Lebensstile Jugendlicher als intergenerationale Reproduzenten von Ungleichheit oder Indikatoren einer Egalisierung? Dipl.-Soz. Claudia Beckert-Zieglschmid Universität Leipzig Selbständige Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie 1
Gliederung Fragestellungen und theoretische Hintergründe Die Daten Operationalisierung: Lebensstile der Jugendlichen Operationalisierung: Erklärende Variablen Empirie: Einflüsse der Sozialen Herkunft und der Peers auf Lebensstile Jugendlicher Empirie: Einflüsse der Sozialen Herkunft und der Peers im gemeinsamen Modell Diskussion Reproduzenten von Ungleichheit oder Indikatoren der Egalisierung 2
Fragestellungen und Theoretischer Hintergrund 1. Trendwende in der Ungleichheitsentwicklung Stabilität einer Phase der Egalisierung oder Wiederkehr von Klassen und Schichten nach der Egalisierung? 2. Perspektivenwechsel der Ungleichheitsforschung Hat sich Entwicklung der Pluralisierung oder Egalisierung vollzogenen oder hat sich Erklärungsinteresse verschoben?!hinweisartige Beantwortung der Fragen anhand von Lebensstilen Jugendlicher: 1. theoretisch - empirisch 2. empirisch hypothetisch"!soziale Herkunftspositionen!Elterliche Lebensstile!Einfluss von Peergruppen Lebensstile Jugendlicher Lebensstile Jugendlicher!Phänomene der Egalisierung?!Indikatoren der Wiederkehr von Klassen?!Perspektivenwechsel? Theoretischer Hintergrund: PRIMÄR: Reproduktionstheorie Bourdieu: Struktur - Habitus Praxis Problem: Jugendliche : kein vollständig entwickelter Habitus Sekundär: Jugendsoziologischer und entwicklungspsychologischer Erkenntnisstand: Identitätssuche, Abgrenzungsverhalten, entwicklungsbedingt 3
Die Daten Empirische Grundlage:! Standardisierte Befragung Leipziger Schüler, Frühjahr 2001! 8.-10. Klassen, 2 Mittelschulen, 2 Gymnasien (60%;30%)! Alter: 13-17 Jahre, N= 400 Fragen zu:! Schüler: u.a. Freizeitaktivitäten, Freundesgruppen, Musikpräferenzen:! Eltern: Freizeitaktivitäten und Vorlieben, soziale Lage, ökonomische und Bildungs- Ressourcen Verwendete Variablen: Zu erklärende Variable:!Lebensstile Jugendlicher Erklärende Variablen:!Soziale Position der Eltern!Lebensstile der Eltern!Peereinflüsse Gerhards, J., & Rössel, J. (2003). Das Ernährungsverhalten Jugendlicher im Kontext ihrer Lebensstile. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Gerhards, J., Rössel, J., Beckert-Zieglschmid, C., & Bennat, J. (2004). Geschlecht, Lebensstile und Ernährung. In M. Jungbauer-Gans & P. Kriwy (Hg.), Soziale Benachteiligung und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen (151-175). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Beckert-Zieglschmid, C. (2005). Individualisiertes Gesundheitsverhalten? Zum Verhältnis von Sozialstruktur, Peers und Lebensstilen zur Ernährung Jugendlicher. erscheint in: International Journal of Public Health. 4
Hochkulturorientierung Freundesorientierung aktiv Freundesorientierung passiv Unterhaltungsorientierung aktiv Unterhaltungsorientierung passiv Sportorientierung N % a. d. Stichpr. Mittelwert Stichpr. Fernseh- Die Lebensstiltypologie Freundesorientierter Aktiver Häuslicher Sport- Hochkultur- Lese- Hochkultur- Sport- 2,14 1.45 1.32 1.54 1.53 1.76 4.05* 4.02* 3,41 2.25 4.16 4.59 3.50 2.32 3.66 2.00* 4,34 3.14* 4.97 5.13 4.61 3.69 4.49 2.99* 3,37 2.53* 3.82 3.88 3.36 4.14 4.09 3.35 4,40 5.16 4.89 5.54 3.57 4.98 3.32 2.61* 4,11 2.30* 2.59* 5.44 4.29 4.93 3.49 3.99 38 9,7 59 15,0 72 18,3 71 18,1 69 17,6 48 12,2 36 9,2 5
Weitere Variablen Soziale Position: Klassen (N= 393) Klasse Obere Klasse (k+) Obere Klasse (ök+) Mittlere Klasse (k+) Mittlere Klasse (ök+) Untere Klasse Missings Lebensstile Eltern (N= 388) n/ % a.d. Stichpr. (393) 52/ 13,2 31/ 7,9 35/ 8,9 69/ 17,9 86/ 21,9 120/ 30,5 Mit Freunden verbrachte Zeit (N= 380) mit Freunden verbrachte Nachmittage und Abende in der Woche und am Wochenende Skala 1 = nie/wenig bis 7 =täglich/viel Einbindung in Peergruppen (N=379) Zugehörigkeit zu fester Freundesgruppe, Mitgliedschaft im Sportverein, Mitgliedschaft in anderem Verein Skala O= keine bis 3 = vielfache Harmonie- Heim- werker- Span- nungs- Spannung -Sport- Hochkulturtyp n % a. d. Stichpr. 46 11,7% 97 24,7% 94 23,9% 76 19,3% 75 19,1% 6
Einflüsse der sozialen Herkunft und der Peers auf die Lebensstile 1. Soziale Position und Lebensstile der Eltern Modell 1 Klassen 75.26*** Lebensstile Eltern - Signifikanz.000 Pseudo R 2.060 N 393 Modell 2 47.36*** 88.46***.000.131 388 2. Peergruppen Modell 3 Peers Zeit 71.46*** Peers Gruppen Signifikanz.000 Pseudo R 2.059 N 380 Modell 4 66.54*** 54.55***.000.105 371 7
Die Lebensstile Kontrolle aller Einflussvariablen Modell L2 Klassen 47.36*** Lebensstile Eltern 88.46*** Modell L4 Modell L7 41,70*** 79,51*** Peers Zeit - 66.54*** Peers Gruppen - 54,55*** Signifikanz.000.000 Pseudo R-Quadrat.131.105 N 388 371 52,18*** 47,33***.000.222 368 * = schwach signifikant p < 10% ** = signifikant p < 5% *** = hoch signifikant p < 1% 8
Reproduktion von Ungleichheit oder Egalisierung? Ideen zur Fortsetzung einer Diskussion 1. Trendwende in der Ungleichheitsentwicklung? Lebensstile als Phänomene von: Pluralisierung oder Egalisierung: Wiederkehr von Klassen und Schichten:! nein! nein 2. Perspektivenwechsel der Ungleichheitsforschung? Sondern?! als individuell wahrgenommene Lebensstile transportieren kulturelle Präferenzen der Eltern intergenerational! Formierung von Lebensstilen von Nachfahren, im Aggregat eine Folie der Lebensstile der Vorfahren! Lebensstile durch ökonomische und kulturelle Ressourcen gerahmt, d. h. Abhängigkeiten von Klassenpositionen -Relative intergenerationale Reproduktion- Hypothese aus den Ergebnissen: Lebensstile gab es schon immer (?), neu ist:! Individuelle Phänomene, Beschreibung anhand individueller Orientierungsprinzipien! Kollektive Phänomene, Lebensstile haben Vergemeinschaftungspotential! Phänomene der gesellschaftlichen Gruppierung, Beschreibung anhand von Handlungen oder ästhetischen Prinzipien - Abziehbilder von Klassen oder Schichten?- Ja 9