Schweres Schädel-Hirn-Trauma. Sedierung bei SHT

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Schweres Schädel-Hirn-Trauma Sedierung bei SHT Kristin Engelhard Mainz

Ziel der Sedierung von Patienten mit SHT

Ziele der Sedierung bei Patienten mit SHT Allgemeine Ziele: - Analgesie - Anxiolyse - Kontrolle der Agitation - Vegetative Stabilität - Kontrolle der Ventilation - Tiefes Sedierungsstadium Spezifische Ziele: - Anfallskontrolle - Reduktion des CMRO 2 - Kontrolle des ICP Suffiziente Versorgung der Gehirnzellen mit O 2 und Energie sicherstellen!

Auswahl der Medikamente

Anforderungsprofil - SHT Günstige Pharmakokinetik (rasche neurologische Beurteilung) Keine Beeinflussung der Hirndurchblutung Keine Beeinflussung der zerebrovaskulären Autoregulation Keine Erhöhung des intrankraniellen Drucks Keine Reduktion des zerebralen Perfusionsdrucks Günstiges Nebenwirkungsprofil

Medikamente Opioide Sufentanil, Fentanyl, Remifentanil Hypnotika / Anästhestika Propofol, Barbiturate, Sevofluran, Isofluran, Ketamin Benzodiazepine Midazolam, Lorazepam, Diazepam Andere Dexmedetomidin, Clonidin

Pharmakokinetik

Tägliche Aufwachversuche Verkürzte Beatmungszeiten/ICU-Zeiten wenn täglicher Aufwachversuch durchgeführt wird Ausnahme Patienten mit ICP Kardiovaskulär instabile Patienten Relaxierte Patienten Täglich erneute Festlegung und Überprüfung von Sedierungs-/Analgesie-Ziel Kress 2000 NEJM

Kontextsensitive Halbwertszeit (min) Sedativa Neurologische Beurteilbarkeit 150 Diazepam Thiopental Dexmedetomedin 100 50 Midazolam Ketamin 0 0 Propofol 3 6 9 Infusionsdauer (h) Mod. nach Bailey 1997 Anesth Analg

Sedierung - Scoring Systeme 1. Richmond Agitation Sedation Score (RASS) 2. RAMSAY Sedation Scale (RSS) 3. Sedation Agitation Scale (SAS) 4. Motor Activity Assessment Scale (MAAS) 5. Vancouver Interaction and Calmness Scale (VICS) Schiemann 2011 Intensivmed

Kontextsensitive Halbwertszeit (min) Opioide - Neurologische Beurteilbarkeit 100 Fentanyl 75 50 Sufentanil 25 0 Remifentanil 0 200 400 600 Infusionsdauer (min) Egan 1993 Anesthesiology

Behavioural Pain Scale (BPS) Item Beschreibung Punkte Gesichtsausdruck Obere Extremität Entspannt Teilweise angespannt Stark angespannt Grimassieren Keine Bewegung Teilweise Bewegung Anziehen mit Bewegung der Finger Ständiges Anziehen 1 2 3 4 1 2 3 4 Adaptation an das Beatmungsgerät Toleration Seltenes Husten Kämpfen mit dem Beatmungsgerät Kontrollierte Beatmung nicht möglich 1 2 3 4

Hirndurchblutung (CBF) Zerebrovaskuläre Autoregulation

Δ Änderung (%) Sedativa - rcbf, CMRO 2 0 Propofol Ket Sevo Iso - 20 Benzos Dexmed - 40 Barbiturate rcbf CMRO 2

CBF Zerebrovaskuläre Autoregulation - intakt CBV CPP

CBF Zerebrovaskuläre Autoregulation - aufgehoben CBV CPP

Effekt auf die Autoregulation (%) Zerebrovaskuläre Autoregulation 0 Barbiturate Propofol Ket Benzo Dexmed - 20 Sevo Iso - 40

Zerebraler Perfusionsdruck Intrakranieller Druck

CPP = MAP ICP

Effekt auf den MAP (%) Sedativa - MAP 0 Propofol Ket Benzos Dexmed - 20 Sevo Iso - 40 Barbiturate

Effekt auf den ICP (%) Sedativa - ICP 0 Propofol Ket Benzos Sevo Iso Dexmed - 20-40 Barbiturate

Effekt auf den CPP (%) Sedativa - CPP (=MAP- ICP) 0 Propofol Ketamin Benzos Opioide Dexmed - 20 Barbiturate Sevo Iso - 40

Sedierung nach SHT Ketamin/Midazolam vs. Fentanyl/Midazolam MAP, ICP (mmhg) 120 100 Benefit von Ketamin: 80-60 Verbesserte Darmmotilität - 20 Bronchodilatation ICP 0 MAP 1 2 3 4 5 6 7 8 Tage Fentanyl/Midazolam (n=18) Ketamin/Midazolam (n=17) - Reduzierter Opioidbedarf 40 - Reduzierter Katecholaminbedarf - Potentiell neuroprotektiv Kolenda 1996 Acta Neurochir

Opioide und ICP Sufentanil (3 µg/kg) Sufentanil (3 µg/kg) Zeit (min) Zeit (min) Werner 1995 Anesthesiology

ICP (mmhg) ICP unter Barbituraten Barbiturat Barbiturat min Nach Chesnut 1991 Neurosurg Clin North Amer

Wie hoch ist die Effektivität? 45 % guter ICP = 34 mmhg 15 mmhg 40 % teilweise ICP = Reduktion, aber nicht < 20 mmhg 15 % kein ICP Keine sichere Wirkung! Cave: Nebeneffekt Hypotension! nur unter EEG-Kontrolle Cormio 1999 J Neurotrauma

ICP, MAP und CPP unter Barbituratkoma Cormio 1999 J Neurotrauma

Nebenwirkungsprofil

Neurologische Beurteilbarkeit Respiratorische Komplikationen Neurogenese Barbiturate Cortisol-Spiegel Immunsuppression Leukozyten Elektrolytstörungen Vasodilatation Hypotension

Barbiturat-Koma nicht präventiv nur bei therapieresistenten ICP-Anstieg nicht auf Kosten des CPP Dosis beschränken (EEG-Kontrolle) auf potentielle Nebenwirkungen achten (Hypotension) AWMF S3-Leitlinie: Analgesie, Sedierung in der Intensivmedizin

Propofol-Infusions-Syndrom kein Syndrom n=60 Syndrom n=7 Cremer 2001 Lancet

Propofol-Infusions-Syndrom - Klinik: Rhabodmyolyse mit K Arrhythmie, QRS-Komplex, Hypotension Laktatazidose Akutes Nierenversagen Hepatomegalie - Unklare Inzidenz, hohe Mortalität - Daher Limitierung auf max. 4 mg/kg/h für 7 Tage Diedrich 2011 J Intensive Care Med

Unerwünschte Nebenwirkungen Ketamin - Bronchialsekretion - Exzitatorische Komponente Benzodiazepine - Tachyphylaxie - Abhängigkeit/Entzug - Delir/Agitation Opioide - Hypotension - Atemdepression, Thoraxrigidität - Intestinale Motilität - Delir, Agitation

Empfehlung für die Praxis

Empfehlungen für die Praxis - Primär Propofol wenn 7 Sedierungstage erwartet werden (schnellere neurolog. Beurteilbarkeit) - Wenn > 7 Sedierungstage Propofol kein Vorteil gegenüber Midazolam - PRIS = Propofol max. 7 Tage und < 4 mg/kg/h, immer Monitoring von ph, Laktat, CK - Ketamin in Kombination mit einem GABA-Agonist hat viele Vorteile - Hochdosierte Barbiturattherapie präventiv nicht empfohlen, therapeutisch nur als ultima ratio AWMF S3-Leitlinie: Analgesie, Sedierung in der Intensivmedizin

Opioide - Sufentanil, Fentayl, Remifentanil Wenn Analgosedierung < 72 h, dann vorrangig Remifentanil, Sufentanil Wenn zu erwartende Therapiedauer >72h, dann Sufentanil, Fentanyl Kontrolle der Analgesie beim sedierten Patienten Behavioural Pain Scale (BPS) AWMF S3-Leitlinie: Analgesie, Sedierung in der Intensivmedizin

AnaConDa - Einsatz beim SHT? Eigenschaften - Günstige Pharmakokinetik - Adäquate Anästhesietiefe - Bronchodilatation - Keine Gewöhnung - Isofluran potentielle ICP - Sevo: hoher Preis, tägliche Messung der Serumfluoridkonz. - Großes Totraumvolumen (100 ml) kann zum PaCO 2 führen

AnaConDa Klinischer Einsatz Patienten ohne intrakranielle Läsion Patienten mit SAB/Stroke, Isofluran Mesnil 2011 Int Care Med; Bösel 2012 Int Care Med

Dexmedetomidin/Propofol vs. Benzodiazepine Endpunkt Beatmungsdauer Fraser 2013 Crit Care Med

Dexmedetomidin - beim SHT? Bei schwerem SHT oft lange und tiefe Sedierung nötig hohe Kosten Reduktion des CBF ohne adäquate Senkung des Metabolismus Arterielle Hypotension/ Bradykardien Patienten entwickeln oft schon wegen zerebraler Schädigung ein Delir

Empfehlungen für die Praxis - Inhalative Sedierung mit AnaConDa (Sevofluran/Isofluran) kann angewendet werden - Dexmedetomedin = keine Empfehlung, ggf. adjunktiv AWMF S3-Leitlinie: Analgesie, Sedierung in der Intensivmedizin

ICP Druck-Volumenbeziehung ΔV Langfitt 1964 J Neurosurg

IMAPCT-Studien Gepoolte Daten von 10 Studien mit 8172 SHT Patienten Maas 2013 Lancet Neurology