Differentialgleichungen sind überall! Helmut Abels Fakultät für Mathematik Universität Regensburg Folien und Co.: http://www.uni-r.de/fakultaeten/nat Fak I/abels/Aktuelles.html Tag der Mathematik am Albrecht-Altdorfer-Gymnasium Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 / 5
Was sind Differentialgleichungen? Differentialgleichungen sind Gleichungen, die eine Funktion f mit deren Ableitungen f, f,... in Beziehung setzen. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 2 / 5
Was sind Differentialgleichungen? Differentialgleichungen sind Gleichungen, die eine Funktion f mit deren Ableitungen f, f,... in Beziehung setzen. Beispiele: f (x) = f(x) f (x) = f(x) 2 + sin x sin(f (x)) = cos(f (x)) Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 2 / 5
Was sind Differentialgleichungen? Differentialgleichungen sind Gleichungen, die eine Funktion f mit deren Ableitungen f, f,... in Beziehung setzen. Beispiele: f (x) = f(x) f (x) = f(x) 2 + sin x sin(f (x)) = cos(f (x)) Eine Funktion, welche die Gleichung für alle x erfüllt, heißt Lösung der Gleichung. f(x) f (x) x Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 2 / 5
Erinnerung: Die Ableitung Zu einer Funktion f(x) bezeichnet f (x) die Steigung von f(x) an der Stelle x. Die Funktion f (x) heißt Ableitung von f(x). D.h.: f (x) ist die Steigung der Tangente am Graphen von f im Punkt (x, f(x)): f(x) f (x) x Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 3 / 5
Erinnerung: Die Ableitung Zu einer Funktion f(x) bezeichnet f (x) die Steigung von f(x) an der Stelle x. Die Funktion f (x) heißt Ableitung von f(x). D.h.: f (x) ist die Steigung der Tangente am Graphen von f im Punkt (x, f(x)): f(x) f (x) x Des Weiteren bezeichnet f (x) die Ableitung der Funktion f (x). Die Ableitung von f (x) ist f (x) usw. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 3 / 5
Was beschreiben Differentialgleichungen? (I) Die Funktion f beschreibe eine Größe wie: den Ort eines Gegenstandes (Auto, Flugzeug, Stein,...) die Temperatur, die Konzentration oder die Radioaktivität eines Stoffes die Größe einer Population (Einwohner, Kaninchen,...) den Wert einer Aktie, Währung,... Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 4 / 5
Was beschreiben Differentialgleichungen? (I) Die Funktion f beschreibe eine Größe wie: den Ort eines Gegenstandes (Auto, Flugzeug, Stein,...) die Temperatur, die Konzentration oder die Radioaktivität eines Stoffes die Größe einer Population (Einwohner, Kaninchen,...) den Wert einer Aktie, Währung,... Dann beschreibt f die Änderungsrate dieser Größe, d.h.: die Geschwindigkeit des Gegenstandes die Zunahme/Abnahme der Temperatur,... das Wachstum der Population die Wertsteigerung der Aktie bzw. Währung f beschreibt die Änderungsrate der Geschwindigkeit (Beschleunigung), des Wachstums,... Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 4 / 5
Was beschreiben Differentialgleichungen? (II) Also: Eine Differentialgleichung setzt eine Größe, beschrieben durch die Funktion f, mit deren Änderungsraten (f, f,...) in Beziehung. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 5 / 5
Was beschreiben Differentialgleichungen? (II) Also: Eine Differentialgleichung setzt eine Größe, beschrieben durch die Funktion f, mit deren Änderungsraten (f, f,...) in Beziehung. Beispiel: f(t) beschreibe die Menge an Bakterien zur Zeit t Wachstum der Bakterienzahl Zahl der Bakterien f (t) = cf(t) Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 5 / 5
Wofür werden Differentialgleichungen verwendet? Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 6 / 5
Wofür werden Differentialgleichungen verwendet? Mit Differentialgleichungen können (natur-) wissenschaftliche Gesetze mathematisch formuliert werden. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 6 / 5
Wofür werden Differentialgleichungen verwendet? Mit Differentialgleichungen können (natur-) wissenschaftliche Gesetze mathematisch formuliert werden. Dabei werden die Gesetze im Rahmen vereinfachender Annahmen (Modell) aufgestellt. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 6 / 5
Wofür werden Differentialgleichungen verwendet? Mit Differentialgleichungen können (natur-) wissenschaftliche Gesetze mathematisch formuliert werden. Dabei werden die Gesetze im Rahmen vereinfachender Annahmen (Modell) aufgestellt. Das Lösen von Differentialgleichungen ermöglicht Vorhersagen über die Entwicklung der Größen im betrachten System. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 6 / 5
Wofür werden Differentialgleichungen verwendet? Mit Differentialgleichungen können (natur-) wissenschaftliche Gesetze mathematisch formuliert werden. Dabei werden die Gesetze im Rahmen vereinfachender Annahmen (Modell) aufgestellt. Das Lösen von Differentialgleichungen ermöglicht Vorhersagen über die Entwicklung der Größen im betrachten System. Realität Situation Vorhersage Modellierung Interpretation Mathematik Differentialgleichung Lösung Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 6 / 5
Was sind die mathematische Fragestellungen? Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 7 / 5
Was sind die mathematische Fragestellungen? Existenz: Existiert eine Lösung der Differentialgleichung? Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 7 / 5
Was sind die mathematische Fragestellungen? Existenz: Existiert eine Lösung der Differentialgleichung? Eindeutigkeit: Ist die Lösung eindeutig? Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 7 / 5
Was sind die mathematische Fragestellungen? Existenz: Existiert eine Lösung der Differentialgleichung? Eindeutigkeit: Ist die Lösung eindeutig? Wenn nein, unter welchen zusätzlichen Bedingungen ist sie eindeutig? Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 7 / 5
Was sind die mathematische Fragestellungen? Existenz: Existiert eine Lösung der Differentialgleichung? Eindeutigkeit: Ist die Lösung eindeutig? Wenn nein, unter welchen zusätzlichen Bedingungen ist sie eindeutig? Berechnung: Kann die Lösung (explizit) berechnet werden? Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 7 / 5
Was sind die mathematische Fragestellungen? Existenz: Existiert eine Lösung der Differentialgleichung? Eindeutigkeit: Ist die Lösung eindeutig? Wenn nein, unter welchen zusätzlichen Bedingungen ist sie eindeutig? Berechnung: Kann die Lösung (explizit) berechnet werden? Wenn nein, wie kann die Lösung näherungsweise berechnet werden? Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 7 / 5
Beispiel: Stein im Gravitationsfeld (I) Es beschreibe x(t) die Position eines Steines der Masse m zum Zeitpunkt t im leeren Raum. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 8 / 5
Beispiel: Stein im Gravitationsfeld (I) Es beschreibe x(t) die Position eines Steines der Masse m zum Zeitpunkt t im leeren Raum. Dann ist: v(t) = x (t) die Geschwindigkeit a(t) = v (t) = x (t) die Beschleunigung Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 8 / 5
Beispiel: Stein im Gravitationsfeld (I) Es beschreibe x(t) die Position eines Steines der Masse m zum Zeitpunkt t im leeren Raum. Dann ist: v(t) = x (t) die Geschwindigkeit a(t) = v (t) = x (t) die Beschleunigung Es wirke die Gravitationskraft F = m g. Newtonsches Gesetz: F = m a. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 8 / 5
Beispiel: Stein im Gravitationsfeld (I) Es beschreibe x(t) die Position eines Steines der Masse m zum Zeitpunkt t im leeren Raum. Dann ist: v(t) = x (t) die Geschwindigkeit a(t) = v (t) = x (t) die Beschleunigung Es wirke die Gravitationskraft F = m g. Newtonsches Gesetz: F = m a. Damit erhält man die Differentialgleichung m x (t) = m g Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 8 / 5
Beispiel: Stein im Gravitationsfeld (II) Lösung: m x (t) = m g Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 9 / 5
Beispiel: Stein im Gravitationsfeld (II) Lösung: m x (t) = m g x (t) = g t + c Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 9 / 5
Beispiel: Stein im Gravitationsfeld (II) Lösung: m x (t) = m g x (t) = g t + c x(t) = g t2 2 + c t + c 2 dabei sind c, c 2 beliebige reelle Zahlen. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 9 / 5
Beispiel: Stein im Gravitationsfeld (II) Lösung: m x (t) = m g x (t) = g t + c x(t) = g t2 2 + c t + c 2 dabei sind c, c 2 beliebige reelle Zahlen. Lösung existiert, ist aber nicht eindeutig! Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 9 / 5
Beispiel: Stein im Gravitationsfeld (II) Lösung: m x (t) = m g x (t) = g t + c x(t) = g t2 2 + c t + c 2 dabei sind c, c 2 beliebige reelle Zahlen. Lösung existiert, ist aber nicht eindeutig! Lösung wird eindeutig durch Festlegung von x() = a x () = b Anfangsort Anfangsgeschwindigkeit x(t) = g t2 2 +b t+a ist eindeutige Lösung des Anfangswertproblems: m x (t) = m g x() = a x () = b Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 9 / 5
Beispiel: Bakterienwachstum Gesucht: Lösungen von f (t) = c f(t) () Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 / 5
Beispiel: Bakterienwachstum Gesucht: Lösungen von f (t) = c f(t) () Erinnerung: Für f(x) = e x ist f (x) = e x. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 / 5
Beispiel: Bakterienwachstum Gesucht: Lösungen von f (t) = c f(t) () Erinnerung: Für f(x) = e x ist f (x) = e x. Ansatz: f(t) = e at, e = 2, 7828... Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 / 5
Beispiel: Bakterienwachstum Gesucht: Lösungen von f (t) = c f(t) () Erinnerung: Für f(x) = e x ist f (x) = e x. Ansatz: f(t) = e at, e = 2, 7828... Dann ist f (t) = a e at = a f(t). Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 / 5
8 7 6 5 4 3 2-2 -.5 - -.5.5.5 2 Beispiel: Bakterienwachstum Gesucht: Lösungen von f (t) = c f(t) () Erinnerung: Für f(x) = e x ist f (x) = e x. Ansatz: f(t) = e at, e = 2, 7828... Dann ist f (t) = a e at = a f(t). Wähle a = c! Somit löst f(t) = e ct die Gleichung (). Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 / 5
8 7 6 5 4 3 2-2 -.5 - -.5.5.5 2 Beispiel: Bakterienwachstum Gesucht: Lösungen von f (t) = c f(t) () Erinnerung: Für f(x) = e x ist f (x) = e x. Ansatz: f(t) = e at, e = 2, 7828... Dann ist f (t) = a e at = a f(t). Wähle a = c! Somit löst f(t) = e ct die Gleichung (). Aber: Für jede reelle Zahl C löst f(t) = C e ct ebenfalls (). Durch die Bedingung f() = C ist die Lösung aber eindeutig bestimmt. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 / 5
Grenzen von Modellen Sei f(t) die Zahl der Kaninchen auf einer einsamen Insel zur Zeit t. Dann gilt: Vermehrung der Kaninchen Zahl der Kaninchen f (t) = cf(t) Also: f(t) = C e ct, wobei C die Zahl der Kaninchen zur Zeit t = ist. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 / 5
Grenzen von Modellen Sei f(t) die Zahl der Kaninchen auf einer einsamen Insel zur Zeit t. Dann gilt: Vermehrung der Kaninchen Zahl der Kaninchen f (t) = cf(t) Also: f(t) = C e ct, wobei C die Zahl der Kaninchen zur Zeit t = ist. Problem: f wächst sehr schnell an: Ist t sehr groß, erhält man unrealistische Kaninchenpopulationen. Alternatives Modell: Vermehrung Zahl der Kaninchen verhungerte Kaninchen f (t) = cf(t) af(t) 2 Dabei ist cf(t) af(t) 2 cf(t), falls af(t) klein ist. (Mehr: Übungen) Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 / 5
Berechnung der Lösung im Allgemeinen Nicht immer lässt sich die Lösung der Differentialgleichung explizit berechnen. (Sie muss noch nicht einmal existieren oder eindeutig sein.) Dies gilt vor allem für nichtlineare Differentialgleichungen. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 2 / 5
Berechnung der Lösung im Allgemeinen Nicht immer lässt sich die Lösung der Differentialgleichung explizit berechnen. (Sie muss noch nicht einmal existieren oder eindeutig sein.) Dies gilt vor allem für nichtlineare Differentialgleichungen. Beispiel: Mathematisches Pendel mϕ (t) = mg sin(ϕ(t)), ϕ() = a,ϕ () = b. ϕ(t) F = mg sinϕ(t) Die Lösungen lassen sich nicht mehr exakt, sondern nur noch näherungsweise (z.b. mit Computer) berechnen. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 2 / 5
Partielle Differentialgleichungen (I) Alle Größen/ Funktionen hingen bis jetzt nur von einer Variablen ab. Die zugehörigen Differentialgleichungen heißen auch gewöhnliche Differentialgleichungen. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 3 / 5
Partielle Differentialgleichungen (I) Alle Größen/ Funktionen hingen bis jetzt nur von einer Variablen ab. Die zugehörigen Differentialgleichungen heißen auch gewöhnliche Differentialgleichungen. Hängt die Funktion z.b. vom Ort x und Zeit t, so müssen partielle Ableitungen betrachtet werden: x u(x, t) Steigung, wenn x variert und t fixiert ist. t u(x, t) Steigung, wenn t variert und x fixiert ist. (x, t) x t u(x, t) Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 3 / 5
Partielle Differentialgleichungen (II) Beispiel: t u(x, t) = c x u(x, t) (Transportgleichung) u(x, t) beschreibt z.b. die Konzentration eines Stoffes am Ort x zur Zeit t. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 4 / 5
Partielle Differentialgleichungen (II) Beispiel: t u(x, t) = c x u(x, t) (Transportgleichung) u(x, t) beschreibt z.b. die Konzentration eines Stoffes am Ort x zur Zeit t. Lösung: u(x, t) = u (x + c t) wobei u eine beliebige von einer Variablen abhängige differenzierbare Funktion ist. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 4 / 5
Partielle Differentialgleichungen (III) Partielle Differentialgleichungen beschreiben komplexe Sachverhalte. Z.B.: elektrische und magnetische Felder Verbiegen von Körpern die Bewegung von Flüssigkeiten Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 5 / 5
Partielle Differentialgleichungen (III) Partielle Differentialgleichungen beschreiben komplexe Sachverhalte. Z.B.: elektrische und magnetische Felder Verbiegen von Körpern die Bewegung von Flüssigkeiten Die Differentialgleichungen werden oft aus physikalischen Prinzipien wie Erhaltung von Masse und Impuls und Kräftegleichgewichten hergeleitet. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 5 / 5
Partielle Differentialgleichungen (III) Partielle Differentialgleichungen beschreiben komplexe Sachverhalte. Z.B.: elektrische und magnetische Felder Verbiegen von Körpern die Bewegung von Flüssigkeiten Die Differentialgleichungen werden oft aus physikalischen Prinzipien wie Erhaltung von Masse und Impuls und Kräftegleichgewichten hergeleitet. Die Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen ist im allgemeinen Fall ein ungelöstes Problem und aktuelles Forschungsgebiet. Helmut Abels (U Regensburg) Differentialgleichungen 25. Juli 22 5 / 5