Kapitel 13. Lineare Gleichungssysteme und Basen
Matrixform des Rangsatzes Satz. Sei A eine m n-matrix mit den Spalten v 1, v 2,..., v n. A habe den Rang r. Dann ist die Lösungsmenge L := x 1 x 2. x n x 1.v 1 + x 2.v 2 + + x n.v n = 0 ein Unterraum des R n von der Dimension n r. Beweis. Sei f : R n R m, x 1 x 2. x n = x 1.v 1 + x 2.v 2 + + x n.v n die zu A gehörige lineare Abbildung. Bei L handelt es sich gerade um den Kern von f, der ein Unterraum von R n ist und nach dem Rangsatz für lineare Abbildungen die Dimension n r hat. 1
Rückblick auf Spezialfälle Spezialfälle des Rangsatzes in Matrixform haben wir schon kennengelernt. r = 1: Sei A = (a 1, a 2, a 3 ) (0, 0, 0). Dann ist x 1 x 2 x 3 a 1.x 1 + a 2.x 2 + a 3.x 3 = 0 ein Unterraum des R 3 von der Dimension zwei. ( ) a1 a r = 0, 1, 2: Sei A = 2 a 3. Dann ist die Menge (x b 1 b 2 b 1, x 2, x 3 ) aller Lösungen 3 des linearen Gleichungssystems a 1.x 1 + a 2.x 2 + a 3.x 3 = 0 b 1.x 1 + b 2.x 2 + b 3.x 3 = 0 ein Unterraum von R 3, der in Abhängigkeit von rg(a) = 2, 1 oder 0 die Dimension 1, 2 oder 3 haben kann. 2
Lineare Gleichungssysteme Wir formulieren nun ein lineares Gleichungssystem: Satz. Jede m n-matrix A = (a ik ) liefert ein (homogenes) lineares Gleichungssystem a 11 x 1 + a 12 x 2 + + a 1n x n = 0 a 21 x 1 + a 22 x 2 + + a 2n x n = 0.. a m1 x 1 + a m2 x 2 + + a mn x n = 0 bestehend aus m Gleichungen in den n Unbekannten x 1, x 2,..., x n. Die Lösungen (x 1, x 2,..., x n ) bilden einen Unterraum L des R n von der Dimension n rg(a)... 3
Begründung Beweis. Seien v 1, v 2,..., v n die Spaltenvektoren der Matrix A, also a 1k a v k = 2k für k = 1,..., n.. a mk Dann besteht die Lösungsmenge L gerade aus den n-vektoren x 1 x 2. x n Rn mit x 1.v 1 + x 2.v 2 + + x n.v n = 0. Der Rangsatz für Matrizen zeigt nun, dass L ein Unterraum des R n ist, welcher die Dimension n rg(a) hat. 4
Korrespondenz zwischen linearen Abbildungen, Matrizen, linearen Gleichungssystemen Es gibt eine eins-zu-eins Entsprechung zwischen linearen Abbildungen f : R n R m einerseits und m n-matrizen mit reellen Einträgen andererseits. Es gibt eine eins-zu-eins Entsprechung zwischen m n-matrizen und (homogenen) linearen Gleichungssystemen aus m Gleichungen in n Unbekannten. Die Lösungsmenge des (homogenen) linearen Gleichungssystems bildet einen Unterraum des R n, welcher mit dem Kern der zugeordneten linearen Abbildung f übereinstimmt. Die Dimension des Lösungsraumes/Kerns ergibt sich aus dem Rangsatz. 5
Nochmals zur Dimension Satz. Sei (v 1, v 2,..., v n ) ein maximal linear unabhängiges System von V, d.h. dieses System ist linear unabhängig in V, aber jedes Hinzufügen eines weiteren Vektors macht daraus ein linear abhängiges System. Dann ist (v 1, v 2,..., v n ) eine Basis von V und somit dim V = n. Beweis. Wir müssen zeigen, dass (v 1, v 2,..., v n ) ein Erzeugendensystem ist. Sei dazu v ein beliebiger Vektor. Da (v 1, v 2,..., v n ) maximal linear unabhängig ist, ist das vergrößerte System (v 1, v 2,..., v n, v ) linear abhängig. Es gibt somit eine lineare Abhängigkeitsrelation a 1.v 1 + a 2.v 2 + + a n.v n + b.v = 0, wobei nicht alle Koeffizienten Null sind. Dabei kann b nicht Null sein; sonst würde nämlich die lineare Abhängigkeit von (v 1, v 2,..., v n ) folgen. Wegen b 0 lässt sich die Gleichung nach v auflösen und es folgt, dass v eine Linearkombination der Vektoren v 1, v 2,..., v n ist. 6
Basen und maximal linear unabhängige Systeme Der studierte Satz lässt sich umkehren: Satz. Jede Basis b 1, b 2,..., b n eines Vektorraums V ist ein maximal linear unabhängiges System und umgekehrt. Die Begriffe Basis von V und maximal linear unabhängiges System von V stimmen daher überein. Beweis. = Sei b 1, b 2,..., b n eine Basis, insbesondere also linear unabhängig in V. Wir wollen zeigen, dass beim Hinzufügen eines weiteren Vektors v stets ein linear abhängiges System (b 1, b 2,..., b n, v) entsteht. v lässt sich nämlich als Linearkombination v = a 1.b 1 + a 2.b 2 + + a n.b n schreiben. Dies führt zur Beziehung a 1.b 1 + a 2.b 2 + + a n.b n + ( 1).v = 0, die uns die lineare Abhängigkeit des erweiterten Systems zeigt. 7
Der Basisergänzungssatz Wir betrachten einen Vektorraum V, der ein endliches Erzeugendensystem E hat. Satz Jedes linear unabhängige System (v 1, v 2,..., v r ) von V lässt sich durch Hinzufügen geeigneter Vektoren aus E zu einer Basis von V ergänzen. Beweis. Wir fügen zu (v 1, v 2,..., v r ) solange Mitglieder des Erzeugendensystems hinzu, bis wir ein immer noch linear unabhängiges System B = (v 1, v 2,..., v r, w 1, w 2,..., w s ) erreicht haben, aus dem jedes Hinzufügen eines weiteren Mitglieds aus E ein linear abhängiges System macht. 8
Wir behaupten, dass B = (v 1, v 2,..., v r, w 1, w 2,..., w s ) den Vektorraum V erzeugt und dann wegen der konstruktionsbedingten linearen Unabhängigkeit auch eine Basis von V ist. Sei w E. Es folgt, dass (v 1, v 2,..., v r, w 1, w 2,..., w s, w) ein linear abhängiges System ist, also eine lineare Relation (a 1.v 1 + a 2.v 2 + + a r.v r ) + (b 1.w 1 + b 2.w 2 + + b s.w s ) + c.w = 0 besteht, für die nicht alle Koeffizienten verschwinden. Dabei kann c wegen der linearen Unabhängigkeit von nicht gleich Null sein. (v 1, v 2,..., v r, w 1, w 2,..., w s ) Die obige Gleichung lässt sich daher nach w auflösen. Dies zeigt, dass jedes w E in der linearen Hülle von B gelegen ist. Dieselbe stimmt daher mit V überein. 9
Zwei wichtige Folgerungen Satz 1 Ist U ein Unterraum eines endlich dimensionalen Vektorraums V, so ist dim(u) dim(v ). Beweis. Wir haben gerade gesehen, dass sich jede Basis B von U zu einer Basis B von V erweitern lässt. Somit hat B mindestens so viele Elemente wie B. Satz 2 Ist U ein Unterraum eines endlich dimensionalen Vektorraums V und gilt dim(u) = dim(v ), so folgt U = V. Beweis. Wie eben ergänzen wir eine Basis B von U zu einer Basis B von V. Wegen der Gleichheit der Dimensionen ist B = B; folglich ist B eine Basis von U (und von V ). Es stimmen daher U und V mit der linearen Hülle von B überein. 10
Sei A = Nochmals: Rang einer Matrix a 11 a 12 a 1 n 1 a 1n a 21 a 22 a 2 n 1 a 2n..... a m1 a m2 a m n 1 a mn eine m n-matrix mit den Spalten v 1, v 2,..., v n. Wir haben den Rang von A erklärt als Dimension der linearen Hülle v 1, v 2,..., v n. Wir haben nun die folgende neue Interpretation des Rangs von A. Der Rang rg(a) ist die Anzahl eines maximal linear unabhängigen Systems von Spalten von A. Wir werden zur Hervorhebung daher auch vom Spaltenrang von A sprechen. Entsprechend kann man den Zeilenrang einer Matrix bilden. Später sehen wir, dass Spaltenrang = Zeilenrang ist. 11
Fünf Kennzeichnungen von Basen Wir haben bereits alle hier genannten Kennzeichnungen von Basen allerdings nicht im Zusammenhang kennengelernt. Satz Für ein System v 1, v 2,..., v n von Vektoren von V sind äquivalent: (a) v 1, v 2,..., v n ist eine Basis von V, somit ein linear unabhängiges Erzeugendensystem von V. (b) v 1, v 2,..., v n ist ein minimales Erzeugendensystem von V. (c) v 1, v 2,..., v n ist maximal linear unabhängig in V. (d) Jedes v V lässt sich aus v 1, v 2,..., v n eindeutig linear kombinieren. x 1 (e) Die Abbildung h : R n V, x 2. x 1.v 1 + x 2.v 2 + + x n.v n x n ist ein Isomorphismus. 12
Nützliche Begleitinformation Ratschlag Es reicht nicht, nur eine einzige der fünf Kennzeichnungen von Basen zu kennen. Je nach Sachlage ist die eine oder die andere von ihnen oft sehr viel vorteilhafter; wir sollten daher alle fünf Kennzeichnungen kennen und auch anwenden können. Im Notfall halten wir jedoch mindestens die ursprüngliche Definition ( linear unabhängiges Erzeugendensystem ) in der Hinterhand. Zusatzinformation: Jedes Erzeugendensystem enthält eine Basis. Jede linear unabhängige Teilmenge lässt sich zu einer Basis ergänzen. 13
Vorschau: Austauschsatz, Basisergänzungssatz und Dimension Bei unserer bisherigen Behandlung von Vektorräumen (und in der Folge in der Behandlung von linearen Abbildungen) haben wir offen gelassen, weshalb je zwei Basen eines Vektorraums dieselbe Mitgliederzahl haben. Wir werden anschließend diese Argumentationslücke mittels des sogenannten Austauschsatzes schließen. Der Austauschsatz hinwiederum wird uns zugleich verbesserte konstruktive Verfahren zur Basisergänzung liefern. 14
Das Austauschlemma Wir starten mit einer Vorstufe zum Austauschsatz: Austauschlemma Sei B = (v 1, v 2,..., v n ) eine Basis von V und w = a 1.v 1 + + a i.v i + + a n.v n mit a i 0. Dann ist auch B = (v 1,..., v i 1, w, v i+1,..., v n ) eine Basis von V. Mit anderen Worten: Wir können den Vektor w falls der i-te Koeffizient a i der Darstellung von w in der Basis B nicht verschwindet gegen den i-ten Vektor v i der Basis B austauschen und erhalten mit B erneut eine Basis von V. 15
Beweis des Austauschlemmas Beweis. Erzeugendensystem: Wegen a i 0 ist v i eine Linearkombination von v 1,..., v i 1, w, v i+1,..., v n. Folglich liegen alle v j, j = 1,..., n, im Unterraum v 1,..., v i 1, w, v i+1,..., v n und damit auch V = v 1, v 2,..., v n. Das System (v 1,..., v i 1, w, v i+1,..., v n ) erzeugt daher den Vektorraum V. Lineare Unabhängigkeit: Nehmen wir nun an, dass c 1.v 1 + + c i 1.v i 1 + c.w + c i+1.v i+1 + + c n.v n = 0. Falls c = 0 erhalten wir aus der linearen Unabhängigkeit von (v 1, v 2,..., v n das Verschwinden aller c j. Falls c 0 können wir obige Gleichung nach w auflösen und erhalten eine Linearkombination w = a 1.v 1 + + 0.v i + + a n.v n, was der Eindeutigkeit der Darstellung von w in der Basis (v 1, v 2,..., v n ) widerspricht. 16
Der Austauschsatz Austauschsatz Sei B = (v 1, v 2,..., v n ) eine Basis von V. Ist w 1, w 2,..., w r ein in V linear unabhängiges System, so können wir nach geeigneter Umnummerierung von v 1, v 2,..., v n annehmen, dass (w 1, w 2,..., w r, v r+1,..., v n ) eine Basis von V ist. Insbesondere ist r n. Beweis. Den Beweis führen wir durch Induktion nach r und werden für den Induktionsschritt das Austauschlemma einsetzen. Induktionsverankerung: Der Fall r = 0 ist klar. Induktionsschritt: Nun sei r 1 und per Induktionsannahme die Aussage des Satzes für ein auszutauschendes linear unabhängiges System (w 1, w 2,..., w r 1 ) von r 1 Vektoren gültig. 17
Wir können daher nach geeigneter Umnummerierung der v j das System (w 1, w 2,..., w r 1 ) zu einer Basis B = (w 1,..., w r 1, v r,..., v n ) von V ergänzen, und folglich w r in der Form darstellen. w r = a 1.w 1 + + a r 1.w r 1 + a r.v r + + a n.v n Dabei können a r,..., a n nicht alle Null sein, da sonst das System (w 1, w 2,..., w r ) linear abhängig wäre. Nach erneutem Umnummerieren können wir daher a r 0 annehmen und folglich per Austauschlemma den Vektor w r gegen den Vektor v r von B austauschen. Das Austauschlemma sagt uns nun, dass dann wie behauptet (w 1, w 2,..., w r, v r+1,..., v n ) eine Basis von V ist. 18
Invarianz der Dimension Invarianz der Dimension: Je zwei Basen eines Vektorraums V haben dieselbe Mitgliederzahl. Beweis. Seien B und B Basen von V mit n bzw. n Mitgliedern. Da B linear unabhängig und B eine Basis von V ist, gilt nach Austauschsatz n n. Vertauschen der Rollen von B und B liefert ferner n n und damit die Behauptung. Wir haben damit die frühere Argumentationslücke geschlossen und gezeigt, dass die Dimension eines Vektorraums eine wohldefinierte Größe ist. 19
Nützliche Eigenschaften der Dimension Satz Sei V ein Vektorraum der Dimension n. Dann gilt: (1) Je n+1 Vektoren x 1, x 2,..., x n, x n+1 aus V sind linear abhängig. (2) Jedes Erzeugendensystem besitzt mindestens n Mitglieder. (3) Jedes n-elementige Erzeugendensystem ist eine Basis. (4) Jedes linear unabhängige System hat höchstens n Mitglieder. (5) Jedes n-elementige linear unabhängige System ist eine Basis. Beweis. Jede der Behauptungen folgt unmittelbar aus dem Austauschsatz. 20
Vergleich Austauschsatz und Basisergänzungssatz Der früher besprochene Basisergänzungssatz Jedes linear unabhängige System lässt sich zu einer Basis ergänzen. ist ersichtlich eine Folgerung des Austauschsatzes. Wir beachten, dass trotz offensichtlicher Ähnlichkeit die Aussagen beider Sätze von unterschiedlicher Qualität sind. So reicht der Basisergänzungssatz nicht aus, die Invarianz der Dimension nachzuweisen. Im Vergleich ist somit der Austauschsatz die wesentlich stärkere Aussage. 21
Dimension von Schnitt und Summe Satz. Sind U 1, U 2 Unterräume des endlich-dimensionalen Vektorraums V, so gilt dim U 1 + dim U 2 = dim (U 1 U 2 ) + dim (U 1 + U 2 ). Wir veranschaulichen die Lage durch das folgende Diagramm: U 1 + U 2 U 1 U 2 U 1 U 2 22
Beweisidee Wir starten mit einer Basis (a 1, a 2,..., a p ) von U 1 U 2 und ergänzen Sie jeweils zu einer Basis (a 1, a 2,..., a p, b 1, b 2,..., b q ) von U 1 und (a 1, a 2,..., a p, c 1, c 2,..., c r ) von U 2. Die Vektoren aus (a 1, a 2,..., a p, b 1, b 2,..., b q, c 1, c 2,..., c r ) sind dann sämtlich in U 1 + U 2 gelegen. Wir behaupten, dass dieses System eine Basis von U 1 + U 2 ist. Dazu weisen wir getrennt nach, dass das System ein Erzeugendensystem und dass es linear unabhängig ist. 23
Beweis Erzeugendensystem: Jedes Element aus U 1 (bzw. U 2 ) lässt sich aus a 1, a 2,..., a p und b 1, b 2,..., b q (bzw. aus a 1, a 2,..., a p und c 1, c 2,..., c r ) linear kombinieren. Jedes x U 1 + U 2 ist daher eine Linearkombination der Vektoren a 1, a 2,..., a p, b 1, b 2,..., b q und c 1, c 2,..., c r. Lineare Unabhängigkeit: Ist ferner (α 1.a 1 +α 2.a 2 + +α p.a p )+(β 1.b 1 +β 2.b 2 + +β q.b q )+(γ 1.c 1 +γ 2.c 2 + +γ r.c r ) = 0 so sehen wir durch Betrachten von jeweils linker und rechter Seite, dass (α 1.a 1 +α 2.a 2 + +α p.a p )+(β 1.b 1 +β 2.b 2 + +β q.b q ) = (γ 1.c 1 +γ 2.c 2 + +γ r.c r ) in U 1 U 2 gelegen ist. Wir schließen dann zunächst, dass alle γ k verschwinden. Wegen der linearen Unabhängigkeit der Basis (a 1, a 2,..., a p, b 1, b 2,..., b q ) von U 1 verschwinden dann ferner auch alle α i und β j. Dies zeigt die lineare Unabhängigkeit von (a 1, a 2,..., a p, b 1, b 2,..., b q, c 1, c 2,..., c r ). 24
Anwendung: Schnitt von Ebenen Wir betrachten hier nur Ebenen durch den Nullpunkt. Per Definition sind dies zweidimensionale Unterräume eines ansonsten beliebigen Vektorraums V. Wir interessieren uns für den Durchschnitt von zwei derartigen Ebenen. U 1, U 2 seien zweidimensionale Unterräume des R 3 (Ebenen durch 0). Nur die folgenden Fälle U 1 = U 2 bzw. dim U 1 U 2 = 1 (Gerade durch 0) sind möglich. In einem vierdimensionalen Raum kommt es dagegen vor, dass sich zwei Ebenen nur in einem Punkt schneiden. Im R 4 haben die zweidimensionalen Unterräume U 1 = R.e 1 + R.e 2 und U 2 = R.e 3 + R.e 4 den Schnitt U 1 U 2 = {0}. 25