Integrierte Versorgung mit klinischen Beispielen Greifswald, 4. Dezember 2008 Querschnittsbereich 3 Gesundheitsökononmie, Gesundheitssystem, öffentliche Gesundheitspflege Dr. Matthias Last
Was ist Integrierte Versorgung? Grundlage: 140 ff SGB V + Sektorenübergreifende, facharztübergreifende Versorgung unter Einbeziehung von Klinik, ambulanter und stationärer Rehabilitation und Apotheke, die alle in einem Netz zusammengeschlossen sind. + Dieses Netz hat mit einer Kasse einen Vertrag geschlossen, der die Versorgung aller (freiwillig beigetretenen) Patienten dieser Kasse hinsichtlich eines bestimmten Versorgungsspektrums in einer definierten Region sicherstellt
Voraussetzungen + Ein elektronischer Datenaustausch muss gewährleistet sein + Der Patient, der sich einschreibt, wählt einen Arzt seines Vertrauens + Anlage einer elektronischen Patientenakte mit Zugriff für weitere Ärzte + Aufbau von integrierten Behandlungsleitpfaden
Integrierte Versorgung + Vertikale Verknüpfung: Teilnahme mehrerer Leistungssektoren: Praxis, Krankenhaus, Rehabilitation + Horizontale Verknüpfung: Leistungserbringung innerhalb eines Sektors aber interdisziplinär umfassend und prozessorientiert inklusive Prävention, Kuration und Rehabilitation z.b. innerhalb eines Ärztenetzes
Anschubfinanzierung 140d SGB V: Zur Förderung der integrierten Versorgung hat jede Krankenkasse in den Jahren 2004 bis 2006 (verlängert bis 31.12.2008) Mittel bis zu 1% von der nach 85 Abs. 2 an die KV zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach 140b SGB V geschlossenen Verträgen erforderlich sind
Vertragspartner + Gesetzliche Krankenkasse + Krankenkassenverbände können durch die Kassen zum Vertragsabschluss ermächtigt werden und + einzelne zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte und Zahnärzte + Apotheken + Ambulante Rehabilitationseinrichtungen + Heil- und Hilfsmittelerbringer + Haushaltshilfen + Erbringer häuslicher Krankenpflege + Soziotherapeuten + Krankentransporteure + Hebammen + Zahntechniker
Vertragspartner + Gesetzliche Krankenkasse + Krankenkassenverbände können durch die Kassen zum Vertragsabschluss ermächtigt werden und + Träger zugelassener Krankenhäuser + Träger von stationären Vorsorge und Rehaeinrichtungen + Träger von Medizinischen Versorgungszentren + Gemeinschaften verschiedener Leistungserbringer + Managementgesellschaften
Verträge... +...sind frei in der Gestaltung +...sind frei im Geltungs- und Regelungsbereich +...sind frei in den ökonomischen Vereinbarungen +...sind nicht zeitlich begrenzt
Verträge... + Vertikal übergreifend: z.b. ambulant stationär + Horizontal übergreifend: interdisziplinär-fachübergreifend
Verträge + IV light : Definierter Teilbereich: z.b. sämtliche Teilbereiche, die ein bestimmtes Krankheitsbild erfordert + IV full-size : Übernahme der gesamten Budgetverantwortung Indikationsübergreifende Versorgung wird übernommen
Vorgaben des Gesetzgebers + Verpflichtung der Vertragspartner zu einer qualitätsgesicherten, wirksamen, ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten + Die Vertragspartner haben dafür zu sorgen, dass die organisatorischen, betriebswirtschaftlichen sowie die medizinischen und medizinisch-technischen Voraussetzungen dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse und des medizinischen Fortschritts entsprechen
Vergütung + Bisher: Sektorale Budgets + Jetzt: Ergebnisorientierte Honorierung + Gesetzgeber hat Vergütung nicht geregelt, dies bleibt Sache der Vertragspartner
Vergütung + Möglichkeit 1: Vergütung von Einzelleistungen eng definierte Zahl von Dienst- und Sachleistungen + Möglichkeit 2: Pauschalvergütung breit angelegtes Leistungsspektrum bis zur vollumfänglichen Versorgung des Versicherten = Übernahme der Budgetverantwortung
Vergütung + Voraussetzung zur Übernahme der Budgetverantwortung: Genaue Kenntnis der Risikoprofile der Versicherten + Klärung der Inanspruchnahme von Leistungen außerhalb des Versorgungsauftrages, z.b. während Urlaubsreise des Versicherten
Vorteile für die Leistungsfinanzierer + Wettbewerbsvorteile (Qualitätssteigerung) + Kosteneinsparung durch ambulant vor stationär + Besser kalkulierbare Kosten
Nachteile für die Leistungsfinanzierer + Keine nennenswerten erkennbar
Vorteile für die Patienten + Verbesserte Qualität durch bessere Abstimmung der Behandlung + Verbesserte Steuerung durch Vertrauensarzt oder Case- Manager + Vermeidung von Doppeluntersuchungen, Parallelbehandlungen und unnötigen Krankenhausaufenthalten + Optimales Service- und Terminmanagement + Gezielte Schulungen und Präventionsangebote + Bonus bei Teilnahme + Umfassende prä- und postoperative Betreuung inkl. koordinierter Rehabilitation und Pflege
Nachteile für die Patienten + (Freie) Arztwahl eingeschränkt + Weitergabe von Patientendaten ( gläserner Patient )
Vorteile für die Krankenhäuser + Möglichkeit von üblichen Vergütungsformen abzuweichen + Breites Angebotsspektrum + Möglichkeit der Begleitung von Patienten über stationäre Versorgung hinaus + Nutzung gemeinsamer Technologie + Belegungssicherung durch vereinbarte Fallzahlen + Planungssicherheit durch kalkulierbare Leistungsfälle + Vertrauens- und Imagegewinn
Vorteile für die Krankenhäuser + Unterordnung unter medizinische und wirtschaftliche Netzstandards + Anfängliche Mehrarbeit durch Umstrukturierung + Kostenrisiko für Inanspruchnahme von Ärzten außerhalb des Leistungsnetzes
Vorteile für niedergelassene Ärzte + Möglichkeit von üblichen Vergütungsformen abzuweichen: Vorteile durch extrabudgetäre Vergütung + Bindung des Patienten an die Praxis + Vertrauens- und Imagegewinn + Back Up der Klinik + Nutzung gemeinsamer Technologie + Sichere Planungsgrundlage + Hausarzt als Lotse im System
Nachteile für niedergelassene Ärzte + Unterordnung unter medizinische und wirtschaftliche Netzstandards + Therapiefreiheit unterliegt budgetbedingten Einschränkungen und definierten Leitlinien + Anfängliche Mehrarbeit und kosten durch Umstrukturierung + Kostenrisiko für Inanspruchnahme von Ärzten außerhalb des Leistungsnetzes
Beispiel IV: Hüft/Kniegelenksendoprothetik + koordinierte Versorgungsabläufe + leitlinienorientierte Diagnostik, Therapie und Prävention bei Hüft- und Kniegelenk- Ersatz + flexible Rehabilitation (ambulant / stationär) + Gewährleistung Vertragsarzt Krankenhaus Rehabilitations- Einrichtung K-Kasse Nachsorge 23
Praxisbeispiel POLIKUM
Praxisbeispiel POLIKUM - Ziele + Senkung der Verordnungskosten, insbesondere im Arzneimittelverbrauch + Vermeidung von Doppeluntersuchungen + Realisierung des Grundsatzes: ambulant vor stationär = Vermeidung von Krankenhauseinweisungen + Verkürzung / Vermeidung von Wartezeiten
Praxisbeispiel POLIKUM - Pflichten + Einschreibung der Patienten in die indizierten DMP + Etablierung von EDV-gestützten, sektorenübergreifenden und interdisziplinären Behandlungspfaden unter Berücksichtigung auch nicht-ärztlicher Leistung + Erweiterte häusliche Betreuung durch Ärzte und Arzthelferinnen + Einrichtung eines Recall-Systems + Etablierung einer zentralen Ansprechperson, die sich um sämtliche Belange des eingeschriebenen Patienten kümmert (fach- und sektorenübergreifend und proaktiv)
Praxisbeispiel POLIKUM - Pflichten + Kurzfristige Terminvergabe/effektives Terminmanagement + Einrichtung von Sondersprechstunden + Ausweitung/Optimierung der Öffnungszeiten + Angebot von Maßnahmen zur Krankheitsvermeidung, Prävention und Gesundheitsschulung + Aufbau und Führen einer digitalen Krankenakte
Praxisbeispiel POLIKUM - Vertragsinhalte + Indikationsübergreifende Organisation und Koordination der patientenbezogenen ambulant ärztlichen Versorgung + Stringentes Versorgungsmanagement zur Steigerung der Versorgungsqualität + Aktives Case Management für chronisch und/oder schwerkranke Patienten + Integration von Präventions-Checks + Identifizierung von gefährdeten Patienten
Praxisbeispiel POLIKUM - Ziele + Etablierung einer gesicherten häuslichen Betreuung und Notfallversorgung + Orientierung der Versorgung an fach- und sektorenübergreifenden Behandlungspfaden, die aus evidenzbasierten LL abgeleitet werden + Verbesserung des Patientenkomforts
Praxisbeispiel POLIKUM - Perspektiven + Einbindung der Krankenhäuser über dreiseitige Verträge (Krankenkasse, Krankenhaus, POLIKUM) + Einbindung von Partner-Ärzten und sonstiger Leistungserbringer + Etablierung eines Ärztenetzes
Praxisbeispiel POLIKUM - Qualitätsmanagement + Verständigung auf geeignete Qualitätsziele + Ausfertigung und Implementierung von Integrierten Behandlungspfaden + Pfadcontrolling + Implementierung von ärztlichen Qualitätszirkeln + Mitarbeiterschulungen + Vorlage eines Qualitätsberichts einmal jährlich + Durchführung der kontinuierlichen Patientenbefragung + Zertifizierung
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit matthias.last@vitallianz.de 32