Formale Potenzreihen, Rekursionen und erzeugende Funktionen

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KAPITEL 2 Formale Potenzreihen, Reursionen und erzeugende Funtionen Wir gehen von folgender abstraten Situation aus Gegeben ist eine Klasse O ombinatorischer Objete und eine Klassifiationsabbildung t : O N Wir nennen den Parameter t(o) N den Typ des Objetes O O und setzen O n = {O O t(o) = n} Wir nehmen an, die Mengen O n der Objete vom Typ n sind jeweils endlich und interessieren uns für die Parameter f n = O n (n N) Der Klasse O ordnen wir somit den (unendlichen) Vetor f = (f 0, f,, f n, ) R N zu und suchen eine geschlossene Form von f, aus der die f n zurücgewonnen werden önnen EX 2 Sei M eine n-elementige Menge und O = P ot(m) deren Potenzmenge Mit t(o) = O erhalten wir ( ) ( ) ( ) n n n f = (,,,, 0, 0, ) 0 n Eine geschlossene Form wäre gegeben zb durch die Funtion ( ) n f(x) = ( + x) n = x = f x, wo man die f aus den Ableitungen gewinnen ann: f = f () (0)! Wir untersuchen nun allgemein das Rechnen mit solchen unendlichen Vetoren f 23

24 2 FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN Der Ring der formalen Potenzreihen Sei (R, +, ) ein beliebiger Ring Wir betrachten R N, wobei es sich als intuitiv geschict erweist, ein Element f = (f 0, f, ) R N in der Form einer Potenzreihe zu notieren: f f(x) = f n x n Wir nennen deshalb f (bzw f(x)) eine formale Potenzreihe NOTA BENE: f(x) bedeutet hier eine(!) Funtion in der Variablen x sondern ist einfach eine andere Notation für die Funtion f : N R mit f(n) = f n Potenzreihen addiert man wie bei Vetoren üblich omponentenweise: f(x) = f n x n = (f + g)(x) = (f n + g n )x n g(x) = g n x n Es erweist sich als vorteilhaft, als Multipliation die sog Faltung (auch beannt als Konvolution oder Cauchy-Produt) zu wählen: (8) ( f n x n ) ( g n x n ) = h n x n mit h n = f i g j i+j=n BEMERKUNG Die Faltung ist dadurch motiviert, dass man einfach formal ausmultipliziert und dann wieder nach Potenzen ordnet, wie man es von endlichen Summen ennt: (f 0 + f x + f 2 x 2 + ) (g 0 + g x + g 2 x 2 + ) = f 0 g 0 + (f 0 g + f g 0 )x + (f 0 g 2 + f g + f 2 g 0 )x 2 + Es ist nun einfach nachzurechnen, dass P[x] = (R N, +, ) ein Ring ist Wir nennen P[x] den Ring der formalen Potenzreihen (über R) Null- und Einselement sind: f(x) = 0 0 = (0, 0, 0, ) bzw g(x) = = (, 0, 0, )

DER RING DER FORMALEN POTENZREIHEN 25 BEMERKUNG Ist R ein Körper, dann ist R N natürlich ein Vetorraum Für unsere Zwece entscheidend ist die zusätzliche multipliative Strutur, die die Faltung bietet Invertierbareit Wir nennen f P[x] invertierbar, wenn es ein g P[x] gibt mit der Eigenschaft f g = Bezüglich der einzelnen Komponenten bedeutet dies: f 0 g 0 = f i g j = 0 für alle n i+j=n LEMMA 2 Die formale Potenzreihe f(x) = f nx n ist invertierbar genau dann, wenn der Koeffizient f 0 R invertierbar ist In diesem Fall ist die Potenzreihe g(x) = g nx n durch die Eigenschaft f g = eindeutig festgelegt Beweis Die Invertierbareit von f impliziert die Invertierbareit von f 0 Wir berechnen nun die Koeffizienten g n einer Potenzreihe g suzessive: g 0 = f0 g = f0 g 0 ) g n = f0 g n + f 2 g n 2 + + f n g 0 ) Dann gilt offenbar f g = und g ist durch diese Eigenschaft eindeutig festgelegt NOTATION Die (eindeutig bestimmte) Inverse von f wird oft mit f oder /f notiert EX 22 Sei f(x) = x Dann berechnet man die Koeffizienten g n von g(x) = f (x) suzessive als g 0 = g = g n =

26 2 FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN und erhält somit f(x) = x = x n EX 23 (Geometrische Summe) Sei f(x) = + x + + x n Dann finden wir f(x) ( x) = x n+ und deshalb x = f(x) = ( x n+ ) ( x) = xn+ x Substitution Ersetzen wir die Unbestimmte x durch ein Ringelement ξ R, so ergibt sich aus einer formalen Potenzreihe eine (möglicherweise unendliche) Summe: f(ξ) = f 0 + f ξ + f 2 ξ 2 + + f n ξ n + = f n ξ n Sind höchstens endlich viele der Koeffizienten f n 0, so ist der Summenwert f(ξ) ein wohldefiniertes Element im Ring R In diesem Fall ann man f als Funtion f : R R auffassen Zum Beispiel bei R = C ann die Summe auch bei unendlich vielen nichttrivialen Summanden wohldefiniert sein (dh die Summe ist onvergent) Wie man aus der Infinitesimalrechnung weiss, ist im Fall von Konvergenz die Substitution ξ x in Produte von Reihen mit der Multipliation der Summenwerte verträglich: (f g)(ξ) = f(ξ)g(ξ) Im Fall von Konvergenz übersetzt sich somit jede Formel für formale Potenzreihen automatisch in eine Formel für den substituierten Wert (ZB die Formel der geometrischen Summe) 2 Der Ring der formalen Polynome Mit R[x] bezeichnen wir den Teilring aller formalen Potenzreihen f(x) = f x, bei denen höchstens endlich viele Koeffizienten f von Null verschieden sind Jedes p R[x] ann folglich als endliche Summe notiert werden: p(x) = p 0 + p x + + p n x n p = (p 0, p,, p n, 0, 0, ) Der Teilring R[x] P[x] ist der Ring der (formalen) Polynome über R R[x] ist unter (Faltungs-)Produtbildung abgeschlossen In der Regel ist

DER RING DER FORMALEN POTENZREIHEN 27 die Inverse eines (formalen) Polynoms aber ein Polynom, wie das Beispiel p(x) = x im vorigen Abschnitt zeigt BEMERKUNG Jedes formale Polynom p(x) = n p x definiert eine Polynomfuntion f p : R R durch die Vorschrift f p (ξ) = p 0 + p ξ + + p n ξ n für alle ξ R Es ist im allgemeinen jedoch möglich, dass verschiedene (formale) Polynome dieselbe Polynomfuntion definieren Ist R ein Körper mit unendlich vielen Elementen, so ann man zeigen, dass die Zuordnung zwischen Polynomen und Polynomfuntionen eindeutig ist (Wir ommen darauf noch später zurüc) 2 Eulidische Division Sei p(x) = n p x R[x] mit n und ξ R beliebig Wir suchen einen Rest r R und ein Polynom h(x) = n j=0 h jx j derart, dass n n p x = p(x) = (ξ x) h(x) + r = ξ h j x j h j x j+ + r Koeffizientenvergleich führt zu dem Ansatz p n = h n j=0 p n = ξh n h n 2 p = ξh h 0 p 0 = ξh 0 + r j=0 Daraus ergeben sich geeignete h j und r durch reursives Rechnen: h n = p n h n 2 = ξh n p n h 0 = ξh p r = p 0 ξh 0 LEMMA 22 (Eulidischer Algorithmus) Zu jedem Polynom p(x) = n p x und ξ R existieren r, h 0,, h n R derart, dass n p(x) = (ξ x) h j x j + r j=0

28 2 FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN 22 Nullstellen und Fatorisierung Sei p(x) = (ξ x) h(x) + r ξ heisst Nullstelle des Polynoms p(x), wenn die Substitution x = ξ den Wert p(ξ) = 0 ergibt In diesem Fall haben wir natürlich r = p(ξ) (ξ ξ)h(ξ) = 0 dh p(x) = (ξ x) h(x) Im Fall R = C garantiert der Fundamentalsatz der Algebra und eulidische Division folglich eine Nullstelle ξ mit entsprechender Fatorisierung n p(x) = p x = (ξ x) h(x) = (ξ x) h j x j Iterieren wir dieses Argument, so erschliessen wir die Existenz von Nullstellen ξ, ξ n derart, dass j=0 p(x) = ( ) n p n (ξ n x) (ξ n x) (ξ x) 3 Rationale Potenzreihen Eine Potenzreihe f(x) P[x] heisst rational, wenn sie eine Darstellung der Form f(x) = p(x) q(x) = p(x) q(x) mit p(x), q(x) R[x] gestattet Wir nehmen R = C und q(x) = j=0 q jx j an Die Invertierbareit von q(x) bedeutet q 0 0 OBdA sei weiterhin q 0 Dann dürfen wir obda auch q = annehmen (sonst dividieren wir Zähler und Nenner in der Darstellung von f(x) durch q n ) Also gibt es omplexe Zahlen ξ,, ξ derart, dass q(x) = (ξ j x) = q j x j j= Wir betrachten zunächst den Fall, wo die ξ,, ξ C alle verschieden sind und suchen eine sog Partialbruchzerlegung von q(x), dh eine Darstellung der Form q(x) = j= j=0 c j ξ j x mit geeigneten Koeffizienten c j C Wegen ξ x = ξ x/ξ = ξ erhalten wir dann q(x) = [ c ξ n+ x n ξ = n + + c ] ξ n+ x n = xn ξn+ q n x n

DER RING DER FORMALEN POTENZREIHEN 29 EX 24 Im Fall ξ ξ 2 haben wir zb und folglich (ξ x)(ξ 2 x) = c ξ x c ξ 2 x mit c = ξ 2 ξ (ξ x)(ξ 2 x) = ξ 2 ξ [ ξ n+ ] ξ2 n+ x n Sei p(x) = m i=0 p ix i Dann finden wir für f n x n = p(x) q(x) = p 0 q n x n + p q n x n+ + + p m Koeffizientenvergleich führt somit auf die Darstellung f n = p 0 q n + p q n + + p m q n m (n m) q n x n+m EX 25 Sei q(x) = x 2 + x = (τ x) (τ 2 x), wobei τ = 2 ( + 5) und τ 2 = 2 ( 5) Wegen τ τ 2 = findet man f n x n = x 2 + x = [( τ 2 ) n+ ( τ ) n+ ]x n τ 2 τ Koeffizientenvergleich zeigt ( f n = 5 5 2 = [( τ 2 ) n+ ( τ ) n+ ]x n 5 ) n+ ( 5 + ) n+ 5 2 3 Urnenbelegungen Wir untersuchen nun die Situation f n x n = ( x) = x x = ( x n) ( x n) Nach der Definition des Faltungsproduts haben wir f n = i +i 2 ++i =n

30 2 FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN In einer anschaulichen Interpretation zählt folglich f n, auf wieviel verschiedene Arten man n gleiche Kugeln über Urnen verteilen ann (die erste Urne erhält i Kugeln, die zweite i 2 usw) Um eine andere Form der Anzahlen f n zu erhalten, überlegen wir uns erst die Anzahl f n von Möglicheiten, n Kugeln so zu verteilen, dass jede der Urnen mindestens eine Kugel enthält Dazu legen wir die n Kugeln in eine Reihe und müssen auf den n Zwischenräumen Trennlinien wählen: Also: i i 2 i 3 i f n = ( ) n Wenn nun Urnen auch leer bleiben dürfen, nehmen wir einfach in Gedanen weitere Kugeln dazu, wobei nun jede Urne eine erhält Also finden wir ( ) n + f n = fn+ = und folglich Ebenso sieht man ( x) = x ( x) = f nx n = ( n + 2 Lineare Reursionen ) x n ( ) n x n Wir betrachten eine Folge (f n ) von Parametern f n, die eine lineare Gleichung f n = a f n + a f n 2 + + a f n erfüllen Dabei nehmen wir an, dass a,, a feste Elemente eines Rings R sind Sind f 0,, f R festgelegt, so bestimmt die lineare Gleichung sämtliche übrigen f n reursiv Wir suchen eine geschlossene Form der formalen Potenzreihe f(x) = f n x n Dabei benutzen wir, dass die folgende Gleichung für n gilt: f n x n = a xf n x n + a x 2 f n 2 x n 2 + + a x f n x n

2 LINEARE REKURSIONEN 3 und folglich bzw f n x n = a x f n x n + + a x n= n= 2 f(x) f n x n = a x f(x) a x f n x n n= 3 + a x 2 f(x) a x 2 f n x n + a 2 x f(x) a 2 x f 0 + a x f(x) f n x n Damit erhält man eine Gleichung, die man (im Ring der formalen Potenzreihen) nach f(x) auflösen ann Setzen wir nämlich 2 3 p(x) = f n x n a f n x n+ a f n x n+2 a 2 f 0 x, so finden wir f(x) ( a x a x ) = p(x) und damit f(x) als rationale Potenzreihe f(x) = p(x) a x a x = p(x) q(x) mit q(x) = a x a x als dem sog charateristischen Polynom der linearen Reursion Man ann nun mit einem Partialbruchansatz nach einer expliziten Formel für die f n suchen EX 26 (Fibonaccizahlen) Bzgl R = C sind die Fibonaccizahlen F n definiert durch F 0 = F = und F n = F n + F n 2 (n 2)

32 2 FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN Sei F (x) = Daraus folgt F n x n Dann rechnen wir F (x) x = = x F n x n = n=2 F n x n + n=2 F n x n + x 2 n=2 n=2 = x[f (x) ] + x 2 F (x) = xf (x) x + x 2 F (x) F (x) ( x x 2 ) = bzw F (x) = F n 2 x n n=2 F n 2 x n 2 x 2 + x q(x) = x x 2 ist das charateristische Polynom der Fibonacci-Reursion Von Ex 25 wissen wir deshalb ( ) F n = n+ ( 5 5 + 5 2 ) n+ 5 2 Wegen 5 n+ /(2 n+ 5) < /2 ist F n also immer diejenige ganze Zahl, die der reellen Zahl ( + ) n+ 5 5 2 am nächsten liegt 3 Erzeugende Funtionen Sei a 0, a, eine Folge von Koeffizienten Dann verstehen wir unter einer erzeugenden Funtion vom Standardtyp für die a n eine Potenzreihendarstellung f(x) = a n x n Oft sind die a n Zähloeffizienten einer ombinatorischen Strutur, die eine Reursion erfüllen Dann ann man f(x) mit der Methodi des vergangenen Abschnitts zu ermitteln versuchen Kennt man f(x), dann ann man daraus die a n bestimmen

3 ERZEUGENDE FUNKTIONEN 33 EX 27 Wieviele verschiedene ganzzahlige Lösungen hat x + x 2 + x 3 + x 4 + x 5 + x 6 + x 7 = n 2 x, x 2, x 3, x 4, x 5, x 6, x 7 6? Sei a n diese Anzahl und f(x) = a nx n Dann haben wir f(x) = (x 2 + x 3 + x 4 + x 5 + x 6 ) 7 = x 4 ( + x + x 2 + x 3 + x 4 ) 7 = x 4 ( x 5 x = x 4 ( x 5 ) 7 ( x) 7 7 ( ) 7 ( ) + 6 = x 4 ( ) i x 5i x i 6 i=0 Daraus erhalten wir zum Beispiel für n = 25: ( )( ) ( )( ) ( )( ) 7 + 6 7 6 + 6 7 + 6 a 25 = ( ) 0 + ( ) + ( ) 2 0 6 6 2 6 ( ) ( ) ( ) 7 2 7 = 7 + 7 = 6055 6 6 2 3 Erzeugende Funtionen vom exponentiellen Typ Man ann die Folge a 0, a, auch durch eine Potenzreihe vom exponentiellen Typ, dh in der Form x n f(x) = a n n! repräsentieren Die Normierung der Koeffizienten mit n! modifiziert die Konvolution c n n! xn = ( a n n! xn) ( b n n! xn), wobei nun c n = n! a! b n (n )! = ( ) n a b n ERINNERUNG Bei der Konvolution von erzeugenden Funtionen vom Standardtyp ergeben sich die neuen Koeffizienten des Produts als c n = a b n ) 7

34 2 FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN EX 28 (Exponentialfuntion) Im Fall a 0 = a = = a schreiben wir die erzeugende Funtion vom exponentiellen Typ als e ax a n x n = n! Wegen (a + b) n Identität = n ( n ) a b n ergibt die Konvolution die beannte e ax e bx = e (a+b)x Wir betrachten nun folgende Situation: Wir haben Struturtypen A und B, die auf Mengen gegeben sein önnen Mit a n bzw b n bezeichnen wir die Anzahl aller Konfigurationen vom Typ A bzw vom Typ B auf einer n- Menge Dann ist ( ) n a b n die Anzahl aller zusammengesetzten Konfigurationen auf einer n-menge derart, dass eine -elementige Teilmenge eine Konfiguration vom Typ A und deren Komplement eine Konfiguration vom Typ B darstellt Die Anzahl aller zusammengesetzten Konfigurationen ist folglich ( ) n a c n = a b n = n!! b n (n )! EX 29 (Dérangements) Ein Element i heisst Fixpunt der Permutation π, wenn i = π(i) Hat π genau Fixpunte, so bewirt π auf den übrigen n Elementen ein sog Dérangement, dh eine fixpuntfreie Permutation Sei d n die Anzahl aller Dérangements einer n-menge und D(x) die entsprechende erzeugende Funtion vom exponentiellen Typ Dann ist offenbar ( ) n d n d n = n! bzw n!! (n )! = n! Für die entsprechenden Potenzreihen bedeutet dies: x = n! xn n! = ( x! ) ( j=0 x j ) d j = e x D(x) j! Nun önnen wir nach D(x) auflösen und erhalten d n x n D(x) = = e x n! x = ( ( ) x ) ( x j)! j=0

und somit eine explizite Formel für die d n : 4 KONVERGENTE POTENZREIHEN 35 d n n! = ( )! dh d n n! e (n + ) 4 Konvergente Potenzreihen Beim Rechnen mit formalen Potenzreihen ist die Frage, ob die Potenzreihe onvergiert oder nicht, irrelevant Aber natürlich gelten Resultate über onvergente Potenzreihen auch, wenn wir die Reihen nur formal betrachten Insbesondere dürfen wir aus der Analysis beannte Reihenentwiclungen usw auch beim Rechnen mit erzeugenden Funtionen benutzen EX 20 (Binomialreihe) Für die Funtion f(x) = ( + x) a (mit a C) berechnen wir f (x) = a( + x) a f (x) = a(a )( + x) a 2 f () (x) = [a] ( + x) a, wobei [a] n = a(a ) (a n+) die sog fallenden Fatoriellen notiert Also erhalten wir die (Taylor-)Reihenentwiclung ( + x) a f () (0) = x [a] ( ) a =!! x = x Beispielsweise ergibt sich im Fall a = /2 [ /2] = 2 ( 2 ) ( 2 = ( ) (2)! 4! und deshalb = + x ( ) 4 (2)!!! x = ( )) = ( ) 2 3 (2 ) ( ) ( ) 2 x 4 EX 2 (Catalanzahlen) Wir betrachten ein Wort w = g g 2 g n, das aus n Elementen g i einer (nicht assoziativen) Halbgruppe gebildet sei Auf wieviel verschiedene Weisen ann man w (durch Klammernsetzen) ausrechnen? Die Catalanzahl C n ist per Definition diese Anzahl

36 2 FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN (Wie man aus der unten abgeleiteten Reursion für C n leicht sieht, lässt sich derselbe Ansatz verwenden, um zb alle binären Wurzelbäume (dh Bäume, bei denen ein Knoten als Wurzel ausgezeichnet ist mit Knotengrad 0 (der triviale Fall) oder 2 und alle übrigen Knoten den Grad oder 3 besitzen) mit n Blättern zu zählen Analog lässt sich berechnen, wieviele Möglicheiten es gibt, ein onvexes n-ec mit nichtüberschneidenden Diagonalen in Dreiece zu zerlegen) Wir haben offenbar C = Um C n reursiv zu bestimmen, beobachten wir, dass im letzten Rechenschritt nur ein Produt von 2 Wörtern übrigbleibt, wobei das erste und das zweite n Buchstaben habe, die beide unabhängig voneinander gelammert werden önnen Also gilt für n 2: n C n = C C n + C 2 C n 2 + + C n C = C C n Eine explizite Formel für C n ann man über die erzeugende Funtion C(x) = C n x n bzw C(x) x = n= gewinnen Aus der Reursion sehen wir sofort = C n x n n=2 C(x) = x + ( n n=2 = ) C C n x n = x + C 2 (x) dh C 2 (x) C(x) + x = 0 und folglich n= C(x) = ± 4x 2 Wegen C(0) = 0 ist lar, dass hier das Minuszeichen gelten muss Aus der Ableitung berechnen wir nun nc n x n = C ( ) 2n ( ) 2n 2 (x) = = x n = x n 4x n n und erhalten durch Koeffizientenvergleich C n = n ( ) 2n 2 n n=

4 KONVERGENTE POTENZREIHEN 37 4 Summationsformeln Wir betrachten eine Folge a 0, a,, a n, von Zahlen und die Teilsummen s n = a 0 + a + + a n (n 0) In der Sprache der formalen Potenzreihen erhalten wir dann S(x) = s n x n = ( x ) ( a x ) = ( x) A(x) Aus der erzeugenden Funtion A(x) der Koeffizienten a ann man also (per Multipliation von Potenzreihen) explizite Formeln für die Teilsummen s n ableiten EX 22 Wir suchen eine explizite Formel für s () n := Dazu beobachten wir für die Funtion f(x) = ( x) : ( x) 2 = f (x) = ( + )x Also ist s () n 2( x) 3 = f (x) = 6( x) 4 = f (x) = ( + 2)( + )x ( + 3)( + 2)( + )x genau der Koeffizient von x n der Funtion S () (x) = ( x) f (x) = ( x) 3 s () n = Völlig analog findet man eine Formel für s (2) n := ( + ) = s (2) n (n + )n 2 ist der Koeffizient von x n der Funtion 2 + s () n S (2) (x) = ( x) f (x) = 2( x) 4 s (2) n = (n + 2)(n + )n 3 dh dh