Aufgaben der Naturwaldreservate. Erforschung sich selbst entwickelnder Waldökosysteme

Ähnliche Dokumente
Faunistische Untersuchungen in hessischen Naturwaldreservaten

Hessische Naturwaldreservate: Referenzgebiete für Naturnähe

Naturwaldreservate in Hessen. Geheimnisse des Waldes...

efieimnisse des Wa{des...

Arten- und Strukturvielfalt naturnaher Buchenwälder

WALD IN HESSEN HESSISCHES MINISTERIUM FÜR LANDESENTWICKLUNG, WOHNEN, LANDWIRTSCHAFT, FORSTEN UND NATURSCHUTZ

Das Naturwaldreservate-Programm

Auswirkungen von Störungen auf die Vegetation von Buchenwäldern. Marcus Schmidt, Peter Meyer, Ute Bedarff

NATURWALDRESERVAT BÖHLGRUND

NATURWALDRESERVAT MANNSBERG

NATURWALDRESERVAT HECKE

LIFE+ Projekt Naturwald, Moore und Lebensraumverbund im Ausseerland

NATURWALDRESERVAT WEIHERBUCHET

NATURWALDRESERVAT TURMKOPF

Bannwälder Zimmeracker und Klebwald im Hagenschieß/Nordschwarzwald

Zoologische Forschung in hessischen Naturwaldreservaten Exemplarische Ergebnisse und Perspektiven

Projekt L57: Management von Artenvielfalt in der integrativen Waldbewirtschaftung

NATURWALDRESERVAT GÖPPELT

Arten- und Strukturvielfalt naturnaher Buchenwälder

OBERELSBACH, , TORSTEN RAAB. Kernzonen im Biosphärenreservat Hessische Rhön

Erhaltung von Eichenwäldern

Naturwaldreservate im Nationalpark - Beispiele für künftige Waldentwicklungen

Zweite Bundeswaldinventur 2002 in Bayern

Artenvielfalt. Biodiversität auf engstem Raum: Käfer aus dem Naturwaldreservat Stirnberg (Hohe Rhön) in 250 verschiedenen Arten

Dezember Jahre Naturwaldreservate. Baumpflege

NATURWALDRESERVAT GAILENBERG

Ein Alt- und Totholzkonzept für den Wirtschaftswald Ökologische Grundlagen

NATURWALDRESERVAT DAMM

Zoologische Forschung in Buchenwäldern hessischer Naturwaldreservate

Gliederung der Präsentation

Naturwaldreservate als Datenbasis zur Einschätzung natürlicher Waldentwicklungen in einem künftigen Nationalpark

Monitoring in Wäldern: Die Bundeswaldinventur und Verknüpfungen für Naturschutzfragen Dr. Heino Polley

NATURWALDRESERVAT RUSLER WALD

Bannwald "Zweribach"

NATURWALDRESERVAT NEUKREUT

Bannwald "Wilder See - Hornisgrinde"

Die Bedeutung der Naturwaldreservate für die Fauna am Beispiel hessischer Untersuchungen

Biodiversität und natürliche Waldentwicklung. Sebastian Seibold (TU München)

NATURWALDRESERVAT DREIANGEL

Die Fauna von Naturund Wirtschaftswald. Wolfgang H. O. Dorow

Erläuterungen/Waldsteckbriefe/Statements/ Handlungsempfehlungen zum Alternativen Waldzustandsbericht 2018

Aspekte der floristischen Vielfalt naturnaher Buchenwälder. - Marcus Schmidt -

NATURWALDRESERVAT WOLFSEE

NATURWALDRESERVAT SCHÖNWALD

Wichtigste Ergebnisse aus 17 Jahren zoologischer Forschung in hessischen Naturwaldreservaten

Managementplan FFH-Gebiet Weidfelder bei Gersbach und an der Wehra

NATURWALDRESERVAT ASCHOLDINGER AU

Das Naturwaldreservat Lange Leitn GEORG FRANK HERFRIED STEINER

Auswertungen der Bundeswaldinventur 3

Eichenwälder in der natürlichen Vegetation Nordwestdeutschlands

Flechten. Ein Leben am Limit. Fortbildung Pro-Nationalpark Freyung-Grafenau e.v. am von Johannes Bradtka

Der Jura-Forstbetrieb

Vergleich von Wirtschaftswäldern und Urwäldern. Jörg Müller Nationalpark Bayerischer Wald SG Forschung

Naturwaldbetreuung im Rahmen des LÖWE-Programms RdErl. d. ML v VORIS Im Einvernehmen mit dem MU

NATURWALDRESERVAT SCHORNMOOS

Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Würzburg. Markt Höchberg WALDNATURSCHUTZ IM GEMEINDEWALD

- Bereich Stadtwald - Zuwachs und Vorratsentwicklung. Stadtwald Lübeck

Auswertungen der Bundeswaldinventur 3

Biodiversität im Wald was ist zu tun? Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz Werner Müller / Christa Glauser

Auswertungen der Bundeswaldinventur 3

Auswertungen der Bundeswaldinventur 3

Ergebnisse der Pflanzen- und Tierartenerfassung im Mittelwald bei Heißum im Jahr Martin Bollmeier und Anke Kätzel

Naturwaldzellen in Sachsen-Anhalt: Konzept, Geschichte und Erforschung

en. ahr den niemals bef aldfläc ozent der W und 85 Pr : R anz gut t g Das klapp en. ahr he zu bef aldfläc enig W t w lic h, um mög auc or allem aber

Worauf verzichten wir in Naturwaldreservaten? - Ein Bewertungsansatz

Ergebnisse der ersten landesweiten Waldinventur in Brandenburg

PROF. DR. HUBERT WEIGER, LANDESVORSITZENDER. Schutz alter Bäume und Wälder

Faktensammlung zur Dritten Bundeswaldinventur (BWI 3) für Mecklenburg-Vorpommern

Permanente Stichprobeninventur Langula - Ergebnisse und Erfahrungen

Der Forstbetrieb Heigenbrücken Ein Kurzporträt

Waldkundliche Aufnahmen im Naturwaldreservat Wasserberg

Weltthema Biodiversität

r e b s r e l l a b e i r t e b t s r , h c s e l e t t i M n i r e t i e l r e i v e r, s s i e w a s i l önnen. hützen zu k

Nachhaltigkeit messen?

Neue Anforderungen der Gesellschaft an die Forstwirtschaft

Was macht Wald aus? Natürliche Waldgesellschaften in Brandenburg. Waldvielfalt. Susanne Winter NABU-Naturschutztag 14. September 2013 in Potsdam

Wofür brauchen wir eine Waldbewirtschaftung im Bayerischen Alpenraum?

Mögliche Auswirkungen von Hochwasserflutungen auf Forstbestände

Waldrandkonzept Musteflur

Sicherung von Natura 2000-Gebieten. im Wald

Nachhaltige Waldwirtschaft aus Sicht der Naturschutzverbände

Session 10-O6 - Artenvielfalt der Fauna in Buchenwäldern

Verjüngungsökologie der Esche Ergebnisse aus Naturwaldreservaten

Maßnahmen für eine nachhaltige, naturnahe Anpassung feuchter Wälder im Münsterland an Klimaveränderungen

SITUATION DER NATURWÄLDER IN DEUTSCHLAND UND BAYERN

Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft. Ergebnisse der ersten landesweiten Waldinventur in Brandenburg

NATURWALDRESERVAT WALDKUGEL

Prozessschutz in Wäldern Sinnvolle Naturschutzstrategie oder. Ressourcenverschwendung?

Naturschutzgerechte Bewirtschaftung des national bedeutsamen Waldgebietes

Holzaufkommen in Bayern unter Berücksichtigung des Waldumbaus

Wälder mit natürlicher Entwicklung (NWE) in den Niedersächsischen Landesforsten (NLF)

Landesforsten Rheinland-Pfalz. Forstfachlicher Beitrag zum FFH-Bewirtschaftungsplan DE Aremberg

HESSISCHER LANDTAG. der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Wie naturnah ist unsere Buchenwirtschaft?

Braucht die Eiche die Forstwirtschaft?

Waldnaturschutz und Biodiversität im Spiegel der Bundeswaldinventur

Kernzonen - Urwälder von morgen

NATURWALDRESERVAT GRENZWEG

Anteil alter Stichprobenbäume bei verschiedenen Baumarten in den WZE-Kollektiven beider Länder im Jahr 2015

Transkript:

Naturwaldreservate sind aus der Bewirtschaftung entlassene durchschnittlich 40 ha große Waldbestände mit einer angrenzenden weiterhin naturnah bewirtschafteten Vergleichsfläche. repräsentieren die in Hessen vorkommenden natürlichen Waldgesellschaften. werden durch das Unterlassen aller menschlichen Eingriffe zu Urwäldern von morgen. Aufgaben der Naturwaldreservate Erforschung sich selbst entwickelnder Waldökosysteme Erhaltung, Schutz und Wiederherstellung natürlicher Waldgesellschaften Forschungsgebiete zur Verbesserung naturnaher Waldbauverfahren Maßstab für Naturnähe Anschauungsobjekte für Umweltbildung und Naturerlebnis Naturwaldreservate 1/2001

Größe der Totalreservate (ha) 7-20 21-50 Baumart Eiche Buche Fichte Kiefer Sukzession Zur Zeit gibt es in Hessen 30 Naturwaldreservate mit einer Fläche von 1228 ha. Nr. Name Forstamt Hauptbaumart 1 Niestehänge Witzenhausen Buche 2 Goldbach u. Ziebachsrück Nentershausen/ Buche Bad Hersfeld 3 Schönbuche Neuhof Buche 4 Wattenberg u. Hundsberg Wolfhagen Buche 5 Meißner Hess. Lichtenau Buche 6 Niddahänge östl.rudingshain Schotten Buche 7 Ruine Reichenbach Hess. Lichtenau Buche 8 Hohestein Bad Sooden-Allendorf Buche 9 Haasenblick Burgwald Buche 10 Waldgebiet östl. Oppershofen Butzbach Buche 11 Heegbach Langen Buche 12 Weiherskopf Schlüchtern Buche 13 Kreuzberg Weilburg Buche 14 Kniebrecht Seeheim-Jugenheim Buche 15 Schloßberg Nentershausen Kiefer 16 Zellhäuser Düne Babenhausen Kiefer 17 Zackenbruch Haiger Fichte 18 Wispertal Rüdesheim Fichte 19 Bodenthal Rüdesheim Tr.Eiche 20 Karlswörth Groß Gerau St.Eiche, Es, Ul 21 Bruchköbel Wolfgang St.Eiche 22 Locheiche Edertal Buche 23 Hohe Hardt u. Geiershöh/ Burgwald/Wetter/ Buche Rothebuche Rauschenberg 24 Eichberg Bad Hersfeld Kiefer 25 Kinzigaue Wolfgang St.Eiche 26 Hundsrück Kirchhain Buche 27 Weserhänge Reinhardshagen Buche 28 Langenstüttig u. Stirnberg Hilders Buche 29 Alsberger Hang Schlüchtern Eiche 30 Jossa-Aue bei Mernes Sinntal Weide Naturwaldreservate 2/2001

Natürliche Waldgesellschaften in Hessen Waldgersten- Buchenwald 3% Auenwald 2% Stieleichen- Hainbuchenwald 4% Kiefern- Traubeneichenwald 1% Traubeneichen- Trockenwald 1% Waldmeister- Buchenwald 29% Hainsimsen- Buchenwald 59% Auf über 90 % der Fläche Hessens würden unter natürlichen Bedingungen Buchenwälder wachsen. Daher liegt der Schwerpunkt des Naturwaldreservateprogramms auf der Erforschung der naturnahen Buchen(-misch)wälder. Aber auch Eichen- und Auenwälder sowie Nadelholzbestände werden erforscht. Naturwaldreservate und Waldgesellschaften Auenwald Traubeneichen-Trockenwald Kiefern-Traubeneichenwald Sternmieren -Stieleichen-Hainbuchenwald Labkraut-Traubeneichen-Hainbuchenwald Waldgersten-Buchenwald Waldmeister-Buchenwald (submontan) Waldmeister-Buchenwald (montan) Hainsimsen-Buchenwald (submontan) Hainsimsen-Buchenwald (montan) 0 10 20 30 40 50 60 Flächenanteile (%) Totalreservat Land Hessen Neben den Waldgesellschaften sind im hessischen Naturwaldreservateprogramm auch die Standortstypen, die geologischen Landschaften und die forstlichen Wuchsgebiete ausreichend repräsentiert. Naturwaldreservate 3/2001

Naturwaldreservat Schönbuche Forstamt Neuhof 15 14 44 49 38 13 43 48 50 37 12 42 47 51 32 36 11 41 46 31 35 10 40 45 25 27 30 34 9 39 23 24 26 29 33 8 1 2 3 4 5 6 7 20 16 21 28 17 22 18 19 Naturwaldreservatskarte mit 100 x 100 m Gitternetz NWR Niddahänge östl. Rudingshain Jahr: 88 Forstamt: 806 Abt. U UF Best. Hauptbaumart Alter Stichproben-Nr.: 36 134 A 2 BU 147 1. Probekreis-Grundriß ES ES ES N R=20m 0 Probekreisradius: 20m 20m Durchmesser der Bäume gegenüber dem Probekreismaßstab verdoppelt m über NN : 550 Hangrichtung: Nord Hangneigung: stark geneigt (24%) Hanglage : Unterhang Aufnahmedatum: 11.12.87 Probekreisdarstellung Naturwaldreservat Stammzahl U Legende lebender Baum Dürrständer mit Krone Dürrständer ohne Krone Stubben geworfener Baum sonstiges Totholz Buchen ohne Baumartenkürzel Besonderheiten keine %-Anteil 5 0 m m 10 5 0 5 S r=2,82m Standardprobekreis mit Unterstichprobe Vegetation (Quadrat) und Verjüngung (Kleiner Probekreis) Schematischer Probekreis Inventurergebnisse Naturwaldreservate 4/2001

Ein wesentliches Kennzeichen von Naturwaldreservaten ist ein erhöhtes Totholzaufkommen. Abgestorbene und umgefallene Bäume bleiben auf der Fläche liegen und werden natürlich zersetzt. Totholz kann in sehr unterschiedlichen Formen auftreten und hat demzufolge unterschiedliche Bedeutung für die Arten und Prozesse in der Lebensgemeinschaft Wald. Wichtigste Totholzkategorien stehendes und liegendes Totholz starkes (dickes) und schwaches (dünnes) Totholz Zersetzungsstadium Zersetzungsmilieu (Wärme, Feuchtigkeit, Einstrahlung) Baumart Totholzmengen in Wirtschaftswald, Naturwaldreservaten und Urwäldern Bayerischer Staatswald 3,3 fm/ha Hessische Buchennaturwaldreservate 12 fm/ha Naturwaldreservat Karlswörth (Hessen, Auenwald) 60 fm/ha ältere bayerische Naturwaldreservate 90 fm/ha Slowakische Urwälder >200 fm/ha Naturwaldreservate 5/2001

Totes Holz - lebendiger Wald Totholz bietet unverzichtbaren Lebensraum für viele Lebewesen des Waldes. Rund ein Viertel der 6500 in Deutschland vorkommenden lebt an absterbenden oder toten Bäumen. Viele davon zählen zu den gefährdeten Arten. Über 150 verschiedene konnten in dem vom Sturmwurf 1990 betroffenem Naturwaldreservat Weiherskopf in einem 10-jährigen Untersuchungszeitraum ermittelt werden. Für die Vogelwelt, insbesondere die bilden kranke und abgestorbene Bäume eine wichtige Lebensgrundlage. Viele andere (u. a. Ameisen, Holzwespen, Fliegen, Moose, Flechten) sind in ihren Lebensabläufen auf das Vorhandensein von Totholz angewiesen. Naturwaldreservate 6/2001

Zoologische Untersuchungen Das Forschungsinstitut Senckenberg führte erstmals in einem deutschen Naturwaldreservat ( Niddahänge östlich Rudingshain ) eine umfassende Bestandsaufnahme der Tierwelt durch. Auf einer Fläche von weniger als ¾ Quadratkilometer leben 4500 Tierarten, das entspricht etwa 10 % der in Deutschland heimischen Fauna. Diese Artenzahl ist weit höher, als bisher für mitteleuropäische Buchenwälder angenommem wurde. eine Art (Fransenflügler Hoplothrips carpathicus Pelikan, 1961) neu für Deutschland 40 Arten (20 Käfer-, 14 Spinnen-, 3 Wanzen-, 2 Rindenlausarten und 1 Hautflüglerart) neu für Hessen 137 Arten neu für den Vogelsberg Naturwaldreservate 7/2001

Natürliche Wiederbewaldung des Naturwaldreservates Weiherskopf nach Sturmwurf 1990 (Waldmeister - Buchenwald auf Basalt) 1992 1994 Baumartenverteilung vor dem Sturm (1986) Esche 1% Fichte 7% Eiche 6% Spitzahorn 30% Baumartenverteilung nach dem Sturm (1994) Buche 12% Fichte 1% Buche 86% sonst. LH 5% Bergahorn 4% Esche 48% Die Baumartenzusammensetzung hat sich nach dem Windwurf drastisch verändert. Ob die Buche wieder die Vorherrschaft übernimmt, wird man erst in einigen Jahrzehnten erkennen. Naturwaldreservate 8/2001