Zivilrechtstutorium 10. Tutorium 29.01.15 Bei welchen Prüfungspunkten wird Unmöglichkeit relevant? Was ist Unmöglichkeit (Definition)? Welche Arten von Unmöglichkeit gibt es? Was ist Stückschuld, was Gattungsschuld (Norm)? Wo ist die Konkretisierung geregelt? Was hat Konkretisierung mit 275 I zu tun? Was muss der Schuldner im Rahmen der Konkretisierung tun, wonach bestimmt sich dies? Wie steht 284 im Verhältnis zu 280 I, III, 283?
Kaufrecht Kaufrecht Zentrale Ausgangsnorm des Kaufgewährleistungsrecht: 437 (parallel zu 634 beim Werkvertrag) Nr. 1: Nacherfüllung (-> 439) Nr. 2: Rücktritt/Minderung (-> 323, 326 V (+ 440) / 441) Nr. 3: SchE neben der Leistung: 280 I SchE statt der Leistung (Nicht-/Schlechtleistung): 281 SchE statt der Leistung (Unmöglichkeit): 283 / 311a Aufwendungsersatz 284
Kaufrecht Anwendbarkeit Kaufgewährleistungsrecht: I. zunächst Kaufvertrag 433 II. Sachmangel 434 oder Rechtsmangel (selten) 435 III. (Sachmangel) bei Gefahrübergang 434 I S. 1 (gilt für Abs. 1 insgesamt) III. (Rechtsmangel) bei Eigentumsübergang danach reguläres Schema (z.b. 281) Kaufrecht Wichtig: Da sich die Ansprüche aus der Mangelhaftigkeit der Sache ergeben ( 437 -> 434/435) beziehen sich weitergehende Ansprüche auf die Nacherfüllung also etwa Nicht-/Schlechtleistung der Nacherfüllung ( 281) Unmöglichkeit der Nacherfüllung ( 283 / 311a) Rücksichtnahmepflichtverletzung/Auffang-SchE bei Nacherfüllung ( 280 I)
Abgrenzung Wann gilt Kaufgewährleistungsrecht? Wann gilt allgemeines Schuldrecht? Allgemeines Schuldrecht dann, wenn sich aus den Sonderregeln des Kaufrechts nichts anderes ergibt (etwa 282 da keine Erwähnung in 437 Nr. 3 Faustformel = Allgemeines Leistungsstörungsrecht bei Nichterfüllung einer Pflicht aus 433 I S.1, II BGB, Kaufrecht bei Verletzung der Pflicht aus 433 I S.2 (= mangelhafte Leistung) Vor Gefahrübergang Allgemeines Schuldrecht, danach Kaufgewährleistungsrecht Es muss um Sachmangel gehen Sofern der SchE nicht in 437 erwähnt ist, etwa 282 oder 286 gilt das reguläre Schema Verhältnis Anfechtung zu Gewährleistungsrechten Verhältnis von 119 II BGB und 434 ff. BGB: Nach Gefahrübergang Anfechtungsrecht aus 119 II durch die Mängelhaftungsvorschriften ausgeschlossen (Achtung: gilt nur bzgl. 119 II, nicht 119 I, 120 oder 123) Grund: sonst Umgehung der Besonderheiten möglich, Käufer könnte sich z.b. sonst sofort vom Vertrag lösen und 442 umgehen Aber Ausnahmen wenn Eigenschaftsirrtum nicht auf Sachmangel bezogen arglistiger Verkäufer (keine Schutzwürdigkeit) Verkäufer dagegen kann anfechten, es sei denn, er entzieht sich dadurch Gewährleistungsansprüchen des Käufers (Anfechtung stünde dann 242 entgegen)
Mangel Sachmangel ist die Pflichtverletzung im Kaufrecht (Abweichung Ist- von Soll-Beschaffenheit) 434 I S. 1 Prüfungsreihenfolge: I S. 1: Vereinbarung Beschaffenheit (ausdrücklich) I S. 2 Nr. 1: für vertraglich vorausgesetzte Verwendung geeignet (nicht ausdrücklich, auch konkludent) I S. 2 Nr. 2: eignet sich für gewöhnliche Verwendung oder übliche Beschaffenheit 434 I S. 3: öffentliche Äußerungen, Werbung 434 II: Montage/Montageanleitung (sog. Ikea-Klausel) 434 III: Aliud, Zuweniglieferung (bewusst, sonst schon keine Erfüllung gem. 362 I) Bei Gefahrübergang grds. 446: Übergabe 447: Übergabe an Versandperson (aber evtl. nicht anwendbar wegen 474 IV (Vebrauchsgüterkauf)) 446 und 447 sind Sonderregelungen zu 326 476 beim Verbrauchsgüterkauf 474 I S. 1: Verbraucher 13, Unternehmer 14, bewegliche Sache wenn sich innerhalb von 6 Monaten danach zeigt Vermutung (zeitlich nicht vom Grund her), Beweislastumkehr
Nacherfüllung Recht zur zweiten Andienung 439 Wahlrecht Käufer ( 439 I) zwischen Nachlieferung (also neue Sache) Nachbesserung (also Reparatur Sache) entbehrlich bei Verweigerungsrecht Verkäufer 440 (wirtschaftlich nicht zumutbar, fehlgeschlagen, unzumutbar) kann Unmöglich sein 275 (beachte dann aber 437 Nr. 3, 283) Übung zu Abgrenzung (ohne Rücktritt und Minderung) Wenn nicht rechtzeitig geliefert wird? 280 I, II, 286: mit Lieferung der Sache in Verzug, daneben 433 I oder 280 I,III, 281 wenn kein Interesse mehr Wenn geliefert wird, aber Sache funktioniert nicht. Vorrangig Nacherfüllung zu verlangen nach 437 Nr. 1, 439 I Wenn nicht rechtzeitig repariert? 280 I, II, 286: mit Nacherfüllung in Verzug 437 Nr. 3, 280 I, III, 281: wenn kein Interesse mehr u.u. vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich
Timo (T) ist neuerdings begeisterter Kraftraumnutzer. Nach Empfehlung seines Kollegen Patricks setzt er jetzt nicht nur auf Proteinshakes sondern nimmt gleich seine gesamte Nahrung nur noch in Mixerform zu sich. Zu diesem Zweck kauft er im Geschäft von Ferdinand (F) einen Küchenmixer, nutzt diesen allerdings aufgrund der kurzfristigen Teilnahme an einem Ironman-Wettbewerb erst drei Wochen später nach seiner Rückkehr. Nachdem er freudig Melonenstücke, Banane und Maracuja in den Apparat gesteckt hat stellt er fest, dass sich weder die digitale Anzeige anschaltet noch die Klingen drehen. Timo verlangt daraufhin von Ferdinand einen neuen Mixer. Die beiden einigen sich, dass Timo ein Ersatzgerät am nächsten Tag in Ferdinands Geschäft abholen soll. Als Ferdinand am nächsten sein Geschäft aufschließt, stellt er erschüttert fest, dass eingebrochen wurde. Auch der Mixer, den er für Timo rausgesucht und bereitgestellt hatte, ist geklaut. Die Einbrecher bleiben unauffindbar. Kann Timo dennoch auf Lieferung eines funktionsfähigen Mixers bestehen?
T könnte gegen F einen Anspruch auf Verschaffung eines funktionstüchtigen Mixer gem. 437 Nr. 1, 439 BGB haben. I. Kaufvertrag Liegt vor (+) II. Sachmangel 434 BGB: Abweichen Ist- von der Soll- Beschaffenheit 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB: ein Mixer soll Mixen können, ohne rotierende Klingen ist es nur ein teurer Becher, zudem funktioniert die Anzeige nicht (+) III. Bei Gefahrübergang - Gem. 446 BGB bei Übergabe. - Hier wird Mixer nach drei Wochen in Betrieb genommen, also nicht sicher wann Mangel vorlag - Vermutung aus 476 BGB? - Liegt ein Verbrauchsgüterkauf gem. 474 BGB vor? T ist Verbraucher 13 BGB (+), Ferdinand Unternehmer 14 BGB, der Mixer ist eine bewegliche Sache - Es sind noch keine 6 Monate seit dem Kauf vergangen, kein atypischer Mangel, also Vermutung (+)
IV. Kein Ausschluss? - Ausschluss wegen Unmöglichkeit der Neulieferung gem. 275 BGB? - Unmöglichkeit = (tatsächliches oder rechtliches) Leistungshindernis - Stückschuld oder Gattungsschuld? Ursprünglich lag eine Gattungsschuld (der Nacherfüllung) vor. Konkretisierung gem. 243 Abs. 2 BGB? - Hat Ferdinand das seinerseits Erforderliche ( 269) getan? Holschuld, Schickschuld oder Bringschuld? Hier: Holschuld - das seinerseits Erforderliche bei Holschuld: Aussuchen und Bereitstellen der Sache. Hier einen neuen Mixer ausgesucht und für T zum Abholen bereitgestellt. Also ist die Gattungsschuld zur Stückschuld konkretisiert worden. - Einbrecher unauffindbar - Also: Unmöglichkeit der Neulieferung V. Endergebnis: T hat keinen Anspruch gegen F auf Verschaffung eines funktionstüchtigen Mixers gem. 437 Nr. 1, 439 BGB (Anmerkung: Er könnte Mängelbeseitigung verlangen. Hier war aber nur nach Neulieferung gefragt, Käufer hat gem. 439 Abs. 1 BGB ein Wahlrecht)
Beispiel Ausschluss der Gewährleistungsrechte Durch Vereinbarung Individualvereinbarung AGB Aber Achtung 444 und beim Verbrauchsgüterkauf: 475 442 Kenntnis des Käufers des Mangels bei Vertragsschluss oder grob fahrlässige Unkenntnis (Ausnahme: arglistiges Verschweigen seitens des Verkäufers oder Garantie) Grobe Fahrlässigkeit: erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße außer Acht gelassen zur Untersuchung des Kaufgegenstandes bei Vertragsschluss ist Käufer grds. nicht verpflichtet (anders Kaufmann 377 HGB); Unterlassen kann aber ausnahmsweise grobe Fahrlässigkeit begründen, z.b. bei besonderer Sachkunde, Verkehrssitte, Warnung Frederik Feinschmecker (F) kauft bei Antipastispezialist Alfred (A) eine Schale mit drei Kilogramm selbstzubereiteter gefüllter Peperoni für sein Bistro. Alfred entnimmt die verschlossene Schale der Kühltheke und bringt sie zur Kasse. Frederik bezahlt den Preis von 40. Als Frederik die Schale in seiner Tasche verstauen will, fällt diese ihm aus der Hand und der Inhalt verteilt sich auf dem Boden. Frederiks feine Nase nimmt sofort einen äußerst unangenehmen Geruch wahr. Zudem sieht der Inhalt der Peperoni auch unappetitlich verfärbt aus. Da das Ganze offensichtlich verdorben ist, verlangt Frederik eine neue Schale gefüllte Peperoni. 1. Hat Frederik einen Anspruch auf Nacherfüllung gegen Alfred? 2. Alfred weigert sich energisch Frederik eine neue Schale gefüllte Peperoni zu geben. Man könne ihm nicht vorwerfen wenn Antipasti bei der akuten sommerlichen Hitze verderben. Nennen Sie die möglichen und sinnvollen Handlungsalternativen, die Frederik ergreifen kann.
1. F könnte gegen A einen Anspruch auf Nacherfüllung gem. 437 Nr. 1, 439 BGB haben. I. Kaufvertrag Liegt vor (+) II. Sachmangel 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB (+) III. Bei Gefahrübergang - 446 BGB bei Übergabe (+) Achtung: Hier nicht 476 BGB ansprechen, da kein Beweisproblem Zudem kein Verbrauchsgüterkauf IV. Ergebnis Somit kann F von A gem. 437 Nr. 1, 439 BGB Nacherfüllung verlangen. (Merke: Bei Nacherfüllungsanspruch nicht Vertretenmüssen prüfen) Vorsicht: Fallfrage Nennen Sie... : hier ist keine Anspruchsprüfung wie sonst verlangt
- Möglichkeit des Rücktritt nach 437 Nr. 2, 323, 346 Abs. 1 BGB Achtung: 323 und 326 Abs. 5 BGB sind nur Rücktrittsgründe, keine Anspruchsgrundlagen 346 Abs. 1 ist die Anspruchsgrundlage (für die Herausgabe von Geld bzw. Sache) Hier 323 Abs. 1 BGB als Rücktrittsgrund, Fristsetzung entbehrlich wegen Verweigerung (gem. 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB) So bekommt F seine 40 wieder - Möglichkeit Schadensersatz statt der Leistung nach 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB Fristsetzung entbehrlich wegen Verweigerung (gem. 281 Abs. 2 BGB) Gläubiger ist so zu stellen, als wäre ordnungsgemäß nacherfüllt worden Grillfan Georg (G) möchte sich für die anstehende Sommersaison einen neuen Grill zulegen. Da er nichts davon hält, das Gerät erst lange anheizen zu müssen, entscheidet er sich im Geschäft des Samuel Sommer (S) für einen Elektrogrill. Als laut Wetterbericht sechs Wochen später endlich der erste sonnige Tag bevorsteht, packt Georg begeistert seinen Grill aus. Seine Enttäuschung ist jedoch groß, als nach dem Anschalten des Geräts Würstchen und Fleisch kalt bleiben. Er verlangt von Samuel Nacherfüllung. Zu Recht?
Anspruch des Georg gegen Samuel auf Nacherfüllung, 437 Nr. 1, 439 BGB I. Kaufvertrag, 433 BGB (+) II. Sachmangel, 434 BGB - Vereinbarte Beschaffenheit gem. 434 I BGB (-), Georg und Samuel haben nichts vereinbart - Eine bestimmte Verwendung vorausgesetzt, 434 I 2 Nr. 1 (-) - Übliche Beschaffenheit/Verwendung, 434 I 2 Nr. 2 (+) (Grill muss heiß werden und grillen) Sachmangel (+) III. Bei Gefahrübergang, 446 BGB = maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Sachmangels, i.d.r. die Übergabe der Sache ( 446 S. 1 BGB) [Bis zum Gefahrübergang ist bei Mängeln der verkauften Sache (Pflichtverletzungen) das Leistungsstörungsrecht des SchR AT anzuwenden] - 476: Vermutung, dass der Mangels bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat, wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt (es sind noch keine sechs Monate vergangen) - Dieser Kauf = Verbrauchsgüterkauf? Legaldefinition in 474 I S. 1 BGB: wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft - Georg = Verbraucher gem. 13 BGB - Samuel = Unternehmer gem. 14 BGB - Grill = bewegliche Sache - Verbrauchsgüterkauf (+) - Vermutung des 476 BGB greift Sachmangel bei Gefahrübergang (+)
IV. Nacherfüllung verlangt = einseitige empfangsbedürftige WE (+) [Anmerkung: Mit dem Zugang des Nacherfüllungsverlangens beim Verkäufer tritt Fälligkeit ein; Fristsetzung zur Nacherfüllung ist möglich, aber nicht erforderlich] V. Ausschluss der Nacherfüllung (-) Es liegen im Sachverhalt keine Hinweise auf einen Ausschluss der Nacherfüllung vor. [Anmerkung - Mögliche Ausschlussgründe: VI. Ergebnis - 442 BGB - 275 BGB - Nacherfüllung ist vertraglich ausgeschlossen] Georg kann von Samuel Nachlieferung oder Nachbesserung gem. 437 Nr. 1, 439 BGB verlangen. : Samuel verweigert Georg die Nacherfüllung, da er meint, Georg hätte den Grill sofort nach dem Kauf testen müssen. Auch auf wiederholte Nachfrage bekommt Georg keine positive Antwort von Samuel. Kann G von S Schadensersatz verlangen?
Anspruch des Georg gegen Samuel auf Schadensersatz statt der Leistung gem. 437 Nr. 3 i.v.m. 280 I, III, 281 BGB Vorüberlegung: Gefahrübergang (+) -> Anwendbarkeit des Gewährleistungsrechts (+) I. Kaufvertrag gem. 433 BGB (+) II. Sachmangel (+) III. bei Gefahrübergang (+) IV. Schuldverhältnis: siehe oben (+) V. Pflichtverletzung: Nichtleistung (der Nacherfüllung) (+) VI. Besondere Voraussetzungen des 281 BGB 1. erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt (-) 2. Entbehrlichkeit der Frist gem. 281 II BGB -> Ernsthafte und endgültige Weigerung des Samuel (+) [Anmerkung: hier auch 440 BGB beachten] VII. Vertretenmüssen: hier bezogen auf Nichtleistung, da keine Frist notwendig; 276 Vorsatz (+) Anmerkung: VIII. Schaden, 249 I BGB -> Wert des Grills (bezahlter Kaufpreis) IX. Ergebnis Georg hat gegen Samuel einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. 437 Nr. 3 i.v.m. 280 I, III, 281 BGB Als weitere Möglichkeit kommt auch die Ausübung des Rechts auf Rücktritt in Betracht -> 437 Nr. 2 i.v.m. 346, 323 BGB