LÖSUNGSSKIZZE. Erster Teil: Die Verfassungsbeschwerde der M. A) Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

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Transkript:

LÖSUNGSSKIZZE - Zur Klausurenkursklausur vom 18.11.2009 - Fall nachgebildet: VGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.05.2009, Az. VGH B 45/08 - Erster Teil: Die Verfassungsbeschwerde der M A) Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde I. Zuständigkeit des BVerfG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG 13 Nr. 8a; 90 BVerfGG (+) II. Prozessfähigkeit (+) [entbehrlicher Prüfungspunkt] III. Postulationsfähigkeit, 22 I 1 BVerfGG (+) [entbehrlicher Prüfungspunkt] Anwaltszwang bei mündlicher Verhandlung, 22 I 1 Hs. 2 BVerfGG IV. Beteiligtenfähigkeit, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG (+) = jedermann, d.h. jeder, der fähig ist, überhaupt Träger von Grundrechten zu sein. hier: M als natürliche Person mögliche Trägerin von Grundrechten und jedermann im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG V. Tauglicher Beschwerdegegenstand, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG ivm. 90 I BVerfGG ( 93 III BVerfGG) (+) Akt der öffentlichen Gewalt hier: LKSG, also ein Akt der Legislative VI. Beschwerdebefugnis, 90 I BVerfGG (+) = wenn aufgrund des Vortrags die Möglichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt ist. 1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung (Möglichkeitstheorie) = Verletzung nicht von vorneherein (offensichtlich) ausgeschlossen hier: mögliche Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG ivm. Art. 1 Abs. 1 GG durch Datenweitergabe und von Art. 6 Abs. 1 GG durch Drängen zur Früherkennungsuntersuchung 1

2. Selbst, gegenwärtig, unmittelbar betroffen (-) a) Selbstbetroffenheit (+) hier: Geltendmachung eigener Rechtsverletzung, nicht fremder b) Gegenwärtigkeit (Problem) (-) = wenn die Beeinträchtigung andauert, also noch nicht weggefallen oder erst zukünftig ist. Pro: M ist im 3. Monat schwanger. Regelmäßige Folge einer Schwangerschaft ist die Geburt eines Kindes, so dass das Gesetz in ca. 6 Monaten für sie gelten wird. Die ersten Früherkennungsuntersuchungen müssen bereits direkt nach der Geburt durchgeführt werden, so dass die Geltung des Gesetzes für M absehbar ist. Contra Das Kind ist de facto noch nicht geboren; also gilt das Gesetz noch nicht für M. Nicht jede Schwangerschaft verläuft normal. Außerdem könnte M sich jetzt noch grundsätzlich für eine Abtreibung entscheiden. => Es ist also nicht sicher, ob das Gesetz jemals auf sie anwendbar sein wird. Damit fehlt es an der Gegenwärtigkeit der Betroffenheit. c) Unmittelbarkeit (-) = wenn der angegriffene Akt den Beschwerdeführer ohne zusätzliches Dazwischentreten eines weiteren Vollzugsaktes der öffentlichen Gewalt zum Grundrecht es fehlt im Übrigen auch an einem weiteren Vollzugsakt, nämlich dem Tätigwerden der Zentralen Stelle nach 1 I LKSG. Das Abwarten eines solchen kann M zugemutet werden. Ergebnis: Beschwerdebefugnis (-) B) Endergebnis Die Verfassungsbeschwerde von M ist mangels Beschwerdebefugnis unzulässig. 2

Zweiter Teil: Die Verfassungsbeschwerde der F A) Zulässigkeit der Klage I. Zuständigkeit des BVerfG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG 13 Nr. 8a; 90 BVerfGG (+) II. Prozessfähigkeit (+) III. Postulationsfähigkeit, 22 I 1 BVerfGG (+) IV. Beteiligtenfähigkeit, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG (+) hier: F als natürliche Person mögliche Trägerin von Grundrechten und jedermann im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG V. Tauglicher Beschwerdegegenstand, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG ivm. 90 I BVerfGG ( 93 III BVerfGG): Akt der öffentlichen Gewalt (+) hier: Schreiben der Zentralen Stelle, also Akt der Verwaltung, der Exekutive VI. Beschwerdebefugnis, 90 I BVerfGG (+) = wenn aufgrund des Vortrags die Möglichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt ist. 1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung (Möglichkeitstheorie) = Verletzung nicht von vorneherein (offensichtlich) ausgeschlossen hier: Art. 2 Abs. 1 ivm. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG wie bei M möglich 2. Selbst, gegenwärtig, unmittelbar betroffen (+) a) Selbstbetroffenheit (+) hier: Geltendmachung eigener Rechtsverletzung, nicht fremder b) Gegenwärtigkeit (+) = wenn die Beeinträchtigung andauert, also noch nicht weggefallen oder erst zukünftig ist. hier: Kind von F bereits geboren und im Alter von fünf Monaten auch Adressat der Früherkennungsuntersuchungen (U 5 wäre durchzuführen) c) Unmittelbarkeit (+) hier: Vollzugsakt des Gesetzes liegt mit dem Schreiben der Zentralen Stelle und den damit einhergehenden Datenweitergaben etc. vor. 3

VII. Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (+) 1. Rechtswegerschöpfung, 90 II BVerfGG (ivm. Art. 94 Abs. 2 S. 1 GG) a) Grundsatz: Verpflichtung zur Rechtswegerschöpfung, 90 II 1 BVerfGG (-) = Erschöpfung aller zulässigen und zumutbaren Rechtsbehelfe/Rechtsschutzmöglichkeiten hier: Laut Sachverhalt hat F gerade kein Rechtsschutz bei den Fachgerichten gesucht b) Ausnahme, 90 II 2 BVerfGG (+) aa) bei allgemeiner Bedeutung (+) = wenn Entscheidung über Verfassungsbeschwerde Klärung grundsätzlicher, verfassungsrechtlicher Fragen erwarten lässt und über den Fall des Beschwerdeführers hinaus zahlreiche gleichgelagerte Fälle praktisch mit entschieden werden Pro: die verfassungsrechtlichen Fragen werden direkt durch ein Gesetz, das LKSG, aufgeworfen, nicht durch den konkret ergangenen Vollzugsakt. Damit wird die Entscheidung des BVerfG zahlreiche gleichgelagerte Fälle praktisch mitentscheiden. Dass solche Fälle vorhanden sind, zeigen insbesondere die Verfassungsbeschwerden von M und A. Im Übrigen hängt die Anwendbarkeit des LKSG entscheidend von der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Vorschriften ab. Eine tatsächliche und rechtliche Vorklärung des Falles durch die Fachgerichte bringt demnach wenig Ertrag für die verfassungsgerichtliche Entscheidung (vgl. die Argumentation in: VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil v. 28.05.2009, Az. VGH B 45/08, S. 12). [Anmerkung: Andere Ansicht gut vertretbar.] bb) bei schwerem unabwendbarem Nachteil (-) = wenn gerade das Abwarten einer späteren Entscheidung diesen Nachteil begründet, etwa weil sie zu spät käme und Beschwerdeführer damit praktisch rechtsschutzlos stünde Pro: die drohende Weitergabe der Daten und damit die Kenntnisnahme von diesen durch die Behörde, die F für die U 6 etc. drohen, wird nicht mehr rückgängig zu machen sein. Möglich wäre nur eine Löschung der Daten. Contra: auch eine Verfassungsbeschwerde hat eine lange Verfahrensdauer, so dass das Problem der fortlaufenden Datenweitergabe und Erinnerung auch hier nur im Wege eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz zu beseitigen wäre. Einen solchen könnte F bei den Fachgerichten ebenso stellen wie beim BVerfG. Im Übrigen ist mit Blick auf die weitergegebenen, doch sehr allgemeinen Daten zweifelhaft, ob überhaupt ein schwerer Nachteil vorliegt. 4

2. Wahrung der Subsidiarität im engeren Sinne (+) = Pflicht, alle zumutbaren Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. hier: Keine anderen als die fachgerichtlichen Schutzmöglichkeiten ersichtlich. VIII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis (+) = es fehlt, wenn Ziel des Verfahrens auf anderem Wege leichter erreicht werden kann. hier: Keine Anhaltspunkte für das Fehlen des allg. Rechtsschutzbedürfnisses IX. Ordnungsgemäßer Antrag und Frist, 23 I; 92, 93 BVerfGG 1. Ordnungsgemäßer Antrag, 23 I BVerfGG, 92 BVerfGG (+) hier: Mangels gegenteiliger Angaben zu unterstellen 2. Frist, 93 BVerfGG hier: laut SV Verfassungsbeschwerde direkt nach Erhalt des Schreibens erhoben, also Monatsfrist des 93 I BVerfGG gewahrt X. Zwischenergebnis Die Verfassungsbeschwerde der F ist zulässig. B) Begründetheit der Verfassungsbeschwerde der F Die Verfassungsbeschwerde von F ist begründet, wenn sie durch das Schreiben der Zentralen Stelle und die damit verbundene Datenweitergabe in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt wird. I. Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 GG ivm. Art. 1 Abs. 1 GG (+) In Frage kommt im vorliegenden Fall eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses umfasst das Recht auf individuelle Selbstbestimmung und das Recht auf Selbstdarstellung ( die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfGE 65, 1 (41)), wobei es auch die Selbstdarstellung, insbesondere vor Erhebung und Verarbeitung von persönlichen Daten (vgl. BVerfGE 78, 77 (84); ebenso VerfGH Rheinland-Pfalz, a.a.o., S. 14), schützt. 5

Dabei versteht man unter Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer natürlicher Personen (vgl. 3 Abs. 1 Landesdatenschutzgesetz als Anhaltspunkt) (vgl. insgesamt: BVerfGE 65, 1 (41 ff.) [Volkszählungsurteil], st. Rspr. z.b. BVerfGE 100, 313 (358 f.)). hier: Durch die Datenweiterleitungen nach dem LKSG wird der Schutzbereich berührt. II. Eingriff (+) = jedes zurechenbare staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, unmöglich macht hier: Erhebung und Weitergabe personenbezogener Daten ohne Einwilligung der Betroffenen, 2 Abs. 1 LKSG III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs 1. Schranke a) Abstrakte Schrankenbestimmung Problem: Basis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts = Art. 2 Abs. 1 GG mit der Folge, dass die Schrankentrias gelten müsste. Auf der anderen Seite wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht zusätzlich auf Art. 1 Abs. 1 GG gestützt, bei dem eine Einschränkbarkeit nach h.m. überhaupt nicht vorgesehen ist. Fraglich ist deshalb, ob und welche Schranke(n) für das allgemeine Persönlichkeitsrecht gelten können. BVerfG: ursprünglich Sphärentheorie Bezüglich der Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung Unterscheidung zwischen Eingriffen in die Intimsphäre (unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung): Überhaupt keine Schranke vorhanden, auch nicht diejenige der verfassungsmäßigen Ordnung; ein Eingriff hierin ist nicht zu rechtfertigen (BVerfGE 6, 32 (41) [Elfes-Urteil]; 38, 316 (320)) Privat- oder Geheimsphäre: Geltung der Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung unter besonders strenger Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BVerfGE 27, 344 (351) [Ehescheidungsakten]; 34, 238 (245) [Tonband]) Sozialsphäre = wenn der Einzelne als in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen tritt, durch sein Verhalten auf andere einwirkt und dadurch die persönliche Sphäre seiner Mitmenschen oder die Belange der Gemeinschaft berührt (BVerfGE 80, 367 (373) [Tagebuch]; vgl. auch BVerfGE 35, 35 (39) [Untersuchungsgefangene]): Einschränkbarkeit durch ein verfassungsmäßiges Gesetz ( verfassungsmäßige Ordnung ) Vertreter: z.b. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Bd. 1, 2000, Art. 2 Rdnr. 41 Contra Sphärentheorie: fließende Übergänge zwischen den verschiedenen Sphären stark subjektiver Einschlag bei der Zuordnung zu einer Sphäre 6

Pro Sphärentheorie: Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen verschiedenen Schutzniveaus kennt die Grundrechtsdogmatik auch an anderen Stellen (vgl. Abgrenzung zwischen schwerer und weniger schwerer Ungleichbehandlung im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG). Verknüpfung des Art. 2 Abs. 1 GG mit Art. 1 Abs. 1 GG und Betonung der Selbstbestimmung sowohl als wesentliches Element des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als auch der Menschenwürde (vgl. BVerfGE 115, 118 (154 f.) [Luftsicherheitsgesetz]) spricht für das Vorhandensein eines unantastbaren Bereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Damit muss aber zumindest der eng mit dem Schutzbereich der Menschenwürde verbundene Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen besonderen Schutz erhalten und damit von weniger Persönlichkeitsrelevanten Bereichen abgegrenzt werden. deshalb heutige BVerfG-Rspr.: Grundsätzlich keine Abgrenzung mehr verschiedener Sphären, sondern Geltung des einfachen Gesetzesvorbehaltes des Art. 2 Abs. 1 GG für alle Eingriffe [vgl. z.b. BVerfG-Rspr. zum Datenschutz [Volkszählungsurteil (BVerfGE 65, 1 (44-46)]: Entscheidung, dass es beim Datenschutz kein belangloses Datum mehr gibt und damit eine Unterscheidung zwischen einer äußeren und einer inneren Sphäre nicht möglich ist. Es gilt generell der einfache Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 GG.] Ausnahme: Betroffenheit des Persönlichkeitskerns, der Teil der Menschenwürde ist. Dann Unantastbarkeit isd. Art. 1 Abs. 1 GG. Zwischenergebnis: Im Datenschutz tritt die Sphärentheorie im strengen Sinne in den Hintergrund. Es gilt generell der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 GG. b) Subsumtion hier: Datenschutzproblematik. Also gilt (nur) die Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung [der Rechte anderer und des Sittengesetzes], also ein einfacher Gesetzesvorbehalt. Dabei muss ein eingreifendes Gesetz insbesondere hinreichend bestimmt sein (BVerfGE 64, 1 (44, 46)) [Literaturempfehlung zur Problematik der Sphärentheorie etc.: Hufen, Staatsrecht II. Grundrechte, München 2007, S. 178 ff.] 2. Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes (Vorliegen der Voraussetzungen der Schranke) a) Formelle Verfassungsmäßigkeit aa) Zuständigkeit des Landes Rheinland-Pfalz, Art. 70 ff. GG (+) (1) Grundsatz: Gesetzgebungskompetenz der Länder, Art. 70 Abs. 1 GG --> Gesundheitswesen grundsätzlich Länderzuständigkeit 7

(2) Ausnahme: konkurrierende Zuständigkeit des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG (Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen)? Pro: Die sicherzustellenden Früherkennungsuntersuchungen umfassen insbesondere auch Schutzimpfungen u.a. gegen Masern, Mumps, Röteln etc. und damit die Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten. Contra: Schwerpunkt der Regelung des LKSG sowie der Früherkennungsuntersuchungen sind nicht die Impfungen, sondern die allgemeine Untersuchung des Kindes, seiner geistigen und körperlichen Entwicklung, eben die Gesundheitsvorsorge; Impfungen sind nur nachgeordneter Teilaspekt. Dieser Gesundheitsvorsorge dient auch der primär im LKSG geregelte Erinnerungs- und Einladungsdienst. (Hilfserwägung: Art. 72 Abs. 1 GG: Länder mit Gesetzgebung, solange Bund nicht regelt und Bund hat bisher kein Gesetz zur Regelung auf diesem Gebiet erlassen.) Ergebnis: Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG (-) (3) Ausnahme: konkurrierende Zuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge)? = Zuständigkeit für Jugendpflege und Jugendfürsorge, auch für die vorbeugende Bekämpfung von drohenden Notlagen im Bereich der Jugendhilfe u. des Jugendschutzes Pro: Kindeswohl als Regelungsziel des LKSG ist Teil der öffentlichen Fürsorge. Bei weiterer Auslegung des Begriffs der Fürsorge in Art. 74 GG umfasst dieser auch präventive Maßnahmen zum Ausgleich von Notlagen und besonderen Belastungen sowie Vorkehrungen gegen die Gefahr der Hilfsbedürftigkeit (vgl. BVerfGE 88, 203 (329) [Abtreibung II]; 97, 332 (341) [Kindergartenbeiträge]). Contra: Entscheidend ist der überwiegendem Sachzusammenhang einer Regelung mit anderen Sachkompetenzen; aus der Kompetenz nach Art. 74 Nr. 7 GG scheiden vor allem Gesetze aus, die (...) der Seuchenbekämpfung oder in sonstiger Weise in erster Linie dem Gesundheitswesen dienen. (BVerfGE 88, 203 (329) [Abtreibung II]) Die Entscheidung der Verfassung (Art. 74 Nr. 19 und 19a GG), dem Bund für das Gesundheitswesen nur in eingeschränktem Maße Gesetzgebungskompetenzen zuzuweisen, darf nicht durch eine erweiternde Auslegung der Gesetzgebungskompetenz für die öffentliche Fürsorge unterlaufen werden (BVerfGE 88, 203 (329)). (4) Ergebnis Der Bund ist weder nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG noch Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zur Gesetzgebung befugt. Also bleibt es bei der Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 70 Abs. 1 GG. [vgl. hierzu auch: VerfGH Rheinland-Pfalz, a.a.o., S. 13 f.] 8

bb) Verfahren, Art. 77 ff. GG, und Form (+) b) Materielle Verfassungsmäßigkeit (+) aa) Bestimmtheitsgrundsatz, Art. 20 Abs. 3 GG (+) hier: kein Anhaltspunkt für einen Verstoß bb) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Art. 20 Abs. 3 GG (+) (1) Legitimer Zweck (+) (a) Schutz des Kindeswohls, Gesundheitsvorsorge, Schutz der Volksgesundheit = besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, für das eine staatliche Schutzpflicht aufgrund des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG besteht, und dessen Rang so hoch ist, dass aus dieser Schutzpflicht auch Handlungspflichten des Staates erwachsen können, auch wenn diese im Einzelnen im Ermessen des Gesetzgebers bzw. der Verwaltung (vgl. dazu Herdegen, Staatsrecht II. Grundrechte, München 2007, S. 216 ff., 109 f.) --> angesichts des niedrigen Alters der betroffenen Kinder (ab 1 Tag bis 5 Jahre) und der damit einhergehenden Unselbständigkeit besondere Schutzbedürftigkeit der Kinder (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, a.a.o., S. 17) --> keine sonstige Außenkontrolle der Eltern, da Kinder weder zum Schul- noch zum Kindergartenbesuch zu dieser Zeit verpflichtet sind. (b) Überwachung der elterlichen Erziehungsarbeit, Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG (2) Geeignetheit (+) (a) Einladungs- und Erinnerungsdienst Pro Geeignetheit: laut Sachverhalt dringendes Handlungsbedürfnis angesichts der Defizite bei der Früherkennung und der aktuellen Fälle von Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern Dienst ermöglicht rechtzeitige Erfassung und Auswertung von Risikofaktoren für das Kindeswohl laut Sachverhalt nehmen gerade Risikofamilien nur unterdurchschnittlich die Früherkennungsuntersuchungen wahr. => zu erwarten, dass Erinnerungsdienst gerade die Risikofamilien zur Untersuchung bewegt und außerdem durch die Datenerfassung das Risiko für die Kinder verringert. (vgl. dazu auch: VerfGH Rheinland-Pfalz, a.a.o., S. 17-19) (b) Datenerhebung und -weitergabe Pro Geeignetheit: Nichtteilnahme an Untersuchung häufiges Indiz für ein Defizit bei der elterlichen Fürsorge. Laut Sachverhalt wird bei den aktuellen Fällen als Hauptproblem immer die fehlende Vernetzung und Kommunikation zwischen Gesundheitswesen und Jugendhilfe benannt. (vgl. dazu auch: VerfGH Rheinland-Pfalz, a.a.o., S. 19 f.) 9

(3) Erforderlichkeit (+) --> milderes, gleich geeignetes Mittel nicht ersichtlich. Laut Sachverhalt Scheitern bisheriger Projekte zur gesundheitlichen Aufklärung Verzicht auf die Statuierung einer gesetzlichen Pflicht der Eltern zur Teilnahme ihrer Kinder an den Untersuchungen Milder: Erinnerungs- und Einladungsdienst nur bei Problemfamilien? Contra: Gefahr der stigmatisierenden Wirkung (4) Angemessenheit (+) = nachteilige Folgen für die Grundrechtsbetroffenen dürfen nicht ersichtlich wesentlich schwerer wiegen als die mit der staatlichen Maßnahme verfolgten Interessen (a) Contra Angemessenheit Datenweitergabe über einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren. Datenweitergabe an und Kontaktaufnahme durch Jugend- und Gesundheitsämter, deren Tätigwerden von der Öffentlichkeit tendenziell als stigmatisierend eingeschätzt wird. (b) Pro Angemessenheit (aa) geringe Eingriffsintensität Inhalt der Information betrifft nicht absolut geschützten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung (vgl. Sphärentheorie). Weitergabe nur von rein äußeren Identitätsmerkmalen wie Name, Geschlecht, Geburtstag etc.. Meldedaten unterschreiten damit sonst üblichen Meldekatalog an öffentliche Stellen (vgl. 31 Meldegesetz). Keine Weitergabe medizinisch sensibler Daten, so dass Vertrauensverhältnis Arzt - Eltern gewahrt bleibt. (bb) Abmilderung des Eingriffs durch verfahrensrechtliche Sicherungen Schutz der erhobenen Daten, vgl. 4 I 3 LKSG Wissenschaftliche Evaluation und Berichterstattungspflicht durch die Landesregierung im Jahr 2010, 7 LKSG (cc) großes Gewicht der staatlichen Schutzpflicht Aktuelle Vorkommnisse Schutzpflicht für körperliche Unversehrtheit der Bürger, Art. 2 Abs. 2 GG Wächteramt bzgl. elterlichem Erziehungsrecht, Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG (5) Ergebnis: Das Gesetz ist verhältnismäßig. 3. Verfassungskonforme Anwendung des Gesetzes (+) hier: Keine Anhaltspunkte für eine formell oder materiell rechtswidrige Anwendung des Gesetzes durch die Zentrale Stelle IV. Zwischenergebnis Kein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das darin enthaltene Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 ivm. Art. 1 Abs. 1 GG. 10

V. Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG (+) = Recht der Eltern zur Erziehung, aber auch Verpflichtung zur Erziehung; gewährleistet auch im Interesse der Rechte des Kindes grundsätzlicher Vorrang des elterlichen Erziehungsrechts vor dem staatlichen Gewährleistung u.a. auch der Ausübung der elterlichen Verantwortung frei von staatlichem Einfluss Beschränkung aber durch das Wächteramt des Staates aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG, das sich am Kindeswohl zu orientieren hat. VI. Eingriff (+) hier: Eingriff durch intensive Einwirkung auf den Willen der Eltern durch das mehrstufige, sich in der Intensität steigernde Verfahren der Einladung und Erinnerung erst durch die Zentrale Stelle mit Hinweis auf die gesundheitliche Mitverantwortung der Eltern ( 1), dann durch das Gesundheitsamt, ergänzt um entsprechende Maßnahmen ( 4), und schließlich an das Jugendamt, das zusätzlich eventuellen Hilfebedarf prüft ( 5). => Bereits das Inaussichtstellen des Verfahrens stellt einen Eingriff in die Bildung des elterlichen Erziehungswillens dar. VII. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Einschränkbarkeit des Elternrechts Kindeswohl / Wächteramt des Staates, Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ggf. verfassungsimmanente Schranken: kollidierendes Verfassungsrecht --> hier: LKSG dient dem Kindeswohl (s.o.). 2. Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes (Vorliegen der Voraussetzungen der Schranke) a) Formelle Verfassungsmäßigkeit (+) (s.o.) b) Materielle Verfassungsmäßigkeit (+) aa) Bestimmtheitsgrundsatz, Art. 20 Abs. 3 GG (+) bb) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Art. 20 Abs. 3 GG (+) --> Legitimer Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit (+) s.o. (4) Angemessenheit (+) Pro: Elternrecht bereits von Verfassungswegen von Anfang an begrenzt: Recht und Pflicht zur Pflege des Kindes (Vgl. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG). Recht des Kindes auf einen Schutz seiner körperlichen und geistigen Entwicklung aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. 11

Ohne Informationen Überwachung der Ausübung des elterlichen Erziehungsrechts nicht möglich (Grenze: überwachende Bevormundung der Eltern oder Aushöhlung der Elternverantwortung), zur Überwachung aber aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG verpflichtet Kostenfreiheit der Untersuchung 3. Verfassungsmäßige Anwendung des Gesetzes (+) s.o. C) Endergebnis Es liegt weder eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der F. aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG ivm. Art. 1 Abs. 1 GG noch eine Verletzung des elterlichen Erziehungsrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG vor. Die Verfassungsbeschwerde ist damit zulässig, aber nicht begründet. Dritter Teil: Verfassungsbeschwerde des A Problem einer anderweitigen Rechtshängigkeit? Grundsätzlich nein, denn das Landesverfassungsgericht prüft gem. Art. 130a LV nur die Verletzung der Landesverfassung, nicht des Grundgesetzes. Einschränkung: Durch das Bundesverfassungsgericht evtl. festgestellte Verstöße des LKSG gegen den Bestimmtheitsgrundsatz oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wären vom VGH Rheinland-Pfalz direkt zu berücksichtigen, da diese via Art. 20 Abs. 3 GG als Teil des Rechtsstaatsprinzips über Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG unmittelbar auch in Rheinland-Pfalz gelten. Wie diese Geltung genau aussieht, ist umstritten (vgl. dazu z.b.: Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG. Kommentar, 5. Aufl., München 2009, Art. 28 Rdnr. 7 ff.). 12