EDUARD STIEFEL LEHRBUCH DER DARSTELLENDEN GEOMETRIE
MATHEMATISCHE REIHE BAND VI LEHRBtrCHER DND MONOGRAPHIEN ADS DEM GEBIETE DER EXAKTEN WISSENSCHAFTEN
LEHRBUCH DER DARSTELLENDEN GEOMETRIE VON EDUARD STIEFEL PROFESSOR AN DER EIDG.TECHN.HOCHSCHULE IN ZURICH DRITTE AUFLAGE SPRINGER BASEL AG
Nachdruck verboten. Aile Rechte, insbesondere das der Obersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Springer Basel AG 1971 Urspriinglich erschienen bei Birkhiiuser Verlag, Basel 1971 Softcover reprint of the hardcover 3rd edirion 1971 ISBN 978-3-0348-7370-3 ISBN 978-3-0348-7369-7 (ebook) DOI 10.1007/978-3-0348-7369-7
5 VORWORT ZUR ERSTEN AUFLAGE Das vorliegende Buch ist aus Vorlesungen entstanden, die ich seit zehn Jahren an der Eidg. Technischen Rochschule in Zurich uber darstellende Geometrie gehalten habe. Es ist kurz gefabt, da man darstellende Geometrie nur erlernen kann, indem man die Grundlagen den Lehrbuchern entnimmt, das ubrige aber durch eigene Konstruktionen und Dbungen hinzufugt. Speziell habe ich mich bemiiht, die Verknupfung mit hoheren und neueren Teilen der Geometrie herzustellen. Unsichtbar bleibt fur den Leser die dauernde Auseinandersetzung mit den axiomatischen Grundlagen der Geometrie. Der erste Teil ist im Rinblick auf die Anwendungen in der Technik und unter spezieller Beriicksichtigung von didaktischen Gesichtspunkten geschrieben worden. Er entspricht ungefahr dem Inhalt meiner Wintervorlesung an der ETR. fur Mathematiker, Physiker und Ingenieure aller Arten. Ais Dbungsstoff zum ersten Abschnitt dieses Teils sei dem Leser das bekannte Werk von K. DANDLIKER und O. SCHLAPFER empfohlen (Aufgabensammlung der darstellenden Geometrie, 2. Auflage, 1957). Yom zweiten Teil an tritt dann immer mehr der wissenschaftliche Standpunkt in den Vordergrund. Es wird zunachst die Lehre von den KegeIschnitten auf die Reziprozitat gegrundet, wahrend andere Lehrbiicher dazu gewohnlich die Affinitat und Kollineation benutzen. Dieser Weg erschien mir vorteilhaft, weil damit das Dualitatsprinzip korrekt begrundet werden kann und sofort niitzliche Dienste leistet. Etwas ausfiihrlicher mochte ich dem Leser den dritten Teil des Buches vorstellen. Sinnt man ohne Voreingenommenheit daruber nach, welche Forderungen man zur theoretischen Begrundung der darstellenden Geometrie an das ebene Bild einer raumlichen Konfiguration stellen mochte, so wird man in erster Linie verlangen, dab das Bild geradentreu sei, dab also jede Gerade im Raum auch im Bild wieder als Gerade erscheint. Wenn in den Lehrbiichern bisher der ProzeB des Projizierens einzig zur Erzeugung von Abbildungen benutzt wird, so scheint mir hier schon eine Verkniipfung mit dem Sehen und der Anschauung vorzuliegen, welche der Theorie an sich fremd ist. Aus diesem Grund wurde im dritten Teil eine Theorie der geradentreuen Abbildungen entwickelt, bei welcher das Proji?ieren nur als Spezialfall erscheint. Durch diesen etwas hoheren Grad der Allgemeinheit werden - wie auch sonst in der Mathematik - die Beweise natiirlicher und leichter ubersehbar; so ist zum Beispiel der beriihmte Satz von Pohlke dann entbehrlich. Ob man von einer Vereinfachung sprechen will, ist natiirlich Geschmacksache. Zum Aufbau dieser Theorie mubte der Begriff des perspektivischen Achsenkreuzes geschaffen wer-
6 Vorwort den; dab er nieht allzu unglueklieh gewahlt ist, soli der Anhang darlegen. Dort wird gezeigt, dab dieser Begriff sehr veraligemeinerungsfahig ist. DaB aueh heute noeh beaehtenswerte Weehselbeziehungen zwischen der darstellenden Geometrie und neueren Zweigen der geometrisehen Wissensehaften bestehen, soli ebenfalis der Anhang auseinandersetzen. Mit Hilfe von Begriffsbildungen der modernen Theorie der Gewebe werden namlich die gelaufigen Methoden der darstellenden Geometrie in neuem Licht gezeigt und stark veraligemeinert. Von den Anwendungen habe ieh diejenigen Teile etwas ausfuhrlieher behandeit, welche ungefahr den Stoff einer Spezialvorlesung ausmaehen, die ieh jeweils im Sommer an der ETH. haiten mub, namlieh die Grundlagen der Photogrammetrie und die sphiirische Geometrie. Umfangreiehere und selbstandige Anwendungsgebiete wie die N omographie oder kinematische Geometrie sollen vielieieht spater einmal dargestellt werden. Der Faehmann wird vielleieht einige ihm liebgewordene Einzelheiten vermissen. Er moge als Entsehuldigung annehmen, dab ieh einerseits naeh reiflieher Oberlegung nur die Teile weggelassen habe, die mir dem heutigen Stand der mathematisehen und teehnisehen Wissensehaften nieht mehr angemessen sehienen, und dab ieh andererseits den Preis des Buehes mogliehst niedrig haiten wollte. Was endlieh die Figuren anbetrifft, so habe ieh mieh bemuht, einfaeh zu bleiben und mit wenigen Linien auszukommen. Es ist namlieh fur den Leser ein reeht unangenehmes Gesehaft, eine komplizierte Figur entwirren zu mussen, bei deren Entstehung er nieht zugegen war und die nur den Zeichner freut. Den Herren Prof. Dr. C. BURRI von der ETH. und O. SCHLAPFER von der Oberrealsehule Zurich verdanke ieh einige Anregungen und Verbesserungen. Herr Dr. W. BAUM hat mir beim Lesen der Korrekturen geholfen und das Saehverzeiehnis verfabt; Herr J. LANGHAMMER, Kartograph, hat mit grobem Einfuhlungsvermogen und erstaunlieher Prazision die Reinzeichnungen fur die Figuren hergestellt. Allen dies en Mitarbeitern, insbesondere aber dem Verlag Birkhiiuser, danke ieh aufrichtig. Zurich, Februar 1947. E. STIEFEL. VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Da die darstellende Geometrie sich seit dem Erscheinen der 1. Auflage wissensehaftlieh kaum weiterentwiekelt hat, konnten grossere Anderungen unterbleiben. Es wurde aber das Kapitel uber projektive darsteliende Geometrie etwas bereichert, indem einerseits die Bedingung hergeleitet ist, dab eine Perspektiye eine Zentralprojektion sei, und andererseits eine weitergehende Diskussion des gefahrlichen Orts in der Photogrammetrie aufgenommen wurde. Zurich, Oktober 1959 E. STIEFEL
7 INHALTSVERZEICHNI S Einleitung. Darstellende Geometrie im engeren Sinn. Das Projizieren. Das Messen und die Anschaulichkeit. Zweibildermethode. Krumme Flachen. Darstellende Geometrie im weiteren Sinn. Unmoglichkeit der langentreuen Abbildung eines Gebietes der Kugel auf eine Ebene...... 9 ERSTER TElL. Elementare darstellende Geometrie Erster Abschnitt: Zugeordnete Normalprojektionen....... 13 1. Das Koordinatensystem........... 13 2. Darstellung der Raumelemente. Die Gerade. Die Ebene. Punkt und Gerade in der Ebene............ 16 3. Lageaufgaben. Grundaufgaben. Parallelenprobleme....... 20 4. Metrische Aufgaben. Abstande und Winkel. Zylinder, Kegel, Kugel........... 27 5. Darstellung des Kreises, Ellipse 35 6. Umprojizieren (Transformationen) 39 Z weiter A bschnitt: Orthogonale A xonometrie 1. Konstruktion eines Achsenkreuzes, Verkiirzungen 2. Herstellung eines axonometrischen Bildes 3. Vereinfachung............... 4. Lage- und MaBaufgaben.......... 5. Satz von GAUSS, Verkiirzungsdreieck, Spinoren 41 41 43 44 48 50 Dritter Abschnitt: Konstruktive Behandlung gekrummter Fliichen. 52 1. Die Schraubenlinie als Beispiel einer Raumkurve 52 2. Flachen, Tangentialebene. Rotationsflachen, Schraubenflachen, Kegelflachen, Regelflachen................. 55 3. UmriB.......................... 59 4. Ebener Schnitt. Kegelschnitt. Schnitt einer Flache mit einer Tangentialebene. Das Rotationshyperboloid........... 64 5. Schnitt von zwei Flachen. Schnitt von zwei Kegelflachen. Methode der Hilfsflachen zur Punktkonstruktion. Methode der Flachennormalen zur Tangentenkonstruktion 72 6. Kotierte Normalprojektion. Erdbauten. Boschungsflachen. Abwicklung der Boschungsflache..... 76 ZWEITER TElL. Reziprozitiit, Kurven und Fliichen zweiter Ordnung 1. Die Reziprozitat. Unendlich ferne Elemente: Satz von DESARGUES. Polarentheorie. Reziproke Figur des Kreises... 82 2. Die Satze von PASCAL und BRlANCHON. Grenzfiille. Anwendungen. Umkehrung des Satzes von PASCAL. Zentralprojektion eines Kegelschnitts... 89
8 Inhaltsverzeichnis 3. FHichen zweiter Ordnung. Regelflachen zweiter Ordnung. Durchdringung von zwei Flachen zweiter Ordnung. Ellipsoid..... 96 4. Speziellere Satze und Methoden der Kegelschnittlehre. Die Achsenkonstruktion von RVTZ. Eine allgemeine Methode zur Lasung von Kegelschnittaufgaben. Aufgaben zweiten Grades. Der Satz von DANDELlN......... 100 DRITTER TElL. Proiektive darstellende Geometrie 1. Das Doppelverhaltnis................... 105 2. Projektive Abbildung einer Geraden auf eine andere. Grundaufgabe. Projektive Skala. Affine Abbildung. Projektive Abbildung von Btischeln......................... 109 3. Projektive Abbildung einer Ebene auf eine andere. Projektives Bild eines Kegelschnitts. Axiomatische Bemerkung. Affinitat. Entzerrung. Kollineation.................. 113 4. Perspektive. Zentralprojektion. Bedingung ftir Zentralprojektion. Zentralprojektion einer Kugel. Theoretische Erganzungen. Hauptsatz der projektiven darstellenden Geometrie. Allgemeine Axonometrie. Das Einschneideverfahren... 124 5. Allgemeine Zweibildermethode, Photogrammetrie. Innere Orientierung. Normalfall der Photogrammetrie. Infinitesimale Drehungen. Die Hauptaufgabe der Photogrammetrie. Der gefahrliche Ort 141 VIERTER TElL. Sphiirische darstellende Geometrie, konjorme A bbildungen 1. Stereographische Projektion. Das Gradnetz. Konstruktionen der spharischen Geometrie. Spharische Abbildung, Kristallzeichnen. 152 2. Konforme Abbildungen. Die Inversion. Die Mercatorabbildung. Einfiihrung komplexer Zahlen... 161 ANHANG. Topologische Gesichtspunkte Topologische Abbildung in der Ebene. Stetige Perspektive. 168 Sachverzeichnis 173