Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz Neue Möglichkeiten für Umstrukturierungen und Transaktionen

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Transkript:

Steuerrecht Dezember 2009 Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz Neue Möglichkeiten für Umstrukturierungen und Transaktionen Am 18. Dezember 2009 hat das Wachstumsbeschleunigungsgesetz den Bundesrat passiert. Durch dieses Gesetz soll es den Unternehmen erleichtert werden, die Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise zu verkraften. Von besonderer Bedeutung für Unternehmen sind dabei die Entlastungen im Bereich der Zinsschranke, der Verlustabzugsbeschränkungen sowie der Grunderwerbsteuer. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz können Unternehmen mit deutlichen Steuererleichterungen rechnen. Insbesondere die Entlastungen im Bereich der Zinsschranke und der Verlustabzugsbeschränkungen sollen den Einbruch des wirtschaftlichen Wachstums überwinden und den wirtschaftlichen Aufschwung ankurbeln. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz beinhaltet zudem die Einführung einer grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel, ein Abschreibungswahlrecht für geringwertige Wirtschaftsgüter, die Senkung des gewerbesteuerlichen Hinzurechnungssatzes für Immobilienmieten, Entschärfungen im Bereich der Unternehmensnachfolge sowie die Senkung des Umsatzsteuersatzes für bestimmte Beherbergungsleistungen. A. Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen (Zinsschranke) Die Zinsschranke beschränkt im Grundsatz die Abziehbarkeit von Nettozinsaufwendungen (d.h. den Überschuss von Zinsaufwendungen gegenüber Zinseinnahmen) für Fremdfinanzierungen eines Betriebes auf 30 % des maßgeblichen Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen ("verrechenbares EBITDA"). Dies gilt unabhängig davon, ob die Fremdfinanzierung durch einen Gesellschafter oder einen Dritten erfolgt. Nach der bisherigen Rechtslage fand die Zinsschranke keine Anwendung, wenn (i) die jährlichen Nettozinsaufwendungen weniger als 3 Millionen Euro für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1. Januar 2010 enden, und weniger als 1 Million Euro für darauf folgende Wirtschaftsjahre betragen ("Freigrenze"), (ii) der Betrieb nicht oder nur anteilig zu einem Konzern gehört ("Konzernklausel") oder (iii) der Betrieb zu einem Konzern gehört und seine Eigenkapitalquote am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtages gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns ("Escape-Klausel"), wobei Abweichungen von bis zu einem Prozentpunkt unschädlich sind. Sofern eine der vorgenannten Ausnahmen erfüllt ist, sind die Zinsaufwendungen grundsätzlich in voller Höhe abzugsfähig. I. EBITDA-Vortrag Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz führt einen Vortrag für das nicht genutzte Zinsabzugspotential ("EBITDA-Vortrag") ein, der zur bisherigen Regelung eines Zinsvortrages für die nicht zum Abzug zugelassenen Zinsaufwendungen hinzutritt. Sofern die Nettozinsaufwendungen eines Betriebes in einem Wirtschaftsjahr geringer sind als das verrechenbare EBIT- DA, kann der nicht genutzte Teil des verrechenbaren EBITDA in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vorgetragen werden. Der jeweils älteste EBITDA-Vortrag wird zuerst verbraucht und ein bis zum Ende des fünften Wirtschaftsjahres nach Entstehen noch nicht verbrauchter EBITDA-Vortrag verfällt. Ein EBITDA- Vortrag entsteht nicht in Wirtschaftsjahren, in denen eine der oben angesprochenen Ausnahmeregelungen zur Zinsschranke greift. Die Einführung des EBITDA- Vortrages wird im Markt positiv aufgenommen und hat

2 sich auch schon in ausländischen Steuerrechtsordnungen etabliert. Ein EBITDA-Vortrag entsteht grundsätzlich erstmals in Wirtschaftsjahren, die nach dem 31. Dezember 2009 enden. Für die Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2006 beginnen und vor dem 1. Januar 2010 enden, werden die EBITDA-Vorträge jedoch fiktiv ermittelt und erhöhen auf Antrag das verrechenbare EBITDA des ersten Wirtschaftsjahres, das nach dem 31. Dezember 2009 endet. II. Freigrenze Die Nettozinsaufwendungen eines Betriebes sind in voller Höhe abziehbar, wenn sie weniger als 3 Millionen Euro betragen. Die Freigrenze war bereits im Rahmen des Bürgerentlastungsgesetzes vom 16. Juli 2009 von 1 Million Euro auf 3 Millionen Euro erhöht worden, allerdings nur befristet. Demnach sollte die ursprüngliche Freigrenze von 1 Million Euro wieder für Wirtschaftsjahre gelten, die nach dem 31. Dezember 2009 enden. Die erhöhte Freigrenze von 3 Millionen Euro findet nach dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz nunmehr unbefristet Anwendung. Für mittelständische Unternehmen dürfte diese dauerhafte Erhöhung der Freigrenze durchaus die erhoffte Entlastung von den Einschränkungen durch die Zinsschranke bieten. III. Escape-Klausel Die Zinsschranke findet auf Konzernunternehmen grundsätzlich keine Anwendung, wenn die Eigenkapitalquote des Betriebes am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtages gleich hoch oder höher ist als diejenige des Konzerns. Um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, war ein Unterschreiten der Eigenkapitalquote des Konzerns bis zu 1 Prozentpunkt nach bisher geltendem Recht unschädlich. Diese Unschädlichkeitsgrenze ist durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf zwei Prozentpunkte erhöht worden. Hierdurch soll unter anderem der Volatilität der Eigenkapitalquote und Konjunkturschwankungen Rechnung getragen werden. Die Erhöhung der Unschädlichkeitsgrenze gilt erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2009 enden. Ob durch die Anhebung der Unschädlichkeitsgrenze tatsächlich eine Erleichterung eintritt, ist jedoch fraglich. Nur in Ausnahmefällen dürften Unternehmen gewillt sein, sich aufgrund der erhöhten Unschädlichkeitsgrenze auf die Anwendbarkeit der Escape-Klausel zu verlassen. B. Verlustabzugsbeschränkungen Werden innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 % der Anteile an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen oder an eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen übertragen, gehen die bis dahin nicht genutzten Verluste anteilig unter. Eine Anteilsübertragung von mehr als 50 % führt zum vollständigen Untergang nicht genutzter Verluste. Gegenstand dieser Regelung sind insbesondere laufende Verluste, körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge sowie Zinsvorträge im Rahmen der Zinsschranke. Nach dem Wortlaut des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes ist der EBITDA-Vortrag hiervon allerdings nicht umfasst. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz entschärft die Verlustabzugsbeschränkungen durch (i) die Einführung einer "Konzernklausel", (ii) den Erhalt nicht genutzter Verluste in Höhe der im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven ("Verschonungsregelung") sowie (iii) die unbefristete Geltung der sog. Sanierungsklausel. I. Konzernklausel Nach bisheriger Rechtslage waren auch Anteilsübertragungen innerhalb eines Konzerns ausnahmslos schädlich. Zur Erleichterung konzerninterner Umstrukturierungen führt das Wachstumsbeschleunigungsgesetz eine Konzernklausel ein, die erstmals auf Anteilsübertragungen nach dem 31. Dezember 2009 Anwendung findet. Danach bleiben nicht genutzte Verluste, d.h. laufende Verluste und Verlustvorträge, erhalten, wenn der übertragende Rechtsträger (z.b. der Verkäufer) und der übernehmende Rechtsträger (z.b. der Käufer) zu jeweils 100 % mittelbar oder unmittelbar von derselben Person gehalten werden. Die Konzernklausel soll jedoch nicht eingreifen, wenn neue Gesellschafter hinzutreten oder konzernfremde Gesellschafter beteiligt sind. Nach der Gesetzesbegründung wird die Konzernklausel damit auf Fälle beschränkt, bei denen die "Verschiebung von Verlusten auf Dritte ausgeschlossen ist". Bei der prakti-

3 schen Anwendung dieser Regelung stellt sich eine Vielzahl von Problemen, die vor allem auf ihren äußerst restriktiven Wortlaut zurückzuführen sind. Hält beispielsweise eine börsennotierte, im Streubesitz gehaltene Gesellschaft unmittelbar eine 100 %-ige Beteiligung an einer Verlustgesellschaft und überträgt sie diese Beteiligung auf eine andere 100 %-ige Tochtergesellschaft, würde die Konzernklausel nach dem Wortlaut der Regelung nicht eingreifen. II. Verschonungsregelung Eine weitere Entschärfung der derzeitigen Verlustabzugsbeschränkungen soll die Verschonung nicht genutzter Verluste in Höhe der anteiligen im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven bewirken. Der Untergang von nicht genutzten Verlusten wird dergestalt begrenzt, dass diese in einer bestimmten Höhe erhalten, also "verschont" bleiben. Der Umfang der verschonten Verluste knüpft an die Höhe des schädlichen Beteiligungserwerbs an, wobei zwei Fälle zu unterscheiden sind: (1) Bei einem schädlichen Beteiligungserwerb von mehr als 25 % entspricht die Höhe der verschonten Verluste der Höhe der anteiligen im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven im Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs. (2) Bei einem schädlichen Beteiligungserwerb von mehr als 50 % entspricht die Höhe der verschonten Verluste der Höhe sämtlicher im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven im Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs. Auch im Rahmen der Verschonungsregelung stellt sich eine Vielzahl von Einzelproblemen. Diese umfassen insbesondere Konstellationen, in denen ein unterjähriger schädlicher Beteiligungserwerb erfolgt, mehrstöckige Strukturen (z.b. Organschaften oder nachgeordnete Personengesellschaften) bestehen sowie das Zusammentreffen mehrerer Verlustarten. Die Neuregelung gilt erstmals für Anteilsübertragungen nach dem 31. Dezember 2009. III. Sanierungsklausel Die dritte Änderung der Verlustabzugsbeschränkung betrifft die Sanierungsklausel. Diese wurde erst durch das Bürgerentlastungsgesetz vom 16. Juli 2009 eingeführt und sollte nur befristet für Beteiligungserwerbe vor dem 1. Januar 2010 gelten. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wird die Befristung aufgehoben und die Sanierungsklausel unbefristet im Gesetz verankert. Die Sanierungsklausel verhindert unter bestimmten Voraussetzungen einen Untergang der nicht genutzten Verluste und Zinsvorträge im Rahmen der Zinsschranke, wenn ein schädlicher Beteiligungserwerb zum Zwecke der Unternehmenssanierung erfolgt. Die Neuregelung ist bereits für den Veranlagungszeitraum 2008 und für Anteilsübertragungen nach dem 31. Dezember 2007 anwendbar. Im derzeitigen Umfeld ist die unbefristete Weitergeltung der Sanierungsklausel zu begrüßen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die zahlreichen derzeit anstehenden Restrukturierungsfälle. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, gleichzeitig auch inhaltliche Nachbesserungen an der Sanierungsklausel vorzunehmen, um erhöhte Transaktionssicherheit zu schaffen. Dies betrifft z.b. die Lohnsummenregelung und die Konkretisierung des für die Anwendung relevanten Erwerbszeitpunkts. C. Grunderwerbsteuer Die Grunderwerbsteuerbelastung stellt bislang gerade für konzerninterne Umstrukturierungen ein Hindernis dar, das im internationalen Vergleich eher unüblich ist. Nach dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz unterliegen bestimmte konzerninterne Umstrukturierungen nach dem 31. Dezember 2009 nicht mehr der Grunderwerbsteuer. Die Grunderwerbsteuerausnahme greift jedoch nur, wenn an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind ("grunderwerbsteuerliche Konzernklausel"). Als "abhängig" wird hierbei eine Gesellschaft definiert, an deren Kapital das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor und fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (teils) unmittelbar oder (teils) mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist. Wird die Mindestbeteiligungsquote von 95 % innerhalb des maßgeblichen Zehnjahreszeitraumes unterschritten, hat dies nach dem Gesetzeswort-

4 laut eine vollständige Versagung der Grunderwerbsteuerbefreiung zur Folge. Die Ausnahme bezieht sich auf grunderwerbsteuerrelevante Vorgänge im Zusammenhang mit Verschmelzungen, Spaltungen oder Vermögensübertragungen im Sinne des Umwandlungsgesetzes. Dies gilt auch für entsprechende grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge aufgrund des Rechts eines EU-/EWR-Mitgliedstaates. Aufgrund der Verweisung auf das Umwandlungsgesetz fallen unter die Ausnahme jedoch weder ein Anteilstausch noch eine Sacheinlage im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel ist nicht anzuwenden, wenn ein im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 verwirklichter Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird und deshalb die Steuer nicht zu erheben oder eine Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern ist. Hierdurch soll verhindert werden, dass nach bisheriger Rechtslage grunderwerbsteuerrelevante Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht werden, um bei einer Neuvornahme in den Genuss der Konzernklausel zu kommen. Die Konzernklausel erscheint im Hinblick auf die in der Praxis anstehenden Umstrukturierungen äußert restriktiv. Dies liegt insbesondere an dem zehnjährigen Referenzzeitraum innerhalb dessen die 95 %-ige Mindestbeteiligungsquote nicht überschritten werden darf. D. Verschiedenes Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz enthält zudem (i) die Einführung eines Abschreibungswahlrechts für geringwertige Wirtschaftsgüter, (ii) die Herabsetzung des gewerbesteuerlichen Hinzurechnungssatzes für Immobilienmieten, (iii) die Entschärfung der Grenzwerte für die Steuerverschonung bei der Unternehmensnachfolge sowie (iv) die Ermäßigung des Umsatzsteuersatzes für bestimmte Beherbergungsleistungen, insbesondere im Hotelgewerbe. I. Einkommensteuer Für Steuerpflichtige mit Gewinneinkünften wird ein Wahlrecht zur Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mit Anschaffungsoder Herstellungskosten von bis zu 410 Euro (statt derzeit 150 Euro) wieder eingeführt. Alternativ hierzu können Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten zwischen 150 Euro und 1000 Euro in einen jahresbezogenen Sammelposten eingestellt werden, der beginnend mit dem Jahr der Anschaffung über fünf Jahre gewinnmindernd aufzulösen ist. Diese sog. Poolabschreibung ist anders als nach bisheriger Rechtslage als Wahlrecht ausgestaltet. Die Neuregelungen gelten erstmals für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. Dezember 2009 angeschafft oder hergestellt werden. II. Gewerbesteuer Im Bereich der Gewerbesteuer wird der Hinzurechnungssatz bei Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens von 65 % auf 50 % reduziert, womit der effektive Hinzurechnungssatz von 16,25 % auf 12,5 % sinkt. Diese Neuregelung ist erstmals im Erhebungszeitraum 2010 anwendbar. III. Erbschaft- und Schenkungsteuer Im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer bewirkt das Wachstumsbeschleunigungsgesetz Entlastungen bei der Unternehmensnachfolge. Die einzuhaltenden Grenzwerte (Mindestlohnsumme, Lohnsummenfrist und Behaltensfrist) für die 85 %-ige Steuerfreiheit bzw. die vollständige Steuerfreiheit beim Erwerb von Betrieben wurden gesenkt. Für eine Steuerfreiheit von 85 % genügen nunmehr eine Behaltensfrist von fünf (statt bisher sieben) Jahren und eine in diesem Zeitraum einzuhaltende Mindestlohnsumme von 400 % (statt bisher 650 %) der Ausgangslohnsumme. Im Falle der Option für die vollständige Steuerverschonung wird die Behaltensfrist von zehn auf sieben Jahre verkürzt und die in diesem Zeitraum einzuhaltende Mindestlohnsumme von 1000 % auf 700 % der Ausgangslohnsumme herabgesetzt. Ferner gilt der Lohnsummennachweis nur noch für Betriebe, die mehr als 20 (statt derzeit 10) Beschäftigte haben. Die neuen Verschonungsvoraussetzungen sind rückwirkend auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2008 entsteht. Darüber hinaus gelten sie befristet bis zum 30. Juni 2010 auch für Erwerber, die von ihrem Antragsrecht nach Artikel 3 des Erbschaftsteuerreformgesetzes auf rückwirkende Anwendung des am 1. Janu-

5 ar 2009 in Kraft getretenen Erbschaftsteuerrechts Gebrauch gemacht haben. Die Entlastungen im Bereich der Unternehmensnachfolge durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sind grundsätzlich zu begrüßen, ändern jedoch nichts an den zahlreichen ungelösten Einzelfragen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Verschonungsregelungen. Insofern bleibt es dabei, dass eine sorgfältige Prüfung und Strukturierung der Unternehmensnachfolge unentbehrlich ist. Zum anderen wird der Steuersatz für Steuerpflichtige der Steuerklasse II (insbesondere Geschwister sowie Nichten und Neffen) auf 15 % bis 43 % gesenkt, so dass eine Besserstellung gegenüber der Steuerklasse III (fremde Dritte) eintritt. Diese Steuersatzsenkung ist erstmals auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2009 entsteht. IV. Umsatzsteuer Schließlich erfolgt die im Vorfeld umstrittene Herabsetzung des Umsatzsteuersatzes von 19 % auf 7 % für bestimmte Beherbergungsleistungen, insbesondere im Hotelgewerbe. Diese Steuersatzermäßigung ist auf die unmittelbar der Vermietung dienenden Leistungen beschränkt worden. Nicht von der Steuersatzermäßigung umfasst sind daher etwa die Verpflegung, der Zugang zu Kommunikationsnetzen (z.b. Telefon und Internet), Wellnessangebote oder die Überlassung von Tagungsräumen, selbst wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind. Damit soll beispielsweise ein in dem Pauschalpreis für die Hotelübernachtung enthaltenes Frühstück nicht von dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % profitieren, sondern weiterhin dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von 19 % unterliegen. Diese heftig kritisierte Einschränkung wird in der Praxis nicht nur zu einem erhöhten administrativen Aufwand führen, weil etwa Übernachtung und Frühstück künftig mit unterschiedlichen Steuersätzen ausgewiesen werden müssen, sondern wird auch erhebliche Abgrenzungsprobleme der reinen Beherbergungsleistungen gegenüber anderen Leistungen zur Folge haben. E. Konsequenzen für die Gestaltungspraxis Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz erleichtert steueroptimierte Umstrukturierungen und Transaktionen, insbesondere im Hinblick auf die Neuregelungen zur Verlustabzugsbeschränkung sowie die Änderungen bei der Grunderwerbsteuer. In diesen Bereichen bietet das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sehr interessante Möglichkeiten für Unternehmensumstrukturierungen und M&A-Transaktionen, die einen Erhalt der nicht genutzten Verluste ermöglichen und zu keiner Grunderwerbsteuerbelastung führen. Selbstverständlich bedarf aber jede Strukturierung eines sorgfältigen Zuschnittes anhand der Umstände des Einzelfalls. Diese Publikation dient lediglich der allgemeinen Information und ersetzt keine rechtliche oder steuerliche Beratung. Gerne stellen wir Ihnen weitere Informationen zur Verfügung oder beraten Sie in konkreten Situationen. Als Ansprechpartner stehen Ihnen zur Verfügung: Dr. Johannes Frey München +49.89.23888.2616 johannes.frey@shearman.com Reinhard Stockum Frankfurt +49.69.9711.1651 reinhard.stockum@shearman.com WWW.SHEARMAN.COM 2009 Shearman & Sterling LLP. Shearman & Sterling LLP ist eine in den Vereinigten Staaten von Amerika nach dem Recht des Staates Delaware gegründete Limited Liability Partnership. Nach dem Recht des Staates Delaware ist die persönliche Haftung der einzelnen Partner beschränkt.