Sonderdruck 3 14. Finanzierung von Strom- und Gasversorgungsnetzen. Zeitschrift für Energie, Markt, Wettbewerb Auszug aus Nr.



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Transkript:

H a n d e l & R i s i k o m a n a g e m e n t 3 Zeitschrift für Energie, Markt, Wettbewerb Auszug aus Nr. 3 Juni 2014 Sonderdruck 3 14 Finanzierung von Strom und Gasversorgungsnetzen Von oliver ganster, peer welling und matthias koch ISSN: 16112997 ener gate Verlag, Essen

4 R e g u l i e r u n g & N E T Z E Finanzierung von Strom und Gasversorgungsnetzen Finanzierungsmodelle im Rahmen einer Netzübernahme In den vergangenen Jahren haben Übernahmen von Versorgungsnetzen eine besondere Rolle in der Energiewirtschaft gespielt. Ein wesentlicher Grund hierfür ist aktuell das Auslaufen einer großen Zahl von Strom und Gasnetzkonzessionsverträgen. Im Zuge vieler Strom und Gaskonzessionsvergabeverfahren kommt es zu einem Wechsel des Konzessionsnehmers. Die Wirtschaftlichkeit der Netzübernahme wird dabei vor dem Hintergrund des geltenden Systems der Anreizregulierung maßgeblich von der Finanzierung des Netzkaufpreises beeinflusst. Abhängig von der individuellen Ausgangssituation des neuen Konzessionsnehmers existieren unterschiedliche Umsetzungsmodelle, die wiederum stark von der finanziellen Situation und den damit einhergehenden Finanzierungsoptionen der Gesellschafter geprägt werden. Der Strom und Gasnetzbetreiber ist ein natürlicher Monopolist in einem Netzgebiet und steht somit nicht im unmittelbaren Wettbewerb mit anderen Netzbetreibern. Die Monopolstellung des Netzbetreibers erfordert einen regulatorischen Eingriff. Die Regulierungsvorschriften steuern die Erlöse der Netzbetreiber und limitieren die erzielbaren Renditen des Netzbetriebes auf das ein Von Oliver Ganster, Peer Welling und Dr. Matthias Koch gesetzte Kapital. Das seit 2009 geltende Regulierungsregime der Anreizregulierung Der Neukonzessionär erhält die Erlaubnis deckelt die erzielbaren Umsatzerlöse der zur Wegenutzung (Konzession) und Netzbetreiber (RevenueCapRegulierung) und verlangt ist damit legitimiert, das Versorgungsnetz eine Steigerung der Effizienz innerhalb einer fünfjähri zu übernehmen. Die regulatorisch gen Zeitspanne, der sogenannten Regulierungsperiode. optimale Finanzierung der Netzübernahme hängt von den allgemeinen Das Ziel der Anreizregulierung besteht darin, den Netzbetreibern Rahmenbedingungen, den Strom bzw. Anreize für Effizienzsteigerungen zu bieten. Gasnetzentgeltverordnungen (Strom/ Ausgangsbasis zur Bestimmung der Erlöse sind die GasNEV) und der individuellen Ausgangslage des Netzübernehmers ab. Abb. 1 Berechnung der Kosten eines Netzbetreibers Besonders für kleine und mittelgroße Stadtwerke und andere Netzbetreiber Fremdkapitalzinsen bedeutet die Übernahme eines Versorgungsnetzes oft eine substanzielle kalk. Abschreibungen Veränderung der wirtschaftlichen, finanziellen und bilanziellen Unternehmenssituation. kalk. Gewerbesteuer kalk. Eigenkapitalverzinsung Das regulatorische Umfeld Kapitalkosten (CAPEX) Operative Kosten (OPEX) Auflösung von Baukostenzuschüssen + Operative Kosten lt. Jahresabschluss z. B. Materialaufwand Personalaufwand sonst. betr. Aufwendungen etc. kostenmindernde Erträge Kosten des Netzbetreibers im Basisjahr. Diese werden nach den Vorgaben der Netzentgeltverordnungen ermittelt und setzen sich aus Kapitalkosten (CAPEX) und operativen Kosten (OPEX) zusammen (vgl. Abb. 1). Die ermittelten Kosten werden in Kombination mit den technischen Strukturparametern des Netzes einem bundesweiten Effizienzvergleich aller Netzbetreiber unterzogen, um die unternehmensspezifische Effizienz zu bestimmen. Aus der individuellen Effizienz und den Netzkosten wird der Erlöspfad für die nächste Regulierungsperiode durch die zuständige Regulierungsbehörde festgelegt. Die festgelegte Erlösobergrenze soll die Netzbetreiber letztlich zu Kosteneinsparungen und zum Abbau von bestehenden Ineffizienzen anregen, um die Gewinnpotenziale ausschöpfen zu können. Die Zinssätze der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung werden jeweils für eine Regulierungsperiode von der Regulierungsbehörde festgesetzt. Derzeit betragen sie 7,14 Prozent pro Jahr des auf Altanlagen (Anlagen, die vor 2006 errichtet wurden) entfallenden Anteils des kalkulatorischen Eigenkapitals und 9,05 Prozent pro Jahr des auf Neuanlagen (Anlagen, die ab 2006 errichtet wurden) entfallenden Anteils.

R e g u l i e r u n g & N E T Z E 5 Das kalkulatorische Eigenkapital bildet die Berechnungsgrundlage der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung in den Netzentgelten, die den Gewinnanspruch des Netzbetreibers darstellt. Vereinfacht wird die Verzinsungsbasis nach folgendem Schema ermittelt: Kalkulatorischer Restwert des Anlagevermögens + Umlaufvermögen = Betriebsnotwendiges Vermögen Abzugskapital (unverzinsliches Fremdkapital) Verzinsliches Fremdkapital = Kalkulatorisches Eigenkapital Dabei wird nach 7 Strom/GasNEV ein Maximum von 40 Prozent des betriebsnotwendigen Vermögens als kalkulatorisches Eigenkapital zur Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung berücksichtigt. Das über die 40 Prozent hinausgehende kalkulatorische Eigenkapital ( überschießendes Eigenkapital ) wird im Rahmen der Netzkostenermittlung wie Fremdkapital behandelt. Die Verzinsung hierfür bestimmt sich als Mittelwert der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufrenditen festverzinslicher Wertpapiere beziehungsweise inländischer Inhaberschuldverschreibungen gemäß 7 Abs. 3 Strom/GasNEV (siehe Beispielrechnungen im Abschnitt Ausgestaltungen der Kapitlalstruktur ). Aus den Vorgaben der Regulierung lässt sich somit eine regulierungsoptimale Kapitalstruktur mit 40 Prozent kalkulatorischem Eigenkapital und 60 Prozent Fremdkapital (verzinslich und unverzinslich) bezogen auf das betriebsnotwendige Vermögen ableiten. Netzübernahmemodelle Im Rahmen einer Netzübernahme ist neben der Quelle der Kapitalbeschaffung auch über die Strukturierung der Finanzierung zu entscheiden. Zur wirtschaftlichen Umsetzung einer Netzübernahme ist im Regelfall die Orientierung Abb. 2 Bank Gesellschaftsstruktur Einstöckiges Modell Gesellschafter Netzgesellschaft Fremdkapitalaufnahme AssetNetz an der regulierungsoptimalen kalkulatorischen Kapitalstruktur gemäß den oben genannten Regulierungsvorgaben geboten. Sowohl Eigen als auch Fremdkapital können allerdings auf unterschiedlichen Ebenen in das Gesamtkonstrukt eingebracht werden. Je nach Finanzierungsmodell ist eine vollständige Fremdfinanzierung des Netzkaufs möglich und durchaus wirtschaftlich sinnvoll. Zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Ausgestaltungsvarianten werden nachfolgend zunächst die beiden gängigsten Übernahmemodelle erläutert und anschließend deren Spezifika beschrieben. Einstöckiges Modell Im einstöckigen Modell wird das Versorgungsnetz direkt in die bestehende Unternehmensorganisation eingegliedert (vgl. Abb. 2). Die Finanzierung des Kaufpreises sollte so gestaltet werden, dass durch die Netzübernahme und die dafür eventuell vorgesehene Fremdfinanzierung, die eine substanzielle Veränderung der Bilanzstrukturen verursachen kann, die kalkulatorische Eigenkapitalquote der Netzsparte möglichst nicht unter 40 Prozent sinkt. Bei Unterschreitung dieser kalkulatorischen Eigenkapitalquote oder für den Fall, dass dem Netzerwerber nicht ausreichend ungebundenes Abb. 3 Bank Gesellschaftsstruktur Doppelstöckiges Modell Gesellschafter Fremdkapitalaufnahme Finanzholding Kapitalerhöhung Netzgesellschaft AssetNetz Eigenkapital zur Verfügung steht, sollte das zum Kauf des Versorgungsnetzes notwendige Eigenkapital durch eine Eigenkapitalerhöhung der Gesellschafter bereitgestellt werden. Doppelstöckiges Modell Das doppelstöckige Modell wird typischerweise gewählt, wenn die überwiegende Fremdfinanzierung des Netzkaufes auf Ebene der Gesellschaft ohne zusätzliche Eigenkapitalaufbringung der Gesellschafter angestrebt wird und trotzdem eine regulierungsoptimale Kapitalstruktur erreicht werden soll. Zur Finanzierung des Netzkaufpreises wird das aufgenommene Fremdkapital der Finanzholding als Eigenkapital in die Netzgesellschaft eingebracht und dort als Basis zur Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung herangezogen (vgl. Abb. 3). Hierdurch kann jede beliebige kalkulatorische Eigenkapitalquote der Netzgesellschaft erreicht werden. In diesem Modell sind insbesondere die individuellen Kreditvertragskonditionen zu prüfen, denn nicht jeder Kreditvertrag lässt eine entsprechende Umwidmung beziehungsweise Übertragbarkeit auf eine andere Gesellschaft zu. Insbesondere bei Förderdarlehen ist diese Übertragbarkeit oftmals nicht gegeben. Einstöckiges versus doppelstöckiges Modell Die Wahl des Finanzierungsmodells hängt von diversen Einflussfaktoren ab, die jeweils im Einzelfall zu bewerten sind. Maßgeblich zur Entscheidungsfindung sind das zur Verfügung stehende echte Eigenkapital sowie die Frage, ob die übernehmende Gesellschaft bereits über Netzeigentum verfügt. Im einstöckigen Modell lässt sich eine im Bestandsnetz nicht optimale Kapitalstruktur entsprechend optimieren, da im Zuge der Netzübernahme die Bilanzstruktur neu gestaltet werden

6 R e g u l i e r u n g & N E T Z E kann. Gleichzeitig lassen sich unter Umständen aus Sicht des Regulierungsmanagements, der Netzsteuerung und der Investitionsplanung Vorteile bei einer integrierten Lösung erwirtschaften. Durch die Umsetzung eines doppelstöckigen Modells besteht die Möglichkeit, den Kauf eines Versorgungsnetzes ausschließlich mit Fremdkapital auf Ebene der Gesellschaft und ohne Eigenkapital der Gesellschafter zu finanzieren und trotzdem den maximal zulässigen Eigenkapitalanteil (40 Prozent des kalkulatorischen Restwertes) anzusetzen und die hohe Eigenkapitalverzinsung zu erzielen. Die Höhe des bereitgestellten Eigenkapitals kann im doppelstöckigen Modell flexibel gewählt werden, ohne die Kapitalstruktur des Bestandsnetzes negativ zu beeinflussen. Ausgestaltung der Kapitalstruktur Höhe der Eigenkapitalquote Neben der Modellwahl ist weiterhin die Höhe der Eigenkapitalquote zu diskutieren. Auch ein Abweichen von der regulatorisch optimalen Kapitalstruktur kann sich unter bestimmten Konstellationen vorteilhaft auswirken. Gemäß 7 Abs. 1, Satz 5 Strom/Gas NEV wird das über 40 Prozent hinausgehende Eigenkapital wie Fremdkapital verzinst (vgl. Abb. 4). Um die Auswir Abb. 4 kungen unterschiedlicher Kapitalquoten auf die Kapitalverzinsung zu verdeutlichen, erfolgt nachstehend eine vereinfachte Beispielrechnung. In Anlehnung an die aktuelle Regulierungspraxis wird ein Fremdkapitalzinssatz in Höhe von 3,98 Prozent pro Jahr und ein Mischzins (Alt und Neuanlagen) für die Eigenkapitalverzinsung in Höhe von 8,00 Prozent pro Jahr unterstellt. Bei einer regulatorisch optimalen Kapitalstruktur (Fall 1) kann unter identischen Rahmenbedingungen eine deutlich höhere Rendite erzielt werden. Die nominelle Höhe der Kapitalverzinsung fällt hier jedoch geringer aus als bei der vollständigen kalkulatorischen Eigenfinanzierung (Fall 2). Aus Sicht eines Unternehmens mit hohen Eigenkapital und Liquiditätsreserven ist zu beurteilen, ob eine vollständige Eigenfinanzierung des Netzes aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll sein kann. Trotz der geringeren Kapitalverzinsung im Fall 2 scheint die erzielbare Rendite im Vergleich zum derzeitigen Renditeniveau anderer Kapitalanlagen mit vergleichbarem Risiko durchaus attraktiv. Diese Einschätzung wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass verstärkt branchenfremde institutionelle Finanzinvestoren in Versorgungsnetze investieren. Bei der Aufnahme von Fremdkapital und der Möglichkeit der anschließenden Umwidmung zu Eigenkapital im doppelstöckigen Modell sollte geprüft werden, ob durch Arbitrageeffekte Finanzierungsgewinne erzielt werden können. Voraussetzung wäre ein Fremdkapitalkostensatz, der niedriger als der vom Regulierer angesetzte Zinssatz für das überschießende Eigenkapital ist. Zu berücksichtigen ist hier, dass durch die während der Darlehenslaufzeit anfallende Tilgung sofern kein endfälliges Darlehen aufgenommen werden kann im Regelfall negative Cashflows generiert werden, die jedoch Auswirkungen der Kapitalstruktur auf die kalkulatorische Kapitalverzinsung 01 02 Kalkulatorische Eigenkapitalquote 40 % Anlagevermögen Eigenkapital Kalk. Restwert 10.000 T Zinssatz 40 % 8,00 % Zinssatz > 40 % 3,98 % Kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung 4.200 T Umlaufvermögen 500 T Fremdkapital 6.300 T Kalkulatorische Eigenkapitalquote 100 % Anlagevermögen Kalk. Restwert 10.000 T Umlaufvermögen 500 T Zinssatz 40 % 8,00 % Zinssatz > 40 % 3,98 % 336 T 8,0 % 587 T 5,6 % Eigenkapital Fremdkapital 0 T Kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung mit einem kontinuierlichen Vermögensaufbau verbunden sind. Zusätzlich muss auch das Zinsänderungsrisiko infolge der Anpassung des kalkulatorischen Zinssatzes für das überschießende Eigenkapital zu Beginn einer Regulierungsperiode in die Betrachtung einbezogen werden. Besonders bei Darlehen mit kurzer oder ohne Zinsbindung ist dieses Risiko relevant. Der Kaufpreis als Rahmenparameter für die Kapitalstruktur Bei der Übernahme des Versorgungsnetzes ist der Kaufpreis von wesentlicher Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg der Investition. Der Altkonzessionär ist zwar zur Übergabe des Netzes verpflichtet, hat allerdings Anspruch auf eine wirtschaftlich angemessene Vergütung nach 46 EnWG. Die Höhe dieser wirtschaftlich angemessenen Vergütung ist im Regelfall strittig. Üblicherweise existieren drei relevante Wertansätze: der kalkulatorische Restwert (der in der Anreizregulierung anerkannte Restwert), der unter aktuellen Rahmenbedingungen darüber liegende Ertragswert und der Sachzeitwert (Anlagenrestwert auf der Grundlage des Tagesneuwertes unter Berücksichtigung der Altersstruktur sowie des Zustands des Netzes). Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der gezahlte Kaufpreis des Netzes bei der Ermittlung der Netzkosten keine Rolle spielt und somit ein überhöhter Kaufpreis nicht vollständig über die Netzentgelte refinanziert werden kann. Die maßgebliche Größe zur Berechnung der Netzentgelte ist der kalkulatorische Restwert des Anlagevermögens. Zum Erreichen einer optimalen kalkulatorischen Eigenkapitalquote von 40 Prozent ist es dementsprechend erforderlich, so viel Eigenkapital anzusetzen, dass aufgrund obiger Berechnungssystematik das Fremdkapital 60 Prozent des betriebsnotwendigen Vermögens nicht überschreitet. Das bedeutet, dass der gesamte, den kalkulatorischen Restwert

R e g u l i e r u n g & N E T Z E 7 Abb. 5 01 übersteigende Kaufpreisanteil durch Eigenkapital zu finanzieren ist, um das Fremdkapital auf 60 Prozent des kalkulatorischen, betriebsnotwendigen Vermögens zu begrenzen (vgl. Abb. 5). Hierbei ist zu beachten, dass die handelsbilanziellen Werte des verzinslichen und unverzinslichen Fremdkapitals maßgeblich zur Bestimmung des kalkulatorischen Eigenkapitals sind. Daher sollte immer anhand der kalkulatorischen Restwerte geprüft werden, wie viel verzinsliches und unverzinsliches Fremdkapital eingesetzt werden kann, um die optimale kalkulatorische Eigenkapitalquote nicht zu gefährden. Fazit Handelsrechtliche und kalkulatorische Bilanz des Netzübernehmers Handelsrechtliche Sphäre Anlagevermögen Netzkaufpreis 12.000 T Umlaufvermögen 500 T 12.500 T Eigenkapital Fremdkapital Die regulatorisch optimale Finanzierung einer Netzübernahme ist maßgeblich von den individuellen Zielvorgaben 6.200 T 6.300 T 12.500 T 02 Kalkulatorische Sphäre Kalkulatorischer Restwert 10.000 T + Umlaufvermögen 500 T = Betriebsnotwendiges Vermögen Fremdkapital (verzinslich und unverzinslich, bilanzieller Wert) 6.300 T = Kalkulatorisches Eigenkapital 4.200 T Bilanzielle Eigenkapitalquote: 52 % Kalkulatorische Eigenkapitalquote: 40 % des Netzübernehmers sowie seiner finanziellen Ausgangssituation abhängig. Sowohl das einstöckige als auch das doppelstöckige Übernahmemodell bieten dem Netzerwerber Möglichkeiten, die Kapitalstruktur und somit die Wirtschaftlichkeit der Netzübernahme zu optimieren. Der den kalkulatorischen Restwert übersteigende Kaufpreisanteil muss mit echtem oder umgewidmetem Eigenkapital finanziert werden. Ist dies nicht möglich, kann keine optimale kalkulatorische Eigenkapitalquote erreicht werden. Dies geht zulasten der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung und somit der Wirtschaftlichkeit der Netzübernahme. Die Beschaffung von Fremdkapital wird vor dem Hintergrund einer strengeren Bankenregulierung zunehmend schwieriger. So führen beispielsweise stärkere Eigenkapitalunterlegungsvorschriften aus dem Reformpaket Basel III zu einer restriktiveren Kreditvergabe. Selbst Kommunen oder rein kommunale Stadtwerke müssen steigende Fremdkapitalzinsen und erhöhte Anforderungen an die Kreditsicherheiten akzeptieren. Somit rückt das Thema der Kapitalbeschaffung immer stärker in den Fokus. Hier bieten unter Umständen Förderprogramme Abhilfe, deren Anwendbarkeit und Vorteilhaftigkeit jedoch im Detail geprüft werden muss. Letztlich ist ein maßgeschneidertes Finanzierungskonzept notwendig, das mit dem jeweiligen Kreditinstitut umzusetzen ist. zur Person Oliver Ganster Jahrgang 1987 Studium zum Master of Science Wirtschaftsingenieur, TU Clausthal seit 2013 Berater, Bereich Energiewirtschaft bei Rödl & Partner oliver.ganster@roedl.com Peer Welling Jahrgang 1983 Studium zum DiplomKaufmann, RWTH Aachen seit 2011 Berater, Bereich Energiewirtschaft bei Rödl & Partner peer.welling@roedl.com Dr. Matthias Koch Jahrgang 1967 Studium und Promotion, TU Berlin sowie Master of Business Administration (MBA), Open University seit 1996 in der energiewirtschaftlichen Beratung in verschiedenen Beratungsunternehmen seit 2010 Associate Partner, Bereich Energiewirtschaft bei Rödl & Partner matthias.koch@roedl.com