Kanukauf Verbraucher V kauft von Unternehmer U ein Kanu für 1000. Zwei Wochen nach Übergabe des Bootes stellt V fest, dass ein kleines Loch im Rumpf ist. K wendet sich an V und verlangt ein neues Kanu. V wendet ein, das bereits in Gebrauch genommene Kanu nur mit 250 Preisabschlag veräußern zu können, daher werde er nur das Loch flicken, was ihn nur 50 koste. Hat V Anspruch auf ein neues Kanu?
2 Lösung V könnte gegen U einen Anspruch auf Nacherfüllung in Form der Lieferung eines neuen Kanus aus 437 Nr. 1, 439 BGB haben. I. Anspruch entstanden Hierfür müsste der Nacherfüllungsanspruch wirksam entstanden sein. 1. Kaufvertrag Um das Kaufgewährleistungsrecht zu eröffnen, müssten V und U einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben. Dies ist der Fall. 2. Sachmangel bei Gefahrübergang Des Weiteren müsste ein Sachmangel i.s.d. 434 BGB vorliegen. Dies ist der Fall, wenn die Ist- von der Sollbeschaffenheit bei Gefahrübergang negativ abweicht (allgemeiner Fehlerbegriff). a. Sachmangel Da weder eine Vereinbarung über die konkrete Beschaffenheit gem. 434 I 1 BGB getroffen, noch eine bestimmte Verwendung des Kanus gem. 434 I 2 Nr. 1 BGB vorausgesetzt wurde, könnte vorliegend der objektive Fehlerbegriff nach 434 I S. 2 Nr. 2 BGB einschlägig sein. Aufgrund des Loches im Rumpf eignet sich das Kanu weder für die gewöhnliche Verwendung noch weist es eine Beschaffenheit auf, die bei Kanus dieser Preisklasse üblich ist und die V erwarten durfte. Für das Vorliegen eines Sachmangels reicht es bereits, wenn eines der beiden vorstehenden Kriterien erfüllt ist, somit liegt hier ein Sachmangel i.s.d. 434 I S. 2 Nr. 2 BGB vor. b. Bei Gefahrübergang Der bezeichnete Sachmangel müsste zudem bereits bei Gefahrübergang vorgelegen haben. Gefahrübergang ist bei einem Kaufvertrag gem. 446 BGB der Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache, hier also des Kanus. Der Sach-
3 verhalt enthält keine Angaben zum Zustand des Kanus bei Übergabe. Es könnte jedoch die Beweislastumkehr nach 476 BGB greifen, laut der für Sachmängel, die sich in den ersten 6 Monaten nach Gefahrübergang zeigen, vermutet wird, dass sie bereits bei Gefahrübergang vorlagen. 476 BGB setzt das Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs i.s.d. 474 I S. 1 BGB voraus. V ist Verbraucher i.s.d. 13 BGB und U Unternehmer i.s.d. 14 BGB. 1 Zudem ist V der Käufer, und U der Verkäufer und der Kaufgegenstand, das Kanu, eine Sache gem. 90 BGB, die auch beweglich ist. Ein Verbrauchsgüterkauf liegt vor. Das Loch im Kanu trat zwei Wochen nach Gefahrübergang auf, und damit hat sich der Mangel innerhalb von 6 Monaten gezeigt. Die Voraussetzungen des 476 BGB liegen folglich vor, daher wird zulasten des U vermutet, dass der Sachmangel bereits in diesem Zeitpunkt vorlag. 3. Kein Gewährleistungsausschluss Aus dem Sachverhalt ergeben sich zudem weder ein vertraglicher, noch Anhaltspunkte für einen gesetzlichen Gewährleistungsausschluss. Hinweis: Hier könnte kurz darauf hingewiesen werden, dass der Sachverhalt keinen Hinweis darauf enthält, dass V das Loch bei Vertragsschluss bereits gesehen oder grob fahrlässig übersehen hat und somit 442 BGB nicht greift. Das Kaufgewährleistungsrecht ist eröffnet. 4. Anspruch auf Nachbesserung, 439 BGB Gem. 439 I BGB muss für einen Nacherfüllungsanspruch der Käufer dem Verkäufer sein Nacherfüllungsverlangen erklären. Zudem hat der Käufer die Wahl zwischen Nachbesserung und Neulieferung. V hat gegenüber U erklärt, er verlange ein neues Kanu, mithin Nacherfüllung durch Neulieferung. 1 Aufgrund der eindeutigen Sachverhaltsangaben kann eine detaillierte Prüfung hier unterbleiben.
4 Hinweis: An dieser Stelle könnte zusätzlich erwogen werden, dass es sich bei dem Kanu um eine Gattungsschuld handelt, weshalb eine Neulieferung unproblematisch ist. Ebenso könnte eine Stückschuld angenommen werden, dann müsste hier mit der h.m. argumentiert werden, dass bei vertretbaren Sachen, eine solche ist das Kanu, ebenfalls eine Neulieferung als Nacherfüllung in Frage kommt. Zwischenergebnis: Der Anspruch auf Neulieferung eines Kanus ist wirksam entstanden. II. Anspruch untergegangen Der Anspruch auf Nacherfüllung ist nicht untergegangen. III. Anspruch durchsetzbar Der Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf Neulieferung könnte eine Einrede des U entgegen stehen. 1. Einrede der unverhältnismäßigen Kosten, 439 III BGB Der Anspruch wäre nach 439 III BGB nicht durchsetzbar, wenn die Neulieferung im Vergleich mit der Nachbesserung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre und U sich darauf berufen würde. Die Nachlieferung würde U 250 kosten, die Nachbesserung nur 50. Der Wert des Kanus darf mangels entgegenstehender Angaben auf Höhe des Kaufpreises angesetzt werden. Das geflickte Kanu würde für K keinen großen Nachteil darstellen, die Kosten einer Neulieferung wären aber fünfmal so hoch wie die einer Reparatur und haben angesichts des Wertes in mangelfreiem Zustand auch eine erhebliche Höhe. Daher sind die Kosten der Neulieferung unverhältnismäßig hoch. U kann sich auf 439 III BGB berufen. In der Verweigerung der Neulieferung liegt zudem die erforderliche Erklärung der Einrede. Der Anspruch des V auf Nacherfüllung beschränkt sich daher gem. 439 III BGB auf Nachbesserung.
5 2. Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs gem. 438 I Nr. 3 i.v.m. 214 BGB Zudem könnte der Nacherfüllungsanspruch verjährt sein. Der Anspruch entstand zwei Wochen nach Ablieferung des Kanus, daher ist er nicht gem. 438 I Nr. 3, II BGB verjährt, mithin ist U nicht gem. 214 I BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern. Ergebnis V hat gegen U einen Anspruch auf Neulieferung eines Kanus aus 437 Nr. 1, 439 BGB. U kann die Neulieferung jedoch gem. 439 III BGB verweigern.