Geheimer Vorbehalt (Mentalreservation), 116 BGB

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Transkript:

Geheimer Vorbehalt (Mentalreservation), 116 BGB Rechtsfolge: Unbeachtlichkeit Hauptanwendungsfall: böser Scherz

Scherzerklärung, 118 BGB Rechtsfolge: Nichtigkeit der Willenserklärung Hauptanwendungsfall: guter Scherz Erklärungsempfänger wird durch 122 BGB geschützt

Scheingeschäft, 117 BGB Einverständlicher Mangel eines Rechtsbindungswillens Häufigster Zweck: Täuschung eines Dritten 1. Das simulierte Geschäft (Scheingeschäft) Rechtsfolge: empfangsbedürftige WE nichtig 2. Das dissimulierte Geschäft (verdecktes Geschäft) Rechtsfolge: wirksam und gültig, wenn alle Voraussetzungen (+) Hauptanwendungsfall: Grundstücksverkauf unter Angabe eines geringeren als des vereinbarten Kaufpreises 3. Abgrenzung zu wirklich gewollten Geschäften (Treuhandgeschäft, Strohmanngeschäft, Umgehungsgeschäft)

Fall: Schwarzkauf Der Marburger Brauereibesitzer B musste seinen Betrieb einstelle n, da von der studentischen Kundschaft hauptsächlich neumodische Alkopops konsumiert werden. Nun liegt sein Brauereibetrieb still und rottet vor sich hin. Da bekommt er ein attraktives Angebot von seinem Freund, dem Schnapsbrenner S, der auf dem Gelände eine Großbrennerei errichten will. S bietet dem B 800000 für das Grundstück inklusive Gebäudebestand. B ist begeistert und schlägt vor, so bald wie möglich zum Notar zu gehen. S meint jedoch, er sei mit seinem Gebo t sehr an die Grenzen seiner finanziellen Möglichkeiten gegangen und die notarielle Beurkundung sei doch sehr teuer. Daher solle man ledi glich 500000 als Kaufpreis angeben, um Gebühren zu sparen. B, der endlich das Grundstück loswerden will, ist mit allem einverstanden. Eine halbe Woche später wird der Grundstückskaufvertrag über 500000 formgerecht abgeschlossen. S verlangt von B Übereignung

Anspruch des S auf Übereignung des Grundstücks aus Kaufvertrag gem. 433 I 1 BGB S könnte gegen B einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks aus einem zwischen S und B wirksam geschlossenen Kaufvertrag haben. I. Kaufvertrag über 500000 1. S und B müssten sich über den Verkauf des Grundstücks geeinigt haben. S und B haben sich vor dem Notar über den Verkauf des Brauereigrundstücks für 500000 geeinigt. Ein Kaufvertrag wurde geschlossen. 2. Der Kaufvertrag müsste auch wirksam sein a) Der Vertrag dürfte nicht gem. 125 S. 1 BGB wegen Verstoßes gegen ein Formerfordernis nichtig sein. aa) Gem. 311 B I bedarf ein Vertrag, der die Verpflichtung zur Übereignung eines Grundstückes enthält, der notariellen Beurkundung. Durch den Kaufvertrag wird für den B die Verpflichtung begründet, dem S das Eigentum an dem Brauereigrundstück zu übertragen.

bb) Der Kaufvertrag wurde aber laut Sachverhalt formgerecht, das heißt gem. 311 b I BGB in der Form der notariellen Beurkundung geschlossen. Mithin ist der Vertrag nicht gem. 125 S. 1 BGB nichtig. b) Der Vertrag dürfte auch nicht wegen eines geheimen Willenvorbehaltes nichtig sein. Gem. 117 BGB ist eine Willenserklärung, die mit Einverständnis des anderen teils nur zum Schein abgegeben wird, nichtig. Vorliegend haben S und B nur zum Schein vor dem Notar den Kaufve rtrag über 500000 geschlossen. Eigentlich wollten sie für 800000 verkaufen. Sie haben also einverständlich ein Scheingeschäft getätigt. Die in diesem Zusammenhang abgegebenen Willenserklärungen sind somit gem. 117 I BGB nichtig. S hat keinen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks aus dem Kaufvertrag über 500000.

II. Kaufvertrag über 800000 1. S und B hatten sich aber bereits vorher über den Verkauf des Grundstücks für 800000 geeinigt. Dies war das eigentlich gewollte Geschäft, das durch das Scheingeschäft verdeckt werden sollte. Gem. 117 II BGB gilt in den Scheingeschäftsfällen anstatt des simulierten (nichtigen) Geschäfts das dissimulierte Geschäft. S und B haben also einen Kaufvertrag über das Brauereigrundstück geschlossen. 2. Dieser dürfte auch nicht gem. 125 S. 1 BGB wegen eines Formmangels nichtig sein. Ein Vertrag über die Übereignung von Grundstücken bedarf gem. 311 b I BGB der notariellen Beurkundung. Der Kaufvertrag über 800000 wurde aber zwecks Gebührenersparnis gerade nicht notariell beurkundet. Er ist daher wegen Formmangels nichtig. Zwischen S und B ist kein wirksamer Kaufvertrag geschlossen worden. Mithin hat S keinen Anspruch gem. 433 I 1 BGB auf Übereignung des Grundstückes.