FG München, Urteil v. 08.03.2013 6 K 1256/12 Titel: (Körperschaftsteuererhöhung bei Veräußerung eines Gewinnausschüttungsanspruchs - Abgrenzung zwischen Forderungskauf und Darlehen in Abhängigkeit von dem Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Forderung) Normenketten: 37 Abs 3 KStG 2002 8b Abs 1 S 1 KStG 2002 39 Abs 2 AO Orientierungsätze: 1. Die Rechtsfolgen des 37 Abs. 3 KStG greifen ein wenn die alleinige Gesellschafterin einer C- GmbH eine bei ihr steuerfreie Gewinnausschüttung von der C-GmbH erhalten hat und diese Gewinnausschüttung zur Minderung der Körperschaftsteuer der C-GmbH geführt hat. Verkauft die Gesellschafterin ihren Gewinnanspruch an eine dritte GmbH und tritt sie den Gewinnanspruch an die dritte GmbH ab und überweist die C-GmbH von ihr auszuschüttende Geldbeträge an die dritte GmbH und zahlt die dritte GmbH einen entsprechenden Kaufpreis an die Gesellschafterin, steht dies diesem Ergebnis nicht entgegen. 2. Der Kaufvertrag über einen Gewinnausschüttungsanspruch nebst Abtretung ist steuerlich als bloße Darlehengewährung zu behandeln, wenn das wirtschaftliche Eigentum am Gewinnanspruch trotz der zivilrechtlich wirksamen Abtretung bei der den Anspruch veräußernden Gesellschafterin verbleibt. Von einem Forderungskauf ist nur auszugehen, wenn das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Forderung auf den Erwerber übergeht, bei einer Wertlosigkeit der Forderung also keine Möglichkeit des Regresses besteht. Dies gilt entsprechend bei der Abtretung von Gewinnansprüchen. Schlagworte: Abgrenzung, Abtretung, Anschaffungskosten, Anteil, Beteiligung, Darlehen, Finanzierung, Forderung, Forderungskauf, Gesellschaft mbh, Gewinn, Gewinnausschüttung, Kapitalgesellschaft, Körperschaftsteuer, Nachsteuer, Unbeschränkte Steuerpflicht, Veräußerung, Vorabgewinnausschüttung, Wirtschaftliches Eigentum, Zufließen, Zurechnung Fundstellen: EFG 2013, 1009 LSK 2013, 290481 DStRE 2014, 614 BeckRS 2013, 95217 Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand 1
I. Die Klägerin ist aufgrund des Verschmelzungsvertrags vom. Rechtsnachfolgerin der A-GmbH. Seit dem 31.12.2002 hielt die Klägerin alle Anteile an der A-GmbH, während im Streitjahr 2002 noch B Alleingesellschafter war. 2 Die A-GmbH war im Streitjahr 2002 Alleingesellschafterin der C-GmbH. 3 Die C-GmbH verfügte über erhebliches Liquiditätspotential. In ihren Bilanzen wies die C-GmbH das Eigenkapital wie folgt aus. 4 Einen Bilanzposten Bilanzgewinn im Sinne des 268 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) wies die C-GmbH in ihrer Bilanz zum 31.12.2002 nicht aus. 5 Die A-GmbH wollte die Liquidität der C-GmbH durch Ausschüttung nutzbar machen. In der Folge schlossen die A-GmbH und die X-GmbH am 14. November 2002 einen Abtretungsvertrag betreffend den zukünftigen Gewinnanspruch der A-GmbH gegen die C-GmbH. An der X-GmbH war im Jahr 2002 nur die Y- Steuerberater AG beteiligt. Die Anteile dieser AG wurden nach berufsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftsprüfungsordnung von natürlichen Personen gehalten, die nicht zur Firmengruppe der Klägerin gehörten. 6 Der Abtretungsvertrag, auf dessen vollen Wortlaut verwiesen wird, enthält insbesondere folgende Vertragsklauseln: 7 1. Vorbemerkung 8 1.2 Der Zedent (= A-GmbH) beabsichtigt, seinen zukünftigen Anspruch auf den Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2002 gem. 29 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) gegen die C-GmbH an den Zessionar (= X-GmbH) zu veräußern. Der gesamte Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2002 der C-GmbH soll ggf. in Verbindung mit einer Vorabgewinnausschüttung ausgeschüttet werden (nachfolgend zukünftiger Gewinnanspruch ). 9 2. Verkauf und Abtretung 10 2.1 Der Zedent verkauft hiermit den zukünftigen Gewinnanspruch an den Zessionar, welcher den Verkauf hiermit annimmt. 2.2 Der Zedent tritt hiermit den zukünftigen Gewinnanspruch an den Zessionar ab, welcher die Abtretung hiermit annimmt. Die Abtretung erfolgt aufschiebend bedingt auf die vollständige Zahlung des Kaufpreises gem. Ziffer 2.3. 2.3 Der Verkauf erfolgt zu einem Kaufpreis von EUR 23.400.000,00. Der Kaufpreis ist sofort in voller Höhe zur Zahlung fällig und bis zum 15.11.2002 (Wertstellung) auf ein vom Zedenten zu benennendes Konto zu leisten. 2.4 Der Kaufpreis gem. Ziffer 2.3 vermindert sich um den Betrag, um den der tatsächlich ausgeschüttete Bilanzgewinn gem. Ziffer 1.2 EUR 23.400.000 unterschreitet. 11 5. Sonstiges 12 5.1 Der Zessionar erhält eine angemessene Vergütung (zzgl. ggf. anfallender gesetzlicher Umsatzsteuer). Diese beträgt mindestens die nachgewiesenen Finanzierungskosten zzgl. 20 % hiervon.
13 Am 18. November 2002 fasste die C-GmbH einen Gesellschafterbeschluss, auf dessen vollen Wortlaut ebenfalls verwiesen wird. An die Vorbemerkung des Beschlusses schließt sich folgende Nummer 2 mit der Überschrift Beschluss an: 14 Im Wege der Vorabausschüttung aufgrund des erwarteten Bilanzgewinns des Geschäftsjahres 2002 wird ein Betrag von EUR 23.400.000 als Gewinn des Geschäftsjahres 2002 ausgeschüttet. Die Ausschüttung erfolgt am 19.11.2002. 15 Da die Vorabgewinnausschüttung bereits im Jahr 2002 erfolgte, berücksichtigte die C-GmbH diesen Sachverhalt bereits bei der Aufstellung der Bilanz zum 31.12.2002. Ihren bilanzierten Gewinnvortrag zum 31.12.2002 berechnete die C-GmbH damit wie folgt 16 Die Gewinnausschüttung minderte das Körperschaftsteuerguthaben der C-GmbH gemäß 37 Körperschaftsteuergesetz (KStG) um 1/6 oder den Betrag von 3.900.000. 17 Weitere Ausschüttungen des Gewinns des Jahres 2002 beschloss die C-GmbH nicht mehr. Vielmehr beschloss die Gesellschafterversammlung am. 2003 den Jahresüberschuss des Geschäftsjahres 2002 in Höhe von.. Mio auf neue Rechnung vorzutragen. 18 Im Betriebsprüfungsbericht vom.. vertrat der Betriebsprüfer neben hier unstreitigen Änderungen die Rechtsansicht, aufgrund der Minderung des Körperschaftsteuerguthabens der C-GmbH sei 37 Abs. 3 KStG anzuwenden. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), schloss sich dieser Rechtsansicht an und änderte den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Körperschaftsteuerbescheid vom. Im Körperschaftsteuerbescheid vom. erhöhte es die Körperschaftsteuer nach 37 Abs. 3 KStG um den Betrag von 3.900.000. Im Bescheid zum 31.12.2002 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. 27, 28, 37 und 38 KStG vom.. stellte das FA ein Körperschaftsteuerguthaben in Höhe von 3.900.000 fest. Die Einsprüche der Klägerin wies das FA mit der Einspruchsentscheidung vom.. als unbegründet zurück. 19 Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, 37 Abs. 3 KStG komme nicht zur Anwendung. Die Vorschrift setze voraus, dass die von der A-GmbH bezogenen steuerfreien Bezüge bei der leistenden Körperschaft zu einer Minderung des Körperschaftsteuerguthabens geführt haben. Dies sei nicht der Fall, da die A-GmbH nur eine Leistung von der X-GmbH erhalten habe, nicht aber von der C-GmbH. Denn die C-GmbH habe aufgrund der Abtretung des Gewinnanspruchs nur an die X- GmbH geleistet. Zu den Einzelheiten des Vortrags der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom. und die Antwort auf die gerichtliche Aufklärungsanordnung mit Schreiben vom verwiesen. 20 In der Antwort begründete die Klägerin den Umstand, dass die C-GmbH keine weitere Gewinnausschüttung 2002 mehr vornahm, damit, dass kein Grund bestanden habe, der X-GmbH über die Regelungen des Abtretungsvertrags hinaus einen unnötigen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen. Der Abtretungsvertrag habe keine Klausel zu einer Erhöhung des Kaufpreises enthalten. Die A-GmbH habe deshalb sicherstellen müssen, dass die X-GmbH nicht mehr als vereinbart erhalte. 21 Die Klägerin beantragt, den Körperschaftsteuerbescheid 2002 und den Bescheid zum 31.12.2002 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. 27, 28, 37, 38 KStG, beide vom und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dergestalt abzuändern, dass die Körperschaftsteuer
2002 um 3.900.000 vermindert wird und das Körperschaftsteuerguthaben in Höhe von 0 festgestellt wird. 22 Das Finanzamt beantragt, die Klage zurückzuweisen. 23 Zur Begründung des FA wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen. Entscheidungsgründe 24 II. Die Klage ist unbegründet. 25 1. Zu Recht hat das FA unter Berufung auf die Vorschrift des 37 Abs. 3 KStG die Körperschaftsteuer 2002 erhöht. 26 a) Die Rechtsfolgen des 37 Abs. 3 KStG können bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, deren Leistungen bei den Empfängern zu den Einnahmen im Sinne des 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) gehören, zur Anwendung kommen. Die A-GmbH war im Streitjahr 2002 eine solche Körperschaft. 27 b) Zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift gehört weiter, dass die A-GmbH Bezüge erhalten hat, - die nach 8b Abs. 1 KStG bei ihrer Einkommensermittlung außer Ansatz bleiben - und diese Bezüge bei der leistenden Körperschaft zu einer Minderung der Körperschaftsteuer geführt haben. 28 Nach 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bleiben bei der Einkommensermittlung u.a. Bezüge im Sinne des 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG außer Ansatz, also u.a. Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. 29 c) Nach diesen Vorschriften greifen die Rechtsfolgen des 37 Abs. 3 KStG ein, da die A-GmbH eine bei ihr steuerfreie Gewinnausschüttung von der C-GmbH erhalten hat und diese Gewinnausschüttung zur Minderung der Körperschaftsteuer der C-GmbH geführt hat. 30 Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass - die A-GmbH den Gewinnanspruch an die X-GmbH verkaufte - ihn zur Erfüllung des Kaufvertrags an die X-GmbH abtrat - die C-GmbH die von ihr auszuschüttenden Gelder der X-GmbH überwies - und die X-GmbH einen entsprechenden Kaufpreis an die A-GmbH zahlte. 31 Für Abtretungsfälle dieser Art wird in Teilen der Literatur (vgl. Thurmayr in Herrmann/Heuer/Raupach 37 KStG Anm. 71; Frotscher KStG 37 Rz. 30c) die Ansicht vertreten, der Wortlaut des 37 Abs. 3 KStG sei nicht erfüllt, da die den Gewinnanspruch abtretende GmbH nur einen Kaufpreis erhalte und bei der den Kaufpreis leistenden GmbH das Körperschaftsteuerguthaben durch die Kaufpreiszahlung nicht gemindert werde. Indes kann es auf diese Rechtsfrage nur ankommen, wenn ein Forderungskauf und eine Abtretung nicht nur zivilrechtlich sondern auch steuerlich zu bejahen sind. Hieran scheitert die Klage. 32
Der Kaufvertrag nebst Abtretung ist steuerlich als bloße Darlehensgewährung zu behandeln. Denn das wirtschaftliche Eigentum am Gewinnanspruch ( 39 Abs. 2 Abgabenordnung -AO-) verbleibt trotz der zivilrechtlich wirksamen Abtretung bei der A-GmbH. Rechtsfolge ist, dass der A-GmbH im Jahr 2002 eine Gewinnausschüttung der C-GmbH zugeflossen ist, die von der X-GmbH gegen eine vertraglich vereinbarte Gebühr (Nr. 5.1. des Abtretungsvertrags) für einen Zeitraum von vier Tagen vorfinanziert wurde. 33 Zur Abgrenzung zwischen Forderungskauf und Darlehen stellt der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung auf das Bonitätsrisiko ab. Von einem Forderungskauf ist nur auszugehen, wenn das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Forderung auf den Erwerber übergeht, bei einer Wertlosigkeit der Forderung also keine Möglichkeit des Regresses besteht (vgl. Urteil des BFH vom 26. August 2010 I R 17/09, BFH/NV 2011, 143 m.w.n.). Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind auch bei der Abtretung von Gewinnansprüchen anzuwenden. Im Streitfall ist das Bonitätsrisiko nicht übergegangen, da sich der vereinbarte Kaufpreis ausdrücklich mindert, wenn es zu keiner Gewinnausschüttung in Höhe des Kaufpreises kommt. 34 Die X-GmbH hatte auch nicht die Chance, von einem Gewinnanspruch zu profitieren, der den Kaufpreis übersteigt (vgl. zum wirtschaftlichen Eigentum bei der Möglichkeit der Wertsteigerung eines Rechts das BFH-Urteil vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BStBl II 2007, 296). Der Kaufvertrag ist so auszulegen, dass ein Anspruch auf eine höhere Gewinnausschüttung nicht vereinbart worden ist. Zutreffend weist die Klägerin insoweit darauf hin, dass eine Klausel betreffend einer Kaufpreiserhöhung fehlt und kein wirtschaftlich vernünftiger Grund besteht, an die X-GmbH den Jahresgewinn 2002 von.. Millionen Euro ohne jegliche Gegenleistung auszuschütten. Eine solche Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien kann nicht unterstellt werden. Im Übrigen zeigen auch die sonstigen Ausführungen der Klägerin im Schreiben vom., mit denen sie die Vorgehensweise zur Vermeidung des Ausweises eines Bilanzgewinns im Sinne des 268 Abs. 1 HGB darlegt, dass weitere Ansprüche der X-GmbH nicht vereinbart waren. Der tatsächliche Geschehensablauf (Stillhalten der X-GmbH, obwohl keine weitere Gewinnausschüttung erfolgte) bestätigt diese Vertragsauslegung. 35 2. Hilfsweise für den Fall, dass die Frage des wirtschaftlichen Eigentums anders zu beurteilen sein sollte, weist der Senat darauf hin, dass er im Ergebnis die Rechtsansicht des Hessischen Finanzgerichts im rechtskräftigen Urteil vom 16. Februar 2012 (EFG 2012, 1187; vgl. ferner mit gleichem Ergebnis: Bayerisches Landesamt für Steuern vom 3. Dezember 2009 S 2861.1.1-6/3 St31) für zutreffend hält. Nach dieser Entscheidung hat die von der A-GmbH gewählte Gestaltung zur Vermeidung der Rechtsfolgen des 37 Abs. 3 KStG ebenfalls keinen Erfolg. 36 3. Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.