Populationsrelevanz der Hämochromatose und klinische Konsequenzen 60. Tagung der DGVS Köln, 15.09.2005 Prof. Dr. med. Manfred Stuhrmann-Spangenberg Institut für Humangenetik Medizinische Hochschule Hannover 30625 Hannover stuhrmann.manfred@mh-hannover.de
Aus copyright -Gründen wurden für die Internetpräsentation dieses Vortrages von mehreren Folien die Abbildungen entfernt. Leider sind dem Vortrag somit einige Schmunzeleinheiten abhanden gekommen. M.Stuhrmann-Spangenberg, MH-Hannover, Januar 2006
(Bild von G. Jauch) Wieviele homozygote Anlageträger der Hämochromatose gibt es in Deutschland? A ca. 2 bis 3,5 Millionen B ca. 20000 bis 35000 C ca. 200000 bis 350000 D ca. 2000 bis 3500
(Bild von G. Jauch) Antwort C (ca. 200000 bis 350000) ist richtig. Bei 38599* Internisten in Deutschland kommen somit fünf bis neun homozygote Anlageträger der hereditären Hämochromatose auf einen Internisten *BÄK, Stand 31.12.04
Populationsrelevanz der Hämochromatose In Deutschland sind ca. 90% der Hämochromatose (HH)-Patienten homozygot für die Mutation C282Y in HFE-Gen. Wie häufig ist C282Y in Deutschland? Allelfrequenz Heterozygot Homozygot 26/390* 6,7% 13,4% (1/7,5) 0,45% (1/223) 5% 10% (1/10) 0,25% (1/400) *Stuhrmann, Graf, et al., 1998
HFE-Genotypen in verschiedenen Populationen Aus Graf und Stuhrmann J Lab Med 2000
Verschiedene Formen der vererbbaren Hämochromatose Typ Gen Erbgang Typ 1 oder hereditäre HFE Autosomal-rezessiv Hämochromatose Typ 2 oder juvenile HAMP Autosomal-rezessiv Hämochromatose HJV Autosomal-rezessiv Typ 3 TFR2 Autosomal-rezessiv Typ 4 SLC11A3 Autosomal-dominant (Typ 5) H-ferritin Autosomal-dominant
Populationsrelevanz der Hämochromatose Wie häufig ist Hämochromatose in Deutschland? Es gibt keine gesicherten Angaben über die Anzahl der Hämochromatose (HH)-Patienten in Deutschland. Es ist allerdings sicher, dass bei deutlich weniger als 200000 Personen die Diagnose Hämochromatose gestellt wurde. Warum wird nicht bei allen C282Y homozygoten Individuen die Diagnose Hämochromatose gestellt? Die Penetranz ist vermindert Die Symptome sind zu Beginn der Erkrankung sehr unspezifisch
Verminderte Penetranz (Durchschlagskraft) des C282Y/C282Y Genotyps Beutler et al. 2002: Vollbild der HH bei 1 von 152 Homozygoten Bulaj et al. 2000: 52% der Männer und 16% der Frauen über 50 Jahren mit C282Y/C282Y hatten wenigstens ein Erkrankungsmerkmal Modellversuch der MHH/KKH: Eisenüberladung bei 21 von 34 (61,8%) unbehandelten Homozygoten. Bei acht dieser 34 Personen (23,5%) lagen zusätzlich klinische Symptome und/oder andere Laborbefunde vor, die im Einklang mit HH waren
Die hereditäre Hämochromatose ist eine multifaktorielle Erkrankung mit autosomal-rezessiv vererbbarer Veranlagung Ob - und wie stark - eine C282Y homozygote Person erkrankt, wird durch Alter Geschlecht andere genetische Faktoren ( Modifier ) Umwelt beeinflusst.
Hepcidin - Schlüsselprotein im Eisenstoffwechsel
Klinische Konsequenzen Organschädigung durch Eisenüberladung (Abbildung Aderlass) Therapie / Prophylaxe mittels Aderlass (Abbildung Leber)
Klinische Konsequenzen Wann ist ein HFE-Gentest indiziert? Klinischer Verdacht Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Haarausfall, Impotenz Chronische Hepatitis, Leberzirrhose Diabetes, Arthropathie, Kardiomyopathie, graubraunes Hautpigment Symptome nicht vor dem 20. Lebensjahr AAA: Asthenie, Arthralgie, Aminotransferasen Transferrinsättigung > 50-60% Ferritin > 200 ng/ml Serum Eisen > 180 µg/ml Konsequenz Diagnosesicherung gegebenenfalls Verzicht auf invasive Diagnostik (Leberpunktion) Aderlassbehandlung
Verschiedene vererbbare Formen der Hämochromatose OMIM Klassifikation Typ 1 (adulte Form) Typ 2, Subtyp A (juvenile Form) Typ 2, Subtyp B (juvenile Form) Typ 3 (adulte Form) Typ 4 (adulte Form) Gen HFE HJV HAMP TFR2 SLC11A3 (SLC40A1) Protein HFE Hemojuvelin Hepcidin Transferrin-Rezeptor 2 Ferroportin Chromosomale Lokalisation 6p21.3 1q21 19q13.1 7q22 2q32 Erbgang Autosomal-rezessiv Autosomal-rezessiv Autosomal-rezessiv Autosomal-rezessiv Autosomal-dominant Vorkommen in Deutschland Häufig Selten Selten Selten Selten? Hohe Transferrinsättigung Früh Früh Früh Früh Spät Am stärksten betroffene Organe Leber, endokrine Drüsen, Herz Leber, endokrine Drüsen, Herz Leber, endokrine Drüsen, Herz Leber, endokrine Drüsen, Herz Leber, Milz Überwiegende Zellverteilung der Eisenüberladung Potential für Organschädigung Mittlerer Zeitpunkt von Organmanifestation Parenchymatös Parenchymatös Parenchymatös Parenchymatös Retikuloendothelial variabel hoch hoch variabel gering 4. 5. Dekade 2. 3. Dekade 2. 3. Dekade 4. 5. Dekade 4. 5. Dekade Wirkung der Aderlasstherapie Sehr gut; Absinken von Transferrinsättigung und Ferritin; kein Anämierisiko Sehr gut; Absinken von Transferrinsättigung und Ferritin; kein Anämierisiko Sehr gut; Absinken von Transferrinsättigung und Ferritin; kein Anämierisiko Sehr gut; Absinken von Transferrinsättigung und Ferritin; kein Anämierisiko Gering; Absinken der Transferrinsättigung bei persistiernd hohem Ferritin; Risiko für Anämie
Detektion der Mutation 88_89del CT im Exon 2 des HFE-Gens Außer C282Y (und H63D) kommen in seltenen Fällen auch andere Mutationen im HFE-Gen vor.
Klinische Konsequenzen Wann ist ein HFE-Gentest indiziert? Ohne klinischen Verdacht Positive Familienanamnese (genetische Beratung; Test nicht bei Kindern) Screening? Aufklärung und Beratung (genetische Veranlagung versus Erkrankung) Konsequenz Ferritin, TS kontrollieren gegebenenfalls prophylaktische Aderlassbehandlung
Die genetische Beratung: Das ärztliche Angebot zur Erläuterung genetischer Testergebnisse (Abbildung Loriot) Im Rahmen des Modellvorhabens wurde das Angebot einer genetischen Beratung sehr selten wahrgenommen (11 von 631 Personen). Anteil genetischer Beratungen: Homozygote: 3,7%; Heterozygote: 2,9%
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist eine Voraussetzung für die erfolgreiche Betreuung von Hämochromatose-Patienten (Abbildungen K. Yana) Psychologe Chirurg Internist Humangenetiker Hausarzt