Einführung in die Didaktik der Mathematik Andrea Hoffkamp WS 2016/17 1
Wichtig! Modul: Vorlesung Einführung in die Mathematikdidaktik, Planungsseminar, Schulpraktische Übungen (SPÜ) Registrierung SPÜ im SS 17 nur im Zeitraum: 5.12. - 18.12. möglich Nur anmelden, wenn Sie wirklich daran teilnehmen wollen! SPÜ im SS 17 voraussichtlich überbucht SPÜ kann/soll auch im WS 17/18 absolviert werden - hier stehen ausreichend viele Plätze zur Verfügung! Anmeldung entsprechend ein halbes Jahr später https://praktikumsportal.lehrerbildung.sachsen.de 2
Warm-up Sie wollen mit Ihrer 6. Klasse das Volumen eines Quaders einführen. Wie gehen Sie vor, wenn Sie sowohl handelnde als auch bildhafte und symbolische Zugänge im Unterricht realisieren wollen? 3
Umkehraufgaben als wichtiges Element für verstehensorientierten Mathematikunterricht: wichtige Erkenntnis: Es gibt verschiedene Quader, die aber dasselbe Volumen haben! Selbstdifferenzierende Aufgabe: Aufgaben mit ausreichendem mathematischen Gehalt, an denen Kinder auf verschiedenen Niveaus arbeiten können Timo Leuders & Susanne Prediger Differenziert Differenzieren Mit Heterogenität in verschiedenen Phasen des Mathematikunterrichts umgehen Erschienen in: Ittel, Angela & Lazarides, Rebecca (Hrsg.): Differenzierung im mathematisch naturwissenschaftlichen Unterricht Implikationen für Theorie und Praxis. Klinkhardt Verlag, Bad Heilbrunn, 35 66., 2012 4
Um das Volumen (Rauminhalt) eines Quaders zu bestimmen, überlegt man, wie viele kleine Würfel in einen Quader hineinpassen. Die kleinen Würfel sind unsere Messwürfel. Aufgabe 1: Idee des Messens! Aufgabe 2: Wie viele Messwürfel passen hier hinein? Beschreibe dein Vorgehen! 5
Aufgabe 3: Aufgabe 4: Berechne das Volumen der Körper. a) Übergang zu symbolisch: V = a b c = G h b) (*) c) (**) aus einem Arbeitsbogen von A. Hoffkamp basierend auf Material aus Mathe macht stark 6
3. Vorlesung: Wie funktioniert Lernen? - Lernpsychologie und Lerntheorie 7
Heutige Inhalte Das E-I-S-Prinzip von Jerome Bruner Elemente der Lernpsychologie von Jean Piaget und die operative Methode nach Aebli 8
Das E-I-S-Prinzip von Jerome Seymour Bruner Jerome S. Bruner (1915-2016): US-amerikanischer Psychologe bzw. pädagogischer Psychologe Bruner stützt sich auf die Studien und Ergebnisse von J. Piaget E wie Enaktiv, I wie Ikonisch, S wie Symbolisch 9
Das E-I-S-Prinzip von Jerome Seymour Bruner Grundannahme: Es gibt drei Arten, Wissen darzustellen und zu erschließen: enaktiv: Sachverhalte durch eigene Handlungen (mit konkretem Material) erfassen ikonisch: Sachverhalte durch Bilder oder Graphiken erfassen symbolisch: Sachverhalte verbal oder durch Zeichensysteme/ Symbole erfassen Denkentwicklung vollzieht sich gleichzeitig auf diesen verschiedenen Darstellungsebenen (Repräsentationen), die in starker Wechselbeziehung zueinander stehen. Akzentverschiebungen im Laufe der Entwicklung: 10
Das E-I-S-Prinzip von Jerome Seymour Bruner Denkentwicklung bedeutet eine immer bessere Koordination zwischen den verschiedenen Darstellungsebenen Wichtige Rolle der Sprache als Vermittler zwischen den Repräsentationen Der intellektuelle Erwachsene zeichnet sich durch die Fähigkeit aus [..] flexibel zwischen den verschiedenen Darstellungsebenen zu wechseln (Bruner, zitiert nach Zech, 1996) Mögliche Übergänge zwischen den Darstellungsebenen (Abb. aus Zech, 1996) 11
Beispiel: Drehung als geometrische Abbildung in Klasse 5 - Übergänge zwischen den Darstellungsebenen (aus: Zech, 1996) Sprachliche Instruktion Handlung: Macht eine halbe Drehung nach links/rechts, Macht eine Vierteldrehung nach links Handlung Verbalisierung: Ein Kind führt eine Drehung aus, ein anderes sagt, um welche Drehung es sich handelt. Handlung Ikonisieren: Halbe Drehung eines Quadrates bildlich darstellen. Sprachliche Instruktion Formalisieren Schlagt ein Zeichen für eine Vierteldrehung nach rechts vor Zeichen Verbalisieren z.b. Was bedeutet VR? 12
Aufgaben Stellen Sie folgende Sachverhalte in den drei Repräsentationsformen E-I-S dar: Kürzen/Erweitern von Brüchen (Klasse 5) Flächeninhalt eines Parallelogramms (Klasse 6) Ikonisieren Sie folgende Sachverhalte: (a+b) c = a c+b c (Klasse 7) Kombinationen, die man aus 3 verschiedenen Hosen und 4 verschiedenen Hemden bilden kann (Klasse?) 13
Kürzen/Erweitern von Brüchen (Klasse 5) http://home.mathematik.uni-freiburg.de/didaktik/material_download/skript%20-%20algebra%20und%20analysis.pdf 14
Kürzen/Erweitern von Brüchen (Klasse 5) Arbeiten mit dem Bruchmodell: Umstecken und Höhenvergleich Hier: enaktiv und symbolisch gemeinsam 15
Flächeninhalt Parallelogramm Welches Parallelogramm hat den größten Flächeninhalt? Körperfeedback durch Eckenzuweisung : rot, gelb, grün, keines Zerlegungsbeweis http://home.mathematik.uni-freiburg.de/didaktik/material_download/skript%20-%20algebra%20und%20analysis.pdf 16
Flächeninhalt Parallelogramm Parallelogramm als verschobenes Rechteck (Scherung entlang des Tisches): Prinzip von Cavalieri enaktiv Genauigkeit als Grenzprozess (immer dünnere Seiten verwenden) Symbolisch: A = g h http://home.mathematik.uni-freiburg.de/didaktik/material_download/skript%20-%20algebra%20und%20analysis.pdf 17
https://home.ph-freiburg.de/deisslerfr/geometrie/export_pdf_ss05/folien-kapitel_7_05-2s.pdf 18
Literaturempfehlung 19
Distributivgesetz ikonisch 20
Kombinationen ikonisch (Klasse?) 21
Kombinationen ikonisch (Klasse?) aus: Brockhaus, Profi in Mathematik, 3. Klasse 22
Elemente der Lernpsychologie von Jean Piaget und das genetische Prinzip Jean Piaget (1896-1980): Schweizer Psychologe Entwicklung einer genetischen Erkenntnistheorie zur kognitiven Entwicklung von Kindern Das Kind als Akteur seiner eigenen Entwicklung in Auseinandersetzung mit der Umwelt, Kind als fertige Person anerkannt und nicht als defizitär bzw. unfertig Theorieentwicklung in Laborsituationen durch kognitionspsychologische Experimente mit Kindern verschiedenen Alters Theorie v.a. für den Mathematikunterricht anerkannt 23
Mechanismen der kognitiven Entwicklung (Piaget) Folien freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Jürgen Roth, Universität Koblenz-Landau 24
Mechanismen der kognitiven Entwicklung (Piaget) Folien freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Jürgen Roth, Universität Koblenz-Landau 25
Mechanismen der kognitiven Entwicklung (Piaget) Folien freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Jürgen Roth, Universität Koblenz-Landau 26
Resultate Piagets: Entwicklung verläuft in Stufen/Stadien und alle Kinder durchlaufen die Stadien in derselben Reihenfolge. Folien freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Jürgen Roth, Universität Koblenz-Landau 27
Folien freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Jürgen Roth, Universität Koblenz-Landau 28
Auf der Basis konkreter Operationen können grundlegende mathematische Begriffe, wie Menge, Zahl, Länge, Addition, Kleinerrelation usw. aufgebaut werden. Folien freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Jürgen Roth, Universität Koblenz-Landau 29
Folien freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Jürgen Roth, Universität Koblenz-Landau 30
Folien freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Jürgen Roth, Universität Koblenz- Landau aus: Zech: Grundkurs Mathematikdidaktik, 1996, S. 92 31
Folien freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Jürgen Roth, Universität Koblenz-Landau 32
Empirische Hauptresultate Piagets - Zusammenfassung 33
Kritik und Modifizierung Altersangaben von Piaget sind zu relativieren Kind/junger Mensch löst verschiedene Aufgaben i.a. mit den Schemata verschiedener Stadien Modifikation von Aebli (Schüler Piagets): Je neuer ein Denkinhalt für den Erwachsenen ist, desto mehr Anschaulichkeit braucht er für das Verständnis. Verinnerlichung von Operationen verläuft in drei Stufen: konkretes Material bildliches Material symbolisch/ in Zeichensprache. 34
Zur operativen Methode der Flächenmessung - ein Beispiel für das schrittweise Verinnerlichen siehe auch: Zech (1997), Grundkurs Mathematikdidaktik, S. 100 Aufbau der Operation durch tatsächliches Handeln (enaktiv) und Verbindung mit vorstellendem Operieren (Verinnerlichung) Auslegen einer Fläche mit Messquadraten Idee des Maßes, Vergleich von Flächeninhalten, Zerlegungsidee/beweis 35
Zur operativen Methode der Flächenmessung - ein Beispiel für das schrittweise Verinnerlichen siehe auch: Zech (1997), Grundkurs Mathematikdidaktik, S. 100 Stufe der zeichnerischen Darstellung (ikonisch): Konkrete Handlung bildlich nachahmen Ergänzung durch mathematische Zeichensprache (symbolisch) 36
Abstraktionsschritt: Kästchen in der bildlichen Darstellung weglassen, Verinnerlichung durch Vorstellung 37
Zur operativen Methode der Flächenmessung - ein Beispiel für das schrittweise Verinnerlichen siehe auch: Zech (1997), Grundkurs Mathematikdidaktik, S. 100 Umkehrung der zeichnerischen Stufe (Reversibilität): Aufgabe in symbolischer Form geben und dazu die zeichnerische Darstellung finden. Aufgabe: a) Zeichne zwei verschiedene Rechtecke mit dem Flächeninhalt 24 cm 2. b) Kannst Du noch mehr finden? c) Wie viele findest du insgesamt? Stufe des rein vorstellenden Operierens: Aufgaben ohne zeichnerische Hilfe aus der bloßen Vorstellung heraus. 38
4. Vorlesung: Wie funktioniert Lehren? Didaktische Prinzipien - Teil I 39