Was wirklich zählt in Zeiten des Umbruchs Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello
Leben und Arbeiten in Zeiten des Umbruchs FACHKOMPETENZ + SOZIALE KOMPETENZ + SELBSTKOMPETENZ 2
Übersicht 1. Gesellschaftlicher Wandel Auswirkungen auf Gesellschaft und Individuum 2. Moderne Lebensläufe - äusserst bewegt, insbesondere in den mittleren Jahren 1. Kernkompetenzen zur Bewältigung schwieriger Zeiten 3
Gesellschaftlicher Wandel die Megatrends Herausforderungen und Chancen > Demographischer Wandel: Diversität (Generationen, Gender, Kultur) > Wertewandel: Individualisierung, Pluralisierung > Technologiewandel > Demokratisierung von Wissen > Beschleunigung 4
Lebensläufe haben sich verändert Destandardisierung der Lebensläufe: >Biografische Transitionen: weniger normiert, zunehmend privatisiert, gesellschaftlich weniger sichtbar, dafür zahlreicher (mehr Brüche - beruflich und privat). >Gestiegener Originalitätsanspruch bei der Gestaltung des Lebenslaufs (Individualisierung) und damit Gefahr der Überforderung der Selbststeuerungs-Kompetenz. 5
Die Arbeitswelt hat sich verändert Effizienzsteigerung als Hauptziel Schweiz soll produktiver werden! Tagesanzeiger 15.12.2015 Druck zur Effizienzsteigerung Arbeitsverdichtung- u. Beschleunigung Fragmentierung Ständige Erreichbarkeit Entgrenzung der Arbeit Kürzere Halbwertzeit von Wissen und Kompetenz Verlust an Sicherheit WERTEWANDEL 6
Die Kosten Stress und Überforderung Seco-Stress-Studie 2010 7
Burn-out Wer ist am meisten gefährdet? 8
Burnout und Scheidung kein überraschender Zusammenhang Absolute Anzahl Scheidungen nach Alter, Schweiz 2013 9
Kumulation biografischer Transitionen Krisenpotential in den mittleren Jahren Persönliche Transitionen Körperliche Veränderungen Neue Zeitperspektive > Bilanzierungsprozesse Partnerschaftliche u. familiale Transitionen Scheidungen Sandwich-Position: Sorge für Kinder und Eltern Berufliche Transitionen Neuorientierungen Wiedereinstieg, Ausstieg 10
Biografische Transitionen haben Krisenpotenzial und bergen Chancen > Transitionen unterbrechen den Lebensverlauf, lösen Individuen/Systeme aus Zusammenhängen und erfordern eine Reorganisation des Lebens. > Transitionen verändern Rollen, Beziehungen und Identitäten; sie führen zu einer veränderten Selbst- und Umweltwahrnehmung sowie zu einem emotionalen Ungleichgewicht. > Jedoch: grosse Unterschiede im Umgang mit diesen Herausforderungen. Krisis = Wendepunkt, Entscheidung 11
Resilienz ist gefragt - kein Wunder! Fachkompetenz + soziale Kompetenz + Selbstkompetenz Empowerment = Befähigung der Mitarbeitenden zu Experten in eigener Sache. Sie sind sich ihrer Kompetenzen bewusst und entwickeln diese gezielt weiter; verbessert die psychische Gesundheit in Unternehmen um 31% (Bruch/Kowalevski, 2013) 12
Sein statt Haben Selbsterkenntnis als Ziel - heute nötiger denn je Selbsterkenntnis - Basis für die Erkenntnis der Welt. Was sind meine Stärken, was die Schwächen? Gnothi Seautón Wo ist Entwicklungspotential? Erkenne dich selbst! Zu viel Haben, zu wenig Sein >Existenzweise Haben: Der Mensch definiert sich über das, was er hat. Er entfremdet sich dabei zunehmend von sich selbst, wird dabei krank und unglücklich. > Existenzweise Sein: Der Mensch definiert sich über das, was er ist. Er ist achtsamer sich und anderen gegenüber. SELBSTENTFALTUNG: SEIN statt Haben! (Erich Fromm) 13
Psychische Resilienz Wiederentdeckung eines alten Konzepts Psychische Widerstandfähigkeit und Fähigkeit, auf Widerwärtigkeiten des Lebens flexibel zu reagieren, erfolgreich mit Schwierigkeiten umzugehen, an ihnen zu wachsen. Resultat einer komplexen Person-Umwelt-Interaktion: Optimale Passung zwischen dispositionellen Eigenschaften und protektiven Faktoren ausserhalb der Person. Psychische Resilienz ist nicht Schicksal, sondern kann erlernt werden und durch gezielte Angebote und Strukturen gefördert werden. Achtung: Psychische Resilienz hat Grenzen! 14
Krisen überwinden Die gesellschaftlichen Bedingungen prägen entscheidend sind letztlich die Einstellungswerte. (in Anlehnung an Viktor Frankl) 15
Das Geheimnis der Resilienz Charakterstärken Resiliente Menschen besitzen bis zu 7 Charakterstärken, die besonders typisch für sie sind => Signaturstärke! 16
Charakterstärken Der gute Mix macht s! Mässigung Mentale Stärke Selbstregulation(-kontrolle), Wille Mut und Gerechtigkeit Selbstverantwortlichkeit, Ausdauer, Emotionale Stärke Ehrlichkeit, Tapferkeit, Tatendrang, Fairness Liebe und Menschlichkeit Fähigkeit zu lieben und geliebt zu werden: Interpersonale Stärke Freundlichkeit, Mitgefühl, soziale Intelligenz Weisheit und Wissen Kognitive Stärke Transzendenz Spirituelle Stärke Neugier, Urteilsvermögen, Aufgeschlossenheit, Weitsicht Kreativität Sinn für das Schöne, Dankbarkeit, Hoffnung, Humor, Religiosität und Spiritualität Charakterstärken können erlernt werden! 17
Mentale Stärke Impulskontrolle Impulskontrolle in früher Kindheit korreliert im Erwachsenenalter u.a. mit -Schul-/Berufserfolg, emotionalem/sozialem Coping, Aggression und Delinquenz (Mischel et al., 1988; 2015) -Selbstwert, Umgang mit Stress, Drogen, Sozialverhalten, Persönlichkeitsstörungen, PTSD (Ayduk et al., 2000) Verzichten und Aushalten es ist nie zu spät es zu lernen! 18
Emotionale Stärke Selbstwirksamkeit - Selbstverantwortung Selbstwirksamkeitsüberzeugungen sind Voraussetzung für Selbstverantwortung. Was kann ich bewirken? Was liegt in meiner Macht? - internale Überzeugungen = Selbstverantwortlichkeit - externale Überzeugungen = Schicksalhaftigkeit >Akzeptieren des Schicksals bei gleichzeitiger Aktivierung der eigenen Möglichkeiten (Selbstverantwortlichkeit) ist das Kernelement zum Verständnis eines erfüllten Lebens. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen sind bis ins hohe Alter erlernbar! 19
Soziale Stärke/Verantwortung Generativität > Wunsch, etwas zu schaffen, das die eigene Existenz überdauert, gebraucht zu werden, > Verantwortung und Engagement für nachkommende Generationen. > Entwicklungsaufgabe des mittleren Erwachsenenalters > Individuelle Sinnfindung und gesellschaftliche Notwendigkeit 20
Kognitive Stärke Kreativität Was zeichnet kreative Menschen aus? > eine offene und staunende Haltung: Das Staunen ist der Anfang der Erkenntnis (Platon); "Nichts ist selbstverständlich (A. Einstein). > Sensitivität für Probleme, Freude an komplexen Aufgaben. > Ambiguitätstoleranz, Vorliebe für unstrukturierte, mehrdeutige Situationen: ein Denken nicht in den Kategorien "entweder-oder", sondern "sowohl-als-auch. > Fähigkeit zum Querdenken; Zusammenhänge suchen, wo andere sie nie suchen würden; 21
Spirituelle Stärke Das Prinzip Hoffnung 3.00 Was tun Sie, um Ihre Hoffnungen zu erfüllen? 18-29J 40-59J >60J 2.50 2.00 1.50 1.00 0.50 0.00 nachdenken, analysieren auf Gott vertrauen Verantwortung übernehmen Freunde motivieren Familie motivieren Gespräch mit Lebenspartner 22
Wege zur psychischen Resilienz Die American Psychological Association (APA): 10 Wege zur Resilienz: 1.Krisen nicht als unüberwindbare Probleme einstufen 2.Veränderungen als Teil des Lebens akzeptieren 3.Probleme richtig einordnen 4.Proaktiv sein und klare Entscheidungen treffen 5.Zielstrebig eigene (realistische) Ziele verfolgen 6.Netzwerke bilden; gegenseitige Unterstützung fördern 7.Möglichkeiten zur Selbstreflexion nutzen 8.Die positive Selbstwahrnehmung fördern 9. Optimistisch bleiben 10. Auf sich Acht geben für sich gut sorgen! 23
Die Gnade des Nullpunkts Johannes Tauler (1300-1361) Ordentliches inneres Üben ist notwendig zur Überwindung der Krise : -Innehalten, Bilanzieren -Offen sein für Neues -Neu definieren -Nicht alles kontrollieren wollen -Relativieren -Eigene Standards entwickeln 24