Stressreport Deutschland 2012 Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden Andrea Lohmann-Haislah SIFA-WORKSHOP 2013 06./07. Juni 2013, Dresden
Was Sie erwartet Was ist eigentlich Stress? Wer und wie viele wurden wann und wie befragt? Wie ist der Stand & die Entwicklung auch im Vergleich zur EU bei psychischen Anforderungen aus Arbeitsinhalt und -organisation Ressourcen unmittelbare Beanspruchungsfolgen und Stress langfristige Beanspruchungs-/Stressfolgen ein paar Einzelbefunde Und was heißt das nun?
Was ist eigentlich Stress? keine Festlegung auf spezifisches Stressmodell im Report, sondern Nennung zentraler Modelle mit Vor- und Nachteilen Belastungs-Beanspruchungs-Modell (Rohmert & Rutenfranz, 1975) Anforderungs-Kontroll-Modell (Karasek, 1979) kognitiv-transaktionales Stressmodell (Lazarus & Folkman, 1984), Modell beruflicher Gratifikationskrisen (Siegrist, 1996)????
Belastungs-Beanspruchungs-Modell Rohmert & Rutenfranz, 1975 psychische Belastung: Gesamtheit der Einflüsse, die von außen psychisch auf den Menschen einwirken psychische Beanspruchung: unmittelbare Auswirkung psychischer Belastung in Abhängigkeit von überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen einschließlich individueller Bewältigungsstrategien mechanisches Modell der Belastung und Beanspruchung Stress: eine mögliche kurzfristige Beanspruchungsfolge
Anforderungs-Kontroll-Modell Karasek, 1979 2 Dimensionen = 4 Arbeitsplatztypen Anforderungen (hoch/niedrig) Kontrolle (hoch/niedrig) Kontrolle/Handlungsspielraum wirkt bei hohen Anforderungen als Ressource und vermindert Stresserleben Anforderungs-Kontroll-Modell Stress: Anforderungen hoch + Kontrolle gering
kognitiv-transaktionales Stressmodell Lazarus & Folkman, 1984 subjektive Situationseinschätzung bedrohlich, herausfordernd, schädigend oder irrelevant (primary appraisal) subjektiver Ressourcenabgleich personale Eigenschaften, Kompetenzen, soziale Ressourcen, Überzeugungen etc. (secondary appraisal) transaktionales Stressmodell nach Lazarus Stress: wenn subjektiv Ressourcen nicht ausreichen Auslösung Stressreaktion
Modell beruflicher Gratifikationskrisen Siegrist, 1996 2 Dimensionen Verausgabung Belohnung/Anerkennung/Gehalt unabhängiger Einflussfaktor: Overcommitment (übersteigerte Verausgabungsneigung bzw. Überengagement) Effort-reward imbalance model Gratifikationskrise Verausgabung hoch/belohnung gering Stress: Folge eines Missverhältnisses zwischen Geben und Nehmen
Was ist eigentlich Stress? keine Festlegung auf spezifisches Stressmodell im Report, sondern Nennung der wichtigsten Modelle mit Vor- und Nachteilen Belastungs-Beanspruchungs-Modell (Rohmert & Rutenfranz, 1975) Anforderungs-Kontroll-Modell (Karasek, 1979) kognitiv-transaktionales Stressmodell (Lazarus & Folkman, 1984), Modell beruflicher Gratifikationskrisen (Siegrist, 1996) Konsensfindung im kleinsten Nenner Stress entsteht bei Vorliegen eines Ungleichgewichts zwischen Anforderungen und Mitteln zur Bewältigung Schema (kein Modell!) 1. Belastung/ Anforderungen 2. Ressourcen/ Mittel zur Bewältigung 3. unmittelbare Beanspruchungsfolgen/ Stress 4. langfristige Beanspruchungs- /Stressfolgen
Wer und wie viele wurden wann und wie befragt? Erster Stressreport basierend auf sechster Welle BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung Geschichte 1979: Start als BIBB/IAB-Erhebung 1998/1999: erstmalige Beteiligung BAuA 2005/2006: Ausstieg IAB & Umbenennung in BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung Ziel Beschreibung der sich verändernden Arbeitswelt Inhalt/Umfang rund 370 Fragen/40 Min Fragen zu Arbeitsplatz: Tätigkeitsschwerpunkte, Kenntnis- und Arbeitsanforderungen, Weiterbildungsbedarf, Arbeitsbedingungen/-belastungen etc. Bildung und Beschäftigung: Schul-/Aus-/Weiterbildung, Berufsverlauf/-wechsel etc. Miniglossar BAuA: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BIBB: Bundesinstitut für Berufsbildung IAB: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Wer und wie viele wurden wann und wie befragt? CATI durch TNS Infratest Sozialforschung Okt 2011 bis Mrz 2012 Stichprobe N (gesamt) = 20.036 Erwerbstätige in Deutschland ab 15 Jahre, bezahlte Tätigkeit von mind. 10 Std./Wo, ausreichende Deutschkenntnisse n (Stressreport) = 17562 abhängig Beschäftigte Gewichtungen nach Mikrozensus für Alter, Geschlecht, Familienstand, deutsch/nicht deutsch, Stellung im Beruf, Berufsabschluss, Bundesland Wohnort Miniglossar CATI: Computer Assisted Telephone Interview = computergestützte telefonische Befragung
was, wen, wie und wie viele 1. Belastung/ Anforderungen 2. Ressourcen/ Mittel zur Bewältigung 3. unmittelbare Beanspruchungsfolgen/ Stress 4. langfristige Beanspruchungs- /Stressfolgen Arbeitsinhalt/- organisation - z.b. Termin- und Leistungsdruck Handlungsspielraum - z.b. Arbeit selbst planen und einteilen Stress - Stressentwicklung in den letzten 2 Jahren Beschwerden allgemein - z.b. Kopfschmerzen Arbeitszeitorganisation - z.b. Schichtarbeit Beschäftigungssituation - z.b. Zeitarbeit soziale Unterstützung - z.b. Hilfe/Unterstützung von Kollegen Anforderungsfit - den mengenmäßigen/den fachlichen Anforderungen gewachsen sein, Über- oder Unterforderung muskuloskelettale Beschwerden - z.b. Kreuzschmerzen psychovegetative Beschwerden - z.b. Schlafstörungen Erschöpfung - körperlich/emotional subjektiver Gesundheitszustand
Stand Anforderungen & Belastung (absolut) verschiedenartige Arbeiten gleichzeitig betreuen 17 58 starker Termin- und Leistungsdruck 34 52 ständig wiederkehrende Arbeitsvorgänge 9 50 bei der Arbeit gestört, unterbrochen 26 44 sehr schnell arbeiten müssen 19 39 Konfrontation mit neuen Aufgaben 7 39 Stückzahl, Leistung, Zeit vorgegeben 14 30 Verfahren verbessern, Neues ausprobieren 26 Arbeitsdurchführung detailliert vorgeschrieben 9 26 kleine Fehler, große finanzielle Verluste 7 17 arbeiten an Grenze der Leistungsfähigkeit 12 16 nicht rechtzeitig informiert 10 15 nicht alle notwendigen Informationen nicht Erlerntes/Beherrschtes wird verlangt 6 3 9 8 % belastet % häufig 0 20 40 60 80 100 (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2011/2012; n=17562) abhängig Beschäftigte in Prozent
Stand Anforderungen & Belastung (relativ) verschiedenartige Arbeiten gleichzeitig betreuen 30 58 starker Termin- und Leistungsdruck 65 52 ständig wiederkehrende Arbeitsvorgänge 18 50 bei der Arbeit gestört, unterbrochen 58 44 sehr schnell arbeiten müssen 48 39 Konfrontation mit neuen Aufgaben 17 39 Stückzahl, Leistung, Zeit vorgegeben 48 30 Verfahren verbessern, Neues ausprobieren 26 Arbeitsdurchführung detailliert vorgeschrieben 34 26 kleine Fehler, große finanzielle Verluste 41 17 arbeiten an Grenze der Leistungsfähigkeit 74 16 nicht rechtzeitig informiert 65 15 nicht alle notwendigen Informationen nicht Erlerntes/Beherrschtes wird verlangt 73 42 9 8 % belastet % häufig 0 20 40 60 80 100 (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2011/2012; n=17562) abhängig Beschäftigte in Prozent
Entwicklung Anforderungen verschiedenartige Arbeiten gleichzeitig betreuen starker Termin- und Leistungsdruck ständig wiederkehrende Arbeitsvorgänge bei der Arbeit gestört, unterbrochen sehr schnell arbeiten müssen Konfrontation mit neuen Aufgaben Stückzahl, Leistung, Zeit vorgegeben Verfahren verbessern, Neues ausprobieren Arbeitsdurchführung detailliert vorgeschrieben kleine Fehler, große finanzielle Verluste arbeiten an Grenze der Leistungsfähigkeit nicht rechtzeitig informiert nicht alle notwendigen Informationen nicht Erlerntes/Beherrschtes wird verlangt 38 32 30 27 26 24 26 15 17 17 16 14 15 9 9 9 8 59 54 52 52 50 47 44 45 39 39 58 2005/2006 2011/2012 0 20 40 60 80 100 (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2005/2006 n= 17767; 2011/2012; n=17562) häufig, abhängig Beschäftigte in Prozent
Stand Anforderungen & Belastung (relativ) verschiedenartige Arbeiten gleichzeitig betreuen 30 58 starker Termin- und Leistungsdruck 65 52 ständig wiederkehrende Arbeitsvorgänge 18 50 bei der Arbeit gestört, unterbrochen 58 44 sehr schnell arbeiten müssen 48 39 Konfrontation mit neuen Aufgaben 17 39 Stückzahl, Leistung, Zeit vorgegeben 48 30 Verfahren verbessern, Neues ausprobieren 26 Arbeitsdurchführung detailliert vorgeschrieben 34 26 kleine Fehler, große finanzielle Verluste 41 17 arbeiten an Grenze der Leistungsfähigkeit 74 16 nicht rechtzeitig informiert 65 15 nicht alle notwendigen Informationen nicht Erlerntes/Beherrschtes wird verlangt 73 42 9 8 % belastet % häufig 0 20 40 60 80 100 (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2011/2012; n=17562) abhängig Beschäftigte in Prozent
Stand Anforderungen im EWCS-Vergleich Termindruck während mind. ¼ der Arbeitszeit 62 73 hohes Arbeitstempo während mind. ¼ der Arbeitszeit 59 73 Arbeitsunterbrechungen sehr oft/ziemlich oft eintönige Aufgaben, ja 22 32 31 45 DE EU-27 0 20 40 60 80 100 (EWCS 2010 34934<n<35134) abhängig Beschäftigte in Prozent
Stand/Entwicklung Ressourcen Handlungsspielraum Arbeit selbst planen und einteilen selbst entscheiden, wann Pause gemacht wird Einfluss auf Arbeitsmenge 32 32 54 56 68 67 soziale Unterstützung 2005/2006 2011/2012 gute Zusammenarbeit mit den Kollegen am Arbeitsplatz Teil einer Gemeinschaft Hilfe/Unterstützung von Kollegen Hilfe/Unterstützung vom direkten Vorgesetzten 58 59 79 78 87 80 80 88 0 20 40 60 80 100 (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2005/2006 n= 17767; 2011/2012; n=17562) häufig, abhängig Beschäftigte in Prozent
Stand Ressourcen im EWCS-Vergleich Handlungsspielraum mind. 1 Beschwerde 80 82 mind. 1 Muskel- Skelett-Beschwerde 66 69 mind. 1 psychovegetative Beschwerde 55 57 soziale Unterstützung körperliche Erschöpfung emotionale Erschöpfung 24 36 subjektiv weniger guter/schlechter Gesundheitszustand 10 14 2005/06 2011/12 (EWCS 2010 34934<n<35134) 0 20 40 60 80 100 abhängig Beschäftigte in Prozent
Stand/Entwicklung unmittelbare Beanspruchung berichtete Stresszunahme in letzten 2 Jahren 43 50 2005/2006 2011/2012 0 20 40 60 80 100 abhängig Beschäftigte in Prozent (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2005/2006 n= 17767; 2011/2012; n=17562)
Stand/Entwicklung unmittelbare Beanspruchung quantitativ/mengenmäßig 2011/2012 5 76 19 2005/2006 6 76 17 unterfordert den Anforderungen gewachsen überfordert 2011/2012 13 83 4 2005/2006 14 81 5 qualitativ/fachlich 0% 20% 40% 60% 80% 100% (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2005/2006 n= 17767; 2011/2012; n=17562) abhängig Beschäftigte
Stand/Entwicklung Beschwerden mind. 1 Beschwerde 80 82 mind. 1 Muskel- Skelett-Beschwerde 66 69 mind. 1 psychovegetative Beschwerde 55 57 körperliche Erschöpfung 36 emotionale Erschöpfung 24 subjektiv weniger guter/schlechter Gesundheitszustand 10 14 2005/06 2011/12 0 20 40 60 80 100 (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2011/2012; n=17562) abhängig Beschäftigte in Prozent
Stand Beschwerden im EWCS-Vergleich mind. 1 Beschwerde (Index aus 14 EWCS-Items) 77 78 mind. 1 Muskel-Skelett Beschwerde (Index aus 3 EWCS-Items) 62 62 allgemeine Erschöpfung ja (EWCS-Einzelitem) allgemeiner Gesundheitszustand schlecht/sehr schlecht 1 3 24 41 DE EU 0 20 40 60 80 100 (EWCS 2010 34934<n<35134) abhängig Beschäftigte in Prozent
psychovegetative Beschwerden-Arbeitsintensität häufig > 1 psychoveg. Beschwerde verschiedene Arbeiten gleichzeitig starker Terminund Leistungsdruck 40 54 66 65 1 psychoveg. Beschwerde bei der Arbeit gestört, unterbrochen 36 54 schnelles arbeiten müssen 31 48 0 psychoveg. Beschwerden arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit 8 28 0 20 40 60 80 100 (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2011/2012; n=17562) abhängig Beschäftigte in Prozent
psychovegetative Beschwerden-Ressourcen häufig > 1 psychoveg. Beschwerde eigene Arbeit selbst planen und einteilen 65 69 1 psychoveg. Beschwerde Einfluss auf die Arbeitsmenge Hilfe/Unterstützung Kollegen 29 35 73 85 0 psychoveg. Beschwerden Hilfe/Unterstützung Vorgesetzter 47 69 0 20 40 60 80 100 (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2011/2012; n=17562) abhängig Beschäftigte in Prozent
psychische Belastung auch bei Gewerblichen... Information und Kommunikation 66 Verarbeitendes Gewerbe verschiedenartige Arbeiten gleichzeitig betreuen 56 55 44 Verkehr und Lagerei 60 Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen starker Terminund Leistungsdruck 44 54 59 0 20 40 60 80 (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2011/2012; n=17562) abhängig Beschäftigte in Prozent häufig
Erholung stärker in den Blick nehmen 26% lassen häufig die gesetzliche Pause ausfallen mind. 1 psychovegetative Beschwerde 53 68 körperliche+emotionale Erschöpfung 13 25 subjektiv weniger guter/schlechter Gesundheitszustand 13 17 häufiger Pausenausfall ja häufiger Pausenausfall nein 0 20 40 60 80 100 (BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2011/2012; n=17562) abhängig Beschäftigte in Prozent
Zusammenfassung & Fazit Stressreport psychische Anforderungen und Ressourcen kaum Veränderungen seit 2005/2006, aber z.t. auf hohem Niveau keine Entwarnung erhebliche Unterschiede nach Alter, Geschlecht, Branche, Beruf für Beurteilungen ausschlaggebend Höhe & Kombination von Anforderungen Zusammenwirken mit Ressourcen ganzheitliche Prävention negative und positive Arbeitsmerkmale berücksichtigen Belastungs- und Ressourcenprofile ansehen physische und psychische Faktoren gleichermaßen beachten
mehr www.baua.de/dok/3430796 Information (Kurzreferat) Publikation im Volltext Bestellhinweise Flyer Factsheet Verweise BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung Arbeitsbedingungen psychische Fehlbelastung/Stress