unternehmen operiert mit Open Innovation in mehreren Kontexten (in verschiedenen Abteilungen, an unterschiedlichen Innovationsaufgaben, mit verschiedenen Werkzeugen). Die Aufgabe des Controllings besteht nun darin, Vergleichbarkeit zwischen den Projekten herzustellen und Ansätze zur Erhebung und Entwicklung relevanter Kompetenzen zu entwickeln. Das Controlling unterstützt so die gezielte Ausrichtung des organisatorischen und individuellen Lernens im Hinblick auf Open Innovation. Level 3 strategische Planung und systematische Durchführung von Open Innovation: Open Innovation ist ein fester Bestandteil der Innovationsaktivitäten des 14

Unternehmens. Das Controlling unterstützt die Konsolidierung aller Open Innovation- Aktivitäten. Best Practices und kontinuierliche Verbesserungsprozesse werden etabliert. Es besteht ein ganzheitliches Beurteilungsmodell, dass alle acht Prozesskategorien der Open Innovation-Maturity unterstützt. Die vier skizzierten Maturity Levels beziehen sich in jedem Prozessbereich auf spezifische Controllingaufgaben und Controllingobjekte, wie Abbildung 4 darstellt. Je nachdem, wie weit diese Controllingobjekte im Sinne der Durchführung von Open Innovation Aktivitäten entwickelt sind, wird dem zugrunde liegenden Prozess ein entsprechender Maturity Level zugeschrieben. Open Innovation Maturity Maturity Level 0 Maturity Level 1 Maturity Level 2 1) Strategisches Innovationsmanagement OI ist nicht in Strategie verankert. Eine innovationsfreundliche Kultur kann vorhanden sein. OI-Strukturen existieren nicht. OI sind keine Ressourcen gewidmet. Formulierung eines konkreten Innovationsziels Festlegung und Kommunikation von Verantwortlichkeiten Bereitstellung von Ressourcen Bewertung von OI anhand weniger Input- und Outputgrößen. eine übergreifende OI- Strategie existiert ein Wandel der Unternehmenskultur ist initiiert Verantwortlichkeiten sind strukturell institutionalisiert die Bereitstellung von Ressourcen folgt einem standardisierten Prozess Bewertung der Projekte anhand etablierter Input-, Output- sowie Kompetenzentwicklungsindikatoren Prozessgebiete 2) Innovationsprozess 3) Kompetenzen und Fähigkeiten Es exisitiert kein OI- Prozess. Entsprechende Öffnungs-, Aneignungsund Integrationskompetenz besteht nicht. Ein OI-Prozess ist definiert Entwicklung und Einsatz verschiedener Werkzeuge, Technologien und Methoden für OI Entwicklung von Ansätzen zur Erhebung und Förderung der Öffnungs-, Aneignungsund Integrationskompetenz Für OI notwendige individuelle Kompetenzen können bestehen, werden jedoch nicht genutzt. Erprobung von Methoden zur Entwicklung individueller Fähigkeiten und Kompetenzen in den Bereichen Technik, Leadership und Boundary Spanning systematische Förderung individueller Kompetenzen und Fähigkeiten in den Bereichen Technik, Leadership und Boundary Spanning Maturity Level 3 OI-Strategie ist in der Unternehmensstrategie verankert Konsolidierte, systematische Verwendung von Konsolidierte und institutionalisierte 15

die Unternehmenskultur ist günstig für OI OI-Verantwortliche bilden ein aktives Netzwerk ein System zur kontinuierlichen Verbesserung ist implementiert Werkzeugen, Technologien und Methoden systematische Entwicklung der Öffnungs-, Aneignungs- und Integrationskompetenz Kompetenzentwicklung für Mitarbeiter Abb. 4: Aufgaben und Objekte des OI-Controllings Insgesamt betrachtet ist die Open Innovation Maturity ein ganzheitliches Konzept, das individuelle, prozessbezogene und organisatorische Kompetenzen verbindet. Es ist damit in der Lage, den für die zielgerichtete Entwicklung von Closed Innovation zu Open Innovation notwendigen systemischen Wandel auf allen Stufen zu unterstützen. 6 Ausblick Für Unternehmen eröffnen die beschriebenen Effekte spannende Chancen. Ihre Realisierung bedingt jedoch vielfältige Herausforderungen. Diese Herausforderungen und Spannungsfelder setzen unmittelbar an den zentralen Facetten der Innovation an. Lokale Innovation oder globale Verteilung: Die erfolgreiche Realisierungen der Open Innovation mildert die klassische Frage des Entweder-Oder. Sie schafft die Voraussetzungen, um globale Kreativität und Innovationskraft von vielen verteilten Akteuren lokal zu bündeln und mit lokalen Stärken gezielt und komplementär zu kombinieren. Innovationsschritt oder Sprunginnovation: Lange Zeit galt die Überzeugung, Unternehmensexterne könnten nur zu inkrementellen Innovationen beitragen. Heute zeigen Erfolgsbeispiele, dass Open Innovation sowohl für kontinuierliche wie auch diskontinuierliche Innovationen seine Berechtigung hat und Unterstützungspotenziale aufweist. Die Herausforderung liegt in der konkreten Ausgestaltung, Umsetzung und strategischen Ausrichtung im Unternehmen. Planen oder Loslassen: Open und Closed Innovation unter einem Dach verlangen nach einem ausbalancierten Unternehmensführungssystem mit dem gezielten Einsatz strukturaler und kultureller Elemente. Einerseits behindert das starre Festhalten an Gewachsenem die Einführung von Open Innovation, andererseits setzt 16

erfolgreiche Open Innovation zum Teil weitreichend Entwicklungen in Kultur und Selbstverständnis in Gang. Geschlossen oder offen Innovieren: Es geht nicht darum, ein einseitige Öffnung zu betreiben oder Closed Innovation komplett durch Open Innovation abzulösen. Vielmehr sind balancierte Strategien notwendig. Mit Blick auf die Kompetenzentwicklung stellt Open Innovation Unternehmen vor die Herausforderung, das Spannungsfeld zwischen offenem und geschlossenem Innovieren zu meistern und dabei bestenfalls die Vorteile zu kombinieren und die Nachteile beider Spielarten auszugleichen. Stärkung übergreifender individueller Meta-Kompetenzen: Der Aufbau von Technik-, Führungs- und Boundary Spanning-Kompetenzen dient nicht nur Open Innovation. Alle drei Kompetenzen stellen zugleich wichtige Meta-Kompetenzen für das Arbeiten in modernen Wertschöpfungssystemen dar, die zunehmend technischer werden und dabei die Integration vorher getrennter Wissens- und Erfahrungsbereiche erfordern. Literatur und Quellen [1] Chesbrough, H. W.: Open Innovation: The New Imperative for Creating and Profiting from Technology, Boston (MA). 2003. [2] Möslein, K. M.: Innovation als Treiber des Unternehmenserfolgs Herausforderungen im Zeitalter der Open Innovation. In: Zerfaß, A./Möslein, K. M. (Hrsg.) Kommunikation als Erfolgsfaktor im Innovationsmanagement, Wiesbaden. 2009. S. 3-22. [3] von Hippel, E.: Democratizing innovation. Cambridge (MA). 2005. [4] Tsai, W., Knowledge transfer in intra-organizational networks: effects of network position and absorptive capacity on business unit innovation and performance. In: Academy of Management Journal, 5/2001. S. 996-1004. 17

[5] Reichwald, R. / Piller, F.T.: Interaktive Wertschöpfung - Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung. Wiesbaden. 2006. [6] Möslein, K. M., / Neyer, A. - K.: Open Innovation: Grundlagen, Grenzen, Spannungsfelder. In: Zerfaß, A., & Möslein, K. M. (Hrsg.), Kommunikation als Erfolgsfaktor im Innovationsmanagement Strategien im Zeitalter der Open Innovation. Wiesbaden. 2009. S. 85-103. [7] Piller, F. T. / Walcher, D.: Toolkits for idea competitions: a novel method to integrate users in new product development. In: R&D Management, 36/2006. S. 307-318. [8] Lakhani, K. R.: The core and the periphery in self-organizing and distributed innovation systems. PhD Thesis. MIT Sloan School of Management. Cambridge (MA). 2005. [9] Gershenfeld, N.: FAB - The Coming Revolution on Your Desktop - From Personal Computers to Personal Fabrication. Cambridge (MA). 2005. [10] Habicht, H. / Möslein, K. M.. Open Innovation Maturity: Ein Reifegradkonzept zum Controlling von Open Innovation. In: ZfC Sonderheft Controlling Open Innovation, 2011(im erscheinen). [11] Hilgers, D. / Piller, F. T.: Controlling im Open Innovation: Theoretische Grundlagen und praktische Konsequenzen. In: ZfC, 2/2009. S. 5-11. [12] Open-I (2011): Open-I: Open Innovation im Unternehmen. Open-I ist ein vom BMBF und ESF gefördertes Forschungsverbundprojekt (FKZ 01FM07053), www.open-i.org [Zugriff am 15.01.2011]. [13] Piller, F. T. / Ihl, C.: Open Innovation with Customers: Foundations, Competences and International Trends. Aachen. 2009. [14] Chiesa, V. / Coughian, P./Voss, C. A.: Development of a Technical Innovation Audit. In: Journal of Product Innovation Management, 2/1996. S. 105-136. [15] O'Hern, M. / Rindfleisch, A.: Customer Co-Creation: A Typology and Research Agenda. In: Wisconsin Innovation Working Paper, Wisconsin. 2008. 18

[16] Fleming, L., / Waguespack, D. M.: Brokerage, Boundary Spanning, and Leadership in Open Innovation Communities. In: Organization Science, 2/2007. S. 165 180. Autorenhinweise Dr. Hagen Habicht ist wissenschaftlicher Assistent und Senior Research Fellow am Center for Leading Innovation & Cooperation (CLIC) der Handelshochschule Leipzig. Er promovierte 2009 an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität München. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Corporate Open Innovation E-Mail: hagen.habicht@hhl.de Prof. Dr. Kathrin M. Möslein ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbes. industrielle Informationssysteme am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied im Direktorium des Center for Leading Innovation & Cooperation (CLIC) sowie Forschungsprofessorin an der Handelshochschule Leipzig, seit 2007 Vizepräsidentin der European Academy of Management (EURAM) und seit 2010 Visiting International Fellow des Advanced Institute of Management Research (AIM), London. E-Mail: Kathrin.moeslein@wiso.uni-erlangen.de Prof. Dr. Prof. h.c. Dr. h.c. Ralf Reichwald Professor an der Handelshochschule Leipzig und Mitglied im Direktorium des Center for Leading Innovation & Cooperation (CLIC). E-Mail: reichwald@hhl.de CLIC Center for Leading Innovation and Cooperation Handelshochschule Leipzig (HHL) Katharinenstr. 17 19

04109 Leipzig Tel: 0341 / 9851 860 E-Mail: clic@hhl.de Internet: www.clicresearch.de ((Info Box)) Center for Leading Innovation and Cooperation Das Center for Leading Innovation and Cooperation ist ein Forschungszentrum an der HHL. CLIC führt Forschung im Spannungsfeld zwischen Führungssystemen, strategischer Integration von Innovationen sowie intra- und interorganisatorischer Kooperation durch. Als Think-Tank konzipiert, generiert CLIC Lösungswissen zur Steigerung des Innovationspotenzials von Branchen und einzelnen Organisationen. Dies geschieht in Form von Forschungskooperationen, Praxis-Workshops und akademischen Lehrveranstaltungen sowie Fachpublikationen. Derzeit unterhält CLIC ein LeadershipLAB, das sich mit Führung auf individueller und auf System-Ebene beschäftigt sowie ein InnovationLAB, das sich mit diskontinuierlicher Marktentwicklung durch radikale Innovationen beschäftigt. 20