Schwerpunkt: Prostatakrebs Prostatkrebs Ich habe Prostatakrebs Was ist zu tun? Der Urologe hat bei Ihnen durch eine Probeentnahme einen Prostatakrebs festgestellt und Ihnen die Diagnose mitgeteilt. Sie sind natürlich völlig niedergeschlagen und verzweifelt und wissen nicht genau, was Sie jetzt tun sollen. Ruhig Blut bei einem neu entdecken Prostatakrebs ist es meist so, dass keine Notfallsituation vorliegt. Man kann also in aller Ruhe überlegen, welche Therapie man wählt oder ob überhaupt eine Therapie notwendig ist. Dies wird der Arzt mit Ihnen besprechen. Sie haben selbstverständlich das Recht, sich eine weitere Meinung einzuholen. Empfehlenswert ist in aller Regel auch der Kontakt mit einer Selbsthilfegruppe, wo große Erfahrungen vorliegen. Die Betroffenen kennen die einzelnen Therapien und wissen auch in der Regel, wo die Behandlung gut durchgeführt wird. Beim Prostatakrebs gibt es mehrere Behandlungen, die hauptsächlichen sind Operation und Bestrahlung, wobei die Bestrahlung unterteilt wird in eine Bestrahlung von außen und eine Bestrahlung von innen. Bei alten Patienten (70 Jahre und älter) kann man auch bei kleinen, nicht aggressiven Tumoren gar nichts tun und nur regelmäßig kontrollieren. Die Therapieentscheidung erfolgt heute in aller Regel stadienabhängig, wobei das Frühstadium dadurch definiert ist, dass Prozent der Patienten 100% 75% 50% 25% 0% Blaseninkonfinenz Dickdarmkomplikationen Impotenz der Tumormarker PSA <10 ng/ml ist und das architektonische Muster des Krebses als nicht wildwachsend eingeschätzt wird (Gleason Score < 6). Das mittlere Risiko liegt vor, wenn das architektonische Muster 7 beträgt und / oder der Tumor- Marker über 10 ng/ml ausfällt. Bei PSA- Werten über 20 ng/ml oder bei hohem Gleason-Score >7 muss von einem fortgeschrittenen Tumor ausgegangen werden. Bei niedrigem Risiko, also bei einem kleinen, nicht weit fortgeschrittenen Tumor ist es letztlich egal, welche Therapie gewählt wird, weil alle Behandlungen unter dem Strich bezüglich des Überlebens in etwa die gleichen Ergebnisse aufweisen. Dies gilt für die Operation und auch für die Bestrahlung von innen und für die Bestrahlung von außen. Sie können also für Ihre persönliche Lebenssituation entscheiden, was Ihnen lieber ist. Berücksichtigt werden muss natürlich auch das Nebenwirkungsmuster. Bei der Bestrahlung dauert die Therapie lang an, in der Regel 2 Monate und mehr. Die Operation ist hingegen in 2 Stunden durch. Bei der Operation liegt der Schwerpunkt der Nebenwirkungen eher im Bereich von Impotenz und Harninkontinenz. Bei der Bestrahlung gibt es diese Nebenwirkungen auch, aber im geringeren Maße. Hier kommen andere Nebenwirkungen zum Tragen, insbesondere von Seiten des Dickdarms. Es kann zu Stuhlinkontinenz, im schlimmsten Fall sogar zu Blutungen kommen. Es kann zu Blasenveränderungen kommen und auch die Wahrscheinlichkeit, dass durch die Behandlung später ein 2. Tumor Operation Äußere Bestrahlung Implantate Seeds (Abb. 1) Vergleich verschiedener Nebenwirkungshäufigkeiten nach Operation, äußerer und innerer Bestrahlungsimplantate auftritt, ist erhöht. Die geringsten Nebenwirkungen bei Patienten im Frühs t a d i u m h a b e n nach bisheriger Literatur die Bestrahlungen von innen, Seed-Therapie (Abb. 1), die aber an bestimmte Bedingungen gebunden ist, 4 Krebsmagazin.de Heft 26
(Abb. 3) (Abb. 2) z.b. geht es auch um die Größe des Prostataorgans. Bei der sog. Seed-Therapie werden ummantelte radioaktive Kapseln, die winzig klein sind, im Rahmen einer Operation in die Prostata eingesetzt und verbleiben dort lebenslang (Abb. 2). Die Radioaktivität zerfällt in sich selbst und besitzt eine Halbwertszeit von 2 Monaten. Diese Behandlung ist ein gutes Beispiel für eine Kooperation zwischen Urologen und Strahlentherapeuten. Beide Berufsgruppen behandeln gemeinsam. Im Operationssaal wird der Strahlenarzt oder der Strahlenphysiker die Dosis an der Prostata berechnen und dem Operateur vorgeben, wo die einzelnen Seeds einzusetzen sind; dies geschieht online (Abb. 3). Ca. 6 Wochen nach der Operation wird die Strahlendosis noch einmal überprüft. Diese Methode zeichnet sich durch ein geringes Nebenwirkungsprofil aus, ist aber nicht nebenwirkungsfrei. Die bisher vorliegenden Überlebensraten liegen zwischen 80% und über 90% fünf bis zehn Jahre nach Ende der Behandlung. Bei fortgeschrittenerem Tumor scheinen die neuen Techniken bei der Bestrahlung der Prostata möglicherweise der Operation überlegen zu sein, insbesondere, wenn die intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) mit einer Dosiseskalation gekoppelt ist. Hier werden dann Dosen von 72 Gy bis Voraussetzung: Klinisches Team bestehend aus: Urologe, Strahlentherapeut, Klinischer Physiker, Anästhesist, Schwestern / Pfleger Seeds im Röntgenbild des Beckens (Schrotschussmuster) knap 80 Gy gegeben, früher waren es bei 3D-konformaler Therapie maximal 66 Gy. Dadurch steigt die Erfolgsrate der Behandlung signifikant, insbesondere bei Patienten mit mittlerer oder schlechter Prognose (Abb. 4). Die intensitätsmodulierte Radiotherapie dauert in aller Regel etwas länger als die Standardbestrahlung (3D-konformal) und die Dosiseskalation ist an die sogenannte image guided radiotherapy gebunden, das bedeutet, dass besondere bildgebende Methoden angewendet werden, um die Exaktheit des Bestrahlungsfeldes regelmäßig zu überprüfen, da die Prostata sich während und zwischen den einzelnen Bestrahlungsfraktionen bewegt. Durch diese Beweglichkeit kann es, wenn die Exaktheit der Bestrahlungsfelder nicht regelmäßig überprüft wird, zu Fehlbestrahlungen und möglicherweise zu Strahlenschäden kommen. Der Vorteil der Operation hingegen wird insbesondere von urologischer Seite auch darin gesehen, dass bei Versagen dieser Behandlungsmethode eine anschließende Strahlentherapie immer noch möglich ist, die dann noch Heilungsraten von 80 bis 90 % aufweist. Umgekehrt ist es schwieriger. Falls die Strahlentherapie nicht erfolgreich ist, kann nicht in jedem Fall operiert werden; dies bedarf großer operationstechnischer Erfahrung, wird aber auch in Deutschland von erfahrenen Operateuren angeboten. Eine Hormontherapie wird in aller Regel bei fortgeschrittenen oder metastasierenden Tumoren verschrieben, teilweise Schwerpunkt: Prostatakrebs Aktuell 3 D-Bestrahlung IMRT-Bestrahlung (1988-1996) (4/1996-2001) Patientenzahl 1.100 772 Durchschnittlich verabreichte Dosis in Gy Kein Wiederanstieg des PSA Wertes nach 3 Jahren: Patienten mit guter Prognose (PSA 0-10ng/ml) Patienten mit Prognose im dazwischen liegenden Bereich (PSA 10-20 ng/ml) Patienten mit schlechter Prognose (PSA>20ng/ml) 68 76.5 bzw. 81.5 80 % 92 % 59% 86% 39 % 81 % bei fortgeschrittenen Tumoren auch in Kombination mit Bestrahlung, was das Gesamtergebnis deutlich verbessert. In einer von uns durchgeführten Patientenbefragung 2007 beantworteten 634 Patienten in ganz Deutschland Fragen zur Befindlichkeit nach Prostatakrebsbehandlung. Mehr als ¾ aller befragten Patienten waren im Nachhinein mit der Therapiewahl zufrieden, wobei die bestrahlten Patienten mit 96 % Zufriedenheit am besten abschnitten. Die gesamte Befragung lässt sich im Internet unter krebsmagazin.de im Heft 20 nachlesen. Prof. Dr. Wolfgang Wagner Herausgeber Krebsmagazin, Paracelsus Strahlenklinik, Osnabrück www.prof-wolfgang-wagner.de (Abb. 4) Biochemische Tumorkontrollquoten 3D-konformale Therapie gegenüber IMRT am Memorial Sloan Kettering Cancer Center i Krebsmagazin.de Heft 26 5
Schwerpunkt: Prostatakrebs Im Februar 2008 startete das Leitlinienprogramm Onkologie eine Kooperation der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Krebshilfe und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften mit dem Ziel, gemeinsam die Entwicklung, Fortschreibung und den Einsatz wissenschaftlich begründeter und praktikabler Leitlinien in der Onkologie zu fördern. Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie wurde die S3-Prostatakarzinom- Leitlinie unter Mitwirkung von sechs Fachgesellschaften, zwei Berufsverbänden, des Dachverbandes der Selbsthilfegruppen und der Deutschen Krebsgesellschaft, die an der Diagnostik und Therapie von Patienten mit Prostatakarzinom beteiligt sind, erstellt. Die Leitlinie befasst sich mit den Themenkomplexen Prävention, Diagnostik und Stadieneinteilung, Therapie des lokal begrenzten und lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms sowie mit der Rehabilitation und Nachsorge. Es werden konkrete Empfehlungen ausgesprochen, insbesondere zur PSA-gestützten Früherkennung, zu den unterschiedlichen Verfahren zur Die neue Behandlungsleitlinie für das Prostatakarzinom Behandlung des lokal begrenzten Prostatakarzinoms und zu den verschiedenen Maßnahmen zur Hormonbehandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms. Auch für den Umgang mit Rezidivtumoren werden Empfehlungen gegeben. Neu ist, dass Ärzte mit höchstem Empfehlungsgrad darauf hingewiesen werden, ihre Patienten über kurative und defensive Strategien aufzuklären. Die Leitlinie weist 13 Kapitel aus, wobei die Schwerpunkte auf folgenden Themen liegen: Karzinoms metastasierten oder rezidivierten Karzinoms Lebensqualität Bei der Aufklärung von Männern, deren Väter und/oder Brüder an einem Prostatakarzinom erkrankt sind, leitet sich aus dem genetischen Risiko die Empfehlung ab, sie auf ein 2fach höheres Erkrankungsrisiko hinzuweisen. Durch die PSA-Bestimmung zur Früherkennung des Prostatakarzinoms ist der Anteil früher Stadien deutlich angestiegen. Zur Früherkennungsuntersuchung ist die PSA-Bestimmung geeignet. Mit dieser Maßnahme ist jedoch ein hohes Risiko für ggf. nicht notwendige diagnostische und therapeutische Konsequenzen verbunden, so dass nach den bisher vorliegenden Daten eine generelle Empfehlung für ein Screening nicht gegeben wird. Ein geeignetes bildgebendes Screening- Verfahren existiert nicht. Eine erste PSA- Bestimmung wird im Alter ab 40 Jahre empfohlen. Liegt der PSA-Wert <2ng/ml, sollte in zweijährigen Intervallen kontrolliert werden. Das Ziel dieser Empfehlung ist es, bei asymptomatischen Männern mit einer Lebenserwartung von noch mindestens 10 bis 15 Jahren aggressive Tumoren im noch auf das Organ begrenzten Stadium zu erkennen. Nicht lebensbedrohliche Karzinome sollen lediglich überwacht werden. Ziel der Früherkennung ist heute, nur die therapiebedürftigen Prostatakarzinome nachzuweisen. Mit der frühen PSA-Bestimmung im Alter ab dem 40. Lebensjahr lässt sich die Nutzbarkeit der PSA-Kinetik verbessern und ein Teil der unnötigen Biopsien und Therapien vermeiden. Eine generelle jährliche Früherkennungsuntersuchung wird nicht empfohlen. Männer mit einem PSA- Wert <2ng/ml werden in einem zweijährigen Intervall kontrolliert. 6 Krebsmagazin.de Heft 26
Schwerpunkt: Prostatakrebs Diagnostik und Therapie Zu den Methoden der feingeweblichen Untersuchung wurden Standards zwischen Urologen und Pathologen vereinbart. Empfehlungen zur bildgebenden Diagnostik Computertomographie und Szintigraphie wurden erstellt. Sie helfen, unnötige Untersuchungen zu vermeiden. Männer mit einem gut differenzierten Tumor (Gleason-Score unter >7ng/ml) und einem lokal begrenzten Tumor bedürfen keiner zusätzlichen bildgebenden Diagnostik zur Stadienfestlegung. Nur bei einem PSA-Wert >10ng/ml oder lokal fortgeschrittenem Tumor wird eine Skelettszintigraphie empfohlen. Therapie des nicht metastasierten Prostatakarzinoms Patienten in diesen Tumorstadien sollen über die verschiedenen möglichen Therapieansätze wie kurative Intervention, verzögertes Vorgehen (active surveillance) oder palliative Strategie (watchful waiting Hormontherapie) informiert werden. Die Option des verzögerten Vorgehens wird dabei als gleichrangig mit der Option der Operation, der perkutanen Strahlentherapie und der Brachytherapie gesetzt. Über die unerwünschten Wirkungen und Therapiefolgen nach Operation oder Bestrahlung ist der Patient zu unterrichten. Vor einer kurativen Therapie sollten Betroffene Informationen sowohl vom Urologen als auch vom Strahlentherapeuten über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren erhalten. Bei niedrigerem Risikoprofil des Tumors ist die interstitielle LDR-Monotherapie (Brachytherapie, Seeds) eine Behandlungsoption. Hochintensiver fokussierter Ultraschall und Kryotherapie sind dagegen keine adäquate Behandlungsalternativen. Therapie des lokal fortgeschrittenen Tumors Die radikale Operation ist eine Option. Über ihre Vor- und Nachteile ist verständlich aufzuklären, ebenso über die der Lymphadenektomie. Eine weitere Therapieoption ist die perkutane Bestrahlung in Kombination mit einer Hormonbehandlung. Entscheidet sich der Patient in diesem Stadium der Erkrankung gegen eine Behandlung mit Heilungsaussicht, dann soll er über kontrollierte Beobachtung (watchful waiting) und über den sofortigen Hormonentzug aufgeklärt werden. Auch hier liegt der Schwerpunkt auf einer individuellen Therapie unter Einbeziehung der Präferenz des Patienten. Für symptomatische Patienten mit metastasierter Erkrankung unter medikamentöser Kastration wird eine interdisziplinäre Beratung empfohlen. Die verschiedenen Therapieoptionen umfassen Chemotherapie, die Gabe von Biphosphonaten und die perkutane Strahlentherapie. Ein Rezidiv nach Radikaloperation wurde definiert durch zwei bestätigte PSA-Werten >0,2ng/ml, ein Rezidiv nach Strahlentherapie durch zwei bestätigte Messungen eines PSA Anstiegs von >2ng/ml über den PSA-Nadir. Es werden Empfehlungen zur Rehabilitation gegeben, insbesondere für Patienten mit Harninkontinenz und erektiler Dysfunktion. Bei asymptomatischen Patienten beschränkt sich die Nachsorge auf zunächst vierteljährliche, nach zwei Jahren halbjährliche Untersuchungen mit PSA-Bestimmung. Die neue S3 Behandlungsleitlinien im Internet: 1) Originalfassung 621 Seiten: www.aezq.de/edocs/pdf/leitlinien/s3-leitlinieprostatakarzinom-konsultationsfassung 2) Patientenfassung: www.aezq.de/edocs/pdf/info/plprostatakarzinom i Prof. Dr. Joachim H. Hartlapp, Herausgeber Krebsmagazin, Paracelsus Klinik Osnabrück Krebsmagazin.de Heft 26 7
Schwerpunkt: Prostatakrebs Rehabilitation bei Prostatakrebs Interview mit Dr. med. Dr. phil. Stefan Buntrock Welchen Stellenwert besitzt die Rehabilitation nach Prostata-Ca und mit welchen Problemen kommen die meisten Männer nach einer operativen Prostataentfernung zu Ihnen? Für die Genesung von Patienten, die wegen eines Prostatakarzinoms behandelt wurden, ist die Reha oder Anschlussheilbehandlung (AHB) eigentlich unabdingbar, weil die Behandlung vielfach Nebenwirkungen hinterlässt und zwar in variabler Art und Weise. Zu den größten Problemen nach einer Operation gehören Inkontinenz und Impotenz. Grundsätzlich lässt sich sagen, das fast jeder große Eingriff in den menschlichen Körper eine (vorübergehende) Beeinträchtigung der Lebensqualität mit sich bringt. Eine Rehamaßnahme kann Betroffenen hier wichtige Hilfestellungen leisten. Am Beispiel von großen internationalen Studien konnte gezeigt werden, dass die Kontinenzraten nach 3 und 12 Monaten sich bei Patienten mit Reha deutlich (signifikant) höher darstellen als bei Patienten, die keine Rehamaßnahme genutzt haben. Mit Beckenbodengymnastik wird vielen Patienten mit Inkotinenzproblemen geholfen, ihre Kontinenz zurück zu erlangen. Im Rahmen einer Patientenbefragung unseres Krebsmagazins im Jahr 2007 haben wir von einigen Patienten einen Hinweis darauf bekommen, dass Patienten, die schon vor ihrer Operation Beckenbodengymnastik betrieben haben, deutlich eher kontinent sind, als Patienten die dies erst nach der Operation während der Anschlussheilbehandlung in der Reha erlernten. Teilen Sie diese Einschätzung? Eine interessante und aktuelle Frage. Jüngst ist eine Publikation dahingehend erschienen. Eine Forschergruppe um Antonia Centemero und Lorenzo Rigatti aus dem italienischen Mailand veröffentlichten im Februar 2010 die Ergebnisse einer Untersuchung, die Ihre Vermutung untermauert. Die italienischen Forscher unterteilten ein Kollektiv von 118 Prostatakrebspatienten in zwei Gruppen, von denen eine aktive bereits vor der Operation mit dem Beckenbodentraining begann und dies nach der Operation fortsetzte und die andere Kontrollgruppe ausschließlich erst nach der Operation das Beckenbodentraining aufnahm. Die Kontinenzraten der beiden Gruppen zeigten dabei folgende Entwicklung: Aktive Gruppe Kontrollgruppe 1 Monat nach der OP 44,1 % 20,3 % 3 Monate nach der OP 59,3 % 37,3 % Patienten, die vor der Operation mit dem Beckenbodentraining beginnen, profitieren mit 59,3% nach drei Monaten demnach deutlich gegenüber den Patienten, die erst nach der Operation das Beckenbodentraining (37,3%) begannen. Bei diesen Zahlen fällt jedoch auf, dass auch in der aktiven Gruppe immer noch fast 40 % Probleme mit der Inkontinenz haben. Wie sehen Sie das? Ein weiterer wichtiger Aspekt erscheint mir in diesem Zusammenhang auch in der Unterstützung und Anleitung der Patienten durch erfahrene Therapeuten zu liegen. Gerade hier können Patienten von einer AHB profitieren. Breits 2008 untersuchte Mari Oevergard mit ihrer norwegischen Forschergruppe von der Universität Trondheim den Einfluss von Physiotherapie auf die Kontinenzraten im Anschluss an die Operation. Diejenigen, die regelmäßig physiotherapeutisch geschult wurden, waren bereits nach 6 Monaten kontinenter als die, welche nur eine Einführung in das Beckenbodentraining erhalten hatten. 8 Krebsmagazin.de Heft 26
Die Kontinenzraten der beiden Gruppe zeigten dabei folgende Entwicklung: Gruppe mit regelm. physioth. Coaching Kontrollgruppe mit Einführung durch Physiotherapeuten 3 Monate nach der OP 46 % 43 % 6 Monate nach der OP 79 % 58 % 12 Monate nach der OP 92 % 72 % Nach einem Jahr waren demnach 92 % der Patienten, die vor der Operation mit dem Beckenbodentraining begonnen haben wieder Kontinent gegenüber 72 % in der Kontrollgruppe. Lohnt es sich sportlich aktiv zu sein? Körperlich aktive Menschen, also Personen die sich im Trainingsstatus befinden, werden wesentlich schneller kontinent als andere, die nicht trainieren. Dies unterstreicht also auch den Stellenwert des Trainings selbst im höheren Alter. Gibt es einen Zusammenhang von Fitness und Potenz oder Kontinenz? Generell kann man glaube ich sagen: Fitness geht unter die Gürtellinie. Bei körperlicher Fitness denkt man häufig nur an Herz-Kreislauf Erkrankungen, aber auch die Funktion der Urogenitalorgane kann durch Fitness deutlich positv beeinflusst werden. Seit kurzem gibt es die Da Vinci Roboter OP-Methode. Verursacht diese Methode Nebenwirkungen? Es ist ja kein Roboter der hier operiert, sondern ein Mensch. Insofern kann die Bezeichnung Roboteroperation leicht in die Irre führen. Ich würde mir künftig Geräte wünschen, die unter Aufsicht und Kontrolle eines Arztes vollautomatisch operieren und erkranktes von gesundem Gewebe während der OP automatisch unterscheiden können. Dies ist jedoch noch Zukunftsmusik. Zur Zeit ist es so, dass die Maschinen noch immer vom Menschen gesteuert werden, dementsprechend zeigen auch die derzeitigen Studien, dass die Roboter Schwerpunkt: Prostatakrebs nicht per se besser sind. Was besser ist, ist natürlich die Krankenhausverweildauer, sowie die Blutungen. In Zeiten knapper Ressourcen ist es natürlich positiv, wenn man durch moderne Verfahren eine Verkürzung von Liegezeiten erreichen kann und auch zu besseren kosmetischen Ergebnissen gelangt; das Allerwichtigste aus Patientensicht ist jedoch, dass er seinen Tumor vollständig los wird. Mit welchen Nebenwirkungen haben Patienten zu rechnen, die nach einer Strahlentherapie zu Ihnen kommen? Bei Männern die nach einer Strahlenbehandlung zu uns kommen, sind die Probleme andere. Die Strahlentherapie hat sich in den letzten Jahren jedoch deutlich gewandelt. Europaweit werden mehr Patienten strahlentherapeutisch behandelt und auch die Verfahren sind durch genaue Computerberechnung der Strahlenfelder genauer geworden. Dies bedeutet, dass man das Strahlenfeld besser eingrenzen kann und es daher im Vergleich zu früher seltener zu Nebenwirkungen kommt. Da bei der Bestrahlung der Prostata die Blase und der Enddarm im Strahlenfeld liegen, können sie durch die Strahlentherapie beeinflusst werden. Meistens ist das glücklicherweise nur vorübergehend. Nebenwirkungen sind dann z.b. teilweise blutige Durchfälle, gleichzeitiger Abgang von Wind und Stuhl, häufiges Wasserlassen oder Brennen beim Wasserlassen oder die Harnröhre und Harnleiter können sich strahlenbedingt verengen. In der aktuellen Literatur wird die Komplikationsrate mit bis zu 10% angegeben. Das ist glücklicherweise nicht sehr häufig, tauchen jedoch Probleme auf, können diese für Betroffene recht unangenehm sein. Was können Sie Männern nach der Diagnose Prostatakrebs generell empfehlen? In der Regel macht sich eine Radikalbehandlung des Prostatakrebses für den Betroffenen erst nach Ablauf von 10 Jahren bezahlt. So lange würde es für die meisten dauern, bis sie mit ihrem Tumor Probleme bekämen, würden sie sich nicht behandeln lassen. Meine generelle Empfehlung ist daher: sehen Sie zu, daß Sie in Zukunft gesund leben, um Ihr Risiko für andere schwere Erkrankungen auf ein Minimum zu senken. Wer die vier simpelsten Gesundheitsempfehlungen befolgt, kann schließlich die Wahrscheinlichkeit an einer ernsthaften chronischen Erkrankung wie Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs oder Diabetes zu erkranken selbst um 78 % senken. Zu diesen Gesundheitsempfehlungen zählen: 1) nicht rauchen 2) wenig Alkohol 3) auf eine gesunde Ernährung achten (viel Obst und Gemüse, Vollkornbrot und geringer Fleischkonsum), 4) 3,5 Stunden je Woche körperliche Aktivitäten ausüben und 5) einen Bodymaßindex von unter 30 einhalten (Gewicht in kg dividiert durch Höhe in Metern zum Quadrat) Das ist in gekürzter Form das bemerkenswerte Ergebnis der Potsdamer EPIC Studie aus dem Jahr 2009 und sollte uns allen Mut machen, aktiv für unsere eigene Gesundheit zu engagieren. Es lohnt sich! i Dr. med. Dr. phil. Stefan Buntrock Klinik am Kurpark/FEBU Ziergartensraße 19, 34537 Bad Wildungen Krebsmagazin.de Heft 26 9