2. Zum besseren Verständnis der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung als besondere Form der Gewinnermittlung ist es sinnvoll, häufig verwendete Begriffe des Abgabenrechts vorab zu klären. In der Bundesabgabenordnung (BAO) werden die Begriffe Bücher, Buchführung, Aufzeichnungen näher definiert, auf die in anderen Abgabengesetzen Bezug genommen wird. 2.1. Buchführung und Aufzeichnungen 2.1.1. Bücher, Buchführung Was versteht man eigentlich unter Büchern und Buchführung? Grundsätzlich werden unter Büchern isd Abgabenvorschriften all jene Aufzeichnungen verstanden, die der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (gem 4 Abs 1 und 5 EStG) dienen. Bücher führen bedeutet, alle Vermögensgegenstände und Schulden einerseits sowie alle Aufwände und Erträge anderseits so zu erfassen, dass daraus ein Jahresabschluss bestehend aus der Bilanz und der Gewinn-und-Verlust-Rechnung (G+V) erstellt werden kann. Technisch bedeutet das eine doppelte Buchhaltung. Es müssen alle Transaktionen (zb Kassenausgang, Umsatzerlös, Lieferantenrechnung) doppelt erfasst werden (einmal im Soll und einmal im Haben der jeweiligen Konten). In der Regel ergibt sich damit automatisch eine Soll/Haben-Gleichheit auch in Zeiten der EDV nicht immer selbstverständlich und damit eine doppelte Ermittlung des Gewinns (Verlusts), nämlich einmal in der Bilanz und ein zweites Mal in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Mit einer Buchführung liegt somit ein geschlossenes System von Haupt- und Nebenbüchern vor, das in sich selbst kontrollierend ist (Soll/Haben-Gleichheit). 2.1.2. Aufzeichnungen Mit dem Begriff Aufzeichnungen (isd Abgabenvorschriften) sind Aufschreibungen gemeint, die sonstigen abgabenrechtlichen Zwecken (zb Einnahmen- Ausgaben-Rechnung) dienen. Darunter fallen zb das Lohnkonto ( 76 EStG) und das Wareneingangsbuch ( 127 BAO). Aufzeichnungen lassen sich durch die simple Sammlung und Aufbewahrung von Belegen und sonstigen Unterlagen nicht ersetzen. Eher kritisch zu beurteilen ist die Ansicht, wonach eine Sammlung der Bankkontoauszüge samt den dazugehörenden Einzelbelegen unter Umständen als Aufzeichnung gilt. 29 29 GlA Ritz, BAO-Kommentar, 126 Tz 5 zu BMF-Erlass AÖF 1990/169, Abschnitt 2.3. 65
2 Pernt Hinweis: Mangels einer Buchführungspflicht besteht für Einnahmen-Ausgaben- Rechner gem 126 BAO eine Aufzeichnungsverpflichtung, wonach für die Erhebung der Einkommensteuer die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufzuzeichnen und zum Jahresende eines jeden Jahres zusammenzurechnen sind. Näheres zu den Aufzeichnungspflichten des Einnahmen-Ausgaben-Rechners siehe Kapitel 2.5. 2.1.3. Freiwillige Buchführung Es steht jedem Unternehmer frei, den Gewinn in Form der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln, ausgenommen, es besteht Buchführungspflicht oder die Bücher werden freiwillig geführt. Hinweis: Nach den Bestimmungen des 4 Abs 3 EStG darf der Gewinn in Form der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung immer dann ermittelt werden, wenn keine Bücher freiwillig oder verpflichtend geführt werden. Dabei erhebt sich in der Praxis häufig die Frage, ab wann eine freiwillige Buchführung vorliegt? Welche Menge und Intensität an Aufzeichnungen müssen vorliegen, um eine freiwillige Buchführung zu begründen? Dies ist auch im Lichte der heutzutage verwendeten EDV-Buchhaltungsprogramme zu sehen, bei denen idr auch eine Erfassung von Beständen verbunden ist (zb ist es zur Abstimmung sinnvoll, den Bankkontobestand oder den Kassenbestand laufend mitzubuchen, damit gleichzeitig auch eine Kontrolle hinsichtlich eventueller Fehlbuchungen möglich ist.) Die Gewinnermittlung aufgrund freiwilliger Buchführung im Sinne des 4 Abs 1 EStG sieht grundsätzlich einen Betriebsvermögensvergleich vor. Voraussetzung dafür ist die Erstellung eines Inventariums. Darunter ist die vollständige Erfassung aller Vermögensgegenstände und Schulden zu verstehen (Aktiva und Passiva). Bei einem gewerblichen Unternehmen wird eine solche Vollständigkeit erst dann vorliegen, wenn zumindest folgende Bestände erfasst sind: Bargeld (durch Kassabuch), Buchgeld (in Form von Bankguthaben lt Kontoauszug), 66
Pernt 2 Kundenforderungen, Waren- und Materialvorrat (durch Inventur), Anlagevermögen (lt Anlagenverzeichnis), Lieferantenverbindlichkeiten, Kredite und Darlehen (bei der Bank oder Privat), sonstige Schulden (Verpflichtungen oder Rückstellung). Fehlt die Erfassung eines der Bestände, die im konkreten Betrieb auch vorhanden sind, kann ein Betriebsvermögensvergleich nicht durchgeführt werden. Es liegt damit keine freiwillige Buchführung vor. Anderseits ist zu beachten, dass für den Unternehmer insofern kein Wahlrecht besteht, als er alle Merkmale einer Buchführung erfüllt. Dann ist der Gewinn gem 4 Abs 1 EStG zu ermitteln. Die Judikatur stellt in einigen Entscheidungen 30 fest, dass von einer freiwilligen Buchführung erst dann gesprochen werden kann, wenn alle Geschäftsfälle im Zeitpunkt des Entstehens unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen laufend auf Konten erfasst werden. Das Führen von offenen Posten (Kreditoren und Debitoren) und die einmal am Jahresende gemachte Inventur der Vorräte erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine laufende Buchführung. Dies deswegen, da ja die laufende (zeitnahe) Erfassung dieser Daten fehlt. Erst wenn es zur Dotierung von Rückstellungen und Abgrenzungen (Rechnungsabgrenzungsposten und sonstige Verbindlichkeit/Forderungen) kommt, liegt eine Gewinnermittlung nach 4 Abs 1 EStG vor. Hinweis: Für die ab 2004 bis 2010 geltende begünstigte Besteuerung des nicht entnommenen Gewinns ist eine freiwillige Buchführung Voraussetzung. Daher ist darauf zu achten, dass bereits ab Beginn des Kalenderjahres eine entsprechende Buchführung erfolgt! 2.2. Die Buchführungspflicht Die Verpflichtung zur Buchführung richtet sich grundsätzlich danach, ob 1. gewerbliche Unternehmer aufgrund unternehmensrechtlicher Verpflichtung ( 189 UGB) oder 30 Siehe Rz 4259 EStR 2000. 67
2 Pernt Neu 2. Land- und Forstwirte oder wirtschaftliche Geschäftsbetriebe aufgrund Überschreitens der Buchführungsgrenzen gem 125 BAO dazu verpflichtet sind. Eine freiwillige Buchführung steht selbstverständlich jedem Steuerpflichtigen offen. Mit Inkrafttreten des Unternehmensgesetzbuches (UGB), welches das bisherige Handelsgesetzbuch (HGB) abgelöst hat, und dem Strukturanpassungsgesetz 2006 traten mit Wirkung ab 1.1.2007 Änderungen der unternehmens- und steuerrechtlichen Vorschriften der Rechnungslegung für Einzelpersonen und Persongesellschaften ein (wobei infolge von Übergangsregelungen die Auswirkungen teilweise erst 2010 schlagend werden). Eine Darstellung der wesentlichen Bestimmungen bis Ende 2006 und der Regelungen ab 2007 folgt im Anschluss. Keine Änderungen ergeben sich für die Rechnungslegungspflicht von Kapitalgesellschaften. 2.2.1. Buchführungspflicht nach dem HGB Rechtslage bis Ende 2006 Für alle im Firmenbuch eingetragene Vollkaufleute galt bis Ende 2006 aufgrund handelsrechtlicher Vorschriften die Verpflichtung zur Führung einer doppelten Buchhaltung und zur Erstellung eines Jahresabschlusses (bestehend aus Bilanz und Gewinn-und-Verlust-Rechnung, bei Kapitalgesellschaften auch Anhang und allenfalls Lagebericht). Damit galt die Buchführungspflicht für alle im Firmenbuch eingetragenen Einzelunternehmer, Personengesellschaften (zb OHG, KG) und auch für Kapitalgesellschaften (GmbH, AG). Die handelsrechtliche Buchführungspflicht begründete auch die diesbezügliche steuerliche Verpflichtung, wobei die im Firmenbuch eingetragenen Gewerbetreibenden ihren Gewinn in Form des (uneingeschränkten) Betriebsvermögensvergleiches nach 5 EStG für steuerliche Zwecke zu ermitteln hatten. Eine Ausnahme bildeten dabei die im Firmenbuch eingetragenen Erwerbsgesellschaften (OEG und KEG), die als eigene Gesellschaftsform mit dem Inkrafttreten des UGB ab 1.1.2007 ausgelaufen sind. Alle nicht im Firmenbuch eingetragenen Unternehmen mussten nur dann eine doppelte Buchhaltung führen und eine Bilanz sowie Gewinn-und-Verlust-Rechnung aufstellen, wenn sie folgende Buchführungsgrenzen gem 125 BAO erreichten: Gewerbebetriebe: Umsatz von mehr als 400.000 bzw bei Lebensmitteleinzel- und Gemischtwarenhändlern von mehr als 600.000 in zwei aufeinander folgenden Jahren. 68
Pernt 2 Land- und Forstwirte: Umsatz von mehr als 400.000 in zwei aufeinander folgenden Jahren oder Einheitswert von mehr als 150.000. Für diese Steuerpflichtigen galt als allgemeine Gewinnermittlungsmethode der (eingeschränkte) Betriebsvermögensvergleich nach 4 Abs 1 EStG. Die Buchführungspflicht aufgrund des Überschreitens der Buchführungsgrenzen gem 125 BAO konnte daher nur Unternehmer mit Einkünften aus Gewerbebetrieb und Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft treffen. Für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, insbesondere alle Freiberufler, bestand generell keine Buchführungspflicht. 2.2.2. Buchführungspflicht nach dem UGB Rechtslage seit 2007 Mit der Reform des Unternehmensrechtes, das das Handelsgesetzbuch (HGB) durch das neue Unternehmensgesetzbuch (UGB) mit Wirkung ab dem 1.1.2007 ersetzt, wurden auch die Bestimmungen für die Rechnungslegungspflicht geändert. Buchführungspflichtig, das heißt Führung einer doppelten Buchhaltung, Erstellung eines Jahresabschlusses mit Bilanz und Gewinn-und- Verlust-Rechnung, sind gem 189 UGB Unternehmer: Alle Kapitalgesellschaften und unternehmerisch tätige Personengesellschaften, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (also insbesondere GmbH & Co KG), sind wie bisher immer rechnungslegungspflichtig. Alle anderen Unternehmer wie Einzelunternehmer und alle sonstigen Personengesellschaften (bei denen mindestens ein voll haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist) sind erst dann rechnungslegungspflichtig, wenn sie hinsichtlich der einzelnen einheitlichen Betriebe jeweils mehr als 400.000 (seit 1.1.2010: 700.000) Umsatz im Geschäftsjahr erzielen. Anzumerken wäre, dass nach Ansicht der Finanzbehörde zumindest ein Einzelunternehmen durchaus mehrere Betriebe haben kann, für Personengesellschaften wird das nicht so gesehen. Keine Rechnungslegungspflicht nach dem UGB besteht für: Angehörige der freien Berufe (siehe Kapitel 1.2.2.1), Land- und Forstwirte (siehe Kapitel 1.2.1), Unternehmer mit Überschusseinkünften (Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten, zb Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen), wenn sie ihre Tätigkeit im Rahmen einer im Firmenbuch eingetragenen Persongesellschaft ausüben (so genannte vermögensverwaltende Personengesellschaften, bei denen mindestens ein Vollhaftender eine natürliche Person ist ). Neu 69
2 Pernt 2.2.2.1. Beginn und Ende der Buchführungspflicht Mit Einführung des UGB haben sich auch die Vorschriften zum Eintritt der Buchführungspflicht leicht geändert. Für gewerbliche Unternehmer ist also das Überschreiten einer Umsatzgrenze Kriterium für die Buchführungspflicht. Dabei ist die Umsatzgrenze auf den einzelnen Betrieb bezogen zu sehen. (Ob bei mehreren Tätigkeiten ein einheitlicher Betrieb oder mehrere Betriebe vorliegen, richtet sich nach der Verkehrsauffassung, wobei das Ausmaß der organisatorischen, wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtung maßgeblich ist. 31 Das bedeutet, dass ein Unternehmer durchaus zwei oder mehrere Betriebe haben kann, von denen jeder für sich allein die Umsatzgrenze nicht überschreitet. So wird der Unternehmer nicht buchführungspflichtig, auch wenn alle Betriebe zusammen die Umsatzgrenze überschreiten würden. Die Buchführungspflicht beginnt, wenn die Umsatzgrenze zweimal nacheinander überschritten wird, mit dem zweitfolgenden Jahr nach der zweiten Überschreitung (also nach einem so genannten Pufferjahr ). Auch geringfügiges Überschreiten genügt, es gibt keine Toleranzgrenze. Wird die Umsatzgrenze in einem Geschäftsjahr gleich um 300.000 gegenüber dem Vorjahr überschritten Umsatz mehr als 1.000.000, so beginnt die Buchführungspflicht bereits im Folgejahr. Diese nach 189 Abs 2 Z 2 32 begründete Buchführungspflicht ist nach 124 BAO auch für das Abgabenrecht maßgebend. Zu beachten ist, dass die Buchführungspflicht automatisch mit Beginn des zweiten Kalenderjahres eintritt, nach dem die Umsatzgrenze zweimal überschritten wurde. Dies ergibt sich unabhängig von finanzbehördlichen Bescheiden einzig aufgrund der eigenen Umsatzaufzeichnungen. Das bedeutet, dass der Unternehmer auf jeden Fall Zeit für die Vorbereitung der Umstellung hat. Dafür muss der Unternehmer die Buchführungspflicht auch von sich aus wahrnehmen. Erscheint es dem Unternehmer zweifelhaft, wie hoch sein für die Buchführungspflicht maßgebender Umsatz ist, so ist auf Antrag ein Feststellungsbescheid (gem 92 Abs 1 lit b BAO) über die Höhe des maßgebenden Umsatzes zu erlassen. 33 Beispiel: Sie können also insgesamt drei Jahre (zwei Jahre + Pufferjahr) die Umsatzgrenze von 400.000 überschreiten. Erst mit Beginn des vierten Jahres ist die Buchführungspflicht von sich aus wahrzunehmen. 31 Weiterführend Ritz, BAO-Kommentar 2, 125 Tz und Rz 422 ff EStR. 32 RÄG 2010 ab 1.1.2010. 33 Weitere Rechtsquellen in Ritz, BAO-Kommentar 2, 125 Tz 13. 70
Pernt 2 Beispiel: Unternehmer führt Einnahmen-Ausgaben-Rechnung. 2007: Umsatz mehr als 400.000 2008: Umsatz mehr als 400.000 Lösung: Folgejahr 2009, 2. Folgejahr 2010: Buchführungspflicht ab 1.1.2010. Variante 1: 2009: Umsatz weniger als 400.000 Lösung 1a: ab 2011 wieder zurück zur Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, wenn 2010 auch weniger als 400.000. Lösung 1b: Antrag auf Aufhebung der Buchführungspflicht, bereits 2009 nicht buchführungspflichtig! Variante 2: 2009: Umsatz mehr als 400.000 Lösung: Buchführungspflicht bleibt auch ab 2010. Wurden die Grenzen nur aufgrund besonderer Umstände vorübergehend überschritten, kann ein Antrag auf Befreiung von der Buchführungspflicht 34 (siehe Kapitel 2.2.3.3) gestellt werden. Für die Beurteilung der Buchführungspflicht sind die Umsätze gem 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG zuzüglich der im Ausland erbrachten Umsätze heranzuziehen: Umsatz aus Lieferung und sonstigen Leistungen (inkl Hilfsgeschäfte, zb Anlagenverkauf) + Eigenverbrauch + Umsätze aus im Ausland erbrachten Leistungen = Umsätze für die Beurteilung der Buchführungspflicht Nicht zu berücksichtigen: Geld- und Bankumsätze Grundstücksumsätze Vermietung- und Verpachtung von Grundstücken Umsätze aus der Geschäftveräußerung Umsätze aus Entschädigungen Grafik 7 34 Gem 125 Abs 4 BAO. 71