Thüringer Verwaltungsschule Körperschaft des öffentlichen Rechts

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Transkript:

Thüringer Verwaltungsschule Körperschaft des öffentlichen Rechts Kennziffer Verwaltungsfachangestellte/r VFA 015/016 in Weimar am 6. Mai 2010 Schriftliche Prüfungsarbeit im Fachgebiet Verwaltungsrecht und Verwaltungsverfahren Hilfsmittel: Zeit: Erreichbare Punktzahl: Bearbeitungshinweis: VSV Thüringen oder eine andere vergleichbare Gesetzessammlung (Textausgabe), nicht programmierbarer Taschenrechner 120 Minuten 100 Punkte Die Aufgaben sind zu bearbeiten. Die Antworten sind - soweit möglich - unter Angabe der einschlägigen Rechtsvorschriften zu begründen. Zeitpunkt des Beginns: Zeitpunkt der Abgabe:

Sachverhalt: Nach einer gescheiterten Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten beabsichtigt Benny Glitter (23 Jahre alt) in der kreisfreien Stadt Stillheim in Thüringen eine Diskothek zu betreiben. Hierfür hat er bereits ein geeignetes Objekt gefunden. In dem seit ca. einem halben Jahr leer stehenden Wohngebäude in der Wiesenstraße 4, das Glitter von seiner Oma geerbt hat, möchte er den Betrieb ausüben. Das betreffende Grundstück liegt in einem Gebiet, für das der qualifizierte Bebauungsplan Wohngebiet Ost der Stadt Stillheim u. a. die Festsetzung Reines Wohngebiet (WR) enthält. Glitter hat bereits im Januar 2010 einen Bauantrag für die Diskothek bei der Stadtverwaltung Stillheim gestellt. Am 23.03.2010 erhält er mittels Übergabe-Einschreiben ein Schreiben der Stadt, in dem sein Antrag auf Erteilung einer baurechtlichen Genehmigung für die Änderung der Nutzung des Wohnhauses in eine Diskothek abgelehnt wird. Das Schreiben hat die Stadtverwaltung Stillheim am 22.03.2010 zur Post gegeben. Begründet wurde die Ablehnung mit dem bestehenden Bebauungsplan Wohngebiet Ost. Folgende Rechtsbehelfsbelehrung ist dem Schreiben beigefügt: Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb von vier Wochen Widerspruch schriftlich bei der Stadtverwaltung Stillheim,...(Anschrift)... einlegen. Glitter ist über die Ablehnung seiner Geschäftsidee sehr erbost. Am 28.04.2010 geht bei der Stadtverwaltung Stillheim sein schriftlicher Widerspruch gegen die Ablehnung der Genehmigung der Diskothek ein. In der Begründung gibt er an, dass er sich an einen städtischen Bebauungsplan nicht gebunden fühle - schließlich handele es sich dabei nur um einen Plan - wie der Name schon sage. Außerdem dürfe die Stadt nicht im stillen Kämmerchen solche gravierenden Planentscheidungen ohne Beteiligung der Einwohner treffen. Er werde sich jedenfalls mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Ablehnung der baurechtlichen Genehmigung der Diskothek wehren. Weil er die Entscheidung der Stadtverwaltung nicht akzeptieren will und aufgrund seines eingelegten Widerspruchs eröffnet Glitter am 29.04.2010 seine Diskothek. Bereits am 03.05.2010 erhält er mittels Zustellungsurkunde ein Schreiben der Stadtverwaltung Stillheim, in dem ihm die Nutzung des Wohnhauses in der Wiesenstraße als Diskothek untersagt wird. Fragen: 1. Warum ist für den Diskothekenbetrieb in dem Wohnhaus in Stillheim eine Baugenehmigung überhaupt erforderlich? 12 Punkte 2. Ist die Auffassung Glitters richtig, dass er sich nicht an einen Bebauungsplan halten müsse, weil es sich nur um einen Plan, also - wie Glitter meint - um keine verbindliche Regelung handle? 3. Werden die Einwohner einer Gemeinde am Aufstellungsverfahren für Bebauungspläne beteiligt?

4. Wurde der Antrag des Glitter auf Erteilung der Baugenehmigung für die künftige Nutzung des Hauses als Diskothek von der Stadtverwaltung Stillheim zu Recht abgelehnt? 1 5a) Warum war die Einlegung eines Widerspruchs gegen die Entscheidung der Stadt Stillheim überhaupt statthaft (Es ist hier nicht auf sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen oder die Begründetheit des Widerspruchs einzugehen!)? 5b) Hat Glitter den Widerspruch fristgerecht eingelegt? 6. Sollte die Stadtverwaltung Stillheim dem Widerspruch des Glitter nicht abhelfen, wie und bei welcher Behörde geht dann das Widerspruchsverfahren weiter? 7. Hat Glitter die Möglichkeit, sich nach einem erfolglos durchgeführten Widerspruchsverfahren mit einer bestimmten Klage gegen die Ablehnung der Baugenehmigung für die Diskothek zu wehren? 8. Durfte Glitter, wie er meint, die Diskothek aufgrund seines Widerspruchs gegen die Ablehnung der Baugenehmigung eröffnen? 8 Punkte 9. Auf welche Rechtsgrundlage hat die Stadtverwaltung Stillheim ihr Schreiben, das Glitter am 03.05.2010 zuging, gestützt? Bearbeitungshinweise: Die Stadtverwaltung Stillheim ist als untere Bauaufsichtsbehörde nach 59 Abs. 1 Nr. 1 ThürBO für alle im Sachverhalt gegenüber Glitter getroffenen Entscheidungen sachlich und örtlich zuständig. Dies darf bei der Lösung vorausgesetzt werden und muss nicht gesondert geprüft werden. Der geplante Diskothekenbetrieb stellt einen Sonderbau nach 2 Abs. 4 Nr. 8 ThürBO dar. Der Bebauungsplan Wohngebiet Ost der Stadt Stillheim wurde in einem ordnungsgemäßen Verfahren aufgestellt und ist gültig. Auf Vorschriften des Gewerberechts oder Immissionsschutzrechts ist bei der Lösung nicht einzugehen! Begründen Sie Ihre Antworten mit den einschlägigen Rechtsvorschriften!

Bearbeitungs- und Lösungshinweise Zu 1.: Bei dem Wohnhaus in der Wiesenstraße 4 in Stillheim handelt es sich um eine Anlage im Sinne der ThürBO, nämlich eine bauliche Anlage. Das Gebäude ist fest mit dem Erdboden verbunden und aus Bauprodukten hergestellt ( 2 Abs. 1 ThürBO). Es unterliegt damit den Vorschriften der ThürBO ( 1 Abs. 1 ThürBO). Die Nutzungsänderung des Wohnhauses in eine Diskothek ist baugenehmigungspflichtig nach 62 Abs. 1 ThürBO, weil eine Verfahrensfreiheit nicht besteht, denn Ausnahmetatbestände des 63 Abs. 2 ThürBO liegen nicht vor. An die Nutzung des Gebäudes als Diskothek werden andere gesetzliche Anforderungen gestellt, als an eine Nutzung als Wohnhaus. Auch das Genehmigungsfreistellungsverfahren ist ausgeschlossen, da die Diskothek einen Sonderbau nach 2 Abs. 4 Nr. 8 ThürBO darstellt (vgl. 63a Abs. 1 ThürBO). Für die Nutzungsänderung des Wohnhauses in eine Diskothek ist eine Baugenehmigung nach 62 Abs. 1 ThürBO deshalb erforderlich. 12 Punkte Zu 2.: Die Auffassung ist falsch, weil der Bebauungsplan gem. 10 Abs. 1 BauGB eine Satzung ist. Der Bebauungsplan enthält verbindliche Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung ( 8 Abs. 1, 1 Abs. 2 BauGB). Damit entfaltet er unmittelbare Rechtswirkung nach außen und seine Festsetzungen sind einzuhalten. Zu 3.: Das Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan sieht eine Beteiligung der Öffentlichkeit - und damit auch der Einwohner der Gemeinde - in zwei Phasen vor: Zum einen in der vorzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung nach 3 Abs. 1 BauGB, in der die Öffentlichkeit über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich unterrichtet wird; ihr wird außerdem dabei Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung gegeben. Eine zweite Beteiligung findet in Form der öffentlichen Auslegung nach 3 Abs. 2 BauGB statt. Die Entwürfe der Bauleitpläne sind mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. In dieser Zeit kann jedermann Stellungnahmen dazu abgeben. Die Stellungnahmen werden dann vom Gemeinderat beschlussmäßig im Rahmen der Abwägung nach 1 Abs. 7 BauGB behandelt. Zu 4.: Die Baugenehmigung (hier Genehmigung der Nutzungsänderung) ist zu erteilen, wenn keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die in dem Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind ( 70 Abs. 1 ThürBO).

Da es sich bei der geplanten Diskothek um einen Sonderbau handelt (s. o.), kommt hier das umfassende Baugenehmigungsverfahren nach 63c ThürBO in Frage. Im Genehmigungsverfahren wird auch die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach den 29 ff. BauGB geprüft ( 63c Satz 1 Nr. 1 ThürBO). Die Nutzungsänderung des Wohnhauses ist ein Vorhaben im Sinne des 29 Abs. 1 BauGB, damit finden die 30 37 BauGB Anwendung. Das Vorhaben des Glitter soll im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplanes Wohngebiet Ost der Stadt Stillheim verwirklicht werden. Die Nutzungsänderung zur Diskothek ist zulässig, wenn sie den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist ( 30 Abs. 1 BauGB). Der Bebauungsplan setzt für das Gebiet an der Wiesenstraße ein reines Wohngebiet nach 3 BauNVO fest (vgl. 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO). Damit richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach 3 Abs. 2 BauNVO. Die Diskothek ist im reinen Wohngebiet nicht zulässig. Sie ist auch nicht ausnahmsweise oder im Rahmen einer Befreiung nach 31 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB zulässig (unabhängig vom erforderlichen gesonderten schriftlichen Antrag auf Zulassung einer Ausnahme oder Befreiung mit Begründung nach 63e Abs. 2 ThürBO), weil sie in 3 Abs. 3 BauNVO nicht vorgesehen ist bzw. ein Befreiungsgrund nach 3 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 BauNVO nicht vorliegt und nachbarliche Interessen zu beachten sind. Hinweis für den Korrektor: Ausführungen hierzu dürfen vom Prüfling nicht erwartet werden, können jedoch bei der Bewertung positiv berücksichtigt werden, wenn sie vorhanden und richtig sind. Der Antrag des Glitter auf Erteilung der Baugenehmigung zur Umnutzung des Wohnhauses in die Diskothek wurde deshalb von der Stadtverwaltung Stillheim zu Recht abgelehnt. 1 Zu 5.: a) Der Rechtsbehelf des Widerspruchs ist im Rahmen des Vorverfahrens nur zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten vorgesehen ( 79 ThürVwVfG, 68 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 VwGO). Deshalb ist er nur statthaft, wenn ein Verwaltungsakt angefochten werden soll. Es handelt sich bei Ablehnung der Genehmigung der Nutzungsänderung um einen Verwaltungsakt i. S. des 35 Satz 1 ThürVwVfG, denn die Ablehnung ist eine hoheitliche Maßnahme (aufgrund hoheitlicher Gewalt gegenüber dem Bürger im Über- /Unterordnungsverhältnis erlassen), einer Behörde (Stadtverwaltung Stillheim ist eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, 1 Abs. 2 ThürVwVfG), auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (Thür- BO und BauGB als Teile des besonderen Verwaltungsrechts), zur Regelung eines Einzelfalles (Antrag des Benny Glitter auf Nutzungsänderung des Wohnhauses zur Diskothek), mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (durch die Bekanntgabe des Bescheides erlangt die Entscheidung Außenwirkung und Glitter ist dadurch in seinen Rechten unmittelbar berührt, weil er das Wohnhaus nicht als Diskothek nutzen darf). b) Der Widerspruch ist grundsätzlich innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes bei der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, einzulegen ( 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Voraussetzung ist allerdings eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung ( 70 Abs. 2 i. V. m. 58 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 VwGO). Diese ist jedoch laut Sachverhalt nicht erfolgt, denn die Stadt Stillheim hat die Rechtsbehelfsbelehrung falsch formuliert. Die Widerspruchsfrist beträgt eben nicht vier Wochen sondern einen Monat. Außerdem kann der Widerspruch nicht nur schriftlich sondern auch zur Niederschrift bei der Behörde eingelegt werden ( 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Durch die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung kann Glitter ein Jahr ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes Widerspruch einlegen ( 58 Abs. 2 VwGO).

Die Bekanntgabe des Bescheides erfolgte mittels eingeschriebenen Brief (Übergabe- Einschreiben), also durch Zustellung ( 41 Abs. 1 und Abs. 5 ThürVwVfG i. V. m. 2 Abs. 1 Satz 1 und 4 ThürVwZVG). Demnach gilt der Bescheid am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist ( 4 Abs. 2 Satz 2 ThürVwZVG). Die Aufgabe zur Post erfolgte am 22.03.2010. Damit gilt der Bescheid am 25.03.2010 als zugestellt. Dass Glitter das Schreiben tatsächlich schon am 23.03.2010 erhalten hat, ist unerheblich. Die Widerspruchsfrist von einem Jahr endet deshalb mit Ablauf des 25.03.2011 ( 79 Halbsatz 2 i. V. m. 31 Abs. 1 ThürVwVfG, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 1. Alt. BGB). Glitter hat deshalb fristgerecht Widerspruch eingelegt. Zu 6.: Hilft die Stadt Stillheim als Ausgangsbehörde dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid. Diesen erlässt die nächsthöhere Behörde, soweit nicht durch Gesetz eine andere höhere Behörde bestimmt wird ( 73 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Stadt Stillheim handelt als untere Bauaufsichtsbehörde im übertragenen Wirkungskreis ( 59 Abs. 1 Nr. 1 ThürBO). In Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises ist gemäß 124 Nr. 2 ThürKO die Fachaufsichtsbehörde für den Erlass des Widerspruchsbescheides zulässig. Diese ist gemäß 59 Abs. 1 Nr. 2 ThürBO das Landesverwaltungsamt als obere Bauaufsichtsbehörde. Zu 7.: Das Widerspruchsverfahren ist als Vorverfahren einer möglichen Klage nur vorgeschaltet, mit der hier die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes begehrt werden würde ( 42 Abs. 1 VwGO). Glitter könnte deshalb nach einer für ihn negativen Entscheidung des Widerspruchsbescheides eine Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht erheben. Zu 8.: Ein Verpflichtungswiderspruch kann keine aufschiebende Wirkung wie ein Anfechtungswiderspruch entfalten (vgl. 80 Abs. 1 VwGO). Glitter darf das Wohnhaus als Diskothek nur nutzen, wenn er dafür die erforderliche Baugenehmigung erhalten hat (sog. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Ohne die Baugenehmigung darf er trotz Widerspruchs gegen den ablehnenden Bescheid der Stadt Stillheim das Wohnhaus nicht als Diskothek nutzen. Dies dürfte er erst, wenn die schriftliche Baugenehmigung vorläge (vgl. 70 Abs. 1 ThürBO). 8 Punkte zu 9.: Die Nutzungsuntersagung des Wohnhauses als Diskothek durch das Schreiben, das Glitter am 03.05.2010 zugestellt wurde, ist auf die gesetzliche Befugnisnorm des 77 Satz 2 ThürBO gestützt. Demnach konnte die Stadt Stillheim als untere Bauaufsichtsbehörde die Nutzung des Wohnhauses als Diskothek untersagen, weil diese Nutzung sowohl formell (fehlende Baugenehmigung) als auch materiell (Diskothek ist unzulässig im reinen Wohngebiet) im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht.