Lösungshinweise. Der Verwaltungsrechtsweg müsste für die Klage der N eröffnet sein.

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Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene Sommersemester 2016 Prof. Dr. Christoph Degenhart A. Zulässigkeit Besprechungsfall 4 Lösungshinweise Die Klage der N ist zulässig, wenn alle allgemeinen und besonderen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen. I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs Der Verwaltungsrechtsweg müsste für die Klage der N eröffnet sein. Mangels aufdrängender Sonderzuweisung könnte die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs aus 40 Abs. 1 S. 1 VwGO folgen. Dazu müsste eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art vorliegen und eine abdrängende Sonderzuweisung dürfte nicht eingreifen. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn die den Streit entscheidenden Normen dem öffentlichen Recht entstammen. Vorliegend sind dies die Normen der SächsBO und des BauGB, die dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt deshalb vor. Die Streitigkeit ist nicht verfassungsrechtlicher Art, wenn sie eine sogenannte doppelte Verfassungsunmittelbarkeit nicht aufweist, d.h. der Streit weder zwischen Personen des Verfassungslebens geführt wird noch es im Kern um die Auslegung oder Anwendbarkeit von Verfassungsrecht geht. Beides ist vorliegend nicht der Fall. Die Streitigkeit ist deshalb nicht verfassungsrechtlicher Art. Da schließlich auch keine abdrängende Sonderzuweisung eingreift, ist der Verwaltungsrechtsweg nach 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. II. Beteiligungs- und Prozessfähigkeit Die Beteiligungsfähigkeit der N folgt aus 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO, jene des Landkreises L, der als rechtsfähige Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts ( 1 Abs. 2 SächsLKrO) eine juristische Person ist, aus 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO. Die Prozessfähigkeit der N folgt aus 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Der Landkreis L ist als juristische Person dagegen nicht prozessfähig, er wird jedoch nach 62 Abs. 3 VwGO von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten. Dies ist der Landrat nach 47 Abs. 1 S. 2 SächsLKrO. III. Statthaftigkeit Die Klage der N müsste statthaft sein. Statthaft ist die Klage, wenn sie zum begehrten Rechtsschutzziel führen kann. Maßgeblich ist demnach das Klagebegehren der N ( 88 VwGO).

N begehrt von der Behörde den Erlass einer Beseitigungsanordnung. Da es sich hierbei um einen Verwaltungsakt i.s.d. 1 S. 1 SächsVwVfZG i.v.m. 35 S. 1 VwVfG handelt, kann sie dieses Rechtsschutzziel mit der Verpflichtungsklage nach 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO erreichen. Die Klage der N ist folglich als Verpflichtungsklage statthaft. IV. Erfolgloses Vorverfahren Bevor N Klage erheben kann, muss sie zunächst nach 68 Abs. 2, 1 S. 1, 69 VwGO das Vorverfahren durch Erhebung des Widerspruchs in Gang setzen. Grundsätzlich erst nach Zustellung eines Widerspruchsbescheids ( 73 Abs. 1 S. 1 VwGO) kann N Klage erheben, 74 Abs. 1 S. 1 VwGO. V. Klagebefugnis N müsste nach 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt sein. Dafür müsste sie glaubhaft geltend machen können, durch die Unterlassung möglicherweise in eigenen Rechten verletzt zu sein (Möglichkeitstheorie). Dies ist der Fall, wenn sie möglicherweise ein subjektiv-öffentliches Recht auf Erteilung der Beseitigungsanordnung hat. Die Beseitigung von Anlagen ist in 80 S. 1 SächsBO geregelt. Da die Vorschrift den Erlass einer Beseitigungsanordnung in das Ermessen der Behörde ( kann ) stellt, kann N aus der Norm nicht unmittelbar Rechte herleiten. Sie hat jedoch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, so dass sie möglicherweise durch Verdichtung des Ermessens ihr zugunsten mittelbar einen Anspruch auf Einschreiten aus 80 S. 1 SächsBO herleiten kann. Eine solche Ermessensreduktion auf Null ist vorliegend nicht von vornherein ausgeschlossen, weil S möglicherweise gegen die nachbarschützende Norm des 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 1 SächsBO verstoßen hat, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Behörde im Interesse der N zum Einschreiten verpflichtet ist. Folglich kann N ein subjektiv-öffentliches Recht auf Erteilung der Beseitigungsanordnung glaubhaft machen. Sie ist deshalb klagebefugt. VI. Richtiger Klagegegner Die Klage ist nach dem Rechtsträgerprinzip des 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen die Körperschaft zu richten, deren Behörde die begehrte Beseitigungsanordnung unterlassen hat. Vorliegend hat die Behörde Landratsamt L die begehrte Beseitigungsanordnung nicht erteilt, weshalb die Klage gegen den Landkreis L zu richten ist. Denn nach 1 Abs. 4 SächsLKrO ist das Landratsamt die Behörde des Landkreises. Anmerkung: Es ist kein Fehler, 78 VwGO nicht anzusprechen, da auch vertreten wird, dessen Voraussetzungen in der Begründetheit unter dem Punkt Passivlegitimation zu prüfen. VII. Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung N müsste die Klage gemäß der 81, 82 VwGO formgerecht und gemäß 74 Abs. 2, 1 VwGO fristgerecht erheben.

VIII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist von einem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis der N auszugehen. IX. Ergebnis Damit kann N alle allgemeinen und besonderen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllen. Eine Klage der N vor dem zuständigen Verwaltungsgericht ist nach Durchführung eines erfolglosen Widerspruchsverfahrens zulässig. B. Begründetheit Das Landratsamt L darf die begehrte Beseitigungsanordnung erteilen, wenn es hierzu durch eine Norm ermächtigt ist und die formellen sowie materiellen Voraussetzungen dieser Norm vorliegen. I. Ermächtigungsgrundlage Ermächtigungsgrundlage zur Erteilung einer Beseitigungsanordnung ist 80 S. 1 SächsBO. II. Formelle Voraussetzungen 1. Zuständigkeit Zunächst müsste das Landratsamt L sachlich und örtlich zuständig sein. Der Vollzug der SächsBO und insbesondere die Erteilung einer Beseitigungsanordnung fallen gemäß 57 Abs. 1 S. 2, 1 Nr. 1 SächsBO in die Verbandszuständigkeit des Landkreises L und innerhalb des Landkreises in die Organzuständigkeit des Landrats, weil es sich hierbei um ein Geschäft der laufenden Verwaltung gemäß 49 Abs. 2 S. 1 SächsLKrO handelt. Folglich ist das Landratsamt L als Behörde des Landkreises, 1 Abs. 4 SächsLKrO, sachlich zuständig. Das Landratsamt L ist nach 1 S. 1 SächsVwVfZG i.v.m. 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG auch örtlich zuständig, weil das Grundstück des S im Bezirk des Landkreises liegt. 2. Verfahren Die Beseitigungsanordnung müsste verfahrensgemäß ergehen. Insbesondere ist S als Adressat der Anordnung vor deren Erteilung nach 1 S. 1 SächsVwVfZG i.v.m. 28 Abs. 1 VwVfG anzuhören, da die Beseitigungsanordnung einen Verwaltungsakt i.s.d. 1 S. 1 SächsVwVfZG i.v.m. 35 S. 1 VwVfG darstellt, der in die Rechte des S eingreift. 3. Form Die Beseitigungsanordnung müsste formgerecht ergehen. Insbesondere ist sie gemäß 1 S. 1 SächsVwVfZG i.v.m. 39 Abs. 1 S. 1 VwVfG zu begründen. 4. Zwischenergebnis Das Landratsamt L kann die Beseitigungsanordnung formell rechtmäßig erteilen.

III. Materielle Voraussetzungen 1. Tatbestandsvoraussetzungen Die Tatbestandsvoraussetzungen des 80 S. 1 SächsBO müssten vorliegen. Dem Wortlaut nach ist dies der Fall, wenn eine Anlage im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtet worden ist, d.h. das Vorhaben formell oder materiell illegal ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet indes eine einschränkende Auslegung: ist das Vorhaben allein formell rechtswidrig, ist die formelle Legalisierung immer milderes Mittel. Zudem verstieße eine Beseitigungsanordnung wegen nur formeller Illegalität gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. 80 S. 1 SächsBO kann daher nur Anwendung finden, wenn das Vorhaben auch materiell illegal ist. Anmerkung: Die verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift kann auch auf der Rechtsfolgenseite im Ermessen angesprochen werden. Im Folgenden darf die Prüfung nicht auf die materielle Illegalität des Vorhabens beschränkt bleiben. Denn wäre ein Vorhaben zwar materiell illegal, aber formell legal, so wäre weiter zu untersuchen, ob die formelle Legalität die Erteilung einer Beseitigungsanordnung ausschließt (Stichwort Legalisierungswirkung der Baugenehmigung ). a) Errichtung einer Anlage Die Werkstatt ist eine Anlage i.s.d. 2 Abs. 1 S. 4, 1 SächsBO, weil sie eine mit dem Boden verbundene, aus Bauprodukten hergestellt Anlage ist. Sie ist errichtet worden, weil eine neue Anlage geschaffen wurde. b) Formelle Illegalität Die Errichtung der Werkstatt könnte formell illegal sein. Von formeller Illegalität spricht man, wenn das Vorhaben Verfahrensvorschriften widerspricht. Die wäre der Fall, wenn S die Werkstatt entgegen 72 Abs. 6 Nr. 1 SächsBO ohne Baugenehmigung errichtet hätte. Voraussetzung ist demnach, dass S für sein Vorhaben einer Baugenehmigung bedürfte. Im Grundsatz bedarf die Errichtung von Anlagen der Baugenehmigung, 59 Abs. 1 SächsBO. Eine Ausnahme von der Genehmigungsbedürftigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. a SächsBO, da die Werkstatt eine Grundfläche von 30 m² aufweist. Die Errichtung der Werkstatt könnte aber nach 62 Abs. 1, 2 SächsBO genehmigungsfrei sein. Die Werkstatt ist zwar kein Sonderbau i.s.d. 2 Abs. 4 SächsBO, indes liegt sie entgegen 62 Abs. 2 Nr. 1 SächsBO nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans i.s.d. 30 Abs. 1, 12, 30 Abs. 2 BauGB. Deshalb ist das Vorhaben auch nicht nach 62 Abs. 1, 2 SächsBO genehmigungsfrei gestellt. Da es somit beim Grundsatz der Genehmigungsbedürftigkeit bleibt, S die Werkstatt aber ohne Baugenehmigung errichtet hat, ist das Vorhaben formell illegal. c) Materielle Illegalität Die Errichtung der Werkstatt könnte auch materiell illegal sein.

(1) Verstoß gegen Bauplanungsrecht Die Errichtung der Werkstatt könnte auch gegen Bauplanungsrecht, insbesondere gegen 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BauGB verstoßen, wonach ein Vorhaben im nicht beplanten Innenbereich nur zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. (a) Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs Damit der Anwendungsbereich des 34 BauGB eröffnet ist, müsste es sich bei dem Vorhaben des S um ein solches i.s.d. 29 Abs. 1 BauGB, d.h. um die Errichtung einer baulichen Anlage mit bodenrechtlicher Relevanz handeln ( 29 BauGB als Einfallstor zu den bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitstatbeständen der 30 bis 37 BauGB). Eine Anlage i.s.d. Bauplanungsrechts setzt voraus, dass sie in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden ist (unabhängiger bauplanungsrechtlicher Anlagenbegriff), was für die Werkstatt zu bejahen ist. Zudem wurde die Werkstatt errichtet (s.o.). Eine Anlage i.s.d. Bauplanungsrechts ist außerdem nur eine solche, die das Anliegen des Bauplanungsrechts nach Lenkung und Ordnung des Baugeschehens beeinflussen kann. Die Errichtung der Werkstatt müsste also von bodenrechtlicher Relevanz sein. Dies ist der Fall, wenn die Errichtung der Werkstatt die in 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen. Die Errichtung der Werkstatt berührt aufgrund der zu erwartenden Lärmimmission die Belange aus 1 Abs. 6 Nr. 1 und 7 BauGB und aufgrund ihrer gewerblichen Nutzung als Steinmetzerei die Belange des 1 Abs. 6 Nr. 8 BauGB erheblich, so dass das Bedürfnis nach einer die Zulässigkeit des Vorhabens regelnden verbindlichen Bauleitplanung besteht. Die Errichtung der Werkstatt ist deshalb von bodenrechtlicher Relevanz, sie ist mithin ein Vorhaben i.s.d. 29 Abs. 1 BauGB und eröffnet den sachlichen Anwendungsbereich des 34 BauGB. (b) Eröffnung des räumlichen Anwendungsbereichs Der an sich vorrangige Zulässigkeitstatbestand des 30 BauGB ist vorliegend nicht einschlägig, weil das Grundstück des S nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans gelegen ist. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich deshalb nach 34 BauGB, wenn das Grundstück des S in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil liegt. Dies ist hier aufgrund der Lage des Grundstücks in einem Bebauungszusammenhang, der den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erweckt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist, zu bejahen. (c) Erschließung ist gesichert 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BauGB setzt für die Zulässigkeit des Vorhabens zunächst voraus, dass seine Erschließung gesichert ist. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist anzunehmen, dass die am Grundstück des S vorbeiführende Gottesackerstraße das Grundstück wegemäßig hinreichend erschließt.

(d) Einfügen dem Maß nach ( 34 Abs. 1 S. 1 BauGB) Dafür, dass sich die Steinmetzerei-Werkstatt im Weiteren nicht dem Maß nach in die nähere Umgebung einfügt, bestehen keine Anhaltspunkte. (e) Einfügen der Art nach ( 34 Abs. 2 BauGB) Fraglich ist aber, ob sich die Werkstatt auch der Art nach in die nähere Umgebung einfügt. Die Beurteilung richtet sich dabei nach der BauNVO, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete entspricht, 34 Abs. 2 BauGB. Die nähere Umgebung, die mit zweistöckigen Wohnhäusern ( 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO), einer dem Bedarf der Bewohner entsprechenden Bäckerei und Bar ( 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) sowie einer Kirche mit angrenzendem Friedhof ( 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) bebaut ist, entspricht einem allgemeinen Wohngebiet i.s.d. 4 BauNVO. Die Zulässigkeit der Steinmetzerei- Werkstatt richtet sich deshalb nach 4 BauNVO. Als Handwerksbetrieb ist die Steinmetzerei-Werkstatt gemäß 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nur dann zulässig, wenn sie nicht störend ist. Da die Bearbeitung von Stein aber erheblichen Lärm verursacht, wirkt sich die Steinmetzerei-Werkstatt störend auf die nähere Umgebung aus. Ihre Errichtung ist daher nach 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 BauNVO unzulässig, das Vorhaben fügt sich folglich seiner Art nach nicht in die nähere Umgebung ein. (f) Zwischenergebnis Die Errichtung der Werkstatt verstößt gegen 34 Abs. 2 BauGB i.v.m. 4 BauNVO, d.h. gegen Bauplanungsrecht. (2) Verstoß gegen Bauordnungsrecht Das Vorhaben könnte gegen Bauordnungsrecht, insbesondere gegen 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 1 SächsBO verstoßen. Nach dieser Vorschrift müssen Außenwände von Gebäuden zu den Grundstücksgrenzen einen Mindestabstand von 3 m wahren. Da die Werkstatt ein Gebäude gemäß 2 Abs. 2 SächsBO ist und zur Grundstücksgrenze zu N nur einen Abstand von 2 m aufweist, verstößt die Errichtung der Werkstatt gegen dieses Mindestabstandsgebot. (3) Zwischenergebnis Folglich ist das Vorhaben auch materiell illegal. d) Zwischenergebnis Da die Errichtung der Werkstatt formell und materiell illegal ist, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des 80 S. 1 SächsBO vor, so dass es im Ermessen der Behörde steht, die Beseitigung der Werkstatt anzuordnen.

2. Rechtsfolge: Ermessen Die Erteilung der Beseitigungsanordnung müsste ermessensfehlerfrei erfolgen können. Die begehrte Rechtsfolge einer Beseitigungsanordnung gegenüber S müsste dem Zweck des 80 S. 1 SächsBO entsprechen und dürfte die gesetzlichen Grenzen nicht überschreiten, 1. S. 1 SächsVwVfZG i.v.m. 40 VwVfG. a) Entschließungsermessen Die gesetzlichen Grenzen wären aber überschritten, wenn die Beseitigungsanordnung unverhältnismäßig in die Rechte des S eingreifen würde. (1) Erforderlichkeit Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die Beseitigungsanordnung nicht erforderlich wäre, weil auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten, 80 S. 1 a.e. SächsBO. (a) Abweichung von der Mindestabstandsfläche Die Bauordnungsmäßigkeit des Vorhabens könnte etwa durch Zulassung einer Abweichung vom gesetzlichen Mindestabstand des 6 Abs. 5 S. 1 SächsBO nach 67 Abs. 1 S. 1 SächsBO hergestellt werden. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Zulassung eines Abstands von nur 2 m den Zweck der Mindestabstandsfläche von 3 m wahrt. Der Zweck der Mindestabstandsfläche ist die Gewährleistung einer gesundheitszuträglichen Besonnung der Gebäude, die Wahrung des Wohnfriedens und die Verhütung des Übergreifens von Gebäudebränden auf andere Gebäude. Unter diesen Gesichtspunkten ist der vom Gesetzgeber festgelegte Mindestabstand als das äußerste Minimum zu begreifen, so dass von ihm Abweichungen nicht zugelassen werden können. (b) Befreiung von den Anforderungen des 4 BauNVO Möglicherweise könnte das Vorhaben durch Befreiung von den Voraussetzungen des 4 BauNVO nach 34 Abs. 2 a.e., 31 Abs. 2 BauGB in Einklang mit Bauplanungsrecht gebracht werden. Dafür müsste die Befreiung aber mit den nachbarlichen Interessen vereinbar sein, 31 Abs. 2 a.e. BauGB. Hier überwiegt das Interesse der Nachbarn an Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) die Vorteile für die Allgemeinheit, die aus einer Steinmetzerei in unmittelbarer Nähe des Friedhofs folgen. In Anbetracht der von dem Lärm einer Steinmetzerei ausgehenden Gesundheitsgefahren ist es den Friedhofsnutzern zumutbar, Grabsteine für ihre verstorbenen Angehörigen von einer weiter entfernt liegenden Steinmetzerei zu beziehen. (c) Nutzungsuntersagung In Hinblick auf den Verstoß gegen 34 Abs. 2 BauGB i.v.m. 4 BauNVO könnte eine Nutzungsuntersagung im Sinne einer Nutzungsbeschränkung nach 80 S. 2 SächsBO gegenüber der Beseitigungsanordnung nach 80 S. 1 SächsBO milderes Mittel sein. Denn der Verstoß gegen 4 BauNVO rührt nicht von dem Werkstattgebäude selbst her, sondern aus

seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch als Steinmetzerei. Damit liegen die Voraussetzungen des 80 S. 2 SächsBO vor, so dass die Nutzungsbeschränkung als milderes Mittel vorrangig zu erteilen wäre. Dies gilt jedoch nur im Hinblick auf den Verstoß gegen 34 Abs. 2 BauGB i.v.m. 4 BauNVO, ändert jedoch nichts daran, dass die Nichtwahrung des Mindestabstands nach 6 Abs. 5 S. 1 SächsBO einer Rechtmäßigkeit des Vorhabens entgegensteht, die nur durch Abriss der Werkstatt hergestellt werden kann. (d) Zwischenergebnis Rechtmäßige Zustände können mangels Zulassung von Abweichungen sowie Befreiungen nicht hergestellt werden. Die Erteilung einer Nutzungsuntersagung als milderes Mittel vermag das Vorhaben allein in Einklang mit Bauplanungsrecht zu bringen. (2) Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i.e.s.) Die Beseitigung der Werkstatt dürfte dem S nicht unzumutbar sein. Dies aber wäre der Fall, wenn seine Interessen die der Nachbarn überwiegen. Es steht im Interesse des S, seine Tätigkeit als Steinmetz in der Werkstatt aufzunehmen. Dieses Interesse wird von der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG geschützt. Dem Interesse des S auf Berufsfreiheit steht jedoch das erhebliche Interesse der Nachbarn auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) gegenüber, das durch den nicht eingehaltenen Mindestabstand bedroht ist. Das nur in der Berufsausübung beschränkte Recht des S auf Berufsfreiheit (Eingriff auf erster Stufe nach der Stufentheorie) muss hinter dem erheblich gefährdeten Interesse auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Nachbarn zurückstehen. Möglicherweise gewährt jedoch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Bestandsschutz für die einmal errichtete Werkstatt. Indes schützt Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nur solche Vorhaben, die einmal im Einklang mit dem Baurecht errichtet worden sind. Handelt es sich hier jedoch um ein Vorhaben, das niemals materiell legal gewesen ist, so gewährt Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG keinen Schutz. Denn das Eigentum wird nicht schrankenlos, sondern gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG innerhalb der verfassungsmäßigen Gesetze, wie sie 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 1 SächsBO und 34 Abs. 2 BauGB i.v.m. 4 BauNVO darstellen, gewährt. Schließlich kommt in Betracht, dass zugunsten des S finanzielle Interessen zu berücksichtigen sind, da er finanzielle Aufwendungen für die Errichtung der Werkstatt getätigt hat. Indes ist S nicht schutzwürdig, da er damit rechnen musste, seine Werkstatt mangels Baugenehmigung wieder abreisen zu müssen; dies gegebenenfalls nach Einholung vorheriger Auskünfte. Jedenfalls wiegt hier das Interesse des Staates an der Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften höher. Im Ergebnis ist die Beseitigung der Werkstatt dem S zumutbar. Anmerkung: Es ist zulässig, die Angemessenheit kürzer abzuhandeln mit dem Hinweis darauf, dass jegliche wirtschaftliche Interessen des S keine Auswirkung auf die Abwägung haben. Denn der Schwarzbau des S wird von der Rechtsordnung rechtlich missbilligt, so dass die Folgen der Beseitigungsverfügung für ihn nicht von Belang sind. Außerdem hat der Staat ein erhebliches Interesse daran, gegen Schwarzbauten einzuschreiten, um der Umgehung baurechtlicher Vorschriften durch Schaffung vollendeter Tatsachen entgegenzuwirken.

(3) Zwischenergebnis Folglich kann das Ermessen der Behörde zulasten des S ausgeübt werden. b) Auswahlermessen Da laut Bearbeitervermerk zu unterstellen ist, dass ein Teilabbruch der Werkstatt nicht möglich ist, so dass dadurch die Mindestabstandsfläche des 6 Abs. 5 S. 1 SächsBO eingehalten werden könnte, kann auch das Auswahlermessen im Sinne einer vollständigen Beseitigung zulasten des S ausgeübt werden. c) Zwischenergebnis Somit kann das Ermessen fehlerfrei zulasten des S ausgeübt werden. 3. Zwischenergebnis Da die Tatbestandsvoraussetzungen des 80 S. 1 SächsBO vorliegen und das eingeräumte Ermessen nicht zugunsten des S verdichtet ist, liegen die materiellen Voraussetzungen der Beseitigungsanordnung vor. 4. Ermessensreduktion auf Null Das Landratsamt L ist sogar verpflichtet, die begehrte Beseitigungsanordnung zu erteilen, wenn N ein subjektiv-öffentliches Recht hierauf hat. Ein solches Recht räumt 80 S. 1 SächsBO der N grundsätzlich nicht ein, da die Vorschrift der Behörde ein Ermessen eröffnet ( kann ). N hat jedoch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, so dass sie ausnahmsweise aus 80 S. 1 SächsBO ein Recht herleiten kann, wenn das Ermessen ihr zugunsten auf Null reduziert ist. a) Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass S mit der Errichtung seiner Werkstatt gegen nachbarschützende Vorschriften verstoßen hat. Wie bereits oben festgestellt, verstößt die Errichtung der Werkstatt sowohl gegen 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 1 SächsBO als auch gegen 34 Abs. 2 BauGB i.v.m. 4 BauNVO. Fraglich ist, ob die Normen ihrem Zweck nach nachbarschützend sind (Schutznormtheorie). Anmerkung: Da bereits oben festgestellt wurde, dass der Verstoß gegen 34 Abs. 2 i.v.m. 4 BauNVO durch das mildere Mittel der Nutzungsbeschränkung gemäß 80 S. 2 BauNVO beseitigt werden kann, ist es auch zulässig, allein das Mindestabstandsgebot des 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 1 SächsBO auf seinen nachbarschützenden Charakter hin zu untersuchen. Da das Mindestabstandsgebot des 6 Abs. 5 S. 1 SächsBO den zugleich im öffentlichen wie im privaten Interesse liegenden Brandschutz wahrt, dem Einzelnen die unter Gesundheitsgesichtspunkten erforderliche Besonnung und Belüftung seiner Aufenthaltsräume gewährleisten will und dem Wohnfrieden dient, ist das Mindestabstandsgebot eine nachbarschützende Norm.

Die Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung ( 1 bis 15 BauNVO), die über 34 Abs. 2 BauGB auch im nicht beplanten Innenbereich Geltung haben, vermitteln den einzelnen Grundstückseigentümern in der näheren Umgebung eines Vorhabens den sogenannten nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruch. Aufgrund des Gebietserhaltungsanspruchs kann jeder Grundstückseigentümer der näheren Umgebung von den anderen Grundstückseigentümern die Wahrung der gebietstypischen Art der Bebauung durch Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften verlangen. Der Gebietserhaltungsanspruch leitet sich aus dem Verhältnis der Grundstückseigentümer in der näheren Umgebung zueinander ab: sie alle sind an die Festsetzungen der Gebietstypen der BauNVO gebunden, die den konkreten Gebietscharakter prägen und die Eigentümer in einer bau- und bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft binden, weil sie die Eigentümer in der baulichen Nutzung ihrer Grundstücke beeinträchtigen und zugleich begünstigen. Indem S ein in der näheren Umgebung unzulässiges Gebäude errichtet hat, hat er den Gebietserhaltungsanspruch der N verletzt. 34 Abs. 2 BauGB enthält i.v.m. 15 Abs. 1 BauNVO darüber hinaus das im Einzelfall drittschützende Gebot der Rücksichtnahme, wenn der Bauherr in besonders qualifizierter und individualisierter Weise auf Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht nehmen muss. Da aufgrund der Lage der Werkstatt an der Grundstücksgrenze zu N Rücksicht gerade auf das Interesse der N auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit zu nehmen ist, gewährt das Rücksichtnahmegebot der N im vorliegenden Fall Drittschutz. Das Rücksichtnahmegebot hat S verletzt, in dem eine Steinmetzerei-Werkstatt errichtete, von der erheblicher Lärm ausgeht, der der N nicht zumutbar ist (s.o.). b) Ermessensreduktion auf Null Da bereits oben festgestellt wurde, dass der Vorschrift des 34 Abs. 2 BauGB i.v.m. 4 BauNVO durch das mildere Mittel einer Nutzungsuntersagung nach 80 S. 2 SächsBO Genüge getan werden kann, ist eine Ermessensverdichtung zugunsten der N nur im Hinblick auf den Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot des 6 Abs. 5 S. 1 SächsBO denkbar. Es sind vorliegend die Rechtsgüter der N auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) durch die Nichteinhaltung des Mindestabstands gefährdet. Es handelt sich hierbei um eine Beeinträchtigung besonders wichtiger Grundrechte, denen S nur sein Interesse auf Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG) entgegensetzen kann, das aber hinter das Interesse der N zurücktreten muss (s.o.). Zum Schutz elementarer Lebenspositionen der N ist das Ermessen der Behörde folglich auf ein Einschreiten zugunsten der N reduziert. C. Ergebnis N hat einen Anspruch auf Erteilung der Beseitigungsanordnung. Der Landkreis L ist zu deren Erteilung verpflichtet. Somit ist die Klage der N zulässig und begründet. Ein gerichtliches Vorgehen hätte demnach Aussicht auf Erfolg.