Fall: Jagdfieber 1. Teil Im Jahr 2013 möchte die Bundesregierung das BJagdG dahingehend ändern, dass in bestimmten Jagdbezirken die Jagd aus Helikoptern, Kraftfahrzeugen oder Motorbooten zulässig ist, um in ländlichen Gebieten durch Jagdtourismus Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaftskraft zu stärken. Bisher war eine solche Safari nach 19 I Nr. 11 BJagdG verboten. Die von der Bundesregierung erarbeitete Gesetzesvorlage des SafariG lautet: 1 Es ist erlaubt Wild isd BJagdG in Jagdbezirken nach 2 aus Luftfahrzeugen, Kraftfahrzeugen oder maschinengetriebenen Wasserfahrzeugen zu erlegen. 2 (Definition der Größe des Jagdbezirks und der Wildpopulation). 3 Mit dieser Regelung ist 19 I Nr. 11 BJagdG aufgehoben.... Die Vorlage wird an den Bundesrat weitergeleitet, der fristgemäß eine Stellungnahme abgibt. Anschließend wird die Gesetzesvorlage zweimal beraten, dann beschlossen und an den Bundesrat weitergeleitet. Hier wird ein Vermittlungsausschuss gebildet, der keine Änderungen vorschlägt. Auf der Bundesratssitzung eine Woche nach Abschluss des Vermittlungsausschussverfahrens findet sich im Bundesrat keine Mehrheit, die einen Einspruch gegen das Gesetz erhebt. Daraufhin wird das Gesetz verfassungsgemäß ausgefertigt und verkündet. Die Landesregierung von L hält das Gesetz für formell und materiell verfassungswidrig. Insbesondere verstoße 1 SafariG gegen Art. 20a GG, da eine derartige Jagd das Tierschutzgesetz verletze. 1 SafariG sei daher nicht mehr Teil der verfassungsmäßigen Ordnung. Die Landesregierung stellt daher einen schriftlichen Antrag zum BVerfG auf Überprüfung von 1 SafariG. Aufgabe: Prüfen Sie die Erfolgsaussichten dieses Antrags. Hinweis: Es ist davon auszugehen, dass 1 SafariG das Tierschutzgesetz verletzt. 2. Teil 1
Neben den 1 bis 3 SafariG hat der Bund in 4 SafariG eine Regelung erlassen, wonach auch Personen ohne Jagdschein an einer Jagd isv 1 SafariG teilnehmen können, wenn sie sich in Begleitung einer Person befinden, die bereits einen Jagdschein hat und vor der Teilnahme an der Jagd den Umgang mit Schusswaffen erlernt habe. Das Land L erlässt darauf ein Landesjagdgesetz (LJagdG) mit folgendem Inhalt: 1 Es ist verboten, Wild isd BJagdG in Jagdbezirken nach 2 aus Luftfahrzeugen, Kraftfahrzeugen oder maschinengetriebenen Wasserfahrzeugen zu erlegen. 2 Die Jagd darf nur von Personen ausgeübt werden, die aufgrund eines auf sie lautenden Jagdscheins hierzu berechtigt sind. Aufgabe: Hatte das Land L die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass von 1 und 2 LJagdG? Auszug aus dem BJagdG: 19 I Nr. 11 BJagdG: Verboten ist (...) 11. Wild aus Luftfahrzeugen, Kraftfahrzeugen oder maschinengetriebenen Wasserfahrzeugen zu erlegen; das Verbot umfasst nicht das Erlegen von Wild aus Kraftfahrzeugen durch Körperbehinderte mit Erlaubnis der zuständigen Behörde. 2
Lösung Fall Jagdfieber 1. Teil Der Antrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit des BVerfG Art. 93 I Nr. 2 GG; 13 Nr. 6; 76 ff. BverfGG (+) II. Antragsberechtigung Nach Art. 93 I Nr. 2 GG, 13 Nr. 6, 76 I BVerfGG sind Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestags antragsberechtigt. Hier: Landesregierung à Antragsberechtigung nach Art. 93 I Nr. 2 GG; 13 Nr. 6, 76 I BVerfGG (+) objektives Beanstandungsverfahren à kein Antragsgegner III. Antragsgegenstand Nach Art. 93 I Nr. 2 GG; 76 I BVerfGG einfaches Bundes- und Landesrecht 1 SafariG = Bundesgesetz à Bundesrecht IV. Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel - 76 I BVerfGG à Nichtighalten - Art. 93 I Nr. 2 GG à Zweifel - Die Landesregierung hält die Norm für nichtig, daher hat sie auch Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit. à beide Normen sind erfüllt V. Objektives Klarstellungsinteresse Mangels entgegenstehender Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass ein objektives Klarstellungsinteresse besteht. VI. Form und Frist Form: nach 23 I BVerfGG schriftlich und begründet (+) Frist (-) 3
B. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn 1 SafariG nicht verfassungsmäßig ist. I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1 SafariG ist formell verfassungsgemäß, wenn es unter Beachtung der Gesetzgebungskompetenzverteilung, des Verfahrens und der Form erlassen wurde. 1. Gesetzgebungskompetenz a) Grundsatz Art. 70 I GG: Länder b) Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz Art. 71 ivm Art. 73 GG (-) c) Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aa) Kompetenztitel Art. 72 ivm Art. 74 I Nr. 28 GG Jagdrecht bb) Erforderlichkeitsprüfung, Art. 72 II GG in Art. 72 II GG wird Art. 74 I Nr. 28 GG nicht erwähnt d) Ergebnis Der Bund hatte gem. Art. 72 I, 74 I Nr. 28 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. 2. Gesetzgebungsverfahren Die Regelungen über das Gesetzgebungsverfahren nach Art. 76 78 GG müssten eingehalten worden sein. a) Gesetzesinitiative aa) Initiativberechtigung Art. 76 I GG: Bundesregierung, Bundesrat oder Mitte des Bundestages Hier: Bundesregierung bb) Initiativverfahren Nach Art. 76 II 1 GG: Vorlagen der Bundesregierung sind Bundesrat zuzuleiten (+) Stellungnahme des Bundesrats, gem. Art. 76 II 2 GG (+) b) Hauptverfahren aa) Verfahren im Bundestag aaa) Beratungen 78 I 1 GOBT: 3 Beratungen hier: 2 Beratungen 4
Verstoß gegen die GOBT, nicht gegen GG bbb) Gesetzesbeschluss Art. 77 I 1 GG (+) bb) Verfahren im Bundesrat aaa) Zuleitung zum Bundesrat Art. 77 I 2 GG: unverzügliches Weiterleiten durch Bundestagspräsidenten bbb) Einspruchs- oder Zustimmungsgesetz Zustimmungsgesetz à im Grundgesetz als solches bezeichnet (-) Daher: Einspruchsgesetz ccc) Vermittlungsausschuss, Art. 77 II GG fristgemäß gebildet (+) Änderungsvorschlag (-) ddd) Einspruch, Art. 77 III 1 GG Einspruch (-) eee) Zustandekommen des Gesetzes Art. 78 Var. 3 GG (+) à kein Einspruch eingelegt c) Ergebnis Das Gesetzgebungsverfahren verlief verfassungsgemäß. 3. Form, Art. 82 I GG (+) Gegenzeichnung (+) Ausfertigung (+) Verkündung im Bundesgesetzblatt (+) 4. Ergebnis 1 SafariG ist formell verfassungsmäßig. II. Materielle Verfassungsmäßigkeit Verstoß gegen Art. 20a GG Nach Art. 20a GG schützt der Staat Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung. Das Tierschutzgesetz = Teil der verfassungsmäßigen Ordnung 1 SafariG verstößt gegen das Tierschutzgesetz à entspricht damit nicht mehr der verfassungsmäßigen Ordnung und verletzt folglich Art. 20a GG. 1 SafariG verstößt gegen Art. 20a GG und ist damit materiell verfassungswidrig. 5
III. Ergebnis 1 SafariG ist formell verfassungsmäßig, materiell aber verfassungswidrig. Der Antrag ist damit begründet. C. Ergebnis Die Abstrakte Normenkontrolle ist zulässig und begründet und hat daher Aussicht auf Erfolg. 6
2. Teil I. Gesetzgebungskompetenz für 1, 2 LJagdG 1. Grundsatz Art. 70 I GG: Länder 2. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes Art. 71 ivm Art. 73 GG (-) 3. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz a) Kompetenztitel Art. 72 I ivm Art. 74 I Nr. 28 GG: Jagdrecht Land hat Gesetzgebungskompetenz, soweit kein Bundesgesetz besteht 1 und 4 SafariG = Bundesregelungen zum Jagdrecht à Bund hat Gesetzgebungskompetenz à nach der Systematik der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz, da die Regelung durch den Bund die Länder SPERRT b) Abweichungskompetenz Nach Art. 72 III 1 Nr. 1 bis 6 GG können die Länder bei diesen Materien vom Bundesgesetz abweichen à KEINE Sperrung durch Bundesrecht Jagdrecht fällt unter Art. 72 III 1 Nr. 1 GG à Abweichungskompetenz (+) à Länder können vom Bundesrecht abweichende Regelungen erlassen ABER: Art. 72 III 1 Nr. 1 GG hat einen abweichungsfesten Kern: Abweichung vom Bundesrecht durch Landesgesetz (-) Abweichungsfester Kern: Recht der Jagdscheine 1 LJagdG: Art und Weise der Ausübung des Jagdrecht à Regelung zum Jagdschein (-) à NICHT der abweichungsfeste Kern à Abweichung vom Bundesgesetz nach Art. 72 III 1 Nr. 1 GG (+) Land L hat hier neben dem Bund die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 I, III 1 Nr. 1 ivm Art. 74 I Nr. 28 GG In 2 LJagdG: Jagd ohne Jagdschein à Regelung zum Jagdschein (+) à abweichungsfester Kern (+) Land L hat hier keine Gesetzgebungskompetenz 7
II. Ergebnis Das Land L hatte zum Erlass von 1 LJagdG die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 I, III Nr. 1 ivm 74 I Nr. 28 GG. Zum Erlass von 2 LJagdG fehlte aber die Gesetzgebungskompetenz. 8